Star Ocean: Till the End of Time30.10.2004, Jens Bischoff
Star Ocean: Till the End of Time

Im Test:

Die Rollenspielgemeinde nahm es Square-Enix seinerzeit ziemlich übel, mit Star Ocean: Till the End of Time (ab 69,95€ bei kaufen) einen namhaften Titel überhastet und fehlerhaft auf den Markt gebracht zu haben. Anfang dieses Jahres versuchte man die enttäuschten Fans mit einem Director's Cut wieder zu versöhnen. Nun gibt es diesen auch bei uns, doch so ganz zufrieden sind wir immer noch nicht.

Vom Ferien- zum Höllentrip

Auch Titelheld Fayt Leingod dürfte mit seiner Situation im neusten Teil der Star Ocean-Saga alles andere als zufrieden sein. Gerade genießt er noch mit Freundin und Eltern den Familienurlaub auf Hyda IV, als der idyllische Erholungsplanet plötzlich Schauplatz einer militärischen Großoffensive wird. Doch damit nicht genug, werdet ihr während der Evakuierung auch noch von euren Liebsten getrennt,

Audienz: Die Herrscherin von Aquaria bittet euch um Hilfe.
müsst später euer havarierendes Transportschiff mit einer Rettungskapsel verlassen und strandet letztendlich mutterseelenallein auf Vanguard III, einem unberührten Planeten mit mittelalterlicher Entwicklungsstufe.

Undercover in die Vergangenheit

Um dort nicht aufzufallen wie ein Fahrrad fahrender Fisch, generiert ihr euch flugs eine zeitgemäße Waffe, aktiviert euren intelligenten Sprachchip und gebt euch als Reisender aus fernen Landen aus. Später trefft ihr dann auf weitere Gestalten, die hier nicht her gehören, helft unterdrückten Dorfbewohnern und schließt euch einem mysteriösen Abgesandten an, der euch bis hier her verfolgt hat und noch weiter durch die Galaxie schleifen wird. Vanguard III ist nämlich nur ein Zwischenstopp auf eurer Odyssey durch Raum und Zeit, auf der euch noch viele andere Abenteuer erwarten, während ihr immer mehr über die Zusammenhänge zwischen euch, eurem Begleiter, der Invasion auf Hydra IV sowie eurem finalen Reiseziel erfahrt.

Keine Zufallsfights: Wer nicht kämpfen will, weicht den Gegnern einfach aus.
Zwischen zwei Welten

Den Spagat zwischen mittelalterlichen Fantasy- und futuristischen SciFi-Welten haben die Entwickler dabei gut hinbekommen, denn statt mit Laserschwert und Energiepistole Drachen und Ritter zu plätten, hält sich Fayt nach Möglichkeit an die Richtlinien eines intergalaktischen Abkommens, welches den Eingriff in die Evolution eines unterentwickelten Planeten strikt untersagt. Dementsprechend verwendet ihr nach Möglichkeit nur heimische Waffen und Rüstungen, während ihr eure Herkunft geschickt zu verschleiern versucht. Das klappt zwar nicht immer so wie geplant, führt aber nur sehr selten zu Diskrepanzen.

Technische Unzulänglichkeiten

Grafisch wird euch die Spielwelt erstmals bei Star Ocean in 3D präsentiert, wobei kulleräugige Anime-Charaktere auf stimmungsvolle Polygon-Landschaften treffen. Leider treffen dabei hierzulande auch fette PAL-Balken auf 60Hz-taugliche Fernsehgeräte, die einfach verschmäht werden. Heimkino-Fans dürfen sich aber zumindest über einen 16:9-Modus sowie Pro Logic II-Support freuen. Weniger erfreulich dürfte hingegen der Umstand ankommen, dass das Spiel nicht eingedeutscht wurde - sowohl Sprachausgabe, Untertitel als auch Bildschirmtexte sind komplett auf Englisch und setzen teils sehr profunde Sprachkenntnisse voraus. Dafür ist die englische Synchro ganz ordentlich, auch wenn sie dank schlechter Abmischung immer wieder vom teils extrem nervigen Synthie-Rock-Soundtrack verschluckt wird.        

Helden alter Schule

Spielerisch setzt Star Ocean 3 hingegen auf bewährte RPG-Tugenden wie das Erkunden einer Oberwelt, das Durchkämmen monsterverseuchter Dungeons, regelmäßige Stadt- und Shopbesuche sowie das Aufleveln eurer Party, die im Vergleich zum PSone-Vorgänger von maximal vier auf drei aktive Mitglieder geschrumpft ist. Diese könnte ihr allerdings je nach Situation aus einem Pool von insgesamt zehn Verbündeten beliebig zusammenstellen und individuell ausrüsten und aufleveln. Zwar verbessern sich die Charakterwerte eurer Mitstreiter auch von selbst, aber über die separate Vergabe

Je nach Entfernung zum Gegner, führt ihr unterschiedliche Spezialattacken aus.
von Fähigkeitspunkten, kann man zudem persönliche Gewichtungen vornehmen. Das gilt auch für die tatsächlich im Kampf eingesetzten Fähigkeiten, die durch erfolgreiches Benutzen immer effektiver werden.

Dynamisches Trio

Die Kämpfe selbst laufen in Echtzeit ab, wobei ihr auf Knopfdruck beliebig zwischen euren drei auserkorenen Protagonisten hin und her schalten dürft, während die CPU die Kontrolle über die anderen beiden Mitstreiter übernimmt. Die KI macht dabei meist eine ganz gute Figur und lässt sich jederzeit durch taktische Marschrouten beeinflussen. Damit das ganze nicht zu hektisch und chaotisch wird, friert das Kampfgeschehen bei menügestützten Aktionen wie dem Auswählen von Taktiken, Zaubern, Items oder Spezialfähigkeiten ein. Der Spielfluss gerät dadurch aber nur selten ins Stocken, denn schließlich sind die Unterbrechungen nur sehr kurz, allesamt selbst verursacht und die meiste Zeit attackiert man sowieso ohne Menü, denn geblockt wird automatisch und angegriffen und ausgewichen auf Knopfdruck.

Taktischer Prügelspaß

Je nach Länge des Knopfdrucks und Abstand zum Gegner könnt ihr so mit nur zwei Angriffstasten sechs völlig verschiedene Attacken vom Stapel lassen und zu individuellen Kombos verknüpfen. Als Faustregel gilt: Schwache Angriffe sind schnell und treffsicher, können aber geblockt werden, während

Kleine Auflockerung: Manövriert euer Gefährt heil durch einen baufälligen Stollen.
schwere Angriffe jeden Block durchschlagen, aber leicht ausgewichen und gekontert werden können. Das Kämpfen in Echtzeit geht jedenfalls locker von der Hand, bietet dank frei wählbarer Kampffähigkeiten jede Menge Freiraum und wird aufgrund ständig neuer Fähigkeiten und Gegner (Verhaltensmuster) so schnell nicht langweilig. Oft hat man sogar das Gefühl, ein knackiges Beat'em-Up zu spielen, wobei wildes Tastenhämmern nur selten von Erfolg gekrönt ist. Fortschrittlich übrigens auch der Verzicht auf Zufallskämpfe - ihr seht potentielle Gegner nämlich schon von weitem und könnt ihnen in der Regel auch problemlos ausweichen.

Zu Tode gezaubert

Gewöhnungsbedürftig ist hingegen das Fehlen gegnerischer Lebensenergieanzeigen im Kampf. Stattdessen wird lediglich ein Wutbalken eingeblendet, der darüber Aufschluss gibt, ob ein Kontrahent momentan blocken kann oder nicht. Wer hingegen wissen will, wann sein Widersacher den Geist aufgibt, muss dies über einen speziellen Scan-Befehl tun, der nicht nur Zeit kostet, sondern bei besonders harten Brocken auch gerne versagt. Interessant ist jedoch, dass man nicht nur nach Verlust sämtlicher Trefferpunkte (HP), sondern auch beim Versiegen seiner Magiepunkte (MP) den Löffel abgibt, was natürlich auch auf eure Gegner zutrifft. Angesichts der Tatsache, dass fast jeder Angriff HP und/oder MP verbraucht, eine nicht zu unterschätzende Komponente.

     

Eine Million Klicks

Natürlich gibt es auch noch andere Feinheiten wie Bonusmultiplikatoren, Verteidigungsauren, Elementarboni und mehr, wodurch das Kampfsystem erst nach einer gewissen Einspielzeit all seine

Wer ins Mittelalter reist, braucht sich über solche Verhörmethoden nicht zu wundern.
Facetten entfaltet. Andere Dinge wie ein umfangreiches Erfindungssystem, zusätzliche Outfits und Schwierigkeitsgrade sowie ein kurzzeitig spaßiger Zwei-Spieler-Modus werden sogar erst im späteren Spielverlauf zugänglich, was zum Teil von den bisher gesammelten Kampftrophäen abhängt. Diese erhaltet ihr sowohl für nachvollziehbare Aktionen wie 100 erfolgreiche Kämpfe oder 1000 besiegte Gegner als auch so abstruse Leistungen wie eine Million Tastendrücke oder 42,195 gelaufene Kilometer... Wie auch immer, dass für das optische Festhalten dieser Leistungen 1,2 MB Speicherplatz auf der Memory Card verbraten werden, ist absolut überflüssig. Da wäre es wesentlich sinnvoller gewesen, die Anzahl der im Spiel vorhandenen Speicherpunkte zu erhöhen bzw. die vorhandenen Speicherpunkte ausgewogener zu platzieren. Denn oft könnt ihr mitten im Feindgebiet über eine Stunde lang nicht speichern, nur um dann im sicheren Heimatstädtchen zwei Speicherpunkte fast direkt nebeneinander zu finden.

Künstlich verlängert

Überhaupt wirkt das Leveldesign ziemlich altbacken und unausgereift, wodurch jede Menge lästiges Umherirren und Zurücklaufen angesagt ist. Auch andernorts wird das Spiel oft künstlich in die Länge gezogen, nur damit mit einer Spielzeit von 80 Stunden geprahlt werden kann. Einen Großteil dieser Zeit verbringt ihr jedoch mit ausufernden Dialogsequenzen, die sich über zwei DVDs erstrecken und zwar meist mit überzeugenden Synchronsprechern und natürlichen Motion-Capturing-Animationen aufwarten, mimisch und dramaturgisch allerdings nicht über Puppentheater-Niveau hinauskommen. Hin und wieder wird der nichtlineare Spielverlauf übrigens auch von optionalen Nebenquests und

Voll erwischt: Wer nicht rechtzeitig ausweicht oder konternt, wird schnell geröstet.
kleinen Minispielen aufgelockert, doch gerade auf den höheren Schwierigkeitsgraden kommt ihr oft nur mit ausdauerndem Aufleveln weiter, denn Speicherpunkte machen sich wie gesagt oftmals rar, das Inventar ist begrenzt und in den Dungeons kehren besiegte Gegner nach jedem Raumwechsel wieder.

Leere Versprechungen

Hinzu kommt, dass sich die mitzeichnende Automap weder drehen noch scrollen lässt und auch keine Gesamtansicht bietet, was in den teils sehr verschachtelten und weitläufigen Arealen auch noch für völlig unnötige Orientierungsprobleme sorgt. Ebenfalls nervig ist die penible Kollisionsabfrage, die beim Ansprechen von anderen Spielfiguren, Erklimmen von Leitern, Abgrasen der Karte und vor allem Lesen von Hinweisen nur bei pixelgenauem Stellungsspiel aktiv wird und einen fast zur Verzweiflung bringen kann - so was muss einfach nicht sein. Rügen müssen wir neben den Entwicklern aber auch den Publisher, denn die mickrige deutsche Spielanleitung lässt mehr Fragen offen als sie beantwortet und vertröstet einen mit dem Hinweis "ausführliches Handbuch unter www.starocean-europe.com". Schaut man allerdings auf der Website vorbei, prangt dort nur ein lapidares "coming soon" - und das Wochen nach dem Release...

    

Fazit

Schön, dass Ubisoft die Star Ocean-Saga auch in Europa fortsetzt. Dass man diese allerdings trotz Vollpreis komplett Englisch belassen, mit fetten PAL-Balken verschandelt und nicht einmal mit einem vernünftigen Handbuch ausgestattet hat, ist ganz schön dreist. Wer auf seiner PS2 keine Importe abspielen kann und trotzdem nicht auf traditionelle Nippon-Rollenspiele verzichten will, sollte aber dennoch zugreifen. Allerdings ist der Einstieg recht zäh und das Leveldesign teils ein Graus. Wer durchhält, wird allerdings mit einem epischen, wenn auch teils künstlich in die Länge gezogenen, SciFi-Drama sowie einem exquisiten Echtzeit-Kampfsystem belohnt, das euch auf den höheren Schwierigkeitsstufen einiges abverlangt. Genreneulinge könnten hingegen eher Frust als Ehrgeiz verspüren und auch an der Sprachbarriere scheitern, denn eure Englischkenntnisse sollten schon sehr solide sein, wenn ihr euch die Feinheiten von Story und Spielwelt nicht entgehen lassen wollt. Es gibt jedenfalls viel zu entdecken, bis ihr alle Abspänne gesehen, Minispiele gemeistert und Extras freigeschaltet habt.

Pro

gelungene KI
enormer Umfang
stets sichtbare Gegner
viele freispielbare Extras
nichtlinearer Spielverlauf
fordernde Echtzeitkämpfe
ordentliche Sprachausgabe
variabler Schwierigkeitsgrad
solides Oldschool-Gameplay
abwechslungsreiche Locations
motivierendes Erfindungsfeature
sympathische Anime-Charaktere
individuelle Charakterentwicklung
auflockernde Nebenquests & Minigames

Kontra

zäher Einstieg
ödes Leveldesign
künstliche Längen
mickriges Handbuch
miese PAL-Anpassung
unkomfortable Automap
Spiel komplett in Englisch
sehr penible Kollisionsabfrage
keine gegnerische Energieanzeige
ungünstig verteilte Speicherpunkte
ständig wieder entstehende Gegner
unnötige Speicherplatzverschwendung
teils nerviger Synthie-Rock-Soundtrack

Wertung

PlayStation2

Zähes und nicht lokalisiertes RPG-Epos mit fordernden Echtzeitkämpfen.

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