Fallout - Brotherhood of Steel08.05.2004, Mathias Oertel
Fallout - Brotherhood of Steel

Im Test:

Auf dem PC ist die Fallout-Serie, die 1997 ihren Anfang nahm, mittlerweile Kult. Spannende Taktik-Kämpfe und eine klasse Atmosphäre konnten Spieler weltweit begeistern. Für Fallout Brotherhood of Steel, die Konsolenvariante der Endzeit-Saga, verlässt man die Taktik-Schiene und setzt auf Action-Gameplay. Mit welchen ernüchternden Erkenntnissen wir aus der radioaktiv verseuchten Zukunft zurückgekehrt sind, erfahrt ihr im Test.

Irgendwie mau!

Bereits vom ersten Einlegen der Disc wird klar, dass sich Interplay für die Konsolenwiederbelebung der Kult-Franchise an bekannten Gameplay-Mechanismen und sogar der Menüführung der ebenfalls aus dem Hause Interplay stammenden Hack&Slays der Baldur´s Gate Dark Alliance-Serie orientiert. Doch leider geht der Schuss nach hinten los!

Unter Verwendung der bekannten Engine ist man dazu übergegangen aus den spannenden rundenbasierten Kämpfen in der radioaktiv verseuchten und von mutierten Wesen bevölkerten Welt ein simples Gemetzel zu machen, in dem nicht nur die platte Story (nur ihr als Ritter der stählernen Bruderschaft könnt die Welt vor dem Untergang retten), sondern auch das Gameplay mit zunehmender Spieldauer permanent schwächer wird.

Fallout-Fans werden sich enttäuscht abwenden: Fernab jeder Taktik wird auf schlecht inszenierte Action gesetzt.

Fallout Dark Alliance mit Abstrichen

Dabei fängt alles gut an: Drei Charaktere stehen zur Auswahl, um mit einem simplen und gut funktionierenden Kontrollschema in der meist knallbunten Welt, die in keinem Zusammenhang mit der düsteren Grundgeschichte des Fallout-Universums zu stehen scheint, gegen nicht enden wollende Monsterhorden zu kämpfen. 

    __NEWCOL__Und anfangs macht das Gemetzel genau so viel Spaß wie bei den Fantasy-Pendants, die die gleiche Engine verwenden. Nach kurzer Zeit setzt allerdings Ernüchterung ein.

Testet man z.B. anfänglich einige der Charaktere aus, die zur Verfügung stehen, stellt man fest, dass sich ihre verbesserungsfähigen Eigenschaften nur marginal unterscheiden. Womit letztendlich der Wiederspielwert massiv gesenkt wird! Dazu kommt noch, dass eure Hauptdurchschlagskraft im Kampf weniger von euren Werten als von den mitgeführten Waffen abhängt.

Erinnert nicht nur optisch an Dark Alliance, sondern spielt sich auch ähnlich - nur nicht so gut!

Dass man dem Fallout-Universum gerecht werden möchte und zahlreiche konventionelle sowie energiebetriebene Schusswaffen eingebaut hat, ist lobenswert. Doch dass die im Fantasy-Bereich spannenden und fordernden Kämpfe hier mit den Projektilen zu einem Überkopfshooter ausarten, nagt massiv am Spielspaß.

Zumal das Gamebalancing wahrlich nicht prickelnd ist: Hat man sich erst einmal genug Geld zusammengespart, um sich ausreichend Munition und womöglich stärkere Waffen zu kaufen, stellen selbst größere Gegneransammlungen kein Problem mehr dar. Ergebnis: Die Spannung sinkt auf den Gefrierpunkt.

  

Zielhilfe?

Die gut gemeinte und bei Schusswaffen durchaus sinnvolle Zielhilfe ist mit Vorsicht zu genießen. Ist sie aktiviert, wird automatisch das nächstliegende Ziel erfasst. Klingt eigentlich ganz gut, doch urplötzlich fängt die Zielmarkierung an zu springen und auf einmal habt ihr einen Gegner im Visier, der eigentlich gar nicht vorgesehen war.  

Riesenskorpione, Mutanten und kleine Anleihen bei der Resident Evil-Serie bilden einen Teil der ansprechend großen Gegnerpalette

Und häufig kommt es vor, dass mit absoluter Genauigkeit aus einer Gruppe von einem Dutzend Monstern das ausgewählt wird, das euch mit seinen Schlägen oder Waffen am wenigsten anhaben kann, während die tödlicheren Varianten weiter auf euch einprügeln oder –schießen.

Was die Queststruktur betrifft, verlässt man sich ebenfalls auf Altbewährtes: Räumungsmissionen und Hol- und Bringdienste stehen auf dem Programm und locken wahrlich keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervor.

Stupide Bosskämpfe

Doch all das könnte man ja noch mit einigen zugedrückten Augen verschmerzen, wenn wenigstens die Bosskämpfe spannend wären. Aber mit ultra-seltenen Ausnahmen stellen selbst die größten Fieslinge überhaupt kein Problem dar. Anlegen, draufhalten, gelegentlich mal ein Stimpack zur Heilung aktivieren und schwupps, kann man selbst übermächtig scheinende Gegner ohne Aufwand und mit verbundenen Augen erledigen.

   __NEWCOL__Gegen Ende der Geschichte –normalerweise ein Anlass für Entwickler, noch einmal alle Register zu ziehen und für Spannung zu sorgen- übertrifft sich das Team von Fallout BOS selber - allerdings in negativer Hinsicht.

Ein Bosskampf reiht sich an den nächsten, alle sind nach Schema F zu lösen und spätestens wenn man für ca. fünf bis zehn Minuten den finalen Obermotz mit seiner Plasmagun beharkt –wohlgemerkt ohne seine Position verändern zu müssen- setzt gähnende Langeweile ein. Aber zum Glück ist das Spiel, das unverhohlen und erfolglos versucht, das Hack&Slay-Prinzip ins Fallout-Universum zu bringen, danach vorbei.

Geteiltes Leid

Das Hack&Slays zu zweit mehr Spaß machen, sieht man auch an der stählernen Bruderschaft. Doch abgesehen von den paar Gebieten, die nur für zwei Spieler zugänglich sind, setzt auch hier nach einiger Zeit gepflegte Langeweile ein. Aber wenigstens kann man sich gemeinsam um einiges besser über die Brotherhood of Steel lustig machen.

Dass Fallout die Dark Alliance-Engine nutzt, ist deutlich, wird aber meist nur mit den schönen Lichteffekten richtig ausgenutzt.

Aus luftiger Höhe

Zwar verwendet man bei Fallout BOS die Dark Alliance-Engine, doch das Ergebnis kann nur selten mit dem großen Vorbild mithalten: Die Animationen der Figuren und auch das grundsätzliche –für meinen Geschmack etwas zu bunt geratene- Leveldesign gehen zwar weitestgehend in Ordnung, doch die Kapazität der Engine wird keinesfalls ausgenutzt.   

So werden z.B. in den Zwischensequenzen die schwachen und detaillosen Texturen deutlich, die man auf die Figuren gelegt hat.

Nur in solchen Momenten könnt ihr die Charaktere näher betrachten. Die Action an sich wird von einer sehr weit entfernten Überkopf-Kamera präsentiert.

Ein weiteres Manko ist die Kameraperspektive: Angebracht etwa 20 Meter fast senkrecht über dem Kopf der Spielfigur hat man zwar eine gute Übersicht, doch durch die Entfernung geht auch sämtliche Atmosphäre verloren. Das Geschehen ist einfach viel zu weit weg, um für Spannung und angesichts des generell bizarren Designs der zahlreichen Gegner für so etwas wie Horror sorgen zu können.

Kein Spiel für Kids

Fallout BOS ist von akustischer Seite nur Hartgesottenen zu empfehlen. Denn die Sprachausgabe ergötzt sich in Flüchen, Schimpfwörtern und Ähnlichem, dass selbst wenig zimperlichen Drehbuchautoren wie Quentin Tarantino dagegen wie Chorknaben aussehen.

Doch leider geht der Schuss nach hinten los: Denn das Ziel, eine düstere und dreckige Zukunftsaussicht mit "Nothing-to-lose"-Charakteren zu schaffen, wird nicht erreicht.

 __NEWCOL__Stattdessen wirkt der Zynismus aufgesetzt, die Dialoge hilflos und der "Schock" (LOL) der ach so vulgären Sprachauffasung in der Zukunft hält sich auch in Grenzen.

Dafür ist die deutsche Synchronisation wenigstens technisch in Ordnung, kann aber die Nuancen, die in der ebenfalls verfügbaren englischen Fassung vorkommen, nicht 1:1 replizieren.

Und das war eigentlich schon das Positivste aus dem Akustik-Sektor. Denn auch bei der Musik hat man gründlich daneben gelangt. Die sporadisch und meist bei Bosskämpfen auftauchenden Melodie-Einspielungen schaffen es zwar, die eigentlich nicht vorhandene Spannung zu erhöhen und für leichte Atmosphäre-Punkte zu sorgen.

Die radioaktive Fallout-Zukunft ist düster und dreckig.

Den Großteil der Zeit stapft ihr allerdings ohne musikalische Untermalung durch die Gewölbe und müsst euch die passenden, aber im Fall der Plasmawaffen vollkommen farblosen und eintönigen Kampfgeräusche anhören.  

Fazit

Wenn man zwei viel versprechende Lizenzen (Fallout und Baldur´s Gate Dark Alliance) verbindet, ergibt das nicht automatisch ein gutes Spiel. Abgesehen davon, dass die Echtzeitkämpfe allem widersprechen, was die PC-Spieler von der Fallout-Serie kennen – nämlich anspruchsvolle Taktik, wurden die mit Spielen wie der BGDA-Serie und Champions of Norrath eingeführten, hochmotivierenden Gameplay-Mechanismen bei der stählernen Bruderschaft weitestgehend in den Sand gesetzt. Was nützen mir eine gute Steuerung und einigermaßen spannende Kämpfe gegen die Allerweltsmonster, die sich in den Abschnitten verbergen, wenn sich die Bosskämpfe einfach nur uninspiriert und bar jeglicher Spannung zeigen und dazu noch viel zu einfach zu bewältigen sind? Die sechs spielbaren Charaktere sind zudem noch mit viel zu wenigen Unterschieden ausgestattet, als dass sich ein nochmaliges Durchspielen lohnen würde. Und zu alledem bleibt Brotherhood of Steel technisch weit hinter den Fantasy-Kollegen zurück. Nur eine Kameraperspektive und weitestgehend fehlende Musikuntermalung sorgen unheimlich schnell für ein Abnehmen der Atmosphäre. Einzig mit einem weiteren Mitspieler stellt sich so etwas wie Spaß ein. Wer auf gepflegte Hack&Slay- (in diesem Falle: Shoot&Slay-) Action steht, ist mit BGDA 2 wesentlich besser bedient und kriegt zudem im Juni mit Champions of Norrath ein kleines Highlight. Sorry Interplay, aber die Wiederbelebung einer Kultfranchise in dieser Form ist peinlich.

Pro

nette Lichteffekte
unkompliziertes Spielprinzip
insgesamt sechs spielbare Charaktere
passable Gegnerauswahl
gute Sprachausgabe
gute Steuerung
zahlreiche Items und Waffen

Kontra

unspektakuläre Bosskämpfe
nur marginale Unterschiede bei den Charakteren
nur eine Kameraperspektive
magere Story
kaum Musik
flatterhafte Zielhilfe
eintöniges Gameplay
magere Akustik

Wertung

PlayStation2

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