Uncharted: Golden Abyss17.02.2012, Michael Krosta
Uncharted: Golden Abyss

Im Test:

Die PSP hat Nathan Drake nie mit seiner Anwesenheit beehrt. Doch auf der Vita lässt es sich der sympathische Abenteurer nicht nehmen, sich gleich zum Start in ein exklusives Abenteuer zu stürzen. Entfacht es die gleiche Faszination wie auf der PS3, wo Uncharted vor allem technisch Maßstäbe gesetzt hat?

Brillante Kulisse...

Was für eine Pracht! Wenn sich Drake durch abwechslungsreiche Kulissen wie den dichten Dschungel, verwitterte Ruinen, brennende Villen oder geheimnisvolle Höhlen kämpft, gewaltige Höhen erklimmt oder einfach nur die Umgebung erkundet und die fantastische Aussicht genießt, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Alleine die Wasserdarstellung, wenn man gemütlich in einem Kanu den Fluss entlang rudert oder per Gyroskopsteuerung den Hindernissen in einem reißenden Strom ausweicht, ist der Hammer!

Selbst abseits der neuen Aufgabe, vorgegebene Motive mit der Kamera festzuhalten, habe ich zwischendurch immer wieder wunderschöne Aufnahmen geknipst – etwa, wenn ich mit Drake oben auf einer Tempelruine stehe, die aus dem grünen Meer an Bäumen herausragt und mir einen Blick auf Gebirgszüge in der Ferne erlaubt, zwischen denen die Sonne die Umgebung in ein warmes Licht hüllt. Und dann diese geschmeidigen Animationen, wenn er von Deckung zu Deckung huscht, seine Widersacher im Nahkampf erledigt oder sich über einen Abgrund hangelt. Inszenierung? Cineastisch. Bombastisch. Packend.

Die Kulisse demonstriert, welche Power in der PS Vita steckt, aber...
Die Kulisse demonstriert, welche Power in der PS Vita steckt, aber...
Wie auf der PS3 habe ich selbst abseits der hervorragenden Zwischensequenzen ständig das Gefühl, in einem interaktiven Abenteuerfilm gelandet zu sein! Die hervorragende Synchronisation trägt zusammen mit dem großartigen Soundtrack (inklusive Chorälen) ebenfalls ihren Teil dazu bei, wobei mir die englische Tonspur wie schon auf der PS3 einen Tick besser gefällt.  Technisch lässt Uncharted im Handheldbereich derzeit alles hinter sich – sei es auf dem 3DS, den iOS-Plattformen oder der Vita.  

...mit Abstrichen

Trotzdem darf man nicht ein ähnlich hohes Niveau erwarten, wie man es zuletzt bei Uncharted 2 und dessen Nachfolger erlebt hat. Die Vita hat zwar ein enormes Leistungspotenzial, doch an die PS3 kann sie technisch nicht heran reichen: Es mangelt manchen Texturen nicht nur an Schärfe und Details - auch Pop-ups, grobe Schattendarstellung sowie Kantenbildung geben Anlass zur Kritik. Zudem treibt Entwickler Sony Bend die Hardware manchmal über ihre Grenzen – seltene, aber mitunter starke Einbrüche in der Bildrate sind die Folge. Auch die Animationen sind hier trotz ihrer Qualitäten nicht auf dem aktuellen Stand eines Uncharted 3, das wesentlich sanftere Übergänge bei Bewegungsabfolgen wie z.B. Richtungswechseln zeigt. Bei der Spielmechanik hinkt man ebenfalls etwas hinterher, denn das Zurückwerfen von Granaten ist hier nicht möglich – schade, denn im letzten Spiel erwies sich das als Bereicherung.

Klassisch und modern

...man kommt im technischen Detail nicht an die PlayStation 3-Abenteuer heran.
...man kommt im technischen Detail nicht an die PlayStation 3-Abenteuer heran.
Davon abgesehen bietet das Abenteuer alles, was man von der PS3 kennt: Vor allem dank der beiden Analogsticks steuert sich Drake genauso komfortabel wie mit einem Controller – sei es beim Klettern, Kämpfen oder Laufen. Wer im Umgang mit Waffen wie Pistolen, Schrot-, Maschinen- und Scharfschützengewehren nicht geübt ist, darf eine optionale Zielhilfe aktivieren. Schön auch, dass man frische Munition nicht länger per Knopfdruck aufsammeln muss, sondern frische Kugeln automatisch ins Inventar wandern, sobald man Drake in ihrer Nähe positioniert.

Neben der klassischen Steuerung bringen die Entwickler auch Touch als Alternative ins Spiel: Ihr wollt den Widersacher lieber mit einem Druck auf den Bildschirm ausknocken? Kein Problem, obwohl das nötige Umgreifen nicht jedermanns Sache sein dürfte – aber hey, man muss es ja nicht so machen. Richtig gut gefällt mir die Möglichkeit, die Route bei Klettereinlagen auf den Bildschirm zu zeichnen, auch wenn die Kraxeleien dadurch noch mehr an Anspruch verlieren, der innerhalb der Serie noch nie besonders hoch war. Muss man auf die gegenüberliegende Seite springen, lässt sich die Richtung optional mit Hilfe des Gyroskopsensors bestimmen, indem man die Vita in die entsprechende Richtung neigt. Dieser kommt auch zwingend zum Einsatz, wenn man Drake beim Überqueren von Baumstämmen oder anderen engen Objekten ausbalancieren muss. Überraschung: Was an der PS3 mit Sixaxis nervig war, funktioniert hier prima und fühlt sich natürlich an. Auch Granaten lassen sich per Touch präziser zum gewünschten Ziel befördern. Überflüssig erscheint mir die Mechanik, mich durch Streichbewegungen am hinteren Touchpanel am Seil auf und ab zu bewegen – intuitiv ist das nicht! Beim Zoomen der Kameralinse oder des Zielfernrohrs kann sie dagegen als brauchbare Alternative überzeugen.

Das gebrochene Versprechen

Trotzdem einiger Wackler macht es einen Heidenspaß, Drake auf seinem Weg zu begleiten.
Trotzdem einiger Wackler macht es einen Heidenspaß, Drake auf seinem Weg zu begleiten.
In Präsentationen hat Sony stets betont, dass die Touch-Elemente lediglich optional eingesetzt werden – wer Uncharted auf der Vita ausschließlich klassisch mit Knöpfen und Analogsticks spielen wolle, könne das tun, hieß es. Doch schon beim Startbildschirm wird das Versprechen gebrochen, denn mit den gewohnten Auswahlmethoden kommt man hier nicht weit – nur wer auf den Bildschirm drückt, kann Optionen auswählen oder mit Streichbewegungen zwischen ihnen wechseln. Okay, halb so schlimm, ist ja nur das Menü. Doch dabei bleibt es leider nicht: Muss man Drake nach einem waghalsigen Sprung oder an morschen Holzbalken vor dem drohenden Absturz bewahren, hilft nur das schnelle Umgreifen auf den Touchscreen – das Gleiche gilt für das Ausführen einer Räuberleiter, bei der man seinen Partner mit einer vertikalen Fingerbewegung nach oben hievt. Komplexere Muster sind nötig, wenn man sich z.B. mit der Machete durch die dichten Sträucher schlägt, hinter denen sich oft einer der zahlreichen Schätze verbirgt. Nur echte Spürnasen (oder Leser einer Komplettlösung) werden alle geheimen Verstecke und Objekte finden.

Dass Sony Bend die Rätsel fast ausschließlich für die Bedienung per Touch ausrichtet, ist sogar lobenswert, da das Freirubbeln von Pergamentrollen oder das Zusammensetzen und Drehen von Puzzleteilen für frischen Wind sorgt. Hier zeigt die Vita, dass sie dank ihrer Architektur das Spielerlebnis bereichern kann anstatt nur PS3-Recycling zu bieten. Vor allem die Einbindung der Kamera hat für einen genialen Wow-Moment gesorgt: Irgendwann findet Drake eine leeres Pergament, das auch nach dem üblichen Reiben sein Geheimnis nicht preisgeben will. Des Rätsels Lösung besteht darin, die Front-Kamera der Vita in ein helles Licht zu halten; erst dann werden  die Schriftzeichen sichtbar. Das ist klasse gemacht, wird aber nur an dieser einen Stelle genutzt – verständlich, denn ist man unterwegs, hat man nicht immer eine Lampe zur Hand und könnte im schlimmsten Fall gar nicht weiterspielen.

Zu wenig Kreativität

Trotz bekannter Schauplätze kann die Story nicht begeistern.
Trotz bekannter Schauplätze kann die Story nicht begeistern.
Während der Kameraeinsatz einmalig ist, nutzen sich die weiteren Rätselelemente im Laufe des gut zwölf Stunden langen Abenteuers spürbar ab: Irgendwann verliert man die Lust, ständig neue Puzzles zusammenzusetzen oder anderweitig den Bildschirm zu bearbeiten. Es mangelt an Abwechslung beim Rätseldesign, die nur zwischendurch aufblitzt. Das Untersuchen und Säubern von Gegenständen ist ebenfalls nervig, da man ständig zwischen dem vorderen und hinteren Touchscreen umgreifen muss.

Den Vogel schießen allerdings die beiden Bosskämpfe ab, die gegen Ende kurz aufeinander folgen: Diese muss man sich als eine Folge von Reaktionstests vorstellen, die ausschließlich über den Touchscreen ausgeführt werden. Was am PS3-Controller gut funktioniert, erweist sich hier als nervige Qual – auch deshalb, weil diese beiden interaktiven Filmsequenzen viel zu lang sind.

Eine gute Mischung

Abgesehen von diesen kleinen Durchhängern besticht auch Drakes Vita-Abenteuer durch ein gelungenes Leveldesign mit schönen Tempowechseln: Aufregende Ballereien, bei denen man MG-Geschütze auch mal flankieren muss, leiten über zu ruhigen Erkundungen, eingestreuten Rätseln, sowie Geschicklichkeits- oder Schleicheinlagen – und das alles

Vor allem die Wasserdarstellung gehört zu den technischen Highlights.
Vor allem die Wasserdarstellung gehört zu den technischen Highlights.
verbunden mit exzellenten Zwischensequenzen, welche die leider nicht ganz so exzellente Geschichte voran bringen. Nichts gegen versunkene Städte und geheimnisvolle Artefakte, aber dieses Thema ist vor allem bei dieser Reihe mittlerweile ausgelutscht.

Zumindest überzeugt die toughe Chase als Drakes neuer Sidekick – da die Handlung vor dem ersten Teil angesiedelt ist, spielen hier weder Elena noch Chloe eine Rolle. Bei Antagonist Dante verschenken die Entwickler allerdings viel Potenzial: So erfährt man bereits nach gefühlten zehn Sekunden, dass er Drakes neuer Widersacher wird. Erst nach diesem Tutorial, das zeitlich im letzten Drittel der Handlung angesiedelt ist, wird die Uhr zurückgedreht und man erlebt, wie beide noch als Partner gemeinsame Sache machen. Es wäre schön gewesen, wenn die Entwickler mehr mit der Unsicherheit gespielt hätten, ob man Dante vertrauen kann oder nicht. So herrschen von Anfang an klare Verhältnisse. 

Fazit

Wer sehen will, zu welchen technischen Leistungen die Vita fähig ist, kommt an Uncharted: Golden Abyss nicht vorbei. Doch Drakes mobiles Abenteuer ist mehr als nur eine Grafikdemo: Die  Mischung aus packender Action, Klettereinlagen, Rätseln und Filmsequenzen begeistert hier ähnlich wie auf der PS3, wobei die Steuerung über die beiden Analogsticks einen maßgeblichen Anteil daran trägt. Die neuen Touch-Elemente sind dagegen ein zweischneidiges Schwert: Bei den leider zu redundanten Rätseln sind sie eine Bereicherung, doch oftmals wirken sie aufgesetzt. Zudem vermisst man abseits der starken Technik spielerische Höhepunkte, die hier nur selten aufblitzen wie etwa beim genialen Kameraeinsatz. Es fehlt die Kreativität eines Naughty Dog, die selbst im dritten Teil mit der Drogensequenz oder dem atmosphärischen Marsch durch die Wüste noch überrascht haben. Abgesehen von den Rätseln besteht dieses Uncharted hauptsächlich aus bekannten Elementen, wobei man jüngste Weiterentwicklungen wie das Zurückwerfen von Granaten oder das Kontersystem bei Nahkämpfen nicht berücksichtigt hat. Von daher bekommt man, was man erwartet: Ein filmreif inszeniertes Abenteuer mit einer überragenden Technik, bei dem man trotz der durchschnittlichen Geschichte mitfiebert und die Vita erst dann wieder aus der Hand legt, wenn alle 34 Kapitel abgeschlossen sind. Und obwohl gerade das Ende mit den unsäglichen Touch-K(r)ämpfen einen Dämpfer bekommt, wird man sich beim Abspann zurücklehnen und sich sagen: Es war ja doch ein geiler Trip!

Wertung

PS_Vita

Ein filmreif inszeniertes Abenteuer mit einer überragenden Technik, bei dem man trotz lahmer Geschichte mitfiebert!

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