Haven: Call of the King12.12.2002, Mathias Oertel
Haven: Call of the King

Im Test:

Mittlerweile ist es üblich, Jump&Runs mit Elementen aus anderen Spielen zu würzen. Doch wie nie zuvor möchte Haven von Midway zahlreiche Gameplay-Variationen zu einem epischen Meisterwerk verknüpfen. Ob die Geschichte rund um den unfreiwilligen Helden Haven die Erwartungen erfüllen kann, oder ob der gute Vorsatz hinter einer schlechten Umsetzung zurückbleibt, könnt Ihr in unserem Test erfahren.

Träumer als Weltretter

Der unscheinbare Minensklave Haven wird von einem immer wiederkehrenden Traum gequält, in dem die "goldene Stimme", eine sagenumwobene Glocke, die Hauptrolle spielt. Die Legende besagt, dass diese Glocke in Zeiten der Not geläutet werden kann, um die Rettung zu bringen. Und offensichtlich ruft die "goldene Stimme" Haven zu sich. Doch bevor er sein Volk aus der Sklaverei des dunklen Imperators retten kann, liegt ein weiter, beschwerlicher Weg vor ihm, der ihn bis ans Ende der Galaxie führt.

Spiele-Eintopf

Auf den ersten Blick scheint Haven ein normales Jump&Run wie z.B. Crash Bandicoot - Zorn des Cortex zu sein. Kommt auch nicht von ungefähr, denn vor Haven hat Traveller´s Tales an dem sprunggewaltigen Beuteltier gearbeitet.

Doch bereits nach kurzer Zeit wird deutlich, dass Haven zwar zahlreiche Jump&Run-Elemente wie Sprung-Sequenzen, zahllose Items und Schalterrätsel aufweist, die Entwickler aber versucht haben, das Genre mit neuen Elementen zu verknüpfen: So findet Ihr Geschützturm-Sequenzen, Boot-Rennen, Abschnitte, in denen Ihr einen Buggy fahren müsst, Drachenfliegen, Raumschiffballereien und und und.

__NEWCOL__Die gewagte Mischung macht zwar anfangs einen merkwürdigen Eindruck, doch die spielerische Abwechslung, die dadurch erreicht wird, ist sehr interessant und lockt zum Weiterspielen. Denn die Übergänge zwischen den einzelnen Elementen sind absolut nahtlos und zudem noch passend in die Geschichte integriert, die von der Rettung der eigenen Rasse bis hin zu persönlichen Problemen Havens reicht und weitaus tiefgehender ist, als man von einem Jump&Run erwarten könnte.

Viele Köche verderben den Brei?

Einen Haken haben die verschiedenen Elemente aber trotzdem: So interessant die Mischung auch ist, im Endeffekt bleiben die einzelnen Gameplay-Anteile im Gros hinter den Spielen zurück, die sich auf die verschiedenen Elemente spezialisiert haben. Ein Beispiel: Die Drachenflugsequenz ist zweifelsfrei gelungen, anspruchsvoll und motivierend, der Nintendo-Klassiker PilotWings hat dieses Genre aber bis zum Letzten ausgenutzt und sorgt dementsprechend für mehr Spaß. Und so verhält es sich mit so ziemlich allen Elementen. Sie passen, machen eine Menge Spaß, bleiben für sich betrachtet aber hinter den "Vorbildern" zurück.

Zudem kommt die im Vorfeld angekündigte großartige Bewegungsfreiheit, bei der man mit einem Raumschiff zwischen Planeten rumdüsen kann, viel zu spät im Spiel. Stattdessen bewegt man sich in der Story vorwärts und folgt dabei aber einer vorgegeben Level-Struktur, die nur von den angesprochenen Abwechslungen aufgelockert wird.

Dafür gibt es allerdings außer beim Start eines Spieles keine Ladezeiten. Alle Elemente gehen nahtlos ineinander über und die Zwischensequenzen in Spielgrafik wechseln übergangslos in den nächsten Abschnitt, so dass man wirklich das Gefühl hat, eine Geschichte im Fluss erzählt zu bekommen, ohne durch Ladezeiten unterbrochen zu werden.

Technik mit Kinderkrankheiten

Obwohl die Steuerung an sich gut reagiert und auch die Kollisionsabfrage einen passablen Job erledigt, gibt es auch bei Haven die Genre-typischen Probleme mit der Kamera. Denn die normale Ansicht reagiert in vielen Momenten zu träge, so dass man gezwungen wird, nachzujustieren.__NEWCOL__Vor allem bei hektischen Sprungsequenzen fehlt einem aber dazu die Zeit, womit der nächste Sprung zu einem unkalkulierbaren Risiko werden kann.

Auch der Einsatz von Waffen ist nicht ganz optimal gelöst. Ein ständig zur Verfügung stehendes Waffenarsenal wie bei z.B. Ratchet & Clank sucht man vergeblich. Statt dessen findet Ihr in einigen Vasen Waffen, die Ihr gegen die Gegner einsetzen könnt.

Allerdings nimmt die Energie der Waffen ständig ab und kann auch nicht wieder aufgeladen werden. Was an sich nicht so schlimm wäre, wenn die Zielgenauigkeit nicht zu wünschen übrig lassen würde.

Da hilft nur das Schalten in den Ego-Modus, was das Zielen zwar erleichtert, doch bis man die Gegner einigermaßen erfasst hat, ist die Zeit der Waffe fast schon abgelaufen - hmmm! Da ist Ärger vorprogrammiert.

Abgesehen davon bietet Haven ein rundes Spielerlebnis, das den Spieler immer wieder aufs Neue fordert und auch permanent mit durchdachten neuen Elementen die Zocker überrascht.

Endlose Weiten und Bewegung ohne Ende

Der Grafikmotor für Haven ist die von Traveller´s Tales entwickelte T-Total-Engine, die in einer frühen Form auch schon in Crash Bandicoot zum Einsatz kam. Und bereits im Titelbild wird deutlich, dass T-Total zu großen Taten in der Lage ist. Einen derartigen Zoom aus dem Orbit bis hin auf die Planetenoberfläche gab es in dieser Form noch nicht auf Konsolen zu sehen äußerst eindrucksvoll!

Auch sonst gibt sich die Engine redlich Mühe, eine überzeugende Welt auf den Bildschirm zu zaubern, die mit famoser Weitsicht und nahtlosen Übergängen zwischen Innen- und Außenwelten glänzen will und dies auch zu großen Teilen schafft.

Im Zusammenspiel mit dem permanenten Datenstrom, der das Nachladen auf Null setzt, tauchen allerdings einige Probleme auf: Denn obwohl die Texturen wahrlich nicht schlecht aussehen, erreichen sie nur selten die Detail-Qualität von Spielen wie Jak&Daxter oder Starfox Adventures.

Allerdings verblassen die bereits angesprochenen Textur-Probleme neben dem Interlace-Flackern, dass auch T-Total nicht in den Griff bekommt und dass die an sich feinen Reflexionen und sonstigen Grafik-Spielereien nur noch halb so schön aussehen lässt.

Dass kann T-Total jedoch mit außerordentlich guten Lichteffekten weitestgehend auffangen. Zudem ist die Engine in der Lage, eine Unmenge an Figuren auf den Bildschirm zu transportieren, die alle fein animiert sind. Ein Beispiel: Nichts ahnend kommt Ihr in einen Raum, in dem sich aus einem Loch in der Mitte plötzlich Hunderte unabhängig voneinander animierte Käfer auf Euch stürzen - fantastisch.

Deutsch als Fremdsprache?

Wer über Kenntnisse der englischen Sprache verfügt, sollte seine PS2 im Hauptmenü auf Englisch stellen. Denn obwohl die deutsche Fassung gar nicht schlecht ist, bleibt sie weit hinter dem englischen Vorbild zurück. Die Sprecher geben sich zwar Mühe, den Humor und die Eigenheiten der Figuren gut zu erfassen, schießen dabei aber zur Genüge über das Ziel hinaus, erreichen somit das Gegenteil und führen in manchen Momenten die Charaktere sogar an den Rand der Lächerlichkeit - schade!

Hervorragend ist jedoch die musikalische Untermalung, die sich dynamisch dem Spielgeschehen anpasst und Film-Qualität erreicht. Auch die Soundeffekte sind durch die Bank gut bis sehr gut und nehmen auch mit zunehmender Dauer nicht an Qualität und Vielfalt ab.

Fazit


Für Spieler, die sich die Frage stellen, ob sie sich nun ein Jump&Run, einen Action-Flieger, oder z.B. einen Buggy-Racer kaufen möchten, ist Haven die Erfüllung, denn das ungewöhnliche Midway-Projekt bietet von allem etwas. Allerdings fast schon zu viel, denn so revolutionär, wie es sich anfänglich anhört, ist Haven nicht. Die zahlreichen Elemente wurden zwar vorbildlich ins Spiel integriert und auch sehr gut an die Steuerung angepasst, kranken aber alle in einem Punkt: egal wohin man schaut, findet man Spiele, die das entsprechende Gameplay-Merkmal besser einfangen. In der Mischung zwar einzigartig und von einer ansprechenden Grafik-Engine angetrieben, ist Haven ein gelungenes, aber im Endeffekt nicht ganz ausgereiftes Spielerlebnis, das sicherlich mehr als einen Blick wert ist. Trotzdem wird man sich immer wieder bei dem Wunsch ertappen, dass die Entwickler weniger Elemente eingebaut, diese aber dafür noch weiter verfeinert hätten. Zudem besteht die Gefahr, dass für manche Spieler der Gameplay-Mischmasch zu umfangreich ist - obwohl die Jump&Run-Teile überwiegen. Und leider kommt die vollkommene Bewegungsfreiheit viel zu spät ins Spiel. Trotzdem ein guter und eindrucksvoller Versuch, dem Jump&Run-Genre neues Leben einzuhauchen.

Pro

<li>gelungene Mischung zahlreicher Spielelemente</li><li>nahtlose Übergänge zwischen den Gameplay-Elementen</li><li>nette Rätsel</li><li>zahlreiche Geheimnisse</li><li>umfangreiche Abschnitte</li><li>keine Ladezeiten</li><li>eingängige Steuerung</li><li>größtenteils linear</li><li>passable Lokalisation</li><li>sehr schöne Musikuntermalung</li>

Kontra

<li>einzelne Elemente nicht ausgereift</li><li>unnötig kompliziertes Waffensystem</li><li>Interlace-Probleme</li><li>Genre-typische Kameraprobleme</li><li>teilweise fade Texturen</li>

Wertung

PlayStation2

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