Final Fantasy 10-228.02.2004, Mathias Oertel
Final Fantasy 10-2

Im Test:

Mit der Final Fantasy-Serie hat Square auf diversen Systemen ein Stück moderner Software-Geschichte geschaffen. Und diese Geschichte wird nun fortgesetzt – im wahrsten Sinne des Wortes! Denn mit Final Fantasy X-2 steht erstmals ein direkter Nachfolger auf dem Programm. Geht das Experiment "Nachfolger" auf? Lohnt sich das Spiel nur für Final Fantasy X-Kenner? Die Antworten findet ihr im Test!

Fortsetzungs-Premiere

Squares Final Fantasy-Serie kann auf eine ruhmreiche und bewegte Vergangenheit zurück blicken. Doch obwohl es immer wieder zahlreiche Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten gegeben hat, stehen die FF-Spiele inhaltlich in keinem Zusammenhang und haben niemals die Geschichte des Vorläufers fortgeführt.

Vorhang auf für Final Fantasy X-2, das erstmalig auf einem Vorgänger auf– und gleichzeitig viele neue Elemente einbaut, die es zu einem ganz eigenständigen Abenteuer machen.

Schöne Lichteffekte, eindrucksvolles Figurendesign: FF X-2 setzt den Standard für PS2-RPGs - allerdings auch, was die Breite der PAL-Balken betrifft!

Die Zeit danach

Angesiedelt etwa zwei Jahre nach den Ereignissen von Final Fantasy X, hat Yuna das Kostüm eines hohen Mediums an den Nagel gehängt. Stattdessen durchstreift sie die Welt Spira mit Shorts, die vermutlich aus dem Kleiderschrank von Lara Croft entliehen sind. Gleichzeitig hat sie sich scheinbar ein paar Waffen der britischen Archäologin geliehen und zieht mit ihrer Cousine Rikku und ihrer neu gewonnenen Freundin Paine als Sphärenjäger durchs Land.

In diesen Spähren sind historische Filme gespeichert, die mal mehr, mal weniger aufschlussreich präsentieren, was seit dem Untergang von FFX-Obermotz Sin passiert ist. __NEWCOL__Doch im Kern ist Yuna auf der Suche nach ihrem Herzensbuben Tidus, der nach dem Sieg über Sin spurlos verschwunden ist.

Spherebreak: eines der interessanten Mini-Spiele in FF X-2.

Dass allerdings zwei Jahre ins Land gezogen und sowohl Yuna als auch Rikku einen nahezu tödlichen Kampf hinter sich haben, merkt man den Figuren fast gar nicht an. Immer noch wirken beide etwas grün hinter den Ohren und lassen in diversen Situationen kaum etwas von Reife spüren, die man nach einer solchen Auseinandersetzung hätte erwarten können.

Zudem wirken die Figuren austauschbar. Versteht mich nicht falsch: Ich habe mich auf ein Wiedersehen mit Yuna und Co. gefreut. Doch da es viele Änderungen in Gameplay und Missionsdesign gibt (dazu gleich mehr), hätte Yuna samt Anhang in genau der gleichen Form auftauchen können wie z.B. Wakka: als Gast, der durch pure Anwesenheit die Verbindung mit Teil 10 darstellt. Letzten Endes fehlt die allerletzte Identifikation, die man im Vorgänger noch mit den Figuren aufbauen konnte. Und vor allem die emotionale Bindung des Spielers an die Figuren, auf die man hier teilweise verzichtet, hat einen Großteil des Erfolges von FF X ausgemacht. Sowohl Yuna als auch Rikku als auch der adäquate Lulu-Ersatz Paine wirken austauschbar.

Es gibt zwar bestimmte Schlüsselorte, die euch in der Geschichte voran bringen und die klar auf der Karte markiert sind, doch wenn euch nicht danach ist, könnt ihr auch an anderer Stelle zur Landung ansetzen und dort schauen, ob alles in Ordnung ist.

Offenes Missionsdesign

Das könnte unter Umständen auch daran liegen, dass sich Square für ein offenes und nichtlineares Missionsdesign entschieden hat. Anstatt einer vorgegebenen Route zu folgen, habt ihr nahezu jederzeit die Möglichkeit, an insgesamt etwa 15 Orten zu landen, zu forschen, zu kämpfen und nach Sphäroiden zu suchen.

Die Freiheit, die euch dadurch gewährt wird, ist eine gute Idee, birgt aber auch einige Gefahren: Die größte davon ist ein fehlender Erzählfluss. Denn die Geschichte, die auch dieses Mal zweifellos interessant ist, bleibt weitestgehend fragmenthaft, da viele der optionalen Landezonen nur selten mehr sind als Jagdgebiete für Erfahrungspunkte oder Startstellen für eines der zahlreichen Mini-Spiele.

Active Time Battle: unter Umständen recht hektisch, aber mit einigen interessanten Kombo-Möglichkeiten!

So kann es passieren, dass zwei Spieler, die eine äußerst unterschiedliche Spieldauer aufweisen, storytechnisch gar nicht so weit auseinander liegen, wie man vermuten könnte. Der rote Faden bleibt zwar stets die Jagd nach Sphäroiden und natürlich die Suche nach Tidus, doch zwischendurch gibt es auch viel Leerlauf.

__NEWCOL__Gelungene Charakterentwicklung

Wie eigentlich bei jedem Final Fantasy-Spiel bietet Square ein komplett neues Konzept der Figurenentwicklung. Das Geheimnis in FFX-2 lautet: Kostümsphären. Von Zeit zu Zeit findet ihr Kostüme, die verschiedenen Charakterklassen entsprechen. Der Weißmagier ist genau so vertreten wie der Schwarzmagier, der Dieb, der Kämpfer usw. Der Clou liegt darin, dass jede Figur jede Klasse erlernen kann.

Die Effekte beim Kostümwechsel sind einfach nur klasse!

Einfach das entsprechende Kostüm anziehen und schon wird aus Rikku der Diebin, Rikku die Heilerin. Die Eigenschaften und Fähigkeiten jedes Kostüms werden durch Benutzung der vorhandenen Zauber usw. erlernt. Je häufiger ein Heiler seine Zauber anwendet, desto schneller steigen die nach einem Kampf gewonnenen APs, die für das Freischalten neuer Zauber und Fähigkeiten benötigt werden.

Klingt kompliziert? Keine Angst, bereits nach wenigen Spielminuten hat man dieses Prinzip kapiert und beginnt wie wild, seine Charaktere aufzupowern.

Ihr habt allerdings nicht nur zwischen den Kämpfen die Möglichkeit, das Kostüm und damit die Klasse zu wechseln, sondern könnt (teilweise müsst) auch während der immer noch zufällig stattfindenden Konfrontationen vom Weiß- zum Schwarzmagier werden.

Allerdings müsst ihr im Inventar die Verwandlungsmöglichkeiten auf einem Brett festlegen. Viele der zahlreichen unterschiedlichen Bretter bieten euch bei einem Wechsel noch zahlreiche Boni und besondere Fähigkeiten, so dass ihr taktisches Kalkül beweisen müsst.

Feiert ein Wiedersehen mit Lulu, Wakka und vielen anderen Freunden aus FF X!

Aktiver Zeitkampf

Bei den Kämpfen hat man sich wieder für das so genannte ATB- (Active Time Battle-) System entschieden. Soll heißen, dass alle Charaktere (Monster wie eure Gruppe) eine Leiste haben, die gefüllt werden muss, bevor sie eine Aktion starten.

Je nachdem, für was ihr euch entscheidet, kann die Leiste für die nächste Runde auch mal länger oder kürzer sein und kann auch durch gegnerische Zauber beeinflusst werden.

Doch obwohl sich alles recht gemächlich anhört, kann es unter Umständen zu viel Hektik am Pad kommen, da die Kämpfe fast schon zu dynamisch ablaufen und nahezu einen Hauch Echtzeit verströmen. Denn selbst wenn ihr nichts macht und mit einer vollen Zeitleiste da sitzt, greifen die Monster weiter an.

Trotz dieser Hektik kommt es nur selten zu Frustmomenten, da sich durch das ATB auch neue Kombomöglichkeiten ergeben. Passt man den richtigen Moment ab, kann man z.B. alle drei Figuren annähernd gleichzeitig angreifen lassen, wodurch der Schaden beim Gegner immens in die Höhe schnellt.

__NEWCOL__Viel drumherum

Wie man es von den letzten Teilen der Final Fantasy-Serie gewöhnt ist, gibt es auch außerhalb der Sphärenjagd viel zu tun: zahlreiche Mini-Games lockern das Geschehen auf, ihr müsst wieder einmal das komplette Al-Bhed-Alphabet mit Hilfe von auf ganz Spira versteckten Lexika finden und lernen und und und...

So kommt man locker auf eine Spielzeit von etwa 60 bis 100 Stunden. Plus eventuelle Zeit, die man damit verbringt, auf dem Transportschiff in der integrierten Enzyklopädie zu schmökern, die euch über die ganzen Monster informiert, die euch begegnet sind.

Allerdings stellt sich wie bereits erwähnt auch immer wieder eine kleine Leerlaufphase ein, in der die Geschichte etwas in der Luft hängt, während man sich in besonders geeigneten Abschnitten mit Powerleveln die Zeit vertreibt.

Trotz des interessanten Lulu-Ersatzes Paine wirken die Figuren austauschbar und bieten weniger Identifikationsansatz als von Square gewohnt!

Unter dem Strich kommt man aber nicht darum herum, Square einen Glückwunsch zur gelungenen Fortsetzungspremiere auszusprechen. Insgesamt zwar nicht auf einem Niveau mit dem phantastischen Vorgänger und in einigen Punkten nicht ganz so durchdacht, wie man es sich wünschen würde, bietet Square einige neue spielerische Ideen an, die das Spiel für Final Fantasy-Fans zum Pflichtkauf machen und auch für Neueinsteiger mehr als interessant machen.

Wunderschön, aber...

Die Grafik in Final Fantasy X-2 ist genau so wie beim Standards setzenden Vorgänger einfach nur wunderschön: Stimmige Hintergründe mit vielen Reminiszenzen an den Vorgänger, gute Animationen (auch wenn Yunas Laufbewegung auf Dauer etwas albern aussieht), ein feines Charakter- und Gegnerdesign lassen sämtliche RPG-Konkurrenz im Schatten stehen und können sogar einige Xbox-Titel in große Gefahr bringen.

Die Kostümbretter legen fest, welche Verwandlungs-Möglichkeiten euch zur Verfügung stehen.

Und wieso kriegt ein Titel, der die PS2 mit sorgsamen Leveldesign und atmosphärischen Lichteffekten bis an die grafischen Grenzen zu bringen scheint, dann nicht mindestens eine 90-Prozent-Wertung?

Ganz einfach: Die PAL-Balken, die euch auf dem Bildschirm begegnen, spotten einfach jeder Beschreibung. Fernab eines 60 Hz-Modus wurde Final Fantasy X-2 derart schlecht auf PAL konvertiert, dass sich selbst frühe Capcom-Titel fast schon wie eine mustergültige Umsetzung ausnehmen.

__NEWCOL__Da ist es auch nur ein schwacher Trost, dass die Kostümwechsel sowie sonstige Magieeffekte grandios in Szene gesetzt wurden. Selbst die Rendersequenzen, die schlichtweg phänomenal sind und Squares Ruf als Meister der CG-Videos untermauern können den Balken-Frust nicht lindern.

Egal ob in Spielgrafik oder als Renderfilm: die Zwischensequenzen sind sehenswert, können die Leerlaufphasen der Story aber nicht übertünchen!

Gelungener Sound mit kleinen Makeln

Von der akustischen Seite hingegen überzeugt Final Fantasy X-2 bis auf einige kleine Schwächen auf ganzer Linie. Gute, wenngleich englische Sprachausgabe, nette Soundeffekte sowie gelungene und für ein Final Fantasy-Spiel teilweise extrem schnelle und treibende Musikkompositionen sorgen für eine rundum gelungene Atmosphäre. Allerdings bleibt die Fortsetzung in punkte Gesamtstimmung hinter dem wegweisenden Vorgänger zurück:. Etwas Variation bei den Songs der Tänzerin hätte z.B. nicht schaden können. Denn bei jedem Spruch eigentlich immer das gleiche Liedchen geträllert zu bekommen, geht nach einiger Zeit etwas auf den Keks, so dass man sich häufig zwei Mal fragt, ob man die Tänzerin wieder einsetzen möchte.

Fazit

Die Fortsetzung zum zweifellos fantastischen Final Fantasy X hat viele Stärken – aber auch einige Schwächen. Während Square sich z.B. wieder einmal ein interessantes Charakterentwicklungssystem einfallen ließ und auch die offene Missionstruktur gut gelungen ist, birgt der letzte Punkt leider auch ein großes Manko. Denn die Story wird nur unzureichend nach vorne getrieben, insgesamt relativ schwach erzählt und kommt zu spät in Gang. Zudem wirken die Charaktere austauschbar: Yuna und Rikku hätten durchaus von anderen Figuren ersetzt werden können und haben sich für meinen Geschmack nach den Ereignissen von FFX zu wenig entwickelt. Und die zweifellos beispielhafte Grafik erhält durch die grottenschlechte PAL-Umsetzung mit massiven Balken einen schalen Beigeschmack. Wer sich mit diesen Schwächen abfinden kann, bekommt eine interessante und gut gelungene Fortsetzung zu dem Kult-RPG, bei der sich Square nicht gescheut hat, neue Wege zu gehen. Allerdings wird man ab und an das Gefühl nicht los, dass die Fäden, die durch die neuen Features und die lose Geschichte angesponnen werden, nicht zu einem schlüssigen Spielspaßteppich gewebt werden. Da in letzter Zeit jedoch kaum überzeugende RPGs auf der PS2 erschienen sind, nimmt Square mit Final Fantasy X-2 wieder einmal eine Ausnahmestellung ein. Doch obwohl die neuen Abenteuer von Yuna & Co. weitestgehend ohne Konkurrenz da stehen, ist FFX-2 nicht ohne Makel. Echte Fans wird dies wenig stören...

Pro

gut gelungene Charakterentwicklung
feine Grafik
offene Missionsstruktur
schönes Gegnerdesign
umfangreich
Mini-Games
imposante Rendersequenzen
gute Sounduntermalung
verschiedene Enden sorgen für Wiederspielwert
lange Spieldauer

Kontra

dicke PAL-Balken
keine deutsche Sprachausgabe
Charaktere wirken austauschbar
Story mit Schwächen
teilweise hektische Active Time Battle-Schlachten

Wertung

PlayStation2

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