Jade Cocoon 224.07.2002, Jens Bischoff
Jade Cocoon 2

Im Test:

Ubi Soft will mit Jade Cocoon 2 (ab 20,00€ bei kaufen) ausgehungerte PS2-Rollenspieler mit Nachschub versorgen. Wer den PSone-Vorgänger kennt, weiß in etwa, was Ihn dabei erwartet: Monsterzucht à la Pokémon und rundenbasierte Kämpfe, verziert mit einer nicht all zu tiefsinnigen Story...

Ubi Soft will mit Jade Cocoon 2 ausgehungerte PS2-Rollenspieler mit Nachschub versorgen. Wer den PSone-Vorgänger kennt, weiß in etwa, was Ihn dabei erwartet: Monsterzucht à la Pokémon und rundenbasierte Kämpfe, verziert mit einer nicht all zu tiefsinnigen Story. Dieses einfache Konzept konnte in Jade Cocoon aber dank motivierender Kreuzungsmöglichkeiten durchaus überzeugen. Ob auch im zweiten Teil Sammlerinstinkt und Experimentierfreude geweckt werden, erfahrt Ihr in unserem kritischen Zuchtbericht…

Neue Helden braucht das Land

Wer bei Jade Cocoon 2 ein Rollenspiel mit epischer Story erwartet, wird zunächst enttäuscht sein. All zu viel gibt die seichte Rahmenhandlung und deren vorhersehbarer Verlauf nicht her. Levant, der stumme Protagonist des PSone-Vorängers, hat sich mittlerweile zur Ruhe gesetzt, um einem jüngeren Helden Platz zu machen. Dieser nennt sich Kahu, ist noch ein halbes Kind und will dem Wunsch seines Vaters folgend ein großer Kokon-Meister werden. Da Lehrjahre aber bekanntlich keine Herrenjahre sind, muss der Jüngling das komplexe Handwerk erst einmal von Grund auf erlernen.

Dazu begibt er sich in den Tempel von Kemuel, um unter Levants Obhut zunächst eine Beasthunter-Lizenz zu erwerben, die ihm anschließend erlaubt, in den Wäldern auf Monsterjagd zu gehen und Aufträge anderer Beasthunter anzunehmen. Ein exzellentes Tutorial greift Euch dabei spielbegleitend unter die Arme. Doch Kahus Karrierepläne sollen schon bald in den Hintergrund rücken, denn durch einen Fluch belastet, beginnt er sich zunehmend selbst in ein Monster zu verwandeln, was er nur durch die Hilfe spezieller Waldkristalle verhindern kann.

Aber auch andere sind auf der Suche nach diesen Kristallen, deren wahre Macht sich erst später herausstellen soll. Begleitet von der zynischen Fee Nico trifft Kahu während seiner Reise durch die vier Elementarwälder daher nicht nur auf Monster, sondern auch auf andere Charaktere, die alle eigene Ziele verfolgen und die Wege des kleinen Jungen immer wieder kreuzen. Um in den Wäldern jedoch überhaupt bestehen zu können, ist auch die Aufzucht einer schlagkräftigen Monsterarmee unerlässlich - der eigentliche Schwerpunkt von Jade Cocoon 2.

Zucht und Evolution

Im Gegensatz zum Vorgänger hat sich hier einiges getan: Die Monster, Kalma genannt, werden nämlich nicht mehr während eines Kampfes durch betörendes Flötenspiel in Kokons gesponnen und anschließend munter miteinander gekreuzt. Stattdessen macht Ihr Euch auf die Suche nach Eiern, die im Tempel ausgebrütet werden müssen, und Samen, mit denen Ihr die Evolution Eurer Zöglinge in eine bestimmte Richtung lenkt. Die Artenvielfalt (über 200 Spezies) und die Kombinationsmöglichkeiten (über eine Milliarde mögliche Kreuzungen) sind zwar nach wie vor immens, aber das Erscheinungsbild Eurer Monsterzüchtungen gleicht den Vorlagen wie ein Ei dem anderen.

Das Aussehen Eurer Kalma kann sich dennoch während eines Kampfes evolutionsbedingt verändern, die jeweiligen Stufen sind hierbei jedoch fest vorgegeben. Willkürliche Kreationen, wie sie im ersten Teil durch polygonales Morphing der beiden Elternteile entstanden, sind daher nicht mehr möglich und Euren Schöpfungen fehlt irgendwie die individuelle Note. Dafür sehen die vorgegebenen Erscheinungsformen aber weitaus organischer aus als die eckigen Frankenstein-Kreaturen des Vorgängers.

Da sich die Kalma aber nicht sofort nach Erhalt, sondern erst nach dem Erreichen eines bestimmten Levels kreuzen lassen und sie nach jedem Kreuzen wieder auf Level 1 zurückgestuft werden, gestaltet sich die Zucht in Jade Cocoon 2 weitaus zeitaufwändiger.

Auf in den Kampf

Verändert hat sich auch das Kampfsystem. Auf dem so genannten Beast-Amulett, das sich durch das Absolvieren spezieller Kampfprüfungen ausbauen lässt, kann Kahu bis zu acht Monster gleichzeitig um sich scharen, die in Auseinandersetzungen mit Rivalen oder Monstern zum Einsatz kommen können. Die Felder des Amuletts sind dabei in vier verschiedenen Elementarklassen eingeteilt: Feuer, Wasser, Wind und Erde. Je nachdem auf welches Feld man seine Mitstreiter platziert, führen diese unterschiedliche, durch geschicktes Kreuzen erlangte Aktionen aus, wobei aber immer nur eine Elementarklasse aktiv am Kampfgeschehen teilnimmt. Durch Drehen des Amuletts entscheidet der Spieler, ob er lieber auf physische Angriffe (Feuer), Spezialangriffe (Wind), eine starke Verteidigung (Erde) oder auf regenerative Zauber (Wasser) setzt.

Kahu selbst bleibt bei den rundenbasierten Kämpfen, die man übrigens auch gegen einen menschlichen Herausforderer und dessen Monsterkreationen austragen kann, im Hintergrund und darf lediglich Items anwenden, um Verletzungen zu heilen, Statusveränderungen hervorzurufen oder gefallene Kalma wiederzubeleben. Schaden kann jedoch auch er nehmen, sobald sich kein Angriffe abfangendes Monster vor ihm befindet. Das sollte man jedoch tunlichst versuchen zu vermeiden, denn wenn Kahu stirbt, ist der Kampf verloren und man wird jeglicher Items beraubt in den Tempel von Kemuel zurückteleportiert, der als Dreh- und Angelpunkt des gesamten Abenteuers fungiert.

Vielseitiger Stützpunkt

Im Tempel befinden sich nämlich nicht nur die Eingänge in die vier Elementarwälder sowie die Depots und Zuchtstallungen für gesammelte Kalmas, sondern auch die Beasthunter-Gilde, in der man lukrative Aufträge erhält und mit den Kollegen Smalltalk führt, ein Shop, wo man nützliche Items kaufen, überflüssige verkaufen oder gerade nicht benötigte aufgrund des begrenzten Inventars lagern kann und eine Kampfarena, in der man andere Beasthunter herausfordert und Prüfungen ablegt. Obendrein kann man hier auch jederzeit den Spielstand sichern und über absolvierte Wegpunkte zurück in die Wälder gelangen.

Wer fleißig Aufträge erfüllt, neue Kalmas entdeckt und Kämpfe gewinnt, bekommt neben Geld und Erfahrungspunkten auch einen besseren Ruf, der wiederum neue Aufträge und Prüfungen ermöglicht, um auf der Karriereleiter der Beasthunter immer weiter nach oben zu klettern. Aber auch sonst warten viele kleine Überraschungen auf ehrgeizige Waldläufer: Versteckte Arenen wollen gefunden, Stammesabzeichen verdient, skurrile Fanartikel gesammelt oder Gegenstände an speziellen Pflanzen kombiniert werden. Vor Zufallsbegegnungen à la Final Fantasy ist man in den Wäldern glücklicherweise gefeit: Gegner sind schon von weitem zu sehen und können durch geschicktes Timing sogar mit einem Hinterhalt überrascht werden.

Look who`s talking

Zur Orientierung in den anfangs noch sehr kompakten Waldabschnitten dient Euch eine leider viel zu klein ausgefallene Automap am unteren Bildschirmrand - hoffnungslos verlaufen kann man sich allerdings auch in den später immer komplexeren Arealen kaum. Diese sind nun übrigens nicht mehr vorgerendert, sondern werden komplett in Echtzeit berechnet. So wirken die Locations zwar nicht mehr ganz so idyllisch, aber bis auf die kargen Kampfarenen und das primitive Leveldesign ist die grafische Aufmachung recht ansehnlich. Die liebenswerten Charaktere, von Anime-Künstler Katsuya Kondou (Princess Mononoke) entworfen, sind hingegen viel differenzierter und charismatischer als im ersten Teil und die durchgehende englische Sprachausgabe ist wirklich erstklassig - kein Vergleich zum stummen Levant aus Teil eins, der nun übrigens doch noch sprechen gelernt hat.

Zwar hat sich Ubi Soft auch hier wieder einmal eine Lokalisierung komplett gespart - auch die Untertitel und Menütexte sind auf Englisch, aber die engagierten Sprecher lassen dieses Säumnis schnell vergessen. Vor allem die zynischen Kommentare von Fee Nico möchte man nicht missen. Aber auch der fast schon meditative Soundtrack und die sphärischen Klänge und Effekte wissen zu gefallen. Die massiven PAL-Balken hätte man hingegen lieber vermieden und die Ladezeiten sind zwar angenehm kurz, aber dafür recht häufig, was den Spielfluss auf Dauer doch etwas hemmt. Aufgrund der langatmigen Monsteraufzucht muss man aber sowieso einiges an Geduld mitbringen, um Jade Cocoon 2 in vollen Zügen genießen zu können.

Pro:

  • exzellentes Tutorial
  • keine Zufallskämpfe
  • über 200 Monsterspezies
  • sympathische Charaktere
  • atmosphärische Soundkulisse
  • hervorragende Sprachausgabe
  • über eine Milliarde Zuchtkombinationen
  • Kämpfe mit bis zu acht eigenen Monstern
  • Kontra:

  • flache Story
  • mickrige Auto-Map
  • häufiges Nachladen
  • massive PAL-Balken
  • geradliniges Leveldesign
  • langatmiger Spielverlauf
  • Spiel komplett in Englisch
  • abgespecktes Zucht-Feature
  • Vergleichbar mit:

    Jade Cocoon, Digimon-Serie, Monster Seed, Pokémon-Serie

    Fazit

    Mit Jade Cocoon 2 führt Genki seine interessante Rollenspiel-Mixtur aus komplexer Monsterzucht und story-basiertem Kampfgeschehen mehr oder weniger glücklich in die zweite Runde. Entstanden Eure Züchtungen im ersten Teil noch durch originelles Echtzeit-Morphing, ist das Ergebnis nun ein genaues Abbild der Vorlage, das auch im weiteren Spielverlauf nur vorgegebene Evolutionsformen annimmt. Zudem gestaltet sich das Züchten und Aufleveln der Monster nun weitaus langatmiger, was die Spieldauer zwar deutlich anhebt, den Spielspaß des Öfteren aber unnötig ausbremst. Lobenswert ist hingegen die liebevolle Präsentation, die mit unverwechselbaren Charakteren, einem exzellenten Tutorial und hervorragender Sprachausgabe selbst über die schlampige PAL-Anpassung und fehlende Lokalisierung hinweg tröstet. Geduldige und experimentierfreudige Rollenspiel-Fans werden jedenfalls weitestgehend gut unterhalten, sofern sie keine all zu großen Ansprüche an Story und Leveldesign stellen sowie dem Pokémon-verwandten Grundprinzip nicht von vorn herein abgeneigt gegenüber stehen.

    Wertung

    PlayStation2

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    Kommentare

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