Persona 4: Golden01.03.2013, Benjamin Schmädig
Persona 4: Golden

Im Test:

Die Schulbank drücken, freie Nachmittage, mit Freunden abhängen – das war ein Leben. Wir hatten ja alle Zeit der Welt: für Ausflüge, um shoppen zu gehen oder in den Fernseher zu klettern und in einer obskuren Parallelwelt fantastische Monster zu bekämpfen. Gut, vielleicht verwechsele ich ein, zwei Kleinigkeiten mit dem Alltag meines jugendlichen Persona-Helden. Dessen Schuljahr verläuft nämlich in recht ungewöhnlichen Bahnen…

Verrücktes Fernsehen!

Auf den ersten Blick ist Inaba eine ganz normale Kleinstadt: Man schlendert am Fluss entlang, trifft sich vor den kleinen Läden der Hauptstraße oder im modernen Einkaufszentrum. Für ein Jahr kommt Mike, wie ich den Helden genannt habe, aus der Großstadt hierher und zum gleichen Zeitpunkt beginnt eine Serie mysteriöser Morde. Mysteriös nicht nur, weil die Identität des Täters lange unbekannt bleibt, sondern auch, weil er seine Opfer offenbar in einer Welt im Inneren eines Fernsehers tötet.

Ein absurdes Geheimnis, dem Mike und seine neuen Freunde bald auf der Spur sind – trotzdem geht das Leben in Inaba ganz normal weiter. Also muss Mike für die Schule lernen, sein Taschengeld mit einem Nebenjob ausbessern, sich im Kunst- oder Sportkurs anmelden und darf trotz der Verpflichtungen seine Freunde nicht vernachlässigen. Am wichtigsten sollte ihm aber das Verbessern seiner kämpferischen Fähigkeiten sein. Denn falls es ihm nicht gelingt, das nächste potentielle Opfer vor dem Tod in der Fernsehwelt zu befreien, wäre mein Abenteuer endgültig vorbei.

Per-so-na

Meine stärkste Waffe sind die Personas. Das sind mächtige Wesen, die Mike und seinen Freunden magische Fähigkeiten verleihen. Sie gewinnen im Kampf Erfahrung und lernen neue Zauber. Ich sammle außerdem weitere, trainiere sie und verschmelze vorhandene

Mächtige Personas sind die stärksten Waffen der jungen Detektive.
Mächtige Personas sind die stärksten Waffen der jungen Detektive.
Personas zu einer neuen. Jede gehört dabei einem Typus an – genau wie jeder meiner Freunde. Und genau deshalb ist das soziale Umfeld so wichtig: Je besser meine Beziehung zu einem Freund, desto stärker werden die mit seiner Klasse verbundenen Personas. Im Kern dreht sich das soziale Wechselspiel also nicht um Vorlieben für bestimmte Figuren, sondern um die Entwicklung meiner magischen Fähigkeiten.

Der offene rote Faden

Das Abenteuer ist ohnehin nicht so offen wie es die Beschreibung vermuten lässt. Schließlich darf ich mich pro Tageszeit nur einer bedeutsamen Tätigkeit, wie dem Ausgehen oder dem Lesen eines Buches, widmen, danach springt die Zeit von Vormittag auf Nachmittag und Abend. Der Kniff ist daher das Entscheiden für die richtigen Aktionen. Lese ich ein Buch, um mein Wissen zu vergrößern, trainiere ich in der Fernsehwelt die Fähigkeiten meiner Kämpfer, gehe ich zum Fußballtraining oder treffe ich mich mit Marie? Das ist sehr spannend, wie Persona 4 Handlungsfreiheit mit einem allgegenwärtigen Zeitdruck verbindet!

Ein Spiel wächst

Apropos Marie: Sie ist ein Neuzugang, den Spieler des PS2-Originals noch nicht kennen. Auch zu ihr kann der Held eine Beziehung aufbauen und es ist nicht die einzige Änderung. Um Marie dreht sich etwa ein ganzer Handlungsstrang, kleine und große Neuerungen

Auf nach Okina! Dank Motorroller besucht die Gruppe sogar neue Schauplätze.
Auf nach Okina! Dank Motorroller besucht die Gruppe sogar neue Schauplätze.
wurden stellenweise mit Sprachausgabe vertont und das Betätigungsfeld um einen zusätzlichen Stadtteil erweitert. Persona 4: Golden (ab 17,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ist mehr als eine schnöde Umsetzung – es ist eine mit viel Mühe erweiterte Neuauflage.

Manche Zeichnungen wurden aufgefrischt, es gibt sogar neue Musik, zwei weitere Schwierigkeitsgrade und frische Animeszenen. In einem umfangreichen Multimediamenü lausche ich außerdem dem schwungvollen Pop des Soundtracks und führe mir bisher gesehene Filmschnipsel sowie Trailer früherer Persona-Episoden zu Gemüte. Unterm Strich machen die Änderungen das Abenteuer kaum besser. Es ist aber schön zu sehen, welche Sorgfalt in einer Handheld-Ausgabe steckt, die immerhin eine komplette Konsolengeneration nach dem Original erscheint!

Feuerteufel und Eiskönige

Dabei könnte selbst das ursprüngliche Spiel noch heute so punkten wie damals, denn es überzeugt in nahezu allen Belangen: Seine Geschichte ist spannend und die rundentaktischen Kämpfe fordernd. Offensive und Defensive müssen gut aufeinander abgestimmt werden. Schwächen gegen Elementarzauber richten etwa bei allen Beteiligten großen Schaden an – der richtige Angriff gegen einen Feind sowie die rechtzeitige Unterstützung eines schwachen Mitstreiters entscheiden oft über Sieg oder Niederlage. Das Zusammenspiel

Ein Knopfdruck sendet ein S.O.S. an Onlinespieler - allzu hilfreich ist die Unterstützung allerdings nicht.
Ein Knopfdruck sendet ein S.O.S. an Onlinespieler - allzu hilfreich ist die Unterstützung allerdings nicht.
meiner Kämpfer steht immer an erster Stelle.

Die durchdachte Steuerung gefällt mir dabei ebenso wie viele sinnvolle Kleinigkeiten. Dass ich jederzeit einen Dauerangriff meiner Gruppe initiieren oder unterbrechen kann, verhindert z.B. Langeweile beim Überrennen schwacher Gegner. Abgesehen davon darf ich jederzeit festlegen, ob ich einem Mitglied meiner Truppe Anweisungen erteile oder ob und mit welcher Priorität es selbstständig handelt.

S.O.S.

Nicht zuletzt könnte ich Spieler um Hilfe bitten, die gerade online sind – das Berühren des SOS-Feldes genügt. Und sollte mich irgendjemand irgendwo auf der Welt erhören, erhalte ich im folgenden Kampf ein wenig mehr Gesundheit und Magie. Auf gleiche Weise kann ich anderen „zu Hilfe kommen“. Weil ich den Vorgang nach jedem Gefecht wiederholen muss, was mit einer kurzen Wartezeit verbunden ist, war ich allerdings bald froh darüber, dass ich die sinnfreie Onlineanbindung abschalten durfte.

Etwas hilfreicher ist das Anzeigen der Personas, die von anderen Spielern erstellt wurden sowie das Darstellen der Aktivitäten, für die sich andere Helden entschieden haben. Echte Vorteile ergeben sich daraus nicht. Der Informationsgehalt gleicht eher dem Onlinevergleich nach Entscheidungen im ebenfalls von Atlus veröffentlichten Catherine.

Lange Wände

Ein fetter Wermutstropfen sind die Schauplätze der Kampfhandlungen: Die langen, vom Zufall erstellten Gänge und Türen sind so unbeschreiblich eintönig – sie stehen im krassen Widerspruch zum restlichen Spiel. Abgesehen davon ist die taktische Herausforderung mancher Gefechte so bieder, dass ein Sonntagsspaziergang gefährlicher scheint. Erst im abschließenden Kampf vor dem Ausgang steigt der Anspruch oft in absurde Höhen. Gut, dass ich die Fernsehlandschaft jederzeit verlassen kann, bevor ich erholt an dieselbe Stelle zurückkehre. So lange ich das nächste mögliche Opfer bis zum Einsetzen des Nebels rette, drängt mich ja nichts…

Schade auch, dass mein Mike nur ein stummer Mitläufer ist. Zwar darf ich in Unterhaltungen oft seine Antwort wählen. Meist übernimmt jedoch die Clique das Reden

Stiller Held: Er wählt zwar Antworten, kommt sonst aber kaum zu Wort.
Stiller Held: Er wählt zwar Antworten, kommt sonst aber kaum zu Wort.
und quasselt sich durch viele zum Teil vertonte Textfenster. Zugunsten sinnvoller Texte verzichte ich gerne auf Sprachausgabe; mein profilloses Alter Ego empfinde ich allerdings als sperrigen Fremdkörper.

Ganz normal

Nicht zuletzt statte ich meine Gruppe zwischen den Kämpfen in der Flimmerkiste mit stärkeren Waffen, dickerer Rüstung sowie kleinen Accessoires aus – Geld erhalte ich nach Siegen und durch das Ausüben eines Nebenjobs. Manchen Personas darf ich außerdem per Hand zusätzliche Fähigkeiten verleihen. Und selbstverständlich bitten mich Klassenkameraden und andere Personen um kleine Gefallen, die ich ihnen nicht ausschlagen will. Einige von ihnen verlangen allerdings eine gewisse Reife – sei es in Sachen Mut, Wissen oder Fleiß. Vielleicht schaue ich deshalb bei Regen noch in der Bibliothek vorbei, denn so bleibt das Gelesene besser hängen. Ich habe ja sonst nichts zu tun…

Ein ganz normales Schuljahr eines ganz normalen Schülers in einer ganz normalen Kleinstadt eben.

Fazit

Natürlich ist es nur die Umsetzung eines PS2-Spiels – aber was für eine! Persona 4: Golden klebt keine überflüssigen Monster oder Kleidungsstücke an das Original, sondern erweitert es sowohl um spielerische als auch erzählerische Puzzlestücke. Lediglich der Hilferuf per Onlineanbindung erfüllt keinen spürbaren Sinn. Schön wäre auch gewesen, wenn die furchtbar langweiligen Kulissen der Fernsehwelt frische Anreize zum Entdecken gewonnen hätten. So bleiben sie leider die mit Abstand größte Schwäche des Schulkrimis. Die fordernden taktischen Gefechte sowie die enge Verknüpfung des Alltagslebens mit dem Fantasykampf machen Persona 4 allerdings noch heute zu einem der besten japanischen Rollenspiele. Ein hervorragendes Artdesign, der motivierende Aufbau starker Personas und die spannende Geschichte tragen ebenfalls dazu bei. Es ist ebenso traurig wie bemerkenswert, dass der PS2-Klassiker vielleicht das Beste ist, was Vita-Besitzer in diesem Jahr erleben dürfen!

Pro

Neue Schauplätze, erzählerische Elemente und mehr
gelungene Verknüpfung alltäglicher Aufgaben mit Fantasy-Kampf
taktischer Rundenkampf mit vielen Möglichkeiten
fordernde Bossgegner
durchdachte Steuerung
motivierendes Sammeln und Trainieren der Personas
schicke Zeichnungen, liebevoll gestaltete Umgebungen
stimmungsvoller Pop-Soundtrack

Kontra

charakterlich blasser, sprachloser Held
schrecklich langweilige Kampf-Areale mit vielen zu einfachen Kämpfen
Unterstützung anderer Onlinespieler ist umständlich und relativ nutzlos

Wertung

PS_Vita

Späte Umsetzung eines Klassikers, der dank vieler kleiner Erweiterungen auf Vita einen zweiten Frühling erlebt.

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