Final Fantasy 1220.02.2007, Jens Bischoff
Final Fantasy 12

Im Test:

Auch wenn Square Enix regelmäßig Final Fantasy-Remakes oder -Spin-Offs veröffentlicht, sind seit dem letzten großen Solo-Abenteuer mittlerweile fast fünf Jahre verstrichen. Jetzt, zum Ende der PS2-Ära, meldet sich die Traditionsserie mit Final Fantasy XII zurück. Grundlegende Neuerungen sorgen für Überraschung!

Vertrautes Neuland

Neues Final Fantasy, neue Spielwelt? Nicht ganz! PSone- und GBA-Besitzer kennen Ivalice bereits aus Final Fantasy Tactics bzw. Final Fantasy Tactics Advance. Allerdings spielt Final Fantasy XII in einer anderen Epoche, so dass es nur wenige Gemeinsamkeiten gibt.

Imposante Bilder: Wichtige Ereignisse werden wie gewohnt in pompösen Render-Sequenzen präsentiert.
Zu Beginn des Spiels werdet ihr mitten in einen Krieg zwischen dem Königreich Dalmasca und dem Archadianischen Imperium geworfen. In der Rolle des Dalmascanischen Rekruten Reks macht ihr euch mit der grundlegenden Spielmechanik vertraut, bevor ihr das eigentliche Abenteuer als dessen Bruder, dem Gelegenheitsdieb Vaan, bestreitet, der nach der Besetzung Dalmascas durch imperiale Truppen fette Beute im ehemaligen Königspalast wittert.

Doch scheinbar war er nicht der einzige mit dieser Idee und so findet er sich schon bald in illustrer Gesellschaft von Luftpiraten und Freiheitskämpfern wieder, die ihn in ein Abenteuer epischen Ausmaßes verwickeln. Die Story um Macht, Loyalität und mystische Artefakte wird von politischen und familiären Konflikten und Intrigen dominiert und wie gewohnt in stimmungsvollen Render- und Echtzeitsequenzen erzählt. Die meiste Zeit wird ein solides Spannungsniveau gehalten, bei dem sich die tatsächlichen Fronten und Ziele erst langsam heraus kristallisieren, aber wirklich beeindruckende Momente wie in Final Fantasy VII oder X bleiben trotz dramatischer Szenen und Schicksale leider aus. Auch der etwas mädchenhafte Protagonist wirkt anfangs uninteressant und austauschbar. Im weiteren Verlauf gewinnt Vaan jedoch an Profil und fügt sich perfekt in die sechsköpfige Heldentruppe ein, ohne deren Führer oder Lichtgestalt zu sein.

Licht und Schatten

Der herausragende Charakter ist zweifelsohne der sich selbst als Held der Geschichte sehende Luftpirat Balthier, der mit seiner schnippischen Gelassenheit und seinem trockenen Humor immer wieder für rhetorische Highlights sorgt. Der Rest der Gruppe kann da leider nicht mithalten und verkommt wie Vaans Jugendfreundin Penelo zu fast belanglosen Mitläufern. Zwar haben auch die übrigen Mitstreiter nachhaltige Szenen - eine etwas markantere Persönlichkeit und Reibungsfläche hätten ihnen aber trotzdem nicht geschadet. Völlig daneben empfand ich hingegen den mit italienischem Akzent und Sonnenbrille ins Spielgeschehen platzenden Prinzen Rozzarias, durch den die Handlung kurzzeitig ins Alberne abzudriften drohte. Insgesamt wirken die einzelnen Figuren jedoch sehr glaubhaft.

Die leider nur selten zum Einsatz kommenden englischen Sprecher machen einen sehr guten Job und auch die deutschen Untertitel, die individuelle oder regionale Wortschätze und Ausdrucksweisen sowie Reime gekonnt wiedergeben, verdienen Lob. Lediglich die gelegentlich blecherne Tonqualität der Sprachausgabe muss angekreidet werden. Ansonsten ist die in Dolby Pro Logic II abgemischte Soundkulisse jedoch tadellos. Soundtrack und -FX weben einen dichten und passenden Klangteppich, der sogar vergessen lässt, dass Serienurgestein Nobuo Uematsu dieses Mal nur den Titelsong komponiert hat. Die übrigen Stücke stammen von Hitoshi Sakimoto, der schon in Final Fantasy Tactics und Vagrant Story mit stimmungsvollen Kompositionen begeisterte. Auch sonst setzt sich das Entwicklerteam aus zahlreichen FF Tactics- und Vagrant Story-Veteranen zusammen, die für eine spielerische Neuorientierung sorgten.               

Neue Impulse

So ist Final Fantasy XII, vom Online-Ausflug FFXI einmal abgesehen, das erste Final Fantasy ohne Zufallskämpfe. Statt wie gewohnt von unbekannten Gegnern überrascht und bewegungsunfähig in isolierte Kampfarenen befördert zu werden, seht ihr potentielle Widersacher nun schon von weitem und tragt Auseinandersetzungen direkt an Ort und Stelle in Echtzeit aus. Wenn es das Gelände zulässt, könnt ihr unliebsame Feinde problemlos umgehen, mehrere Gegner auf einmal bekämpfen oder euer Heil in der Flucht suchen. Nehmt ihr Reißaus, lösen sich die Angreifer jedoch nicht einfach in Luft auf, sondern setzen euch je nach Typ noch eine Weile nach, bis sie die Fährte verlieren oder ihr das Gebiet wechselt. Manche der aufwändig und facettenreich gestalteten Kreaturen sind sogar friedfertig und kümmern sich überhaupt nicht um eure Anwesenheit so lange ihr sie in Ruhe lasst.

Die an Ort und Stelle stattfindenden Kämpfe sorgen für ungehemmten Spielfluss und mehr Dynamik.
Andere tragen wiederum untereinander Kämpfe aus, so dass ihr anschließend nur noch den geschwächten Sieger aus dem Weg räumen müsst. Manchmal könnt ihr sogar autonome Abenteurer oder Krieger beobachten, die sich Kämpfe mit Monstern liefern. Und selbst die Vanadiel (FFXI) unsicher machenden, wetterabhängigen Elementare, die nur dann auf euch aufmerksam werden, wenn ihr Magie wirkt, sind mit von der Partie. Dadurch wirkt die Spielwelt sehr dynamisch und lebendig.

Schade ist nur, dass euch feindlich gesonnene Kreaturen nicht levelabhängig attackieren wie in FFXI, wo die meisten Gegner erkennen, wenn sie keine Chance mehr haben und euch folglich aus dem Weg gehen. In Final Fantasy XII werdet ihr aber selbst mit einem Level 99-Charakter noch von einem Level 1-Wolf angegriffen, wenn ihr ihm zu nahe kommt. Und auch wenn diese mit nur einem Hieb das Zeitliche segnen, ziehen sich Märsche oder Erkundungen dadurch teils unnötig in die Länge. Wers eilig hat, kann aber zum Glück nicht nur im Fluchtmodus durch die riesige und sehr abwechslungsreich gestaltete Spielwelt preschen, sondern auch wesentlich schnellere und komfortablere Reisemöglichkeiten nutzen. Teleportkristalle, Warp-Mogrys, Luftschiffe und Chocobos verkürzen die Wege ungemein und sind meist nicht einmal teuer.

Mehr Freiheit

Angenehm ist auch, dass die einzelnen Spielabschnitte nicht mehr so begrenzt und linear wie in FFX sind, sondern ausgedehnte Wiesen, weitläufige Strände und gewaltige Wüsten zum Erkunden einladen. Zudem erscheint in der Nähe sämtlicher Objekte oder Personen, mit denen ihr interagieren könnt, ein entsprechendes Symbol, was lästige Klickorgien, um ja kein verstecktes Kleinod zu verpassen, erübrigt. Schatzsucher dürften aber dennoch enttäuscht sein, da selbst die entlegensten Urnen nur zufällig generierte Beute enthalten. Wenn man nach unzähligen Kämpfen in einer auf der Karte nicht verzeichneten Geheimpassage nur mit mickrigen 4 Gil abgespeist wird, während man kurz zuvor direkt am Wegrand über eine formidable Waffe gestolpert ist, kann irgendwas nicht stimmen...

Nerviges Glücksspiel: Selbst die entlegenen Schatztruhen können billigsten Plunder enthalten.
Aber egal, die lukrativsten Items erhaltet ihr ohnehin von besiegten oder beklauten Gegnern. Verkauft ihr diese anschließend dem örtlichen Krämer, hält dieser hin und wieder sogar einmalige Sonderangebote parat. Allerdings könnt ihr nicht jeden Fund oder Kauf sofort benutzen, denn in FFXII braucht man für nahezu alles eine Lizenz.

Ihr wollt die gerade gefundene Lederrüstung anziehen? Ohne Lizenz keine Chance. Ihr habt gerade im Laden einen neuen Zauberspruch erstanden? Ohne entsprechende Lizenz bleibt euer Magier stumm. Ihr habt einem weiteren Party-Mitglied das Klauen beigebracht? Auch fremde Portemonnaies bleiben ohne Lizenz tabu. Über den Sinn dieses Systems kann man durchaus geteilter Meinung sein, schließlich zieht es die Charakterentwicklung und -Ausstattung unnötig in die Länge und es ist einfach nicht glaubwürdig, wenn ein erfahrener Krieger erst eine Lizenz erwerben muss, bevor er das eben erbeutete Schwert einsetzen kann. Selbst für Aufrufe (Esper) muss man nach bestandenem Duell erst noch die dazugehörige Lizenz erwerben, um die zum Teil aus Final Fantasy Tactics stammenden Ungetüme zukünftig beschwören zu können - Shiva, Ifrit & Co. nehmen in FFXII hingegen eine Auszeit und tauchen lediglich als Schiffsnamen auf.               

Individuelle Möglichkeiten

Die komplett euch überlassene Verteilung von Lizenzen unter den einzelnen Gruppenmitgliedern kann aber auch sehr motivierend sein. Ähnlich wie beim Sphärobrett aus FFX werden die Lizenzen nämlich auf einer Art Schachbrett zugeteilt, auf dem sich eure Fähigkeiten ständig erweitern und in die verschiedensten Richtungen gelenkt werden können. Ihr wollt eine reine Magierkampftruppe? Kein Problem. Strikte Rollenverteilung ist euer Ding? Könnt ihr haben. Oder doch lieber ein Rudel wandlungsfähiger Universalisten? Bitteschön.

Das Lizenzbrett: Hier legt ihr fest, in welche Richtung sich die einzelnen Charaktere entwickeln.
 Und obwohl am Ende quasi jeder alles kann, ist der freie Weg dorthin eine feine Sache, die viel Platz für Experimente und individuelle Vorlieben lässt. Das gleiche gilt auch für das Kampfsystem. Wer will, kann die bis zu drei aktiven Mitstreiter alle selbst steuern oder aber ihr verpasst ihnen über das so genannte Gambit-System individuelle KI-Muster, die ihr genauso wie die Partyzusammensetzung selbst mitten im Kampf ändern bzw. deaktivieren könnt.

Anfangs sind die Möglichkeiten noch recht beschränkt und ihr könnt euren Gefährten lediglich beibringen, sich zur Wehr zu setzen oder im Notfall eine heilende Potion einzuwerfen. Im weiteren Verlauf werden aber immer komplexere Aktionen möglich und eure Party beginnt selbstständig mit Zaubern und Techniken gegnerische Schwächen auszunutzen und präventive Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Natürlich bleibt es euch überlassen, ob ihr so weit geht, dass die Kämpfe komplett automatisch ablaufen, ihr nur lästige Standardaktionen in die Hände der KI legt oder alles selbst macht. Bei den verkettbaren, an Limit Breaks erinnernden, charakterspezifischen Spezialangriffen (Mysth-Teks) ist generell Handarbeit gefragt, während beschworene Esper oder vorübergehende Gastmitglieder komplett eigenständig agieren. Wem die Kämpfe zu hektisch sind, kann übrigens jederzeit die Kampfgeschwindigkeit drosseln oder das Kampfgeschehen während der Befehlsvergabe einfrieren. Zufallsbegegnungen und abgetrennte Kampfarenen verschwinden zwar unwiderruflich in der Mottenkiste, aber ansonsten bietet das Kampfsystem genug Freiraum, um unterschiedlichsten Vorlieben gerecht zu werden.

Viel zu entdecken

Auch der Umfang enttäuscht nicht. Trotz recht kompakter und linearer Story, gibt es eine Menge zu tun und zu entdecken. Zahlreiche Sidequests und Minispiele lassen die Spielzeit schnell auf über hundert Stunden anwachsen. Allerdings liegt dies auch am teils sehr exzessiv nötigen Aufleveln. Es kommt schon mal vor, dass ihr einen Storyboss mit links ins Jenseits befördert, nur um euch kurz darauf am nächsten die Zähne auszubeißen, weil ihr einen wichtigen Zauber noch nicht beherrscht, euch eine bestimmte Schutzausrüstung noch nicht leisten könnt oder einfach zu schwach seid. Dann heißt es kämpfen, kämpfen, kämpfen, um Lizenzpunkte zu sammeln, Geld zu verdienen oder einfach stärker zu werden.

Kampf auf Zeit: Die zahlreichen Bosskämpfe können sehr fordernd sein, wenn man nicht vorbereitet ist.
 Allerdings lässt sich dies oft mit anderen Dingen verbinden. So gibt es beispielsweise ein Schwarzes Brett auf dem regelmäßig besondere Gegner ausgeschrieben werden, für deren Eliminierung ihr lukrative Belohnungen einstreichen könnt. Und auch sonst könnt ihr eine Reihe freiwilliger Dienste leisten, optionale Gebiete erkunden, seltene Gegner und Aufrufe aufspüren oder euer Glück beim Angeln oder Wettrennen versuchen. Was ich jedoch vermisst habe, ist ein neues, spielbegleitendes Brett- oder Kartenspiel, quasi ein Markenzeichen der Serie

Die grafische Präsentation ist erneut hervorragend. Prächtige Kulissen, detaillierte Charaktermodelle und aufwändige Animationen erfreuen selbst NextGen-verwöhnte Augen. Lediglich hardwarebedingte Fade-Ins müssen gelegentlich in Kauf genommen werden. Dafür bleibt man dieses Mal jedoch von dicken PAL-Balken verschont, während ein kurioserweise deaktivierbarer Flimmerfilter für eine augenfreundliche Darstellung sorgt. Löblich auch, dass endlich eine freie Kameraführung Einzug in die Serie erhalten hat. Allerdings ist es mehr als gewöhnungsbedürftig, den Analogstick nach links zu drücken, um nach rechts zu schauen und umgekehrt. Warum dem so ist und warum es keine Möglichkeit gibt, die Steuerung zu invertieren, wissen wohl nur die Entwickler. Hobbypiloten und Ego-Shooter-Fans werden diese vermeintliche Kleinigkeit aber mit Sicherheit lauthals verfluchen.           

Fazit

Mit Final Fantasy XII hat Square Enix endlich den Mut aufgebracht, sich von seinen eigenen Fesseln zu befreien: Statt wie eh und je von einer Zufallsbegegnung in die nächste zu stolpern und Runde für Runde in abgetrennten Arenen Kampfbefehle zu erteilen, passiert nun alles an Ort und Stelle in Echtzeit. Traditionalisten mögen vermutlich die Nase rümpfen, aber ich kann den Entwicklern zu diesem längst überfälligen Schritt nur gratulieren. Die neue, auf der von Knights of the Old Republic  aufbauende Struktur wirkt einfach wesentlich dynamischer und homogener. Der ständige Wechsel zwischen Erkundung und Kampf fällt quasi völlig weg, Ladepausen vor den Auseinandersetzungen sind Schnee von gestern und die Ungewissheit, wer sich einem gerade zufällig in den Weg stellt, kein Thema mehr. Durch facettenreiche KI-Befehle kann man die Scharmützel sogar komplett automatisch ablaufen lassen, ohne dass man dazu verpflichtet wird. Wer will, kann wie gewohnt auch jeden Recken einzeln und manuell befehligen, das Geschehen während der Befehlsvergabe pausieren oder sich für einen Mittelweg entscheiden. Gerade diese Freiheit ist es, die ich an FFXII so liebe - man kann es so spielen wie man es persönlich möchte. Bei Präsentation und Umfang gibt es sowieso nichts zu meckern, freut euch auf wochenlangen Spielspaß vor audiovisueller Hochglanzkulisse. Selbst PAL-Anpassung und Lokalisierung sind tadellos. Lediglich die Spielbalance kann aufgrund der vielen Freiheiten, auch bei der Charakterentwicklung, hin und wieder zu Brüchen führen. Zudem wirkt die teils offensichtlich von Star Wars inspirierte Story trotz herausragender Charaktere wie dem Luftpiraten Balthier hin und wieder etwas blass und konform. Das ändert aber nichts daran, dass FFXII in seiner Ganzheit eines der gelungensten RPGs der letzten Jahre und ein traumhaftes Abschiedsgeschenk an die PS2-Ära darstellt.

Pro

enormer Umfang
sehr viele Freiheiten
beachtliche Gegnervielfalt
praktische Aktionshinweise
eindrucksvolle Präsentation
ordentliche PAL-Anpassung
gewissenhafte Lokalisierung
facettenreiches Kampfsystem
atmosphärische Soundkulisse
individuelle Charakterentwicklung
überzeugende englische Sprecher
zahlreiche Sidequests & Minispiele
große abwechslungsreiche Spielwelt
komfortable Fortbewegungsmöglichkeiten
keine Spielfluss hemmenden Zufallskämpfe
hervorragendes Charakterdesign (z. B. Balthier)

Kontra

künstliche Längen
wenig Sprachausgabe
rein englische Synchro
Schatztruhen mit Zufallsinhalten
teils problematische Spielbalance
gelegentlich schlechte Tonqualität
nicht invertierbare Kameraführung
kein dynamisches Aggro-Verhalten
kaum herausragende Story-Momente
kein traditionelles Brett
oder Kartenspiel
belangloses Charakterdesign (z. B. Penelo)

Wertung

PlayStation2

Grandioser PS2-Abschied der Final Fantasy-Saga mit neuem Spielgefühl.

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