WRC 2 Extreme27.11.2002, Mathias Oertel
WRC 2 Extreme

Im Test:

Rallye-Fans finden auf der PS2 mit den dritten Auflagen der V-Rally und Colin McRae-Serien sowie Rally Championship ein breit gefächertes Programm rund um den immer mehr in Mode kommenden PS-Sport. Doch mit WRC II Extreme naht ein Konkurrent, der dank einer offiziellen Lizenz die Spitzenposition einnehmen soll. Und die Chancen stehen nicht schlecht, denn bereits der Vorgänger konnte fast uneingeschränkt begeistern. Wir haben uns hinters Steuer geklemmt, den Boliden unter die Haube geschaut und zahllose Stunden auf unsere Co-Piloten gehört. Das Ergebnis könnt Ihr in unserem Test erfahren.

Original-Lizenz

Neben dem Vorgänger bietet WRC II Extreme als einziges Spiel die offizielle Lizenz der Rallye-Weltmeisterschaft. Und damit gehen gleich eine ganze Menge Vorteile einher. So findet Ihr bei der Fahrzeug-Auswahl alle Teams und Fahrer der jüngst abgelaufenen Saison - mit Ausnahme von Colin McRae - der steht ja bekanntermaßen bei Codemasters unter Vertrag.

Weiterhin hat das Team von Evolution Studios die Möglichkeit gehabt, eng mit den Rallye-Teams zusammenzuarbeiten, was sich vor allem in den Unterschieden zwischen den einzelnen Fahrzeugen widerspiegelt - doch dazu später mehr.

Streckenvielfalt

Schon Teil 1 hatte eine enorme Etappenauswahl zu bieten. Und Teil 2 steht dem in nichts nach. Neben den offiziellen 14 Rallyes, die aus bis zu neun Etappen bestehen, gibt es auch noch einige Bonus-Strecken, die Ihr freispielen könnt.

Insgesamt kommen so über 800 Kilometer befahrbare Strecke zusammen. Als ob das alleine nicht reichen würde, haben die Entwickler beim Streckendesign auf Satellitenkarten der Original-Rallye-Gebiete zurückgegriffen und in die topographisch akkuraten Gebiete einen stets fordernden und abwechslungsreichen Streckenverlauf eingebaut. Und obwohl die meisten Etappen sich zeitlich irgendwo zwischen drei und sieben Minuten bewegen, begegnen Euch auch Abschnitte, die sich durchaus mal über zehn Minuten hinziehen können. Und das kann sich zu einer äußerst anstrengenden und adrenalinhaltigen Angelegenheit entwickeln.

Modivielfalt

Neben den obligaten Zeitrennen und auf einer Etappe habt Ihr im übersichtlich gestalteten Hauptmenü die Wahl zwischen einem Nachspielen der aktuellen Meisterschaft, einer eigenen Rallye -bei der Ihr aus allen Etappen Eure ganz persönlichen Favoriten zusammenstellen könnt-, der Zusammenstellung einer komplett neuen Saison und einem spannenden Splitscreen-Duell. Wer ohne große Einstellungen direkt loslegen möchte, wählt hingegen das schnelle Rennen, in dem Ihr mit einem zufällig gewählten Fahrzeug auf einer ebenso zufällig gewählten Strecke unterwegs seid.

Zwar wirken die Spielmodi auf den ersten Blick altbacken, doch die Möglichkeit, sich eigene Rallyes oder Saisons zusammenzustellen, hat ihren Reiz und verlängert die ohnehin schon mehr als genügende Spielzeit um einen erheblichen Faktor.

Was jedoch viel schwerer ins Gewicht fällt, ist die längst überfällige Multiplayer-Unterstützung. Denn endlich ist es möglich, mit bis zu vier Spielern die Rallye-Strecken unsicher zu machen. Dabei wird vor keinem wesentlichen Modus haltgemacht: Wer also genügend Freunde mit viel Zeit zusammenbringen kann, hat die Möglichkeit, eine komplette Meisterschaftsrunde (original oder selbst zusammengestellt) auszufahren, um festzustellen, wer jetzt der Bleifuß-König ist - klasse!

Anfänger oder Experte?

Um das Spiel für alle möglichst zugänglich zu gestalten, gibt es drei Schwierigkeitsgrade, die sich in verschiedenen Punkten auswirken. Zum einen wird die Gesamtlänge der Rallye beeinflusst: Auf dem leichtesten Schwierigkeitsgrad gibt es gerade mal eine Etappe pro Tag, auf dem schwersten müsst Ihr drei Abschnitte bewältigen.

Weiterhin wird der Schaden durch den Schwierigkeitsgrad beeinflusst. Während Ihr als Anfänger problemlos mit allen möglichen Hindernissen Kontakt aufnehmen könnt, müsst Ihr als Experte schon höllisch aufpassen, Euer Fahrzeug nicht zu zerlegen.

Die Sache hat allerdings einen Haken: Der Experten-Modus muss erst durch erfolgreichen Abschluss der Profi-Einstellung freigeschaltet werden. Doch so schlimm, wie es sich anhört, ist es nicht. Zum einen hat man ständig die Motivation vor Augen, insgesamt 42 neue Etappen für die offiziellen Rallyes freizuspielen, zum anderen bekommt man zwischendurch immer wieder kleine Goodies wie eine Helium-Stimme für den Beifahrer oder den Känguru-Modus (ultraweiche Federung) spendiert.

Außerdem gewöhnt man sich dabei sehr gut an die Anforderungen, welche die Rallyes für Euch bereithalten.

Schaden ja - Spielspaßbremse nein!

Das Schadensmodell gestaltet sich je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad als äußerst eindrucksvoll - allerdings nicht ganz so spektakulär wie beim Kollegen Colin McRae Rally 3. Während unserer gesamten Fahrten ist es uns nicht einmal gelungen, das Fahrzeug kampfunfähig zu machen.

Doch im Zusammenspiel mit dem gut umgesetzten Servicepark wird dieses Manko wieder etwas relativiert. Denn am Ende jedes Tages habt Ihr nur ein bestimmtes Zeitfenster, um Reparaturen durchzuführen und neue Setup-Einstellungen zu wählen. Wollt Ihr mehr reparieren, als Euch zeitlich möglich ist, bekommt Ihr herbe Strafsekunden aufgebrummt, wodurch sich das Spiel sehr eng an der Realität anlehnt.

So müsst Ihr genau abwägen, ob Ihr die Strafe in Kauf nehmt oder mit einem nicht ganz funktionsfähigen Auto auf die nächsten Etappen geht und dort möglicherweise noch mehr Sekunden einbüßt.

Fahrphysik mit kleinen Aussetzern

Die Fahrphyik liefert im Allgemeinen einen sehr guten Job ab. Sowohl die umfangreichen Setup-Einstellungen sowie generellen technischen Unterschiede der einzelnen Fahrzeuge werden gut auf die Piste transportiert als auch die verschiedenen Untergründe glaubhaft übertragen. Und trotzdem ist nicht fehlerfrei: Denn das grundsätzlich sehr realistisch anmutende Fahrgefühl wird vor allem durch zwei Punkte gedämpft.

Punkt A: Überschläge. Schafft Ihr es bei Kollisionen, den Wagen zu einer spektakulären "Überschlagswelle" zu bringen, bleibt an der Karosserie kaum Schaden zurück. Zwar ist es nachzuvollziehen, dass die Entwickler die Spieler nicht mit Frustmomenten wie vorzeitigem Ausscheiden konfrontieren wollten, doch dieser allerletzte Schuss Realismus fehlt.

Punkt B: Das Abprallverhalten an den Streckenbegrenzungen ist nicht immer nachzuvollziehen und sorgt in vielen Fällen für Kopfschütteln. Schon ein leichtes Touchieren mit der Karosserie kann dafür sorgen, dass sich der Wagen vollkommen unberechenbar an der Leitplanke verhakt. Allerdings gewöhnt man sich nach kurzer Zeit daran und kann dieses Verhalten in seine Fahrweise einkalkulieren.

Aber trotz aller Kleinigkeiten hat WRC II Extreme keine Probleme, sich an die Spitze der Rallye-Spiele zu fahren. Denn wie nie zuvor wird der Rallye-Zirkus akkurat auf den Bildschirm gebracht und schafft eine gelungene Symbiose zwischen Fahrspaß, Herausforderung und Realismus - und das für bis zu vier Spieler.

Weitsicht ohne Ende

Auf den ersten Blick wirkt WRC II Extreme grafisch nicht so opulent wie Colin McRae 3, doch dieser Eindruck verfliegt schnell und macht einem Wow-Gefühl Platz. Denn die Weitsicht, die WRC II bietet, ist momentan unerreicht: Bis zu fünf Kilometer könnt Ihr den Blick in die Ferne schweifen lassen.

Dabei tauchen zwar auch hin und wieder Pop-Ups auf, doch meistens handelt es sich dabei um Gegenstände, die in zwei bis drei Kilometer Entfernung warten.

In wenigen Fällen poppen allerdings auch kleinere Gegenstände am Streckenrand auf, die sich einige Hundert Meter weg befinden, so z.B. kleinere Kilometersteine oder vereinzelte Zuschauer.

Dies dürfte jedoch nur den zuschauenden Gästen auffallen, denn während man selber damit beschäftigt ist, sein Fahrzeug auf der Strecke zu halten, hat man meist wenig Zeit, sich die Landschaft genauer anzuschauen.

Dass zur Landschaftsgestaltung Satellitenkarten verwendet wurden, macht sich auch in der Grafik bemerkbar. Die an der Strecke postierten Objekte wiederholen sich zwar wie bei Colin auf Dauer, doch wurden Bäume, Sträucher, Steine usw. organischer platziert, so dass die Eigenheiten des jeweiligen Landes gut vermittelt werden.

Angefangen von den steinigen Serpentinen in Korsika über die Weinberge rund um Trier bis hin zur weitläufigen Steppe in Kenia lässt die Umgebung keinen Zweifel daran, in welchem Land man sich befindet.

Die Fahrzeuge mit ihrem glänzenden Lack reihen sich nahtlos in das sehr gute Gesamtbild ein und bieten neben schönen Lichteffekten und Spiegelungen natürlich auch verschiedene Verschmutzungs- und Schadensgrade.

Allerdings bleibt man hier im Detail wieder hinter Colin zurück. Fährt man sich zum Beispiel die Motorhaube ab, kommt darunter ein unbeweglicher Motorblock zum Vorschein, der deutlich hinter dem Motor in Colin zurückbleibt, der mit kleinen Animationen auf sich aufmerksam machen konnte.

Die verschiedenen Fahrer der Teams sind ebenfalls gut gelungen und unterstreichen mit ihren fotorealistischen Texturen den Anspruch, der sich durch das Spiel zieht. Allerdings sucht man Feindetails, wie die sich bei Unfällen abstützenden Fahrer bei Colin 3, vergeblich.

Dafür gibt es jedoch Unmengen an Kameraperspektiven, von denen wirklich jede eine sinnvolle Übersicht bietet. Für Cockpitfahrer ist eine Auswahl genau so vorhanden wie die berühmt-berüchtigte Stoßstangen-Ansicht und diverse externe Kameras.

Bei den spektakulären Wiederholungen , die auch abgespeichert werden können, habt Ihr sogar eine noch größere Auswahl, die Euch Analysen Eurer Fahrweise ermöglicht.

Bleiben noch die Spezialeffekte, die zwar durch die Bank gut sind, aber wiederum in der Klasse hinter dem Spiel zum rasenden Schotten zurückbleiben. Auf solche Feinheiten wie auf der Windschutzscheibe abperlenden Regen müsst Ihr verzichten und auch der aufgewirbelte Staub ist optisch nicht ganz so imposant wie bei der Rallye aus dem Hause Codemasters.

Wieso kriegt WRC II Extreme dann eine bessere Grafikwertung als Colin McRae Rally 3? Ganz einfach: weil die Grafik insgesamt homogener als bei Colin und wie aus einem Guss wirkt und einfach eine passendere Stimmung vermittelt. Und wir wollen ja nicht die fast lupenreine Extrem-Weitsicht vergessen. Und nicht zuletzt sorgen die vor den Rallyes eingespielten Videos für die richtige Atmosphäre.

Rechts vier - über Chemical Brothers

Für die sparsam, aber effektiv eingesetzte Musik wurden die Chemical Brothers engagiert. Und obwohl die Melodien sicher nicht jedermanns Sache sind, passen sie wunderbar zur Präsentation.

Über jeden Zweifel erhaben sind die Ansagen des Co-Piloten. Jederzeit passend werden Euch die Streckenverläufe angesagt. Und spätestens bei den schwierigen Nachtstrecken weiß man die akkuraten Hinweise zu schätzen.

Die Motoren- und Fahrgeräusche sind ebenfalls hervorragend. Alle Fahrzeugmodelle klingen verschieden, die Motoren klingen je nach gewählter Kamera unterschiedlich gedämpft und auch die Untergrundwechsel werden akustisch ansprechend gestaltet.

Fazit


Rallye-Fans finden mit WRC II Extreme die absolute Erfüllung: Über 800 Kilometer Strecke sprechen alleine schon eine deutliche Sprache. Doch auch das Drumherum stimmt: Angefangen bei der imposanten Grafik, der auch die kleinen Schönheitsfehler nicht schaden, bis hin zur Möglichkeit, mit vier Spielern eine komplette Rallye-Saison zu fahren ist WRC 2 eine runde Sache. Im direkten Vergleich zu Colin McRaes letztem Ausflug gibt es zwar einige Punkte, die störend auffallen -so z.B. das nicht ganz so akkurate Schadensmodell- doch unter dem Strich hat es bisher kein Spiel geschafft, Rallye-Flair so auf den heimischen Bildschirm zu zaubern wie WRC II Extreme. Das Fahrverhalten passt, die Wiederholungen sind TV-reif und der Spielspaß bewegt sich permanent auf einem hohen Niveau. Rallye-Herz, was willst du mehr?

Pro

<li>über 800 Kilometer Strecke</li><li>komplette Meisterschaft mit bis zu vier Spielern möglich</li><li>ausgefeiltes Schadensmodell</li><li>gute Steuerung</li><li>spektakuläre Wiederholungen</li><li>enorme Sichtweite</li><li>gute Ansagen des Co-Piloten</li><li>exzellente unterschiedliche Motoren-Sounds</li><li>zahlreiche Boni und Gimmicks freizuspielen</li><li>diverse Kamera-Perspektiven</li><li>genialer Einsatz des Rumble-Features</li>

Kontra

<li>hin und wieder Pop-Ups</li><li>unrealistisches Überschlag-Verhalten</li><li>empfindliche Kollisionsabfrage</li><li>unspektakuläre Wettereffekte</li><li>Experten-Modus nicht von Anfang an zugänglich</li>

Wertung

PlayStation2

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