Jak II: Renegade18.10.2003, Mathias Oertel
Jak II: Renegade

Im Test:

Ende 2001 sorgten ein unscheinbarer Elf namens Jak und sein in ein Frettchen verwandelter Freund Daxter für Riesenfreude bei Action-Adventure-Fans und nahmen souverän auf dem Genre-Thron Platz, den sie sich kurz darauf mit ihren Kollegen Ratchet & Clank teilen mussten. Doch nun kehren die beiden in Jak II: Renegade (ab 57,95€ bei kaufen) zurück, um wieder die Alleinherrschaft zu übernehmen. Mit welchen, teilweise genreuntypischen Elementen die Jungs von Naughty Dog uns überrascht haben, erfahrt Ihr im Test.

Das dunkle Precursor-Erbe

Alles ist in Butter: Jak & Daxter haben Gol und Maia besiegt und das beschauliche Inselleben, das die beiden Helden vor ihrem ersten Abenteuer führten, kann weiter gehen. Doch leider siegt wieder einmal Neugier über den Verstand: Anstatt die letzte Precursor-Maschine in Ruhe zu lassen, muss Daxter natürlich wieder ein paar Knöpfe betätigen und beschwört damit ein neues Übel herauf. Doch in letzter Sekunde können sich alle retten und finden sich nach einer Reise durch ein Precursor-Tor in der Stadt Haven City wieder, die von dem düsteren Baron Praxis mit eiserner Hand regiert wird.

Jak wird gefangen genommen und Experimenten mit dunklem Eco ausgesetzt. Erst nach zwei Jahren Eco-Behandlung kann Daxter ihn finden und befreien. Doch dies ist der Anfang. Denn Jak birgt nun ein dunkles Geheimnis in sich, das über das Schicksal von Haven City entscheiden kann...

Der Übergang zwischen der Inselidylle aus Teil 1 und der düsteren 1984-angehauchten Stadt Haven City ist gut gelungen und bringt Euch sofort mitten ins Geschehen. Auch der Rest der erstaunlich breit angelegten Story weiß mit vielen Wendungen zu überraschen und sorgt alleine schon für die nötige Motivation weiterzuspielen. Man möchte schlicht und einfach wissen, wie es weitergeht und kann das Pad einfach nicht mehr aus der Hand legen.

__NEWCOL__Plattform? Action? Adventure? Vice City?

Wer nach den ersten paar Minuten mit Jak II das Spiel vorschnell als ganz normalen Plattformer mit feiner Story verurteilt, könnte nicht falscher liegen.

Sicher: die Wurzeln von Jak II liegen genau wie in Teil 1 im klassischen Plattform-Bereich, was sich in zahlreichen fordernden Jump & Run-Sequenzen und den aus dem Vorgänger bekannten Sammeln von Gegenständen und Plätten von Gegner-Horden äußert.

Doch schon bald wird klar, dass das neue Abenteuer von Elf und Frettchen weitaus mehr ist als das: Naughty Dog hat sich allerorten nach neuen Spielelementen umgeschaut, diese clever in Jak II eingebaut und damit einen Genre-Mix geschaffen, der schnell alle üblichen Grenzen sprengt.

Der größte Unterschied zu Teil 1 (und so ganz nebenbei eine kleine Anleihe bei Ratchet & Clank) ist die Benutzung von Waffen: Nach und nach habt Ihr Zugriff auf ein breit angelegtes Waffenarsenal, das dem vermeintlichen Jump&Run schnell das Prädikat "feiner Third-Person-Shooter" einbringen könnte.

Und das alles nahtlos eingebunden in die bekannten Elemente, die aus Jak II schnell ein sagen wir mal "Jump&Fight&Shoot&Run" machen.

Doch dies ist noch lange nicht alles. Denn urplötzlich fühlt man sich beim Wandern durch Haven City an Rockstars Epos GTA Vice City erinnert. Nicht nur, dass man jederzeit die durch die Stadt fliegenden Fahrzeuge übernehmen kann und die Stadtteile vor Leben (und leider auch vor Praxis´ Schergen) teilweise nur so sprühen - auch das Missionsdesign, das trotz aller Verspieltheit und Non-Linearität immer die Story vorantreibt, erinnert immer wieder an die kriminellen Ausflüge in die Stadt der Sünde.

Größer, schöner, weiter, umfangreicher

Und mit fast jeder Mission, die man bekommt, wird das Stadtgebiet um neue Areale erweitert, bis man schließlich ein Gebiet zur Verfügung hat, das zu durchwandern verdammt lange dauert - und das alles ohne jegliche Ladezeiten.

Was die Missionsvielfalt betrifft, hat Naughty Dog ebenfalls tief in die Trickkiste gelangt. Abwechslungsreich und vielfältig wird fast alles abgegrast, was man vom Genre erwartet - allem voran Schalter-Umlege-Spielchen und Item-Sammeltrieb.

Doch es gibt auch einen Haufen Missionen, die man in einem Plattformer nicht erwartet. Alle aufzuzählen, würde den Rahmen des Tests sprengen, doch Rettungsaktionen, Verfolgungsjagden, Diebstahlaktionen, Hoverboarding usw. seien hier einmal beispielhaft erwähnt und sorgen immer wieder für eine willkommene Abwechslung - auch wenn manche Missionstypen nicht ganz die Klasse ihrer Vorbilder erreichen. Das angesprochene Hoverboarding beispielsweise orientiert sich deutlich an Spielen wie der Tony Hawk-Serie, kann dem Vergleich aber in keiner Form standhalten.

__NEWCOL__Doch innerhalb eines "simplen" Plattformers erfüllt dieses Element voll und ganz seinen Zweck. Wer Boarding par excellence will, soll halt Tony Hawk spielen.

Erste und zweite Sahne

Allerdings muss man auch bei allen Ähnlichkeiten zu Vice City erwähnen, dass die Interaktion mit den Bewohnern bei weitem nicht so groß ist. Obwohl die Stadtviertel alle belebt sind, hat man keinerlei Möglichkeit, mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten - Angriffe einmal ausgenommen. Doch diese ziehen zumeist eine Verfolgung der örtlichen Sicherheitsbehörden nach sich, die in 99% der Fälle mit dem Ableben endet.

Die umfangreichen Entdeckungstrips und der Kampf gegen Baron Praxis wären nur halb so schön, wenn die exzellente Steuerung nicht wäre. Die Knopfbelegung ist optimal, die Umsetzung der Eingaben auf den Bildschirm präzise und die Kollisionsabfrage ist ebenso punktgenau wie zuverlässig.

Der Schwierigkeitsgrad hat im Vergleich zum Vorgänger etwas angezogen und dürfte hin und wieder auf Grund der unglücklichen Rücksetzpunkte für leichte Frustmomente sorgen.

Denn obwohl an bestimmten Punkten im Spiel automatisch gespeichert und ein Kontrollpunkt suggeriert wird, werdet Ihr beim Ableben an den Anfang der Zone zurückgesetzt. Höchst ärgerlich, wenn man beim erneuten Versuch feststellt, dass man eigentlich kurz vor dem Ziel war.

Doch all zu lange grämt man sich nicht und nimmt sofort wieder das Pad in die Hand, mittlerweile mit dem Wissen gewappnet, wie man es besser machen kann.

Was die Spieldauer betrifft, liegt man in etwa in Bereichen des Vorgängers: je nach Eurer Erfahrung dürftet Ihr in 20 bis 30 Stunden am Ende sein. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, der Euch viel Freiraum zum Entdecken und einfach nur Herumspielen gibt und mit neuen Elementen und Storywendungen überrascht.

Düstere Zukunft

Vorbei sind die Zeiten, in denen grüne Inselwelten als Spielwiese für Jak und sein Frettchen herhalten mussten. Stattdessen präsentiert uns Jak II eine düstere Fantasy-Zukunft, die aussieht, als ob George Orwell und Walt Disney im Rausch philosophiert und ihre Aufzeichnungen dann an Naughty Dog weitergereicht hätten.

Und so ganz nebenbei zeigt und das Team, dass es die PS2 grafisch absolut im Griff hat. Selbst für den Fall, dass man sich mit dem grundsätzlichen Charakterdesign nicht anfreunden kann, kommt man nicht umhin, die optische Meisterleistung zu bewundern, die die Entwickler hier abliefern.

Der Detaillevel aller Figuren ist enorm, die Vielfalt an nahtlosen Animationsabläufen und Gegnertypen atemberaubend und das Design der verschiedenen Stadtteile und Außengebiete mit ihren wechselnden Bevölkerungsstufen genauso abwechslungsreich wie überwältigend.

Egal ob enge Tunnel, weiträumige Areale mit feiner Weitsicht oder düstere Außengebiete: Überall findet man sorgsam gestaltete Texturen, die im Genre in dieser Qualität derzeit einzigartig sind. Und das alles mit nahtlosen Übergängen zwischen den einzelnen Zonen - wow!

Die zahlreichen Spezialeffekte brauchen sich ebenfalls nicht verstecken: das fängt beim Tag- und Nachtwechsel an, setzt sich bei den feinen Waffeneffekten fort und hört erst bei den imposanten Explosionen auf.

Dass bei genauem Hinsehen hin und wieder ein kleines Nachziehen der Grafik (Tearing) auftaucht und der Detaillevel manchmal deutlich sichtbar bei Annäherung an das Objekt hochgesetzt wird, ist bedauerlich, stört aber weder Spielspaß noch kann es die Grafikwertung jenseits der 90 Prozent ernsthaft in Gefahr bringen.

Die genretypischen Kameraprobleme wurden auf ein Minimum reduziert und sorgen nur im seltensten Fall für spielstörende Momente.

Kurzum: Jak II gehört derzeit mit zum Beeindruckendsten, was die Spieler auf der PS2 zu sehen bekommen.

Klasse Akustik

Angesichts des durchdachten Gameplays und der phänomenalen Grafik wäre es höchst erstaunlich, wenn die Soundkulisse die hohen Standards nicht halten könnte. Aber es gibt keinen Grund zur Sorge. Die deutsche Sprachausgabe ist durchweg allererste Sahne und steht in punkto Professionalität und Humor dem englischen Original in nichts nach. Angesichts der umfangreichen Dialoge ist dies nicht gerade selbstverständlich.

Die sich dynamisch an den Spielverlauf anpassende Musik untermalt die abwechslungsreiche Action unaufdringlich und sorgt zusammen mit den feinen Soundeffekten für eine rundherum gelungene Akustik.

Wer die entsprechende Hardware im Wohnzimmer hat, kann das Spiel sogar in Dolby Digital Pro Logic II genießen und sich von allen Seiten beschallen lassen.

Fazit

Jak II in eine Genre-Schublade zu pressen, ist unmöglich. Zwar liegen die Wurzeln deutlich im Plattformbereich, doch Naughty Dog hat es zweifellos und mit einem unfehlbaren Hit-Gespür geschafft, zahlreiche andere Elemente einzubauen, die nicht in übliche Genre-Grenzen zu pressen sind. Angefangen von der enormen Stadt, die an eine düster futuristische Version von Vice City erinnert, über die Shooter-Elemente, die Fahrzeuge, Rennen usw. bis hin zur famos erzählten Story bietet Jak II durchdachte und spannende Unterhaltung mit clever designten Missionen. Kleinere Mankos wie die fehlende Interaktivität mit den Stadtbewohnern und das unglückliche Rücksetzsystem nach dem Ableben werden durch die phänomenale Grafik und die durchweg gelungene Soundkulisse spielend einfach aufgehoben. Ganz egal, ob man Jak II als Plattformer, Action-Spiel, Adventure oder cleveren Genre-Mix bezeichnet: das Spiel ist schlichtweg ein Muss. Und wir sind schon gespannt, ob die interne Konkurrenz von Ratchet & Clank in ihrem zweiten Abenteuer wieder gemeinsam mit Jak II auf dem Thron Platz nimmt, oder ob der Elf und sein Frettchen vorerst alleine regieren.

Pro

<li>riesige, belebte Spielwelt</li><li>klasse Story</li><li>fantastische Steuerung</li><li>enorme Gegnervielfalt</li><li>Waffen</li><li>abwechslungsreiches Missionsdesign</li><li>viel zu entdecken</li><li>hervorragende Grafik</li><li>schöne Dialoge</li><li>gelungener Genre-Mix mit unüblichen Elementen</li>

Kontra

<li>hin und wieder Tearing
und Kamera-Probleme</li><li>Stadtbewohner können nicht angesprochen werden</li><li>unglückliches Checkpoint-System</li>

Wertung

PlayStation2

Düsterer, actionreicher, grafisch top: Jak II ist eine würdige Fortsetzung!

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.