Shadow Hearts28.05.2002, Jens Bischoff
Shadow Hearts

Im Test:

Konami sorgt mit der PAL-Veröffentlichung von Sacnoths Shadow Hearts für Nachschub unter ausgehungerten PS2-Rollenspielfreunden. Ihr Debüt gaben die japanischen Entwickler und Ex-Square-Mitarbeiter vor gut zwei Jahren mit dem Horror-RPG Koudelka auf der PSone, das aber vor allem aufgrund des phlegmatischen Kampfsystems selbst bei Genrefans nicht sonderlich gut ankam. Bei Shadow Hearts hat man sich nun gerade in diesem Bereich etwas ganz Neues einfallen lassen. Ob dies allerdings ausreicht, um sich selbst gegen Großkaliber wie Final Fantasy X behaupten zu können, klärt unser Testbericht...

Konami sorgt mit der PAL-Veröffentlichung von Sacnoths Shadow Hearts für Nachschub unter ausgehungerten PS2-Rollenspielfreunden. Ihr Debüt gaben die japanischen Entwickler und Ex-Square-Mitarbeiter vor gut zwei Jahren mit dem Horror-RPG Koudelka auf der PSone, das aber vor allem aufgrund des phlegmatischen Kampfsystems selbst bei Genrefans nicht sonderlich gut ankam. Bei Shadow Hearts hat man sich nun gerade in diesem Bereich etwas ganz Neues einfallen lassen. Ob dies allerdings ausreicht, um sich selbst gegen Großkaliber wie Final Fantasy X behaupten zu können, klärt unser Testbericht...

Einstieg leicht gemacht

Inhaltlich hat Shadow Hearts mit Koudelka zwar nichts zu tun, aber der düsteren Horrorthematik ist Sacnoth auch bei seinem zweiten Rollenspiel treu geblieben. Fanatische Kulleraugenfans und Prinzessinnenretter sind also auch dieses Mal nicht gefragt, obwohl man der japanischen Rollenspieltradition spielerisch im Großen und Ganzen treu geblieben ist. Genrefans finden sich demnach schnell zurecht und haben auch im Nu alle spielerischen Feinheiten im Griff.

Einsteiger freuen sich darüber hinaus über eine spielbegleitende Hilfefunktion, die einen mit allen Gameplay-Einzelheiten Schritt für Schritt vertraut macht und zusätzlich als komfortables Nachschlagewerk dient - eine umfassende Monster- und NPC-Bibliothek inklusive. Doch zunächst einmal zur Story, die im Gegensatz zu Koudelka nicht Ende des 19. Jahrhunderts in Wales, sondern Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts im von Japan besetzten Ost-China angesiedelt ist.

Die Handlung beginnt dabei auf einer Zugfahrt durch die südliche Mandschurei, wo Protagonist Yuri die Entführung eines mysteriöses Mädchen namens Alice vereitelt, ohne zu ahnen, wessen Pläne er dabei eigentlich durchkreuzt. Aber damit noch nicht genug, auf der Flucht werden die beiden zunächst fast von Kannibalen verspeist, als vermeintliche Terroristen verfolgt und ständig von unheimlichen Kreaturen aller Art bedroht. Zum Glück finden sich im Lauf des Spiels jedoch zahlreiche Weggefährten und Verbündete, die Euch nicht nur hilfsbereit zur Seite stehen, sondern auch langsam die Hintergründe des bösen Treibens aufdecken.

Gut Ding braucht Weile

Während sich die Story angenehm langsam entfaltet und dadurch stets interessant und spannend bleibt, legt Shadow Hearts auch sein spielerisches Potenzial erst nach und nach offen. Nicht nur, dass die leider etwas stereotypen Charaktere ihre Fähigkeiten genretypisch erst langsam entwickeln, auch der Spielverlauf wird trotz gewisser Linearitäten zunehmend komplexer. Ist man anfangs nur mit sprechen, laufen, kämpfen und simplen Rätsel- bzw. Geschicklichkeitseinlagen beschäftigt, muss man sich später auch mit Amokläufen, Lotterien, Schrittzählern, Akupunkturbehandlungen, Feilschen, Seelen sammeln, Bösartigkeit abbauen und dem Sensenmann höchstpersönlich beschäftigen.

Während Ihr durch mäßig vorgerenderte Locations stapft, mit den Einheimischen plaudert, einen Speicherpunkt aktiviert, nach Wertgegenständen Ausschau haltet, irgendwelche Apparaturen in Gang setzt oder einfach nur einen Fluchtweg sucht, sorgt ein Zufallsgenerator dafür, dass Ihr immer wieder unvermittelt einer Horde Ungeheuer, Soldaten oder Dämonen gegenüber steht. Diese Art von Zufallskämpfen sind zwar fast so alt wie das Rollenspielgenre selbst, aber mittlerweile eigentlich überholt. Doch warum etwas Neues versuchen, wenn selbst RPG-Primus Square noch mit Final Fantasy X auf dieses System setzt? So werdet Ihr auch in Shadow Hearts bei Feindkontakt nach bewährter Formel in eine den Örtlichkeiten angepasste Kampfarena versetzt, wo Ihr Euren Widersachern rundenweise Saures gebt.

Stetes Reaktionstraining

Zum Glück laufen die Kämpfe aber weitaus flotter und dynamischer ab als in Koudelka. Dafür sorgt nicht nur der Wegfall zeitraubender Positionswechsel sowie die agilitätsabhängige Zugfolge und -häufigkeit, sondern auch das so genannte Urteilsrad, das auch abseits des Kampfgeschehens immer wieder zum Einsatz kommt. Dabei handelt es sich um einen Reaktionstest in Form eines Glücksrads, das Ihr per Knopfdruck an speziell gekennzeichneten Stellen zum Stehen bringen müsst, um überhaupt eine Aktion ausführen zu können. Wer Risikobereitschaft zeigt und das Rad am Ende der markierten Bereiche zum Stehen bringt, wird sogar mit besonders effektiven Angriffen, Zaubern und Item-Einsätzen belohnt. Verpasst Ihr die entsprechenden Flächen, verpuffen eure Aktionen jedoch im Nichts.

Je nach Waffe, Charakter und Aktion sind die Trefferzonen allerdings verschieden und beim Akupunkteur können Grobmotoriker Ihr verdientes Geld in ausgedehnte Trefferbereiche investieren, während Schnellreagierer dieselben Bereiche sogar verringern und dadurch die Angriffstärke nochmals steigern können. Zudem findet das Urteilsrad auch beim Feilschen und Lotto spielen sowie beim Lösen einiger Rätsel- und Geschicklichkeitseinlagen Verwendung. Dazu verfügt jeder Charakter über spezielle Fähigkeiten, deren Wirkung ebenfalls vom Urteilsrad bestimmt wird. Yuri kann sich zum Beispiel mit den Seelen besiegter Elementar-Wächter in über zwanzig verschiedene Kreaturen verwandeln und deren Fähigkeiten nutzen, während andere Charaktere spezielle Magieformen, Waffen oder Kampfstile beherrschen. Wer zu lange oder oft kämpft, läuft jedoch Gefahr, irgendwann Amok zu laufen oder vom Sensenmann herausgefordert zu werden. Während sich ersteres durch entsprechende Zauber oder Items vermeiden lässt, hilft gegen letzteres nur ein virtueller Friedhofsbesuch, bei dem man die Rachegelüste der Toten in einem speziellen Duell besänftigen muss.

Trashige Verpackung

Trotz dieser und anderer Gameplay-Feinheiten sind Story- und Spielverlauf für anspruchsvolle RPG-Fans aber einfach zu linear, die Locations und der Handlungsfreiraum zu begrenzt und viele Elemente viel zu altbacken. Auch die technische Präsentation ist für PS2-Verhältnisse eher ein Armutszeugnis: augenfeindliches Interlace-Flimmern, die vorgerenderten Hintergründe wirken blass und verwaschen, das Monster- und Charakter-Design ist teils extrem schlicht und lieblos und die Animationen und Effekte würden selbst auf der PSone keinen Blumentopf gewinnen. Wenigstens hat man im Gegensatz zu Final Fantasy X eine ordentliche PAL-Anpassung abgeliefert - ohne nennenswerte Balken oder Geschwindigkeitseinbußen.

Die recht saloppe und sehr eigenwillige deutsche Übersetzung ist hingegen Geschmackssache, die zahlreichen Übersetzungsfehler hätte man jedoch vermeiden können. Auch die Soundeffekte könnten überzeugender klingen. Die fernöstlich angehauchte Musikuntermalung ist hingegen recht gut gelungen und passt meist hervorragend zur jeweiligen Situation. Deutsche Sprachausgabe gibt es zwar keine, aber die seltenen und oft recht blutigen englischsprachigen Zwischensequenzen sind sowieso untertitelt und den japanischen und englischen Kampfsprüchen hätte eine Eindeutschung wohl auch mehr geschadet als geholfen.

Pro:

  • kaum PAL-Balken
  • interessant bleibende Story
  • einsteigerfreundliche Spielhilfen
  • originelle Geschicklichkeitseinlagen
  • kurzweiliges Verwandlungs-Feature
  • zunehmend abwechslungsreicheres Gameplay
  • Kontra:

  • mäßige Technik
  • Interlace-Flimmern
  • linearer Spielverlauf
  • altbackene Präsentation
  • lästige Zufallsbegegnungen
  • durchwachsene Übersetzung
  • Vergleichbar mit:

    Koudelka (PSone), Final-Fantasy-Serie, Orphen, Summoner, Grandia II, Evergrace, Dark Cloud, Eternal Ring

    Fazit

    Zwar hat Sacnoth bei Shadow Hearts einige Kritikpunkte, die Koudelka größeren Erfolg verwährt hatten, ausgemerzt, aber so ganz überzeugen kann das Ergebnis noch immer nicht. Vor allem die längst überholt geltenden Zufallskämpfe und der lineare Spielverlauf samt eingeschränkter Handlungs- und Entdeckungsfreiheit wird Rollenspiel-Feinschmeckern missfallen - von der dürftigen Technik einmal abgesehen. Was den Titel für Genrefans dennoch spielenswert macht, ist neben dem kurzweiligen Verwandlungs-Feature in erster Linie der originelle Einsatz des so genannten Urteilsrads, der dem ansonsten zwar facettenreichen, aber wenig innovativem Gameplay durch individuelle Geschicklichkeitstests den nötigen Kick verleiht. Auch die spannende Story und düstere Atmosphäre fesseln trotz eigenwilliger und teils schwacher Übersetzung ans Joypad - insgesamt solide Rollenspielkost für Einsteiger und Reaktionsschnelle.

    Wertung

    PlayStation2

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    Kommentare

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