Club Football09.10.2003, Jörg Luibl
Club Football

Im Test:

Codemasters feiert dieses Jahr Premiere auf dem grünen Rasen: Mit Club Football präsentiert der Publisher sein erstes Fußballspiel für PS2 und Xbox. Das Besondere daran: Es gibt nur Spezialeditionen, die ausgewählten europäischen Teams gewidmet sind und jede Menge Extras aus der Vereinsgeschichte beinhalten. Wir wollten mit Hamburg, Dortmund und Bayern in der ersten Spielspaßliga bestehen, und verraten im Test, wo wir gelandet sind!

Anpfiff!

Was sofort auffällt ist das unspektakuläre Intro: Von einer Ausgabe für Fans hätte man erwarten können, dass es mehr zu sehen gibt als eine anonyme Elfmeterszene mit No-Name-Kickern. Man hätte z.B. mit ersten Szenen aus der Vereinsgeschichte ködern oder wenigstens aktuelle Stars einbinden können.

Immerhin präsentiert sich Club Football kurz darauf mit einem sauberen Hauptmenü, in dem animierte Profis des aktuellen Kaders den Ball hoch halten oder kleine Tricks zeigen.

Die Spieltypen bieten jedoch Standardkost: Ihr könnt eine Saison spielen, an einer europäischen Superliga teilnehmen oder Freundschaftsspiele per Schnellstart bestreiten. Freies Training, oder spezielle Freistoßübungen sucht man leider vergeblich.

Dafür gibt`s einen Editor: Wer schon immer selbst für seine Mannschaft auflaufen wollte, kann vom Namen über die Position bis hin zu den fußballerischen Fähigkeiten viele Kleinigkeiten einstellen.

__NEWCOL__Vor allem optische Details wie Frisur, Haar- und Augenfarbe, Größe und Körperbau laden zum Experimentieren ein. Selbst an einen Spitznamen für die Kommentatoren haben die Entwickler gedacht. Zwar müsst Ihr aus vorgegebenen Kürzeln wählen, aber davon gibt es Dutzende.

Gut geklaut, ist halb gewonnen?

Wer die <4PCODE cmd=DGFLink;name=Pro Evolution Soccer;id=2920>-Reihe kennt, wird in Club Football viele optische, statistische und spielerische Bekannte treffen - mit <4PCODE cmd=DGFLink;name=FIFA 2003;id=3278> hat es nicht gemein. Um es kurz zu machen, Codemasters hat kräftig beim Genre-Primus gespickt und geklaut. Hier einige Beispiele: Die Menüstruktur, die vielen Charakterwerte, die Steuerungsbelegung. Und selbst die geniale Spielphilosophie, also der realistische Ansatz mit wohl überlegtem Spielaufbau, sollte anscheinend übernommen werden.

Lobenswert ist nämlich, dass man sich Chancen durch kluges Zuspiel erarbeiten muss und die Verteidiger gute KI-Automatismen zeigen. Es gibt z.B. die berühmte Doppelabwehr, die auf Knopfdruck einen zweiten Abwehrspieler auf den Stürmer hetzt. Es gibt auch den flachen und den hohen Pass in die Tiefe. Daher werden sich alle Kenner von Pro Evolution Soccer die ersten Sekunden heimisch fühlen.

Allerdings vergeht dieses wohlige Gefühl nach dem ersten Match, denn Codemasters´ Kick ist trotz der vielen Anleihen weder genial noch spektakulär, sondern einfach nur durchschnittlich.

Club Football bietet sogar eher eine taktisch angehauchte Simulation als Arcade-Rasanz, denn man muss sich Chancen gut rausspielen. Man kommt auch schnell rein, kann ein ordentliches Spiel aufziehen, aber wird trotzdem nicht fasziniert. Woran liegt das?

Ballzauber oder Ballarbeit?

Zum einen ist der Spielaufbau höchst pomadig, weil es nur zwei Geschwindigkeiten gibt, die sich auch noch kaum unterscheiden - Sprints sind fast nicht als solche zu erkennen und spielerisch wertlos. Es kann einfach keine Dynamik aufkommen, wenn meine Flügelflitzer nicht mal deutliche an einem Abwehrspieler vorbeijagen. Und selbst Doppelpässe sucht man vergeblich.

Zum anderen stören überdurchschnittlich viele Ballverluste, die nicht nur durch schlechte Pässe, sondern auch durch das viel zu träge Wechseln von Ballannahme zum Zuspiel verursacht werden. __NEWCOL__Es dauert einfach zu lange, bis das Rund den Fuß verlässt. Auch direktes Abziehen ist in Tornähe kaum möglich, da die Stürmer zu pomadig sind. Und Schüssen aus der zweiten Reihe fehlt einfach der Pfeffer einer guten Ballphysik.

Schließlich kann man den Ball nicht effektiv abschirmen oder sich mit Dribblings helfen, denn es gibt keine. Gerade das Fehlen von Tricks wie Übersteigern, Drehungen oder Antäuschungen macht das Spiel so unspektakulär. Wer spielerische Vielfalt sucht, wird schnell enttäuscht. Dabei ist die Ballphysik insgesamt akzeptabel und manchmal bringen Seitfallzieher etwas Würze rein.

Magere Kulisse

Aber nicht nur die spielerische Beschränktheit von Club Football zehrt an der Motivation, auch die Präsentation lässt zu wünschen übrig. Es darf einfach nicht sein, dass ein Fanprodukt bekannte Spieler wie Ricken oder Rosicky so unrealistisch darstellt, dass man sie kaum erkennt. Zwar gibt es verblüffend lebensechte Gesichtstexturen wie z.B. bei Metzelder, aber diese Qualität hätten alle Profis verdient.

Und auch wenn man die AOL-Arena oder das Westfalenstadion erkennt, gibt es kaum interessante oder animierte Details abseits des Spielfeldrandes. Die Zuschauerkulisse ist nicht mehr als ein bewegter Brei in Vereinsfarben - das ist zwar bei vielen Konkurrenten nicht anders, aber ein Fan dürfte von seinem Stadion enttäuscht sein. Wenigstens kann die Kamera-Perspektive in neun Stufen verstellt werden.

Auf dem Platz gibt es zwar teilweise sehr ansehnliche Animationen bei Grätschen, Fouls und Pässen. Und man erkennt sogar manche Bewegungsabläufe wie den steifen Lauf von Jan Koller oder das typische Vorpreschen von Dede, aber es hapert an der Vielfalt und den Überraschungen.

Schon nach wenigen Spielen hat man sich am Bewegungsrepertoire satt gesehen. Und wenn man genau hinschaut, enttäuschen vor allem die Kopfbälle, die viel zu abrupt dargestellt werden und jegliches Hochsteigen samt Körpereinsatz vermissen lassen.

Gesänge und Generve

Obwohl die Stadionoptik auf keiner Konsole besonders gut aussieht, kann wenigstens die Fankulisse mit authentischen Gesängen überzeugen. __NEWCOL__Die Zuschauer passen sich dem Geschehen an und geben zahlreiche Schlachtrufe zum Besten, die man vom Stadionbesuch kennt. Hier könnte sich zwar selbst Pro Evolution Soccer 2 eine Scheibe abschneiden, aber an die Gänsehautkulisse von EAs FIFA-Reihe kommt man nicht ran.

Auch die Kommentatoren Breitner und Reif enttäuschen. Zwar gibt`s ab und zu fachmännische Bemerkungen, aber all zu oft passen Gesagtes und Gespieltes überhaupt nicht zusammen. Da wird von Traumpässen geschwärmt, wenn es kurze Zuspiele gibt, oder von Großchancen, wenn der Ball zum Torwart kullert. Abschalten ist schnell die einzige Rettung.

Vereinsbonbons?

Im Laufe der Karriere könnt Ihr dann zwar viele Extras wie Fotos und Filme freischalten, die Highlights und Tore der jeweiligen Clubs zeigen, sowie Euren Trophäenraum mit Pokalen füllen. Und standardmäßig ist jede Fassung mit Vereinsinfos, Kurzbiographien und Schnappschüssen von aktiven und ehemaligen Spielern ausgestattet. Aber rechtfertigt das angesichts offizieller Vereinsseiten im Internet den Kauf des Spiels? Vor allem, wenn der echte Fan ohnehin kaum Neues oder Unbekanntes findet?

Fazit


Konkurrenz belebt das Geschäft und daher ist es immer wieder schön, wenn sich Entwickler auf bisher unbekanntes Genre-Land wagen. Mit innovativen Ideen und neuem Spielgefühl hätte sich Codemasters vielleicht einen Platz an der Fußballsonne sichern können. Aber alleine mit offiziellen Vereinslizenzen und frechem Abkupfern bei Pro Evolution Soccer 2 landet man wie so viele andere Herausforderer im Schatten von Konami - schade. Auf der Habenseite stehen zwar der gute Einstieg, der taktisch angehauchte Spielaufbau und die klasse Fangesänge. Aber man vermisst schon nach einem Spiel die Abwechslung, die Dynamik und einfach die Faszination, die den Volkssport Nr.1 ausmacht. Es gibt keine Tricks, keine Doppelpässe, nur Pseudo-Sprints und teilweise feine, aber ewig gleiche Animationen. Hinzu kommen eine durchwachsene Kulisse, nervige Kommentare und so manches Profigesicht, das man nur mit sehr viel gutem Willen erkennt. Um es auf den Punkt zu bringen: Club Football ist Pro Evolution Soccer für Arme.

Pro

<li>Spielereditor</li><li>einfache Steuerung</li><li>übersichtliche Menüs</li><li>authentische Fangesänge</li><li>freispielbare Vereinsextras</li>

Kontra

<li>uneffektive Sprints</li><li>viele Wiederholungen</li><li>unspektakuläre Grafik</li><li>pomadiger Spielaufbau</li><li>magere Zuschauergrafik</li><li>teils nervige Kommentare</li><li>teils nicht erkennbare Profis</li><li>keine Tricks & Spezialbewegungen</li><li>Schiedsrichter zeigen zu schnell Rot</li><li>kein Training, keine Freistoßübungen</li>

Wertung

PlayStation2

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