Myst 3: Exile25.11.2002, Jens Bischoff
Myst 3: Exile

Im Test:

Auch wenn sich bereits Millionen von Rätselhasen auf PC und Mac mit der überaus erfolgreichen Myst-Serie vergnügt haben, dürfte dieser Umstand für Konsolenspieler nur schwer nachvollziehbar sein. Mit Myst III: Exile bietet Ubi Soft nun aber auch PS2- und Xbox-Usern die Möglichkeit, in die esoterischen Point&Click-Welten von Prestos Kultserie abzutauchen. Ob diese allerdings Lust haben, sich mit einer leblosen Diashow frei von Spannung, Dynamik, Action und Humor zu beschäftigen, ist eher fraglich.

Ominöser Bücherklau

Die Story von Exile mag für Myst- und Riven-Fans vielleicht einigermaßen interessant sein, Neueinsteigern wird es aber mit Sicherheit egal sein, warum Ihr Euch im Auftrag des Serien-Schreiberlings Atrus auf die Suche nach einem gestohlenen Wälzer namens Releeshahn machen müsst. Der Dieb Saavedro will Euch jedenfalls mit allen Mitteln an der Verfolgung seiner Person hindern und hat Euch auf Eurer Reise durch insgesamt sechs Zeitalter jede Menge abstruser Rätsel in den Weg gestellt, die zum Teil selbst gestandene Ratefüchse zur Verzweiflung bringen können.

Dreidimensionale Standbilder

Nichtsdestotrotz macht Ihr Euch in bewährter Point&Click-Manier auf den Weg, den Dieb zu stellen und Releeshahn zurückzubringen. Zwar klickt Ihr Euch nach wie vor von Standbild zu Standbild, aber dank der neuen 360°-Umsicht könnt Ihr Euch nach jedem Schritt uneingeschränkt in alle Richtungen umsehen. Fällt Euer Auge dabei auf einen Gegenstand, mit dem Ihr interagieren könnt, wird ein entsprechender Cursor eingeblendet, der die jeweilige Art der Interaktion grafisch symbolisiert. Alternativ lässt sich der Cursor auch auskoppeln, um die Umgebung genauer zu inspizieren.

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Lesebrille erforderlich

Ein Inventar gibt es natürlich auch, aber in dieses wandern lediglich gefundene Schriften und Bücher, in denen Ihr teils wichtige Hinweise zur Lösung der im Mittelpunkt stehenden Rätsel findet. Aufsammelbare Gegenstände gibt es überhaupt nicht, aber zum Lesen mehr als einem lieb ist und das in augenfeindlicher Kritzelschrift geschrieben, die am Bildschirm selbst via RGB-Kabel nur schwer zu entziffern ist. Kopfweh bereiten Euch aber auch die Rätsel selbst, die von Euch völlig skurrile Aktionen verlangen und teils sogar nur mit Glück zu lösen sind.

Abstruse Rätselstunde

So muss bei einer Aufgabe etwas die Schärfe eines Fernglases exakt eingestellt werden. Bei einem winzigen detailarmen Bildausschnitt selbst auf einen hochwertigen Fernsehgerät eine äußerst ungenaue Angelegenheit. Aber auch die übrigen Kopfnüsse sind teils geradezu grotesk und wohl nur für die wenigsten nachvollziehbar. Oder habt Ihr Euch schon einmal in eine Pflanze gesetzt und deren Sinneswahrnehmung auf das Piepsen eines bizarren Pelztiers ausgerichtet, um damit im Nu eine begehbare Sporenbrücke wachsen zu lassen? Seht Ihr, aber ohne solch haarsträubende Gedankengänge seid Ihr bei Myst III schnell aufgeschmissen.

Unspektakuläres Bonusmaterial

Zwar können sich PS2-Besitzer auf ein beigelegtes Lösungsheft freuen, die dort enthaltenen Hinweise sind aber oft genauso konfus wie die Rätsel selbst. Als Bonus gibt es neben einem Myst-III-Trailer übrigens auch ein Multiple-Choice-Quiz für Hardcore-Fans, ob diese allerdings unter den PS2-Besitzern zu finden sind, ist wohl eher unwahrscheinlich. Auf der Xbox könnt Ihr Euch als Ausgleich ein umfangreiches Making-Of-Video im Kleinbildformat reinziehen, was auch nicht gerade spektakulär ist. Zudem bietet die Xbox-Fassung im Gegensatz zum PS2-Pendant eine Rumble-Funktion. Warum diese auf der Sony-Konsole fehlt, wissen aber wohl nur die Entwickler. Ein Ärgernis ist dieser Umstand allerdings nicht, denn das gelegentliche Pad-Rütteln wirkt willkürlich und ist spielerisch völlig irrelevant.

Festplatte vs. DVD

Da macht die Unterstützung einer USB-Maus auf der PS2 schon mehr Sinn, aber die Standard-Steuerung via Analog-Stick geht in der Praxis erstaunlicherweise fast genauso gut von der Hand. Vor allem auf der PS2, wo der Cursor auch im nicht-ausgekoppelten Zustand stets transparent zu erkennen ist und man immer genau weiß, wo man gerade hinschaut. Einen wirklich gravierenden Unterschied zwischen den beiden Konsolen-Adaptionen gibt es jedoch bei der Szenenumblendung. Während die Xbox dank Festplatte dafür nie länger als eine Sekunde benötigt, schaufelt sich das DVD-Laufwerk auf der Sony-Konsole bei jedem Schritt um Kopf und Kragen. Knapp zehn Sekunden sind bei der Umblendung keine Seltenheit. So wird die Spielzeit auf der PS2 zwar nahezu verzehnfacht, aber selbst bei geduldigen Spielern wird eine derartige Diashow schnell zu einem Frustmarathon erster Güte.

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Sterile Spielwelten

Ansonsten gleichen sich die beiden Versionen grafisch weitestgehend wie ein Ei dem anderen, auch wenn Ubi Soft Xbox-Besitzer mit einem Director`s Cut ködert, der angeblich brandneue Spezialeffekte und grafische Highlights bieten soll. In unserem Test sind uns aber nur ein paar dezent verbesserte Lichteffekte aufgefallen. Die Renderkulissen sind zwar hübsch anzusehen, wirken aber trotz kleinerer Animationen äußerst steril und leblos. Zudem ist der Bildausschnitt auf beiden Konsolen durch schwarze Balken beschnitten, auch wenn diese zum Teil als Inventarleiste genutzt werden. Das Scrolling ist ebenfalls auf beiden Systemen etwas ruckelanfällig, obwohl die manuell justierbare Scroll-Geschwindigkeit beim Umschauen generell recht flott und flüssig ausfällt.

Fantasy für Arme

Die Soundkulisse ist zwar eher spärlich und klingt auch mit Dolby-digitalem 5.1-Sound auf der Xbox nicht wesentlich imposanter, die akustisch erzeugte Atmosphäre geht aber prinzipiell in Ordnung und die deutsche Lokalisierung der Texte und Sprachausgabe kann sich sehen bzw. hören lassen - auch wenn die digitalisierten Bitmap-Schauspieler in den dreidimensionalen Render-Locations trotz teils namhafter Darsteller irgendwie deplaziert wirken. Auch Story und Dialoge sind alles andere als fesselnd und man hat das Gefühl unfreiwillig in einem zweitklassigen Fantasy-Film mitzuspielen. Immerhin halten sich die allgemeinen Ladezeiten in Grenzen und es darf jederzeit gespeichert werden, wobei auf die Xbox-Festplatte doppelt so viele Spielstände passen wie auf eine PS2-Memory-Card. Mangels lauernder Fallen und Gefahren ist häufiges Speichern aber sowieso nicht nötig.

Fazit


Verstehe die Myst-Fans wer will, aber was man mit Myst III: Exile Konsolenspielern da zumutet, ist nichts weiter als eine virtuelle Schlaftablette, die auf der PS2 dank technischer Unzulänglichkeiten auch noch zu einer Diashow im Schneckentempo degradiert wird. Über die dadurch nahezu verzehnfachte Spielzeit wird sich aber mit Sicherheit niemand freuen. Die Story ist langweilig, die Dialoge wirken albern und die Rätsel sind einfach nur abstrus. Der uneingeschränkten Blickfreiheit stehen stark eingeschränkte Bewegungs- und Interaktionsmöglichkeiten gegenüber und die an sich hübschen Renderkulissen sind steril und leblos, während die gelegentlich auftauchenden 2D-Charaktere völlig deplaziert wirken. Esoterisch veranlagte Fantasy-Querdenker mit Engelsgeduld mögen vielleicht ihren Spaß mit Exile haben, aber dass solche Leute eine PS2 zuhause stehen haben, glaubt Ubi Soft ja wohl selbst nicht - also eine völlig sinnlose Veröffentlichung.

Pro

<li>gute Lokalisierung</li><li>Maus-Unterstützung</li><li>inklusive Lösungsbuch</li><li>hübsche Renderkulissen</li><li>frei drehbare 360°-Ansicht</li><li>Spielstand jederzeit speicherbar</li>

Kontra

<li>PAL-Balken</li><li>abstruse Rätsel</li><li>sterile Locations</li><li>langweilige Story</li><li>endlose Umblendzeiten</li><li>einschläfernder Spielverlauf</li><li>kaum Interaktionsmöglichkeiten</li><li>eingeschränkte Bewegungsfreiheit</li>

Wertung

PlayStation2

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