Im Test:
Brillante Kulisse...
Was für eine Pracht! Wenn sich Drake durch abwechslungsreiche Kulissen wie den dichten Dschungel, verwitterte Ruinen, brennende Villen oder geheimnisvolle Höhlen kämpft, gewaltige Höhen erklimmt oder einfach nur die Umgebung erkundet und die fantastische Aussicht genießt, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Alleine die Wasserdarstellung, wenn man gemütlich in einem Kanu den Fluss entlang rudert oder per Gyroskopsteuerung den Hindernissen in einem reißenden Strom ausweicht, ist der Hammer!
Selbst abseits der neuen Aufgabe, vorgegebene Motive mit der Kamera festzuhalten, habe ich zwischendurch immer wieder wunderschöne Aufnahmen geknipst – etwa, wenn ich mit Drake oben auf einer Tempelruine stehe, die aus dem grünen Meer an Bäumen herausragt und mir einen Blick auf Gebirgszüge in der Ferne erlaubt, zwischen denen die Sonne die Umgebung in ein warmes Licht hüllt. Und dann diese geschmeidigen Animationen, wenn er von Deckung zu Deckung huscht, seine Widersacher im Nahkampf erledigt oder sich über einen Abgrund hangelt. Inszenierung? Cineastisch. Bombastisch. Packend.
...mit Abstrichen
Trotzdem darf man nicht ein ähnlich hohes Niveau erwarten, wie man es zuletzt bei Uncharted 2 und dessen Nachfolger erlebt hat. Die Vita hat zwar ein enormes Leistungspotenzial, doch an die PS3 kann sie technisch nicht heran reichen: Es mangelt manchen Texturen nicht nur an Schärfe und Details - auch Pop-ups, grobe Schattendarstellung sowie Kantenbildung geben Anlass zur Kritik. Zudem treibt Entwickler Sony Bend die Hardware manchmal über ihre Grenzen – seltene, aber mitunter starke Einbrüche in der Bildrate sind die Folge. Auch die Animationen sind hier trotz ihrer Qualitäten nicht auf dem aktuellen Stand eines Uncharted 3, das wesentlich sanftere Übergänge bei Bewegungsabfolgen wie z.B. Richtungswechseln zeigt. Bei der Spielmechanik hinkt man ebenfalls etwas hinterher, denn das Zurückwerfen von Granaten ist hier nicht möglich – schade, denn im letzten Spiel erwies sich das als Bereicherung.
Klassisch und modern
Neben der klassischen Steuerung bringen die Entwickler auch Touch als Alternative ins Spiel: Ihr wollt den Widersacher lieber mit einem Druck auf den Bildschirm ausknocken? Kein Problem, obwohl das nötige Umgreifen nicht jedermanns Sache sein dürfte – aber hey, man muss es ja nicht so machen. Richtig gut gefällt mir die Möglichkeit, die Route bei Klettereinlagen auf den Bildschirm zu zeichnen, auch wenn die Kraxeleien dadurch noch mehr an Anspruch verlieren, der innerhalb der Serie noch nie besonders hoch war. Muss man auf die gegenüberliegende Seite springen, lässt sich die Richtung optional mit Hilfe des Gyroskopsensors bestimmen, indem man die Vita in die entsprechende Richtung neigt. Dieser kommt auch zwingend zum Einsatz, wenn man Drake beim Überqueren von Baumstämmen oder anderen engen Objekten ausbalancieren muss. Überraschung: Was an der PS3 mit Sixaxis nervig war, funktioniert hier prima und fühlt sich natürlich an. Auch Granaten lassen sich per Touch präziser zum gewünschten Ziel befördern. Überflüssig erscheint mir die Mechanik, mich durch Streichbewegungen am hinteren Touchpanel am Seil auf und ab zu bewegen – intuitiv ist das nicht! Beim Zoomen der Kameralinse oder des Zielfernrohrs kann sie dagegen als brauchbare Alternative überzeugen.
Das gebrochene Versprechen
Dass Sony Bend die Rätsel fast ausschließlich für die Bedienung per Touch ausrichtet, ist sogar lobenswert, da das Freirubbeln von Pergamentrollen oder das Zusammensetzen und Drehen von Puzzleteilen für frischen Wind sorgt. Hier zeigt die Vita, dass sie dank ihrer Architektur das Spielerlebnis bereichern kann anstatt nur PS3-Recycling zu bieten. Vor allem die Einbindung der Kamera hat für einen genialen Wow-Moment gesorgt: Irgendwann findet Drake eine leeres Pergament, das auch nach dem üblichen Reiben sein Geheimnis nicht preisgeben will. Des Rätsels Lösung besteht darin, die Front-Kamera der Vita in ein helles Licht zu halten; erst dann werden die Schriftzeichen sichtbar. Das ist klasse gemacht, wird aber nur an dieser einen Stelle genutzt – verständlich, denn ist man unterwegs, hat man nicht immer eine Lampe zur Hand und könnte im schlimmsten Fall gar nicht weiterspielen.
Zu wenig Kreativität
Den Vogel schießen allerdings die beiden Bosskämpfe ab, die gegen Ende kurz aufeinander folgen: Diese muss man sich als eine Folge von Reaktionstests vorstellen, die ausschließlich über den Touchscreen ausgeführt werden. Was am PS3-Controller gut funktioniert, erweist sich hier als nervige Qual – auch deshalb, weil diese beiden interaktiven Filmsequenzen viel zu lang sind.
Eine gute Mischung
Abgesehen von diesen kleinen Durchhängern besticht auch Drakes Vita-Abenteuer durch ein gelungenes Leveldesign mit schönen Tempowechseln: Aufregende Ballereien, bei denen man MG-Geschütze auch mal flankieren muss, leiten über zu ruhigen Erkundungen, eingestreuten Rätseln, sowie Geschicklichkeits- oder Schleicheinlagen – und das alles
Zumindest überzeugt die toughe Chase als Drakes neuer Sidekick – da die Handlung vor dem ersten Teil angesiedelt ist, spielen hier weder Elena noch Chloe eine Rolle. Bei Antagonist Dante verschenken die Entwickler allerdings viel Potenzial: So erfährt man bereits nach gefühlten zehn Sekunden, dass er Drakes neuer Widersacher wird. Erst nach diesem Tutorial, das zeitlich im letzten Drittel der Handlung angesiedelt ist, wird die Uhr zurückgedreht und man erlebt, wie beide noch als Partner gemeinsame Sache machen. Es wäre schön gewesen, wenn die Entwickler mehr mit der Unsicherheit gespielt hätten, ob man Dante vertrauen kann oder nicht. So herrschen von Anfang an klare Verhältnisse.
Fazit
Wer sehen will, zu welchen technischen Leistungen die Vita fähig ist, kommt an Uncharted: Golden Abyss nicht vorbei. Doch Drakes mobiles Abenteuer ist mehr als nur eine Grafikdemo: Die Mischung aus packender Action, Klettereinlagen, Rätseln und Filmsequenzen begeistert hier ähnlich wie auf der PS3, wobei die Steuerung über die beiden Analogsticks einen maßgeblichen Anteil daran trägt. Die neuen Touch-Elemente sind dagegen ein zweischneidiges Schwert: Bei den leider zu redundanten Rätseln sind sie eine Bereicherung, doch oftmals wirken sie aufgesetzt. Zudem vermisst man abseits der starken Technik spielerische Höhepunkte, die hier nur selten aufblitzen wie etwa beim genialen Kameraeinsatz. Es fehlt die Kreativität eines Naughty Dog, die selbst im dritten Teil mit der Drogensequenz oder dem atmosphärischen Marsch durch die Wüste noch überrascht haben. Abgesehen von den Rätseln besteht dieses Uncharted hauptsächlich aus bekannten Elementen, wobei man jüngste Weiterentwicklungen wie das Zurückwerfen von Granaten oder das Kontersystem bei Nahkämpfen nicht berücksichtigt hat. Von daher bekommt man, was man erwartet: Ein filmreif inszeniertes Abenteuer mit einer überragenden Technik, bei dem man trotz der durchschnittlichen Geschichte mitfiebert und die Vita erst dann wieder aus der Hand legt, wenn alle 34 Kapitel abgeschlossen sind. Und obwohl gerade das Ende mit den unsäglichen Touch-K(r)ämpfen einen Dämpfer bekommt, wird man sich beim Abspann zurücklehnen und sich sagen: Es war ja doch ein geiler Trip!
Wertung
PS_Vita
Ein filmreif inszeniertes Abenteuer mit einer überragenden Technik, bei dem man trotz lahmer Geschichte mitfiebert!
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