Micky Epic: Die Macht der 224.06.2013, Benjamin Schmädig
Micky Epic: Die Macht der 2

Im Test:

Ich mochte Micky und ich habe auch seinen neuen Kumpel richtig ins Herz geschlossen. Deshalb schaue ich mit einem weinenden Auge auf zwei Spiele zurück, zu denen Disney Interactive inzwischen alle Brücken abgebrochen hat. Nur eine Vita-Umsetzung erscheint dank Sony noch - meine Vorfreude darauf erhielt beim Spielen allerdings einen argen Dämpfer.

Schräg und wundervoll

Am besten erlebt man Micky Epic: Die Macht der 2 mit einem Freund, einer Freundin oder der Familie. Dann bewegt ein zweiter Spieler auf einer zweiten Vita Oswald durch Wasteland – die Welt vergessener Disneyfiguren und -Schauplätze. Dann gleitet Micky an den Füßen seines propellerohrigen Begleiters über Abgründe und während die Maus mit Farbe oder Verdünner kleckst, verteilt sein Partner Elektroschocks oder programmiert mechanische Gegner in freundlich gesonnene Roboter um. Immer haben beide zu tun, lösen kleine Rätsel oder werfen sich gegenseitig auf hohe Plattformen.

Genau wie Micky im Vorgänger kämpft, knobelt und klettert das Duo in einer schrägen Kulisse mit schrulligen Figuren – aus mechanischen Körperteilen gebaute Spiegelbilder bekannter Disney-Helden. Die Schauplätze sehen aus wie aus Holz gefertigte Filmkulissen; oft genug befindet hinter einem Haus tatsächlich nur eine Wand oder ein Abgrund. Viele Gebiete werden zwar in veränderter Form aus dem Vorgänger übernommen. Dennoch ist es ein exotisches Szenario, das durch gefühlvolle Musik und hervorragende Sprecher zum

Besonderheiten des Vita-Abenteuers

Die Technik macht auf dem Handheld leider einen ganz schlechten Eindruck, denn das Spiel läuft so zäh, dass dem Spiel jeder Schwung verloren geht. So haben Micky und Oswald in kniffligen Momenten vielleicht mehr Bedenkzeit - Spaß macht der behäbige Ablauf allerdings nicht.

Selbstverständlich nutzt das Spiel einige Besonderheiten der Vita: Man kann durch Berühren des Bildschirms Farbe oder Verdünner sprühen, wechselt Gegenstände mit einem Wisch, erteilt Oswald durch Antippen seiner Gedankenblase Befehle und lenkt durch Kippen des Handhelds den Rennwagen. Das funktioniert recht gut, man darf allerdings auch die herkömmliche Steuerung nutzen.

Das gemeinsame Spiel funktioniert übrigens auch auf Vita; es nutzt dafür die lokale WLAN-Verbindung. Leben erweckt wird.

Moralapostel oder Max und Moritz?

Der spielerische Kern ist der kreative Einfallsreichtum, mit dem Micky entweder durch Farbe Objekte entstehen lässt oder sie durch Verdünner entfernt. Die Entscheidung liegt fast immer beim Spieler: Es ist leichter, einen Turm einzureißen, wenn man die darunter versteckte Kugel erreichen will. Aber gibt es nicht einen rücksichtsvolleren Weg? Es ist auch leichter, die bösen Farbkleckse einfach auszuradieren. Oder will man die Wesen lieber durch Farbe zu Freunden machen? Es gibt kein Gut oder Böse. Man muss aber mit den Ergebnissen leben können.

Und leider sind die nicht immer absehbar. Müssen sie auch nicht bis zur letzten Konsequenz! Denn so bestimmt das Tun und Handeln des Augenblicks mein Vorgehen – in Wirklichkeit ist es oft nicht anders. Das Spiel zeigt mir allerdings nicht gut genug, was genau ich im Augenblick eigentlich mache. Schaffe ich durch das Fällen von Bäumen einen Weg zum Ausgang oder gelange ich darüber auf den Vorsprung, den ich erreichen möchte? Oft fehlt diese Verbindung von Aktion und Reaktion. Dann löse ich keine Probleme, sondern probiere einfach alles, was möglich ist. Ich kann mich nicht bewusst für ein Vorgehen entscheiden.

Die Handlungsfreiheit ist dennoch bemerkenswert: Zu fast jedem Ziel führen zwei Wege und beinahe jede Aufgabe kann ich entweder mit Verdünner oder Farbe lösen. Wenn ich manchmal zum Verdünner greifen muss, gewinnt das scheinbar böse Ausradieren sogar an Wert – clever. Das Malen und Entfernen ist zudem konsequenter als im Vorgänger, denn

Nicht immer ist erkennbar, welche Aktionen welchen Effekt haben werden.Nicht immer ist erkennbar, welche Aktionen welchen Effekt haben werden.
wenn Micky und Oswald an einen Ort zurückkehren, finden sie ihn diesmal so vor, wie sie ihn verlassen haben. Nur ausradierte oder befreundete Feinde merkt sich das Abenteuer leider nicht.

Du nervst!

Warum erlebt man dieses Abenteuer also am besten zu zweit? Am besten ist man mit einem Partner unterwegs, weil Oswald sonst vom Spiel gesteuert wird. Und die Handlungen dieses Oswalds sind häufig nicht nachvollziehbar. Warum springt der Hase nicht auf Mickys Plattform, sagt aber, dass er gleich bei ihm sein wird? Immerhin könnte ein zweiter Spieler denselben Oswald jederzeit dorthin bewegen. Wieso tritt er an manche Schalter nicht heran, wenn er anderswo über die gleichen Schalter mechanische Feinde zu Freunden macht? Als Solist erkenne ich nicht, welche Schalter Oswald bedienen kann und welche nur der Zierde dienen. Im Kampf gegen einen riesigen Sperling-Roboter wollte der Hase außerdem unseren Feind ablenken, so dass ich in Ruhe angreifen könne. Das

Oswald - als menschlicher Begleiter eine große Hilfe, auf sich gestellt manchmal undurchschaubar.
Oswald - als menschlicher Begleiter eine große Hilfe, auf sich gestellt manchmal undurchschaubar.
behauptete er jedenfalls wieder und wieder – während er tatenlos um den Spatz sprintete.

Oswald, bei aller Liebe: Du nervst!

Altersliebe

Mir fehlt diesmal auch das letzte Bisschen erzählerisches Feingefühl. Ging es in Micky Epic noch um Freundschaft, Liebe und die Folgen des Vergessenwerdens, dreht sich Die Macht der 2 fast nur um die Suche nach dem Feind. Die Geschichte ist trotzdem gut! Ihre Figuren sind ausgesprochen liebevoll gezeichnet und gesprochen. Sie nimmt interessante Wendungen und natürlich bestimmen meine Entscheidungen ihren Ausgang. Die emotionale Wärme des Vorgängers erreicht sie aber nicht. Geradezu märchenhaft sind dagegen gesungene Szenen, die mich wie auf einer Wolke in die Vergangenheit reisen lassen. Eigenartig: Ich war nie ein Fan der Musical-Einlagen. Inzwischen empfinde ich die Lieder aber als fantasievolle Bereicherung.

Bitte!

Eine ganz andere Bereicherung sind etliche Gefälligkeiten, um die Micky und Oswald gebeten werden. Jeder Wasteland-Bewohner sucht etwas: Fotos, Statuen, Bekannte, eine funktionierende Sicherung. Schön, dass es so viel zu entdecken gibt. Das meiste davon hat

Überall verstecken sich kleine Geheimnisse. Vieles befriedigt allerdings nur eine oberflächliche Sammelgier.
Überall verstecken sich kleine Geheimnisse. Vieles befriedigt allerdings nur eine oberflächliche Sammelgier.
allerdings kaum spielerischen oder erzählerischen Wert – so wird die fantastische Kulisse zur Durchreiche für Fast-Food-Dopamin. Muss ich ein Foto machen, darf ich das Motiv z.B. nicht selbst entdecken. Stattdessen sehe ich große Hinweisschilder, neben denen ich nur apathisch auf den Auslöser drücken muss.

Den Abschnitten, die an alte Jump&Run-Spiele erinnern, tut das Suchen und Finden hingegen gut. Die kurzen Szenen sind zwar nur Übergänge zwischen den zentralen Schauplätzen, dafür stehen kleine Rätsel im Vordergrund, in denen Micky und Oswald Köpfchen brauchen. Es sind diesmal viel mehr als bewegte Ladepausen: Zum einen erwecken die Kulissen auf lebendige Art und Weise zahlreiche Disney-Klassiker zum Leben, zum anderen ist der spielerische Anspruch deutlich höher als im Vorgänger. Ein eigenständiges Spiel könnten sie nicht füllen – als Pausenunterhaltung sind sie großartig!

Warren Spector und die Kamera

Ich wundere mich übrigens über Warren Spector, wenn der kreative Kopf hinter Micky Epic bei jeder Gelegenheit die verbesserte Kameraführung beschwor: Man könne das gesamte Abenteuer erleben, ohne die vom Spiel gewählte Perspektive zu ändern. Doch das

So gut wie von Spector versprochen funktioniert die neue Kamera leider nicht.
So gut wie von Spector versprochen funktioniert die neue Kamera leider nicht.
stimmt nicht. In engen Räumen hat die Kamera nach wie vor Schwierigkeiten, immer wieder schiebt sich ein Gegenstand zwischen Linse und Micky. Und schließlich ist es ganz unmöglich, alle Geheimnisse ohne einen Kameradreh zu entdecken.

Es ist nicht schlimm; letztlich stören nur kleine Macken die rechte Sicht. Ich bin sogar überrascht, wie gut das Umsehen und Zielen mit dem Pinsel funktioniert - auch wenn ich auf Vita leider nicht wählen darf, ob die Kamera jeder Bewegung des Analogsticks folgt oder ob ich sie erst dann drehe, wenn ich das Fadenkreuz weit genug in eine Richtung ziehe. Auf dem Handheld ärgert mich vor allem die technische Umsetzung, den weil sie das Geschehen nicht schnell genug darstellen kann, läuft das gesamte Spiel wie in Zeitlupe.

Fazit

Schade: Ich hätte lieber ein ausgereiftes Abenteuer erlebt als eine Fortsetzung, die ihren Vorgänger in allen Bereichen übertrumpfen will – es aber in keinem schafft. Denn obwohl ich Die Macht der 2 mit einem menschlichen Begleiter spielen darf, obwohl es mehr zu entdecken gibt und obwohl ich überall verschiedene Wege gehen darf: Jede Neuerung ergänzt das Spiel um kleine Fehler, die sich zu Ärgernissen stapeln. Die zahllosen Sammelaufgaben sind beliebig und aufgesetzt. Und ausgerechnet Mickys Begleiter Oswald, immerhin die größte Neuerung, erweist sich als undurchschaubarer Partner, weil das Zusammenspiel mitunter wie ein Glücksspiel wirkt. Trotzdem lebt auch das zweite Micky Epic von einem sympathischen Helden und dem eigenwilligen Schauplatz mit seinen schrulligen Einwohnern. Obwohl das Spiel mit den Konsequenzen nicht immer durchschaubar ist: Die große Handlungsfreiheit und das aktive Verändern der Kulissen sind wie im Vorgänger seine großen Stärken. Schade, dass es sich nicht auf den Ausbau dieser Stärken konzentriert. Bedauerlich auch, dass das technisch schwache Vita-Abenteuer viel Schwung verliert, weil es durchgehend wie eine zähe Zeitlupe anmutet.

Pro

schräge Märchenwelt mit schrulligen Einwohnern
umfassende Einbindung des Prinzips "€žGute" Farbe, "€žBöser" Verdünner
verschiedene Wege und Lösungsmöglichkeiten
stilistisch wundervolle Rückblicke in die Disney-Vergangenheit
viel zu entdecken, zahlreiche Sammelaufgaben
fantasievolle, gefühlvolle Musik
komplett zu zweit im lokalen Netzwerk spielbar
sinnvolle, wenn auch überflüssige Touchscreen-Einbindung

Kontra

zäher Ablauf wegen unverschämt niedriger Bildrate
Oswald verhält sich oft nicht nachvollziehbar
Einzelspieler dürfen nur Micky steuern
viele aus dem Vorgänger bekannte Orte
kurze Spielabschnitte mit relativ vielen Erklärungen
Kamera dreht sich eigenständig weg, hat in Ecken Schwierigkeiten
schwammige Steuerung fällt bei Springen und Klettern auf
einige unerwartet schwere Aufgaben und Kämpfe
nicht alle Entscheidungen werden gespeichert
Dutzende Sammelaufgaben wirken viel zu beliebig
keine Übersicht über bisher erreichbare Welt und Aufgaben

Wertung

PS_Vita

Die schlechte Technik kommt dem unterhaltsamen Spiel gefährlich in die Quere. Dem sympathischen Duo geht spätestens mit der Vita-Umsetzung die Luft aus.

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