Ghost Master: The Gravenville Chronicles17.11.2004, Jens Bischoff
Ghost Master: The Gravenville Chronicles

Im Test: Test: Warum lehrt uns ein Spiel für Sechsjährige das Gruseln?

Ihr mögt die Sims, habt ein Faible für übernatürliche Phänomene und erschreckt gerne andere Leute? Dann hätte Ghost Master: The Gravenville Chronicles (ab 11,96€ bei kaufen) genau euer Ding sein können. Doch leider ist die Ähnlichkeit mit den Sims nur oberflächlich, das Übernatürliche laut USK selbst für Sechsjährige geeignet und die drittklassige Präsentation erschreckender als alle Spukgestalten des Spiels zusammen.

Ich bin ein Sim, holt mich hier raus!

Macht das vorgerenderte Intro durchaus noch Lust auf mehr, folgt die Ernüchterung auf dem Fuße: So wirkt die Spielgrafik wie ein Low-Budget-Klon der Sims mit plumpen Charaktermodellen  von der Stange, unterirdisch schlechten Hampelmann-Animationen, unansehnlichen Texturtapeten

Spuk im Polizeirevier: Über das praktische Opferkarussell ermittelt ihr geeignete Zielpersonen.
und antiquierten Effekten - von unerklärlichen Einbrüchen der Bildrate ganz zu schweigen. Auch die Sound-FX sind einfach nur peinlich. Schreie und Seufzer klingen wie schlechte Parodien und wenn erschreckte Sterbliche das Weite suchen, ist dies ein audiovisuelles Trauerspiel, das sich kaum in Worte fassen lässt.

Das Schweigen der Lämmer

Sogar der Soundtrack zehrt mit seinem passablen, aber äußerst wiederholungsanfälligen Geklimper auf Dauer ziemlich an den Nerven. Die deutsche Synchro klingt hingegen ganz ordentlich, obwohl sich Sprachausgabe im Spiel eher rar macht und alle Spielfiguren wortlos ihren Beschäftigungen nachgehen. Eigentlich kommt das ganze Spiel über nur der imaginäre Erzähler zu Wort, der euch mal mehr, mal weniger klare Anweisungen gibt, die strikt zu befolgen sind, um kein vorzeitiges Scheitern des aktuellen Levels heraufzubeschwören.

Die Geister, die ich nicht rief

Was man zu Beginn des Spiels noch als Teil eines Tutorials in Kauf nimmt, geht einem im weiteren Spielverlauf immer mehr auf den Keks und irgendwann hat man es einfach satt, ständig vorgeschrieben zu bekommen, wie man wen und wann aus dem Haus vertreiben soll.

Kadett auf der Flucht: Im Schlafsaal der Kaserne schießen plötzlich dornige Ranken empor.
Auch dass man keinen Einfluss darauf hat, mit welchen Geistern man die einzelnen Szenarien beginnt, gibt einem das Gefühl, nur als Handlanger zu fungieren statt als Ghost Master tätig zu sein. Komisch auch, dass es das Spiel trotz all der peniblen Vorgaben und genau einzuhaltenden Reihenfolgen immer wieder schafft, so viele Leerlaufphasen zu generieren.

Gruseln nach Vorschrift

Selbst die Fähigkeiten der Geister sind strikt vorgegeben und beschränkt, was den Freiraum zusätzlich einengt. Doch auch wenn man sich an das lineare Aufgabenkorsett fast ohne jegliche Story-Elemente gewöhnt hat, will einfach keine Stimmung aufkommen. Die meiste Zeit ist man nur mit mühsamem Plasmasammeln beschäftigt, um genug Energie für die entscheidenden Spukaktivitäten zur Verfügung zu haben, und viele Missionsziele sind so unklar, dass man nur mit Trial&Error sowie einer Engelsgeduld weiterkommt. Abgesehen davon wirken Schwierigkeitsgrad und Spielbalance alles andere als zielgruppengerecht.      

Spieldesign von der Streckbank

Dies wiegt umso schwerer, da man keine Möglichkeit hat, den Fortschritt während einer Mission zwischenzuspeichern und bei jedem Fehler den ganzen Level nochmals von vorn beginnen darf. Zwar sind die teils mehrstöckigen Spielabschnitte relativ kompakt und die eigentlichen Aufgaben schnell zu bewältigen,

Unerwartete Gegenwehr: Manche eurer Opfer entpuppen sich als wehrhafte Hexen oder Priester.
aber da man ständig bestimmte Konstellationen abwarten, Energie sammeln und besonders schreckhafte Schlüsselfiguren wieder aufpäppeln muss, zieht sich jede noch so kleine Aufgabe in die Länge wie Kaugummi, während im Hintergrund unaufhaltsam ein Countdown tickt. Später werden euch bereits gemeisterte Szenarien sogar mit neuen Aufgaben ein zweites Mal vorgesetzt. Der an sich geringe Spielumfang wird dadurch aber auch nicht üppiger.

Praktisches Geisterkarussell

Dabei ist die Benutzerführung für die Umsetzung eines PC-Spiels auf Konsole eigentlich vorbildlich. So ruft ihr über die Schultertasten Auswahlkarusselle eurer zur Verfügung stehenden Geister bzw. aller potentiellen Opfer auf, wo ihr auf Knopfdruck Bewegungsanweisungen gebt, individuelle Spukfähigkeiten aktiviert oder erläuternde Hilfstexte einblendet. Eure Gespenster sind dabei in unterschiedliche Kategorien eingeteilt, während eure Zielpersonen individuelle Schwachpunkte haben. So verringern manche Geister die Widerstandskraft eurer Opfer, während andere leibliche Schmerzen zufügen, als Lockvögel dienen, zu bestimmten Taten anstiften oder eine einschläfernde bzw. heilende Wirkung haben. Letzteres ist vor allem wichtig, um essentielle Personen an der Flucht oder mögliche Widersacher am Aufwachen zu hindern.

Die Geisterjäger kommen

In Ghost Master gibt es nämlich nicht nur ängstliche Normalsterbliche, sondern auch Charaktere mit übersinnlicher Wahrnehmung und exorzistischen Talenten, die euch einmal aus dem Schlaf gerissen, das Spukhandwerk als Hexen, Priester oder Schamanen zur Qual machen. Zum Glück könnt ihr euer Gespenster-Ensemble jedoch jederzeit zur Heilung in den Limbus schicken und unbemerkt durch Wände gehen, 

Trügerische Sicherheit: Einige Geister können potentielle Opfer anlocken und besänftigen.
um in angrenzende Räume zu flüchten. Dennoch verliert ihr trotz handlicher Steuerung und Kameraführung auch immer wieder den Überblick. Das liegt vor allem daran, dass es keine Übersichtskarte mit Positionsmelder oder ähnliches gibt, sich viele Spielfiguren optisch kaum voneinander unterscheiden und detaillierte Charakterinfos wie Widerstands- und Lebenskraft nur bei hoher Zoomstufe angezeigt werden.

Die Macht der Sequenz

Da hilft es auch nichts, dass man Sicht versperrende Wände auf Knopfdruck transparent erscheinen lassen kann oder die Kamera auf Wunsch jede aufgelistete Spielfigur ins Visier nimmt. Weit ärgerlicher ist allerdings, dass eure Opfer während bestimmter Animationsphasen einfach nicht erschreckt werden können oder das bei Zwischensequenzen, die sich natürlich so gut wie nie abbrechen lassen, das Spielgeschehen weiterläuft und man unter Umständen tatenlos zuschauen muss, wie Hexen oder Priester das eigene Geisterkabinett munter dezimieren.    

Fazit

Ghost Master ist wirklich schrecklich. Allerdings nicht im gewollten Sinne, denn einen Schrecken jagen einem die Geisterwesen mit ihren ausgelutschten Spukaktionen zu keiner Zeit ein. Stattdessen gruselt man sich eher angesichts der peinlichen Präsentation, des linearen Missionsdesigns oder der miesen Technik. Mit dem seinerzeit ganz spaßigen PC-Original hat diese kastrierte Magerumsetzung kaum mehr etwas zu tun. Irgendwie wurden alle motivierenden Elemente wie die freie Geisterwahl oder das Erwerben neuer Spukfähigkeiten weggelassen und die Handlungsfreiheit auf ein Minimum reduziert. Dafür dann auch noch einen höheren Preis zu verlangen, obwohl man die um Klassen bessere PC-Version mittlerweile fast geschenkt bekommt, ist geradezu unverschämt. Wer sich Ghost Master trotzdem auf der PS2 antut, muss also wirklich von allen guten Geistern verlassen sein.

Pro

handliche Kameraführung
solide deutsche Sprachausgabe
leicht zugängliches Benutzer-Interface

Kontra

miese Technik
geringer Umfang
billige Präsentation
ständiger Zeitdruck
kaum Abwechslung
mangelnde Übersicht
nervige Soundkulisse
teils unklare Aufgaben
sehr linearer Spielverlauf
sich wiederholende Levels

Wertung

PlayStation2

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