Soul Reaver 214.01.2002, Jens Bischoff
Soul Reaver 2

Im Test:

Nachdem wir die PC-Version von Raziels zweitem Rachefeldzug gegen Kain bereits auf dem Prüfstand hatten, stellt sich nun auch die PS2-Fassung unseren kritischen Augen. Mit dem rundum gelungenen PSone-Vorgänger im Rücken, einem handlichen Gameplay und zusätzlichem Bonusmaterial auf der DVD, will Eidos die Kritikpunkte der PC-Version vergessen machen. Ob das gelingt oder ob auch der PS2-Raziel Federn lassen muss, erfahrt Ihr in unserem Test...

Willkommene Extras

Kenner des Legacy-of-Kain-Universums erinnern sich wahrscheinlich noch gut an die feige Flucht des Obervampirs Kain am Ende von Soul Reaver 1, an welche der zweite Teil nahtlos anknüpft. Alle anderen können die zurückliegenden Ereignisse aber auch in der Nosgoth-Chronik nachlesen, die sich ebenso wie zahlreiche Artworks, Skizzen, Render-Studien, Storyboards, Trailer und Musikstücke als Bonusinhalt auf der multilingualen Soul-Reaver-2-DVD befindet.

Im Gegensatz zu anderem Bonusmaterial wie etwa bei Silent Hill 2 haben jedoch Spiel und Bonusinhalte auf einem gemeinsamen Silberling Platz, wobei ein Großteil der Extras allerdings erst freigeschaltet wird, wenn man das Spiel gemeistert hat. So entfällt für Jünger bester Bildqualität zumindest das Umstöpseln zwischen RGB- und S-Video-Kabel. Ein weiterer Vorteil der mehrsprachigen DVD ist, dass man trotz der ausgezeichneten, wenn auch nicht lippensynchronen deutschen Fassung, das Spiel auch im englischen Original erleben kann.

Zudem sind deutschlandspezifische Zensuren wie im Vorgänger ausgeblieben. Egal, ob Ihr Raziel Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch oder Spanisch sprechen lasst, das Blut fließt überall in sattem Rot, während makabere Pfählungen, Enthauptungen, Verbrennungen und Zweiteilungen den Weg Eures gnadenlosen Rachefeldzugs säumen. Allerdings habt Ihr auch die Möglichkeit gentlemanlike auf brutale Finishing-Moves zu verzichten und Eure kampfunfähigen Opfer einfach verbluten zu lassen, bevor ihr deren Seelen verspeist...

Zwischen Intrigen und Schicksal

Bevor es jedoch in den Kampf zieht, sorgt die Einleitungssequenz für reichlich Verwirrung, die im weiteren Spielverlauf teils sogar noch größer wird. Raziels eigentliches Ziel, sich an seinem Peiniger Kain zu rächen, tritt durch eine Reise in Nosgoths Vergangenheit immer mehr in den Hintergrund, denn scheinbar lauert ein noch größeres Übel darauf, ganz Nosgoth ins Verderben zu stürzen. Wer bei dem ganzen Intrigenspiel jedoch die Fäden zieht, bleibt lange Zeit völlig ungewiss und ihr werdet unfreiwillig zum Spielball des Schicksals.

Der ungewohnt melancholische Vampirfürst Kain, der hinterhältige Zeitstromlenker Moebius, die ängstliche Säulenwächterin Ariel, der geheimnisvolle Altvampir Vorador und viele andere undurchsichtige Charaktere scheinen allesamt Raziels Weg durch die verschiedenen Zeitepochen Nosgoths mit Argusaugen zu beobachten und ihn für ihre Absichten zu manipulieren. Jeder scheint eine Rolle in einem undurchsichtigen Spiel zu spielen, dessen Auflösung sich Raziel fest entschlossen zum Ziel gesetzt hat.

Vertrauen könnt Ihr dabei zunächst niemandem. Doch das braucht Euch weiter nicht zu kümmern, denn Raziels Weg, sprich die Handlung ist fest vorgegeben, Einfluss nehmen könnt Ihr darauf leider nicht. Trotzdem sorgen zahlreiche Überraschungen und ungeahnte Wendungen dafür, dass die komplexe Story stets spannend bleibt und schaurige Unterhaltung bis zum Ende garantiert wird.

Die Waffen eines Vampirs

Da Raziel von Anfang an zwischen den Fronten steht, machen ihm die verfeindeten Bewohner Nosgoths - egal, ob Menschen, Zombies, Dämonen oder Vampire - allesamt das Leben schwer. Gelegentlich könnt Ihr zwar deren gegenseitige Feindschaften zu Eurem Vorteil nutzen und abwarten, bis sie sich im Kampf gegenseitig den Garaus gemacht haben oder das aggressiv gesonnene Gesindel einfach links liegen lassen. In manchen Situation sind direkte Konfrontationen jedoch unumgänglich.

Diese löst Raziel dann entweder rüde mit seinen scharfen Pranken, blutig mit einer von zahlreichen Hieb- und Stichwaffen oder elegant mit seinem seelenfressenden Soul Reaver. Während Ihr den Gegner mit Hilfe des R1-Buttons automatisch anvisiert, stehen Euch neben horizontalen und vertikalen Hieben auch effektive Block-, Duck- und Ausweichmanöver zur Verfügung, die gerade bei zähen Zeitgenossen der Schlüssel zum Erfolg sind, denn auch Eure Feinde sind nicht auf den Kopf gefallen und verstehen die Kunst des gezielten Blockens und Konterns.

Aus der Ferne lassen sich die meisten Waffen aber auch als heimtückische Wurfgeschosse verwenden und selbst brennende Fackeln können tödliche Verletzungen verursachen. Ist der Gegner dann nach reichlichem Blutverlust am Ende seiner Kräfte, führt Raziel mit dem nächsten Angriff automatisch einen vernichtenden Finishing-Move aus, der den benommenen Widersacher je nach verwendetem Mordwerkzeug entweder zerteilt, enthauptet, aufspießt oder in Brand setzt - nichts für zarte Gemüter.

Seelenfresser und Sphärenwandler

Weitere Fähigkeiten Eures Racheengels sind Schwimmen, Tauchen, Klettern, Springen, Gleiten, Schieben, Drehen, Ziehen und das Einsaugen verblichener Seelen, um Eure Lebensenergie aufzufrischen. Sollte diese wider Erwartens doch einmal auf Null sinken, heißt das jedoch nicht gleich Game Over. Wie im ersten Teil wechselt Ihr in diesem Fall lediglich von einem immer noch sehenswerten Morphing-Effekt begleitet in die dezent deformierte Spektralebene, wo ihr nicht nur wieder zu Kräften gelangt, sondern teilweise auch vorher unzugängliche Passagen entdeckt oder durch in der materiellen Welt undurchlässige Gitter gleitet. Dieser Wechsel ist natürlich auch sonst jederzeit möglich, nur zurück kommt Ihr bloß an speziellen Nabelpunkten.

Die geisterhaften Gegner in der Spektralebene sollten eigentlich kein Problem sein und dienen nach ihrem Ableben genauso wie die zahlreich umherirrenden Seelen als energieauffrischende Zwischenmahlzeiten. Sollte Euch aber auch hier die Lebensenergie ausgehen, was gerade im späteren Spielverlauf durch zähe Dämonen, die Euch selbst in die vermeintlich sichere Spektralebene folgen, durchaus passieren kann, werdet ihr am zuletzt passierten Rücksetzpunkt wiederbelebt. Daher sind auch die eher seltenen Speicherpunkte in meinen Augen kein wirkliches Handicap - es sei denn man gehört zu den notorischen Angstspeicherern oder zur verwöhnten PC-Fraktion...

Bewährtes Gameplay neu verpackt

Die durchdachte Pad-Steuerung sorgt jedenfalls für ein fast durchwegs reibungsloses Gameplay, das dem Spieler ähnlich wie im Vorgänger durch ein unaufdringliches, den Spielbeginn begleitendes Tutorial näher gebracht wird. Weniger gefällig ist hingegen die Tatsache, dass manche Spielabschnitte aufgrund der wegrationalisierten Teleporter-Tore des ersten Teils mehrmals passiert werden müssen und die Gegner zum Teil wiederentstehen.

Zudem ist der Waffenwechsel unnötig kompliziert. Statt beim Aufheben eines neuen Mordwerkzeugs seine alte Klinge automatisch fallen zu lassen, muss diese nun nämlich erst umständlich mit einem Wurfmanöver entsorgt werden. Auch nach einem Finishing-Move müssen manche Waffen erst wieder aufgeklaubt werden, bevor ihr mit ihnen weitermeucheln könnt. Ebenfalls enttäuschend: die äußerst dürftige, fast nutzlose Kartenfunktion. Als Entschädigung versöhnen jedoch eine imposante, wenn auch teils extrem lichtarme Level-Architektur, anspruchsvolle Rätsel, die neuen Elementarkräfte des Soul Reavers und die durchwegs erstklassige Präsentation.

Ein Fest für die Sinne

Bis auf das fehlende Lightsourcing auf Raziels entstelltem Körper, gelegentliche Clipping-Fehler und die teils eingeschränkte Fernsicht ist die grafische Aufmachung von Soul Reaver 2 (ab 5,95€ bei kaufen) äußerst beeindruckend. Filigranes Level-Design, exzellente Texturen und aufwändige Animationen verwöhnen das Auge, während lästige Ladepausen dank intelligentem Daten-Streaming völlig entfallen. Das stete Nachladen der erforderlichen Daten sorgt zwar gelegentlich für kurze Ruckler, aber diese sind wirklich minimal und stören den Spielfluss in keiner Weise.

Auch akustisch präsentiert sich Soul Reaver 2 von seiner Schokoladenseite. Der düstere und interaktive Soundtrack passt sich dem Geschehen auf dem Bildschirm perfekt an und sorgt zusammen mit den realistischen Soundeffekten für eine atmosphärische Endzeitstimmung. Besonderes Lob verdient in diesem Zusammenhang auch die professionelle deutsche Synchronisation, die im Gegensatz zur ebenfalls anwählbaren englischen Fassung während der in Spielgrafik dargestellten Zwischensequenzen zwar nicht immer lippensynchron ist, aber dem Original ansonsten in nichts nachsteht, es im Gegenteil sogar stellenweise übertrifft.

Pro:

  • keine Ladepausen
  • Bonusinhalte auf DVD
  • vorbildliche Steuerung
  • komplexe & spannende Story
  • anspruchsvolle Rätseleinlagen
  • beeindruckende Levels & Texturen
  • erstklassige deutsche Sprachausgabe
  • atmosphärische & interaktive Soundkulisse
  • Kontra:

  • lächerliche Kartenfunktion
  • teils wiederentstehende Gegner
  • stellenweise extrem dunkle Locations
  • Zwischensequenzen nicht abbrechbar
  • mehrmalige Besuche der gleichen Spielabschnitte
  • Vergleichbar mit:

    Soul Reaver, Rune, Onimusha, Devil May Cry, Tomb-Raider-Reihe, Die Mumie kehrt zurück

    Fazit

    Im Gegensatz zum Vorgänger präsentiert sich Soul Reaver 2 deutlich actionreicher. Das bewährte Gameplay wurde dabei allerdings ebenso beibehalten wie die düstere Atmosphäre und der Wechsel zwischen Spektral- und materieller Ebene. Die neuen Elementar-Fähigkeiten des Soul Reavers verleihen dem Spielablauf neue Akzente und sorgen teils auch für anspruchsvollere Rätselkost, auf taktische Boss-Kämpfe hat man dieses Mal allerdings verzichtet. Audiovisuell ist Raziels 128-Bit-Debüt aber auf alle Fälle bestens gelungen und dank erneutem Einsatz der Streaming-Technologie sind Ladepausen Schnee von gestern. Längere Fußmärsche durch bereits passierte Spielabschnitte bleiben Euch aufgrund der wegrationalisierten Teleporter-Tore im zweiten Teil zwar nicht erspart, aber dafür sind die Locations um einiges imposanter und abwechslungsreicher. Die spannende und komplexe Story hält einige Überraschungen bereit und das Bonusmaterial auf der DVD ist eine willkommene Dreingabe. Action-Adventure-Fans, die auf eine erwachsene Handlung, anspruchsvolle Grübelaufgaben und taktisch inspirierte Kämpfe samt Splattereffekten wert legen, werden bei Raziels Streifzügen durch Nosgoths Vergangenheit und Zukunft voll auf ihre Kosten kommen und Kenner des ersten Teils fühlen sich sowieso gleich heimisch.

    Wertung

    PlayStation2

    0
    Kommentare

    Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

    Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.