Hyperdevotion Noire: Goddess Black Heart 06.03.2015, Jens Bischoff

Im Test: Konsolenkrieg für Anime-Strategen

Mit Hyperdevotion Neptunia: Goddess Black Heart macht die Neptunia-Saga einen Abstecher in Taktikrollenspielgefilde. Wir haben den PS-Vita-Schlachtfeldern im Test auf den neu gewachsenen Zahn gefühlt.

Der etwas andere Glaubenskrieg

Auch wenn Hyperdevotion im Gegensatz zur Hauptserie nicht in Gamindustri, sondern in Gamarket verortet ist, wird Serienveteranen vieles vertraut vorkommen. Die CPUs (Console Patron Units) Noire, Blanc, Vert und Neptune buhlen auch hier um Anhänger für ihren zwischen Last Station, Lowee, Leanbox und Planeptune tobenden Glaubenskrieg. Der könnte, wenn es nach den Versprechungen einer mysteriösen Fremden geht, jedoch schlagartig entschieden werden. Die erzählerisch im Mittelpunkt stehende Noir springt auch sofort auf die Versprechungen an und führt wie angewiesen ein unbekanntes Ritual aus.

Doch statt den Krieg zu beenden stürzt das ganze Land ins Chaos, so dass die vier geschwächten Konkurrentinnen zusammenarbeiten müssen, um zu überleben. Sogar als Spieler bekommt man eine Rolle in diesem Verbund - wenn auch nur als Noires gesichts- und namenloser Sekretär, der im Gegensatz zu allen andere Figuren nicht einmal vertont wurde. Manche meinen zwar, dass man sich dann besser mit der Rolle identifizieren könne. Aber ich finde es eher befremdlich, wenn die eigene Figur als einzige stumm bleibt - und das auch noch in einer so redseligen Runde wie hier.

Um nicht völlig teilnahmslos und austauschbar zu wirken, tritt man zumindest hin und wieder in Textform in Erscheinung. Einfluss auf das Gesagte hat man aber so gut wie nie. Stattdessen darf man Noire beim Beantworten von Fananliegen und Einrichten ihrer Unterkunft beraten. Das kann hin und wieder zwar ganz amüsant sein, die Möglichkeiten sind aber auch hier überschaubar, die Belohnungen eher eine Art Fanservice.

Um ihr Land zu retten, müssen die vier konkurrierenden Schutzpatroninnen zusammenarbeiten.
So gibt es neben charmant bissigem Gezänk und parodistischen Seitenhieben auf die Spieleindustrie auch in Hyperdevotion wieder viel jugendfrei entblößte Anime-Haut zu sehen...

Auf in die Schlacht

Die dezent animierten Charakterportraits können sich aber auch abseits ihrer plakativen Freizügigkeit sehen lassen. Im Kampfeinsatz wechseln die Protagonistinnen hingegen in einen putzigen, aber technisch eher auf 3DS-Niveau befindlichen Chibi -Look. Die Schlachtfelder machen optisch ebenfalls wenig her und punkten mit angenehmer Interaktionsfreudigkeit. Da können Kisten aufgenommen, auf Gegner geworfen oder zu Treppen gestapelt werden, während man die Feinde mit Stoßangriffen in Sackgassen, Abgründe oder Stromleitungen schubst.

Darüber hinaus gibt es oft ortsspezifische Besonderheiten wie brüchige Böden, tickende Zeitbomben oder interaktive Fortbewegungsmittel mit begrenztem Platzangebot. Hobbygeneräle müssen sich aber auch über elementare Affinitäten, Reichweiten oder Höhenunterschiede Gedanken machen. Beim Stellungsspiel lassen sich neben Schadensboni von hinten oder der Seite auch Synergieeffekte mit benachbarte Einheiten erzielen, um z. B. den Energieverbrauch von eingesetzten Kampffertigkeiten zu senken.

Die missionsbasierten Kämpfe werden in klassischer Rundenmanier ausgefochten.
Bei solchen von Küsschen flankierten Nachbarschaftshilfen steigen zudem Spezialangriffsenergie als auch Freundschaftsverhältnisse an.

Gekämpft wird in klassischer Rundenmanier auf quadratisch gerasterten 3D-Schlachtfeldern. Nachdem man seine Einheiten der Situation entsprechend gewählt, ausgerüstet und aufgestellt hat, lässt man sie marschieren, attackieren, Gegenstände nutzen oder warten. Im Anschluss ist die oft ungewohnt passiv reagierende Gegenseite dran. Sichtbegrenzungen gibt es keine, man sieht alle Feinde sowie deren Eckdaten von Anfang an und kann sich entsprechend vorbereiten. Auch individuelle Aktionsradien lassen sich einsehen. Nur zwischen eigener Aktion und Bewegung wird einem dieser Komfort unverständlicherweise verwehrt, was immer wieder zu eigentlich vermeidbaren Stellungsfehlern führen kann.

Eine Frage der Geduld

Doch auch die nur bedingt beeinflussbare Wegfindung ist gewöhnungsbedürftig. So kann man seinen Akteuren keine maßgeschneiderten Routen, sondern nur Startrichtungen und Zielpunkte angeben. Da selbst offensichtlichen Fallen oder Stürzen unterwegs nicht ausgewichen wird, muss man immer wieder Bewegungspunkte verfallen lassen, um Schäden zu vermeiden. Ob man es als zusätzliche Herausforderung oder unnötiges Handicap sieht, ist Geschmackssache. Der allgemeine Schwierigkeitsgrad lässt sich jedenfalls nur bei Spielbeginn festlegen und hängt stark von der eigenen Spielweise ab.

Da sich die meisten Einsätze beliebig oft und teils mit verschiedenen Voraussetzungen und Belohnungen wiederholen lassen, kann man mit genügend Ausdauer eigentlich alles schaffen. Nicht nur die Charaktere werden mit gewonnener Erfahrung immer stärker, auch das Warensortiment wird durch fleißiges Sammeln und Craften immer vielschichtiger. Ähnlich wie in der Hauptserie lassen sich auch wieder Datenträger mit individuell zusammengestellten Inhalten brennen und für weitere Leistungsboosts ausrüsten.

Verwandlung nach Maß

CPUs wie Noire, Blanc, Vert und Neptune können sich mit ausreichend Spezialenergie im Kampf zudem vorübergehend in ihre Alter Egos Black Heart, White Heart, Green Heart bzw. Purple Heart verwandeln, deren Erscheinungsbilder und Leistungsprofile sich ebenfalls nach persönlichen Vorlieben zusammenbasteln lassen.

Benachbarte Einheiten übertragen einander per Bussi zusätzliche Kräfte.
Die nur einmal pro Schlacht aktivierbare Transformation bringt nicht nur oft entscheidende Kraftzuwächse, sondern lässt einen auch über Hindernisse hinwegfliegen, um z. B. entlegene Auftragsziele oder Schatzkisten zu erreichen.

Letztere enthalten oft seltene Handwerksmaterialien, lassen sich aber meist nur mit passender Waffenaffinität öffnen, weshalb auch hier Vorausplanung gefragt ist. Je nachdem, wer die Truppe gerade anführt, genießt man zudem gewisse Boni, die sich nicht nur auf die Kampfkraft, sondern auch die Mobilität auswirken können. Für Hobbygeneräle gibt es jedenfalls reichlich taktische Facetten, deren effektive Nutzung selbst auf die Beute Einfluss haben kann. Aber auch Anfänger werden mit gut dosierten Erklärungen sowie zahlreichen Nachschlagemöglichkeiten nicht im Regen stehen gelassen.

Es gibt sogar prozentuale Treffer- und Konterwahrscheinlichkeiten vor jedem Angriff. Nur dass gerade auf der Ersatzbank befindliche Einheiten keinerlei Erfahrung sammeln und aktive Figuren darüber hinaus auch noch durch das beiläufige Meistern charakterbezogener Zusatzherausforderungen ihren Vorsprung vergrößern, kann den Spielfluss hin und wieder ins Wanken bringen, während die Rahmenhandlung trotz ellenlanger Dialoge mit viel Charme und Humor eher unauffällig vor sich hinplätschert.

Als Noires Sekretär darf man sich auch als ihr Berater und Innenarchitekt versuchen.
Auch das vorwiegend aus bunten Schleimen, Blumen und Gespenstern bestehende Gegnerdesign muss man mögen.

Übel aufstoßen kann einem unter Umständen auch das bereits zur Veröffentlichung üppig verfügbare und vorwiegend kostenpflichtige DLC-Aufgebot an längst zuvor fertiggestellten Exrtracharakteren und Bonusgegenständen. Zudem ist es schade, dass es keine Multiplayer-Schlachten gibt und bis auf die Spielanleitung keinerlei Lokalisierung für den deutschen Markt stattgefunden hat. Immerhin hat man bei der Vertonung die freie Wahl zwischen japanischem Original und gelungener US-Synchro, mit den aus der Hauptserie vertrauten Sprecherinnen.

Fazit

Den parodistischen Neptunia-Gören steht der Ausflug in klassische Rundentaktikgefilde überraschend gut zu Gesicht. Für ihr Debüt haben sie sich zwar weitgehend auf bewährte Genretugenden verlassen, diese aber interessant und facettenreich miteinander verknüpft. Vor allem die interaktiven Schlachtfelder sorgen immer wieder für Überraschungen. Aber auch die ebenso spezifische wie motivierende Charakter- und Beziehungspflege mit ihren individuell gebrannten Datenträgern, Transformationsmodulen und süffisanten Hasslieben weiß zu gefallen. Dramaturgie und Gegnerdesign sind aber auch dieses Mal wenig eindrucksvoll, das Zurschaustellen weiblicher Reize reichlich plakativ. Zudem ist es schade, dass man die ansonsten charmante Lästertruppe zwar sowohl auf Englisch als auch auf Japanisch vom Leder ziehen lassen kann, es aber trotz aller deutschtümlicher Begrifflichkeiten wieder nicht für eine heimische Lokalisierung gereicht hat. Dabei wäre der Genrewechsel eine gute Gelegenheit gewesen, so viele neue Fans wie möglich auf sich aufmerksam zu machen.

Pro

facettenreiche Rundentaktik
angenehm interaktives Leveldesign
motivierende Charakter- & Beziehungspflege
witzige Dialoge & Parodien

Kontra

mäßiges Story
& Gegnerdesign
gewöhnungsbedürftige KI & Wegfindung
nicht lokalisiert

Wertung

PS_Vita

Gelungener Taktikrollenspielausflug der zänkischen Neptunia-Truppe.

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