La-Mulana06.03.2015, Dieter Schmidt

Im Test: Abenteuerlich antik

Er hat schon was für sich, der krude Retro-Charme. Vielleicht war die Steuerung früher nicht ganz so praktisch, vielleicht war das Spieldesign nicht immer klar ersichtlich. Trotzdem hat man sich – man musste ja – darauf eingelassen. Und war es nicht ohnehin diese stille Abmachung zwischen Entwickler und Spieler, die ganz wesentlich dazu beitrug, dass wir alle in einer gemeinsamen Welt versunken sind?

Indiana Jones und das Geheimnis von La-Mulana

La-Mulana ist so eine Spieleblase. Eine Blase mit ihren eigenen Regeln, die manchmal jeder Logik widersprechen, die ihre Spieler zum puren Vergnügen in den Trial&Error-Wahnsinn schickt und die in ihren nur für sie erfundenen Gesetzen ein wundervolles Abenteuer erschafft. Da tauchen getötete Riesenadler im Handumdrehen wieder auf, wenn man ihren Bildschirm verlässt, nur um sofort zurückzukehren. Da frisst eine Falle, deren Vorhandensein kein Mensch erahnen kann, schon mal die letzten Lebenspunkte – ohne jede Rücksicht auf weit entfernte Speicherpunkte.

Und da ist ein Indiana-Jones-Verschnitt von einem Helden, den Lucasfilm höchstselbst nicht vom Original unterscheiden könnte. Hut und Peitsche? Alles dabei. Lemeza, so der Name, hat sogar einen Lehrstuhl an einer Universität inne. Das alles spielt allerdings kaum eine Rolle, denn zeitgemäß beginnt das Retroabenteuer, indem es einfach losgeht: Lemeza kommt im sagenumwobenen La-Mulana an, wo er eine Vielzahl uralter Ruinen erforscht. Ein freundlicher alter Herr drückt ihm noch einen Laptop in die Hand, um hilfreiche Tipps per E-Mail abzuschicken...

Wie damals

… dann steckt Lemeza schon mittendrin: Er rennt nach links, nach rechts, hüpft über klaffende Löcher, schwingt die Peitsche nach Skeletten, Fledermäusen, Kobolden und skurrilen Fabelwesen. In den ersten Minuten ist es ein

Altmodisch gut: La-Mulana entführt in ein spielerisch großes Abenteuers.
Jump&Run für starke Nerven, denn der Archäologe ist längst nicht so beweglich wie moderne Kollegen. Er kann im Sprung keine Leiter greifen, nicht von ihnen abspringen und seine Sprungrichtung erst ändern, wenn er den höchsten Punkt überschritten hat. Retroliebe hin und her: Solche Einschränkungen gehören zurecht der Vergangenheit an.

Zumal La-Mulana selbst ohne die unbequeme Steuerung eine ganz schön harte Nuss wäre. Immerhin stolpert Lemeza in unvorhersehbare Fallen und obwohl er seine Lebensleiste gehörig steigern kann, findet er in den Ruinen nur selten Medizin. Weil manche Monster und Gefahren den Balken im Handumdrehen mehr als halbieren, ist er also ständig auf der Hut: Bloß kein Fehltritt! Zwar gibt es in jedem Abschnitt einen Speicherpunkt, doch manche Gebiete sind so weitläufig, dass ihn der Tod schon mal eine halbe Stunde zurückwirft.

Schritt für Schritt

La-Mulana beherrscht das ausgesprochen clever, diese Mischung aus Kampf, Geschicklichkeit und Knobeln. Es gibt etliche verschlossene Türen, fies platzierte Monster und versteckte Schatztruhen, zu denen Lezema den rechten Weg "nur" noch nicht gefunden hat. Auf den ersten Blick ist das Abenteuer mit seinem Umschalten von einem Bildschirm zum nächsten ein furchtbar simples; die umgehend wiederkehrenden Feinde unterstreichen den Eindruck. Tatsächlich sind die Bildschirme aber so geschickt miteinander verbunden, dass man im Kopf etliche Gewölbe, Fallen und Geheimnisse zu einem vertrackten Labyrinth zusammendenken muss.

Manchmal ist da diese undurchsichtige Retrologik, nach der sich Durchgänge erst verschieben, wenn Lemeza ein Monster tötet, das in keiner erkennbaren Weise mit der Lösung zu tun hat. Meistens stecken allerdings ausgebuffte Kopfnüsse hinter verschlossenen Toren. Dass sich eine Tür nur mit einem bestimmten Gegenstand öffnen lässt, zeigt etwa ein Relief im Hintergrund. Manche Aufgaben werden auf Vita zudem nicht vereinfacht, aber besser dargestellt.

Viele Wege

Ganz langsam muss der japanische "Indy" dieses Puzzle zusammensetzen, das zu Beginn nur eine über weite Strecken offene Spielwiese ist. Auf dieser wimmelt es von Hinweisen, Rätseln, Bildschirm füllenden Bewachern

Aus einzelnen Bildschirmen entstehen vertrackte Labyrinthe mit Rätseln, Fallen und Monstern.
sowie zahlreichen Feinden und nur Stück für Stück entschlüsselt er, welcher Hinweis auf welches Rätsel passt, mit welcher Waffe er welchen Boss besiegen kann. Dafür kauft er nicht nur stärkere Waffen, sondern auch Programme, welche die Tagebücher gestorbener Abenteurer entziffern, gefundene Lagepläne in Übersichtskarten verwandeln oder Texte uralter Steintafeln entschlüsseln.

Lemeza muss nicht einmal einen vorherbestimmten Pfad entdecken – er durchforstet die Ruinen, wie es ihm beliebt. Irgendwann gelangt er zwar zu dem einen Ausgang, doch dorthin führen viele Wege. Kann er die riesige Schlange schon besiegen oder sollte er sich erst anderen Aufgaben widmen? In unabhängigen Herausforderungen kämpft er außerdem unter Zeitdruck und mit vorgegebener Ausrüstung gegen verschieden große Gegner. Online wird die Bestzeit leider nicht festgehalten. Aber hat uns das damals abgehalten?

Fazit

Es tut dem Abenteuer nicht gut, dass Rätsel und Lösung nicht immer als Paar erkennbar sind. Auch dass der Held nicht so schnell auf Gefahren reagiert, wie man sie vermeiden könnte, ist ein leidiges Übel. Ganz schön antik, was der Indiana-Jones-Verschnitt da erlebt... und ganz schön selten, dass ich einem Spiel eine so altmodische Attitüde so gerne nachsehe. Denn hinter der staubigen Fassade steckt ein bockschweres Abenteuer, bei dem der Kopf immer raucht, die Finger immer reagieren. Es belohnt mich für das Knacken harter Kopfnüsse, es kennt den Wert des Gefühls, einen knallharten Kampf zu meistern. Es entführt mich in ein großes Labyrinth, dessen Gefahren und Geheimnisse ich selbst erschließen darf. Es nimmt mich als Spieler so ernst, dass ich unheimlich gern in seiner knorrigen Nostalgie versinke!

Pro

große, zum Teil von Beginn an frei zugängliche Höhlen
durchdachte, verschiedene Rätsel
sehr abwechslungsreiche Bosskämpfe
faires Speichersystem
schwungvolle Musik
Zeitläufe als Herausforderung

Kontra

zum Teil sperrige Steuerung
gelegentlicher Trial&Error-Frust

Wertung

PS_Vita

Auch auf Vita ein knorriges, aber großes nostalgisches Abenteuer: knallhart und rätselhaft.

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