Grand Prix Challenge10.12.2002, Mathias Oertel
Grand Prix Challenge

Im Test:

Obwohl die Formel 1-Saison dieses Jahr schon längst beendet ist, lässt es sich Infogrames nicht nehmen, noch ein weiteres Spiel zur Königsklasse der Auto-Rennen unters Volk zu bringen. Allerdings ist die Konkurrenz groß. Wenn man aber in Betracht zieht, dass hinter Grand Prix Challenge (ab 21,14€ bei kaufen) das Team von Melbourne House steht, das schon mit den 24 Stunden von Le Mans die Fans begeistern konnte, keimt Hoffnung auf, dass die Spieler eine ernst zu nehmende Alternative zu EAs Formel 1 2002 bekommen. Wir haben den PS-Protzen unter die Haube geschaut und präsentieren Euch in unserem Test das Ergebnis.

Volle Lizenz

Wie die namhafte Konkurrenz von Electronic Arts und Sony verfügt auch Grand Prix Challenge über die Lizenz der abgelaufenen Saison 2002. Damit sind alle offiziellen Fahrer, Teams und Strecken der abgelaufenen Saison dabei. Was wiederum bedeutet, dass Ihr Euch aufmachen könnt, dem Triumphzug von Michael Schumacher nachzueifern oder versucht, zum Beispiel Takuma Sato auf den Weltmeisterposten zu fahren.

Spartanisch, aber durchdacht

Dass das Team von Melbourne House den Schwerpunkt auf unkomplizierten Fahrspaß gelegt hat, merkt man vor allem an der Spielmodi-Auswahl. Durch die Bank sieht man nur allseits bekannte Modi wie Einzelrennen, Schnelle Rennen, Saison und Herausforderungen.

Doch echte F1-Fans werden sich vermutlich gar nicht so sehr an dem Modi-Einerlei stören, denn sobald es auf die Strecke geht, offenbart Grand Prix Challenge seine Stärken.

Dabei hat Melbourne House darauf geachtet, das Spiel sowohl für Anfänger als auch Profis kompatibel zu machen. Das grundsätzliche Handling des Fahrzeuges lässt sich in drei Stufen konfigurieren, die KI der Gegner ebenso. So können Einsteiger einen schnellen und unkomplizierten Einstieg finden, während Profis gleich von Beginn an mit den höchsten Einstellungen grandios gefordert werden.

Die Steuerung des Renners ist im Zusammenspiel mit den umfangreichen Tuning-Optionen und den Handling-Grundeinstellungen hervorragend gelungen und reagiert wunderbar. Auch das Tuning wurde so gestaltet, dass selbst Anfänger keine Probleme haben werden: Die zahlreichen das Fahrverhalten beeinflussenden Aspekte werden mit Hilfe von Schiebereglern verstellt, während die Physikroutinen im Hintergrund laufen und die Einstellungen auf den Asphalt bringen.

Dabei fällt positiv auf, dass die Entwickler darauf geachtet haben, die technischen Grundwerte der einzelnen Teams beizubehalten. Ein Ferrari-Motor ist dementsprechend leistungsfähiger als eine Honda-Maschine und sorgt so zusätzlich noch für Herausforderungen. Denn einige werden sicherlich Spaß daran haben, z.B. mit Eddie Irvine die WM für sich zu entscheiden.

Die KI reagiert abhängig von der Grundauswahl von "Ich tu dir nichts" bis zum rigorosen Kampflinienfahren und bleibt auch nicht immer stur auf der Ideallinie. Dass den von der CPU gesteuerten Kollegen dabei auch mal Fehler unterlaufen, ist zwar im Endeffekt nichts Neues, sollte aber trotzdem erwähnt werden.

Ein Schadensmodell gibt es natürlich auch. Ähnlich wie bei Sonys F1-Kollegen dieses Jahres muss man sich allerdings gehörig anstrengen, um seinem Wagen den Knockout zu versetzen. Doch unter dem Strich unterstreicht dies nur das Vorhaben, die Motivation des Spielers nicht unnötig nach unten zu drücken und kann im Zweifelsfall auch deaktiviert werden.

Insgesamt hat Melbourne House es tatsächlich geschafft, den schwierigen Spagat zwischen Arcade und Realismus zu meistern und ein Formel Eins-Spiel auf die Beine gestellt, das vielen Kollegen dank ultra-schnellem Einstieg eine Nase drehen kann. Das Problem, das sich allerdings möglicherweise auf tun könnte, ist der späte Zeitpunkt der Veröffentlichung. Denn die Saison ist längst gelaufen und die Konkurrenz wahrlich nicht schlecht.

Höllisch schnell und ruckelfrei

Ein Großteil des aufkommenden Spielspaßes wird von der grandiosen Grafikengine gebildet, die eine Geschwindigkeit auf den Bildschirm zaubert, dass einem Angst und Bange werden kann.

Und das Beste: der Grafikmotor schnurrt selbst auf allerhöchsten Drehzahlen mit einer Gleichmäßigkeit, die einem Respekt abnötigt. Selbst wenn man im Regen am Ende des Feldes auf der Messlatten-Strecke Monaco startet, gibt sich die Grafik keine Blöße und bleibt stets flüssig und sauber.

Das Streckendesign an sich wirkt wie bei allen F1-Spielen mit ihren Rundkursen natürlich nicht so abwechslungsreich wie z.B. bei einem Need for Speed Hot Pursuit 2, fängt aber die Eigenheiten und Erkennungsmerkmale der Kurse gut ein und blitzt hin und wieder mit schönen Lichtspielchen und Spiegelungen auf regennasser Fahrbahn auf.

Allerdings wird man bei Regen durch die Spiegelungen einfach nicht das Gefühl los, dass die Wagen anfangen zu schweben.

Doch dies fällt einem nur auf, wenn man sich in der Nähe eines gegnerischen Fahrzeugs aufhält.

Äußerst merkwürdig muten allerdings die Regentropfen an, die einem im Tunnel von Monaco auf die Kamera prasseln.

Doch diese grafischen Ungereimtheiten halten sich dezent im Hintergrund und stören den Gesamteindruck nur unerheblich.

Denn auch die Boliden sind hervorragend modelliert und gehören mit zum Besten, was der Konsolen-Rennsport zu bieten hat. Mit zahlreichen Kameraperspektiven ist für jeden etwas dabei und wählt man die Cockpit- oder Helmansicht werden die Fliehkräfte und Erschütterungen, die auf die Fahrer wirken, optisch sehr eindrucksvoll vermittelt.

Dafür wird allerdings bei den Boxenstops auf Sparflamme gekocht. Der Wagen fährt in die Box, steht da eine Zeit lang und fährt daraufhin wieder heraus, ohne dass sich irgendwelche Crew-Mitglieder an dem Boliden zu schaffen gemacht haben. Hier hätte definitiv mehr kommen müssen.

Und auch an der allgemeinen Präsentation während der Rennen wurde gespart: Relativ kleine und unscheinbare Einblendungen im oberen Bildschirmviertel klären Euch über Abstände zur Konkurrenz auf und wirken geradezu hingeklatscht. Da man sowieso schon die offizielle Lizenz hat, wäre man evtl. besser bedient gewesen, auf die aus dem Fernsehen bekannten Einblendungen am unteren Bildschirmrand zurückzugreifen - aber sei´s drum.

Mach leise

So gut sich Grand Prix Challenge auch grafisch präsentiert und so viel Spaß es auch macht, mit Höchstgeschwindigkeit an den Gegnern vorbeizuziehen - der Sound kann einem manchmal schon gehörig den Spielspaß verleiden.

Dabei stellen die durchweg stimmigen Motorengeräusche kein Problem dar und liefern einen soliden Eindruck ab.

Doch die nervige Dudelmusik, die während der Rennen im Hintergrund vor sich hin musiziert, geht einem nach kürzester Zeit dermaßen auf die Nerven, dass man am liebsten den Wagen gegen die nächste Mauer setzen möchte, um aus dem Rennen aussteigen zu können.

Doch schaltet man die Musik aus, hat man nur noch das Dröhnen der Motoren und die spärlich eingesetzte Zuschauerkulisse im Ohr. Kommentare während der Highspeed-Hetzjagd sucht man vergebens - von einem Boxenfunk, der einen über Vorkommnisse auf der Strecke informiert oder zum Boxenstop hereinruft, ganz zu schweigen.

Fazit


Angesichts der Formel 1-Spiel-Schwemme dieses Jahres stellt Grand Prix Challenge ein zweischneidiges Schwert dar. Von der technischen Seite kann sich das Spiel als ausgereiftes Produkt präsentieren und bietet ein Geschwindigkeitsgefühl ohne Einbrüche, das man in dieser Qualität nur ganz selten in Rennspielen findet und für Formel 1-Spiele einen neuen Standard setzt. Auch die variablen Schwierigkeitsgrade und die gelungene Fahrphysik, deren Tuning-Möglichkeiten den Spieler nicht überfordern, sind ein definitives Plus und sorgen für eine Menge Spaß. Hardcore-Formel 1-Freaks wird es allerdings stören, dass das Drumherum wie Boxenstopps und fehlendem Boxenfunk nicht gerade gelungen ist. Wer auf Geschwindigkeitsrausch und unkomplizierten Fahrspaß abfährt, ist mit Grand Prix Challenge wunderbar bedient und wird sich auch nicht an den altbackenen Spielmodi stören. Wer allerdings die Konkurrenz aus dem Hause EA schon im Schrank hat, sollte definitiv ein Probespielchen machen.

Pro

<li>durchweg konstante Bildraten</li><li>gelungene Wettereffekte</li><li>gutes Physikmodell</li><li>fordernde KI</li><li>sehr gute Steuerung</li><li>fantastisches Geschwindigkeitsgefühl</li><li>schöne Wiederholungen</li><li>variabler Schwierigkeitsgrad</li><li>passables Schadensmodell</li>

Kontra

<li>kein Boxenfunk</li><li>spartanische Rennpräsentation</li><li>nur Standard-Spielmodi</li><li>unspektakuläre Boxenstopps</li><li>unbrauchbare Rückspiegel</li>

Wertung

PlayStation2

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