Dragon Warrior 713.02.2002,
Dragon Warrior 7

Im Test:

Das meist verkaufte PlayStation-Rollenspiel der Welt, Dragon Quest 7, wurde sechs Monate nach seinem japanischen Release von Enix America endlich auch in den USA veröffentlicht. Es ist unwahrscheinlich, dass der siebte Spross dieser klassischen Serie Europa jemals erreicht, aber Import-Fans kann man diese Erfahrung nur empfehlen, WENN (und das ist hier groß zu schreiben) ihnen Konsolen-Rollenspiele alter SNES-Schule Spaß machen...

Und das ist auch die allererste und größte Entscheidung: Enix hat sich für Dragon Quest 7, alias Dragon Warrior 7 (ab 202,90€ bei kaufen), zwar 3D-Umgebungen ausgedacht, aber selbst diese entsprechen kaum den Standards, die beispielsweise die Final Fantasy-Reihe auf der PlayStation gesetzt hat. Die Charakter- und Monster-Sprites sind zwar putzig (Charakter-Designer war kein Geringerer als Akira Toriyama, Vater von "Dragonball"), aber zweidimensional und außerhalb der Kampfscreens auch oft grob pixelig.

Während der Kämpfe wird die Party nur als Menü dargestellt, dafür werden Monster-Attacken lustig und weich animiert gezeigt. In den verschiedenen Landschaften wird oft nur die Farbpalette der Gegner gewechselt, die Auswahl ist also nicht so riesig wie man zuerst denkt. Kurzum: Grafik-Freaks werden nur einen Blick auf die Screenshots werfen und Dragon Warrior 7 beiseite legen - und das ist auch gut so.

Zurück zu den Wurzeln des Genres

Das Spiel bezieht seinen Charme nämlich nicht von der Grafik - die ganze Dragon Warrior-Serie war nie als State-of-the-Art-Spektakel gedacht. Enix und vier Millionen Japaner schätzen den Kult der alten Konsolen-Rollenspiele auf dem SNES mit viel Abenteuer und Erforschung, starken Charakteren, jeder Menge Mini-Games und einem detaillierten Klassensystem. Anders ausgedrückt: Wer gerne mit Emulator oder Konsole Chrono Trigger gespielt hat, oder die Final Fantasy Anthology und <4PCODE cmd=DGFLink;name=Final Fantasy Chronicles;id=1527> super findet, dem wird Dragon Warrior 7 garantiert gefallen.

Enix-typisch ist der stumme Held durch die Dialoge seiner Umgebung charakterisiert, und lässt jedem Spieler viel Freiraum zur Identifikation. Die Dialoge sind überhaupt eine der großen Stärken des Spiels, denn sie lassen auch Nebencharaktere und NPCs zum Leben erwachen und tragen in den Zwischensequenzen innerhalb der Game-Grafik (recht häufig) oder FMV-Szenen (sehr selten und im Vergleich zu Square-Opulenz überaus schwach auf der Brust) enorm zur Stimmung des Spiels bei. Vor allem die Mitglieder der Gruppe um den Helden haben einen starken Charakter, so dass man von Wendungen der Geschichte immer wieder überrascht wird. Dieses Mal hat Enix den Drachenkriegern sogar auf der Weltkarte und im Kampf eine Gesprächsoption spendiert, die für Tipps oder emotionalen Ausdruck der Freunde genutzt wird. Ein Mangel für taktische Planer, die einen bestimmten Charakter aufgebaut haben, ist die Tendenz des Spiels, zeitweise oder permanente Trennungen von liebevoll gehätschelten Freunden nicht vorher anzudeuten.

1 Mariner plus 1 Dieb =1 Pirat

Andererseits kann man jeden Verlust wieder ausgleichen: sicherlich starten die meisten der Charaktere mit bestimmten Eignungen- so ist zum Beispiel Maribel die Magiebegabte und Prinz Kiefer der Kämpfer des Anfangstrios. Aber sobald nach langen Stunden Gameplay das Klassensystem im Dharma-Tempel zur Verfügung steht, kann es ans wilde Kombinieren von Grundklassen mit verschiedenen Vor- und Nachteilen gehen. Jede Klasse verändert die Grundstats der Charaktere in ihre spezielle Richtung, gibt aber beim nächsten Level erworbene Stat-Punkte weiter an den Charakter, so dass bei erneutem Jobwechsel diese Punkte auch vorhanden sind. Alle Skills und Spells, die man während des achtstufigen Aufstiegs in einer Klasse gelernt hat, behält man auch in der nächsten Klasse - bestimmte Klassen sind grundsätzlich nur durch das Beherrschen von zwei bis drei anderen Klassen zu erreichen.

Und die Vielfalt der neuen Fähigkeiten sind auch dringend nötig, denn die Kämpfe und Gegner sind ähnlich vielfältig. Leider ist der Verlauf der Story gelegentlich sehr unausgewogen, so dass die Gruppe mit zu niedrigen Fähigkeiten vielleicht gerade den Kampf mit dem angeblichen Endgegner eines Dungeons übersteht, nur um dann vom plötzlich aufgetauchten "echten Boss" herausgefordert und zu Brei gekloppt zu werden. Spieler, die gerne alle Kampfbefehle per Hand eingeben, sind dann klar im Nachteil, wohingegen die AI-Option, die erst in der Sekunde des Zuschlags eine Taktik auswählt, meistens ohne größere Probleme mit allen Arten von Gegnern fertig wird. Hinzukommt, dass die Save-Punkte dünn gesät sind, denn im Allgemeinen gibt es einen Save-Priester nur in den einzelnen Dörfern: Habt Ihr also alle Manapunkte verbraucht, könnt Ihr Euch nicht mehr aus dem Dungeon teleportieren, sonder müsst zurücklaufen - und auch das werdet Ihr wegen der Zufallskämpfe nur überleben, wenn wenigstens Items Eure Fähigkeiten auf vernünftiges Niveau ansteigen lassen.

Ton, Steine, Scherben - macht Euch an die Aufräumarbeit!

Trotz allem ist der modulare Aufbau der Geschichte so anregend, dass man sich immer wieder auf die Reise macht um die nächste Insel zu entdecken - daraus besteht die Welt des Helden nämlich. Eine einzige Insel im weiten Ozean und keiner hat es je anders gekannt. Wenn der Prinz der kleinen Insel nicht der beste Freund des Helden wäre und nie stillsitzen könnte, hätten die beiden sicherlich niemals die verbotenen Ruinen besucht und den Raum mit den Scherben und Podesten entdeckt. Die verwöhnte Tochter des Fischverkäufers ist ihnen hinterhergeschlichen, und wird so mit den anderen in den Strudel der Magie hineingezogen, der die drei in die Vergangenheit einer anderen Insel wirft.

Maribel, Prinz Kiefer und der Held ohne eigenen Namen (den dürft Ihr ihm nämlich geben) merken im Lauf Ihrer Abenteuer, dass die Welt vor Jahrhunderten jede Menge Inseln besaß und dass ein Dämonen-Lord im Kampf gegen den Gott der Welt diese Inseln eine nach der anderen zerstörte - meistens in dem er die Menschen zur Zerstörung trieb. Eure Aufgabe wird es also sein, die Verhältnisse wieder ins rechte Lot zu bringen, bevor die Inseln untergehen, und in der Gegenwart die veränderten Verhältnisse der Inseln zu erforschen. Ihr tut das mit Hilfe der Tonscherben, die Ihr in den verschiedensten Örtlichkeiten findet (also immer alles untersuchen - auch wegen der Stat-verändernden Gegenstände, die versteckt sind) und im Tempel mit den Podesten zu neuen Inseln zusammensetzt.

An und für sich hat Enix die Scherben außerhalb von Zwischensequenzen zugänglich gemacht, so dass Ihr, wenn Ihr nicht mehr weiterkommt, die Scherben immer noch finden könnt. Leider ist eine Scherbe nur während der Suche nach dem Tempel der Deja-Zigeuner zugänglich. Wenn Ihr sie nicht rechtzeitig findet, steckt Ihr nach 40 Stunden Gameplay fest (ist mir einmal passiert :P). Bevor Ihr durch Dialoge mit NPCs eine Szene also weiterführt, immer erst die Örtlichkeiten untersuchen. Dabei hilf die Option per Schulter-Tasten die 3D-Umgebung vollständig zu drehen, zumindest außerhalb von Dungeons: Tatsächlich sind gerade Schatzkisten, Holzfässer und Tonkrüge oft erst so zu finden (in all diesen Gegenständen können Schätze verborgen sein).

Goodies und Sound

Viel Zeit der durchschnittlich 100 Stunden Gameplay könnt Ihr auch in die Mini-Games stecken. Von Kasinos mit BlackJack, einer Memory-Variante und Slot-Maschinen über den Aufbau einer Stadt, die sich je nach Beruf der Bewohner in eine von fünf Varianten entwickeln kann, über die Jagd nach Minimedaillien bis zum Aufbau eines Monsterzoos stehen Euch jede Menge Nebenaufgaben zur Verfügung, sobald Ihr bestimmte Ereignisse erlebt habt. Viel Spaß machen auch immer die Erinnerung an Eure vergangenen Taten auf den neubefreiten Inseln in der Gegenwart und natürlich auf Eurer Heimatinsel, Estard Island. Man hat diesen Entwicklungen viel Raum gegeben, so dass Ihr Euch selten unter Drück fühlt, sofort einen neuen Auftrag zu beginnen - der allererste Kampf passiert beispielsweise erst gut zehn Stunden nach Beginn des Spiels (wenn Ihr alles auf Estard Island erforscht habt). Allmählich verdichten sich die vielen Einzelaufgaben zum großen Bild des Kampfes zwischen Gut und Böse, und Euer eigenen Schicksal wird aufgedeckt.

Die Musik von Dragon Warrior 7 ist immer heldenhaft optimistisch oder der Umgebung angemessen, wenn auch nicht sehr viele Variationen der Lieder existieren, aber die Soundeffekte sind immer noch die 8bit-Sounds aus SNES-Zeiten. Auf Dauer nerven sie etwas.

Pro:

  • kurze Ladezeiten
  • unkompliziertes Gameplay
  • epische Story in angenehmen Häppchen
  • ausgefeiltes Klassensystem
  • kurzweilige Minigames
  • viel Spiel fürs Geld
  • reueloses Retro-Feeling
  • Kontra:

  • Spiel komplett Englisch
  • Mischung aus 2D- und 3D-Grafik veraltet
  • Fehlentscheidung führt zu Spielstopp
  • Wendungen der Geschichte berücksichtigen den Level der Party nicht
  • entsetzliche 8-Bit-Soundeffekte
  • Vergleichbar mit:

    Final Fantasy Anthology, <4PCODE cmd=DGFLink;name=Final Fantasy Chronicles;id=1527>, SNES-Rollenspiele

    Alle Screenshots findet Ihr hier .

    Fazit

    Dragon Warrior 7 macht trotz seiner Schwächen viel Spaß, aber nur wenn Ihr auf State-of-the-Art Technik keinen großen Wert legt. Das Spiel hat den Vorzug von häppchenartigen Aufgaben, die Euch während der epischen Story bei der Stange halten und trotzdem nicht für zehn Stunden am Stück an die Konsole fesseln müssen (insoweit auch ein tolles Spiel, um am Ende eines Schul- oder Arbeitstages zu entspannen). Mit den genannten Einschränkungen kann ich das Spiel Retro-RPG-Fans nur empfehlen.

    Wertung

    PlayStation

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