Pro Evolution Soccer 316.10.2003, Jörg Luibl
Pro Evolution Soccer 3

Im Test:

Er ist wieder da: der Konami-Goldesel, der EA-Schreck, der Fußball-Traum - Pro Evolution Soccer 3 (ab 29,95€ bei kaufen). Überhäuft mit Awards und millionenfach verkauft konnte der Vorgänger weltweit für kickende Euphorie sorgen. Wir haben uns voller Vorfreude auf den dritten Teil der Kultreihe gestürzt, haben links wie rechts, innen wie außen den Ball laufen lassen und ihn mit Schmackes im rechten Awardwinkel versenkt!

Fieber im Fußballtempel

Ausverkauftes Westfalenstadion, 88. Minute, es steht 2 zu 2: Manchesters Paul Scholes stürmt in Begleitung eines Pfeifkonzerts Richtung Dortmunder Hälfte. Aber Rosicky fängt den Ball geschickt ab, lässt Roy Keane alt aussehen und hat Zeit, viel Zeit. Er schaut, sieht und schickt Amoroso mit einem Zuckerpass in die Tiefe der gegnerischen Hälfte. Der vernascht zum Ergötzen der Fans erst Rio Ferdinand mit einem Übersteiger und düpiert Sekunden später mit einem frechen Lupfer den herausstürmenden Keeper Barthez - der Ball ist im Netz, das Stadion bebt, der BVB ist Champion!

In der Meisterliga von Konamis <4PCODE cmd=DGFLink;name=Pro Evolution Soccer 3;id=4322> (PES3) können solche Träume wahr werden, denn sie gleicht mit ihren vier Regionen jetzt eher der Champions League. Und dieses Jahr sind neben dem BVB, HSV, Bayer Leverkusen und FC Bayern auch Werder Bremen und Schalke 04 auf deutscher Seite dabei. Das Clubarsenal umfasst jetzt über 60 Vereine und das Transfersystem wurde generalüberholt: Ihr könnt gezielt Spieler suchen, nach Positionen sortieren und Talente fördern.

Trotzdem ist der Weg mit einem der beiden No-Name-Teams von der zweiten in die erste Liga kein Zuckerschlecken, denn die bekannt gute KI läuft zur Hochform auf: Räume werden eng gemacht, Stürmer gedeckt, Fehler gnadenlos ausgenutzt. Und in wichtigen Spielen könnt Ihr sicher sein, dass bei Gleichstand zur Schlussoffensive geblasen wird, denn die großen Vereine gehen auch taktisch klug vor. Angesichts der fünf Schwierigkeitsgrade sollte trotzdem jeder das passende Niveau finden.

__NEWCOL__Wer gegen den Computer spielt, hat mindestens so viel Spaß und Langzeitmotivation wie im direkten Duell gegen Freunde. Denn jetzt gewinnt Ihr mit jedem Sieg nicht nur Liga-, sondern auch Erfahrungspunkte, die im PES-Shop z.B. gegen neue Funktionen, Spieler, Teams und Stadien eingetauscht werden können. Ein herrlicher Zusatz, der die Lebenszeit des Titels enorm verlängert.

Offensives Traumspiel

Der Spielfluss ist jetzt noch dynamischer, abwechslungsreicher und authentischer. Das liegt zum einen daran, dass die Offensivqualitäten gegenüber dem Vorgänger verbessert wurden. Es gibt nicht nur Tricks wie den berühmten Zidane-Dreher, den eine Kreisbewegung des rechten Analogsticks auslöst. Auch Flügelstrategen wie Beckham, Frings & Co können lange Spurts an der Linie effektiver einsetzen. Zwar hängen sich Verteidiger wie Kettenhunde ins ansehnliche Tackling, aber da man sich den Ball jetzt ein paar Meter mit der R2-Taste vorlegen oder per Übersteiger verwirren kann, hat man schnell einen taktischen Vorteil und die Flanke ist startklar.

Auch im Strafraum geht es jetzt lebendiger zu: Kopfballmonster wie Klose schrauben sich elegant in die Höhe, Verteidiger kämpfen um jedem Meter und wuchtige Kopfbälle finden wesentlich öfter den Weg ins Netz. Außerdem garantieren die famose Ballphysik und die Kollisionsabfrage, dass Aufsetzer und abgefälschte Schüsse den sensiblen Torwartbereich schnell in eine dramatische Fußballbühne verwandeln - inklusive Gestocher, Gedränge und vielleicht dem glücklichen Abstauber.

Und wer den Radar im Auge behält wird sehen, dass sich die gesamte Mannschaft jetzt wie eine Einheit Richtung Ball bewegt. Man kann das Spiel geschickt mit weiten Flankenwechseln öffnen, da diese jetzt sauberer umgesetzt werden und öfter beim Mitspieler landen, aber muss schnell weiter spielen, denn Stillstand ist ein Fremdwort für die aufmerksame KI. Ein Weg zum Erfolg sind gut getimte Tempowechsel, denn Ihr könnt den Ball kurz vor dem Gegner stoppen, Euch sehr langsam und präzise, normal sowie schnell, aber dafür fehleranfälliger bewegen.

Schüsse, Freistöße, Training

Die wohl wichtigste Verbesserung neben den Dribblings ist allerdings die Schusstechnik. Endlich kann man das Leder auch aus der zweiten Reihe gefährlich zum Tor jagen. Das ging natürlich auch im Vorgänger, aber das Ganze wird realistischer umgesetzt: in einer authentisch flachen Ballkurve und mit dem Beschleunigungspfeffer, der in Schenkeln à la Carlos und Ballack schlummert. Auch ohne großen Anlauf und direkt aus der Drehung sind Traumtore möglich.

Und ein großer atmosphärischer Pluspunkt sind in diesem Zusammenhang die Direktabnahmen, denn auch hohe Zuspiele können endlich in spektakuläre Volleyschüsse oder Dropkicks verwandelt werden; sogar Links- und Rechtsfußstärken werden hier berücksichtigt - klasse!

Obwohl bei Eckbällen alles beim Alten geblieben ist, freut man sich über die dynamischen Einwürfe. Jetzt könnt Ihr die Richtung und Weite direkt in der Spielperspektive bestimmen. Freistöße sind wieder einen Tick schwerer geworden, bleiben aber beim altbewährten Mix aus Knopfdruck für die Stärke und Stickbewegung für die Richtung. Allerdings kann der Verteidiger jetzt die Mauer hochspringen oder einen Spieler Richtung Schütze rasen lassen.

Wer hier verzweifelt Erfolge sucht, sollte in den vorbildlichen Trainingsmodus wechseln und üben. Man kann sich im interaktiven Tutorial alle Feinheiten vorführen lassen, stundenlang frei spielen, Standards einstudieren oder sich an Herausforderungen mit Rangliste wagen.

__NEWCOL__Fußballrollenspiel gefällig?

PES 3 ist ein Statistikmonster, das mit seinen Dutzenden Werten wie Geschwindigkeit, Dribblings, Schusskraft, Flanken, Verletzungsgefahr, Müdigkeit so manches Rollenspiel übertrumpft. Und wenn es zum satten Volley aus 18 Metern kommt, hängt an dieser kleinen Zahl und Eurem Timing der Unterschied zwischen Wolkenkuss und Winkeltreffer.

Spieler mit Top-Werten jenseits der 90 Prozent wie Henry, Zidane oder Del Piero sind ballsicherer, wendiger und gefährlicher als ihre Kollegen. Ganz deutlich wird dies auch bei Flanken: Einen Ball aus vollem Lauf scharf in den Rücken der Abwehr zu ziehen ist selbst für Koller, Maldini oder Jancker ein ernsthaftes Problem.

Nach dem Abpfiff kann man so detailliert wie nie in die Statistiken der Mannschaft und jedes (!) Spielers abtauchen: Wie viele Pässe kamen an? Wie viele Schüsse gingen aufs Tor? Wie viele Zweikämpfe wurden gewonnen? Wie sahen die Laufwege aus? Es gibt Zahlen, Prozentwerte und Grafiken. Es ist wirklich faszinierend, wie viele Informationen sich hinter den gut strukturierten Menüs verbergen, die jetzt viel aussagekräftiger sind. Kein Wunder, dass es in Japan bereits einen reinen Manager auf Basis von <4PCODE cmd=DGFLink;name=Winning Eleven 7;id=4182> gibt.

Ein kleiner, aber feiner Zusatz ist die neue Vorteilsregel. Wenn Ihr in der Offensive gefoult werdet und der Ball zum nächsten Stürmerpartner kullert, erscheint ein kleines gelbes Symbol, das den Vorteil anzeigt und das Spiel läuft weiter. Hier gewinnt PES3 an Dynamik und Authentizität - auch wenn die Regel manchmal falsch ausgelegt wird.

Trotzdem: Insgesamt hinterlässt die Schiedsrichter-KI, die jetzt auch Handspiel pfeift, einen besseren Eindruck als so manches Bundesligaschwarzhemd. Im Zweifelsfall könnt Ihr im Menü unter verschiedenen fiktiven Schiris wählen; Coverschreck Colina ist jedoch nicht dabei.

Leider können die Torhüter da nicht mithalten und zeigen sich seltsam unsicher, wenn lange Bälle Richtung Strafraum jagen. Denn obwohl genug Zeit für eine sichere Annahme besteht, rennen sie oft unnötig heraus und schießen - selbst, wenn weit und breit kein Stürmer in Sicht ist.

Animationsmonster

Optisch hat Konami vor allem auf dem Spielfeld Großartiges geleistet und präsentiert unglaublich abwechslungsreiche und natürliche Bewegungsabläufe. Wir haben <4PCODE cmd=DGFLink;name=Pro Evolution Soccer 2;id=2920> parallel laufen lassen und kamen aus dem Staunen nicht mehr raus. Viele animierte Kleinigkeiten laden zum Zuschauen ein:

Bälle werden kurz vor der Auslinie grätschend gerettet, es gibt gestrecktes Bein in der Abwehr, Torhüter lenken Bälle mit einer Hand am Pfosten vorbei, müssen auch mal nachfassen, Spieler treten über den Ball, Gefoulte rollen wie ein Kreisel und Flugkopfballversuche verpuffen ansehnlich in der Luft oder donnern das Leder ins Netz. Kompliment ans Konami-Team, denn das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem herrlich choreografierten Fußballballett.

Denn hinzu kommen unzählige Varianten der Ballannahme wie punktgenau, locker, mit direktem Pass oder leicht vorgelegt als Einleitung zum Dribbling - je nachdem, welche Position man einnimmt und ob man sich direkt bewegt. Und gerade die Tacklings und das Gerangel um den Ball wirken so realistisch wie nie, denn Jäger und Gejagter hängen wie kämpfende Kletten aneinander.

__NEWCOL__Es sind diese Animationsdetails, die PES3 zusammen mit der famosen Ballphysik den faszinierenden realistischen Charme verpassen. Und auch die Eigenheiten der Stars wurden gekonnt eingefangen, denn keiner spurtet wie Owen, keiner flankt wie Beckham und keiner attackiert wie Jeremies. Selbst Schneider wurde nach seiner grandiosen WM von den Japanern gewürdigt und mit seinen typischen Bewegungen richtig gut in Szene gesetzt.

Die spektakulärste Neuerung ist der Überkopflupfer: Springt der Ball vor Euch auf, könnt Ihr die Richtung wechseln, indem Ihr das Rund elegant über Euren Kopf spielt. Wenn das klappt, lacht das Fußballherz. Weniger lustig sind die nervigen Ruckler, die den ansonsten butterweichen 60Hz-Eindruck trüben.

Alte Krankheiten

Ein bisschen Schwund ist immer, auch PES3 ist vor allem in Sachen Präsentation nicht perfekt: Man freut sich zwar erstmals über offizielle italienische Teams wie AC Milan und Juve, aber man findet auch London North anstatt Arsenal, Rekordmeister anstatt Bayern München. Und die deutsche Nationalmannschaft läuft entstellt mit Schmeiger, Kuramy und Kejik auf - kein einziger Spieler hat den richtigen Namen.

Allerdings hat das rein rechtliche Ursachen, denn die deutschen Kicker sind nicht mehr Teil der von Konami erworbenen FIFPro-Lizenz. Die Japaner könnten`s besser, dürfen aber nicht.

Und auch wenn die Kader recht aktuell erscheinen, werden Fans schnell alte Bekannte in falschen Teams finden: Conceicao spielt beim BVB, Lehmann allerdings auch. Makaay spielt bei den Bayern, zusammen mit Elber. Es ist zwar beruhigend zu wissen, dass man mit dem mächtigen Editor all diese Fehler ausmerzen kann, aber diese zeitaufwändige Fleißarbeit hätte Konami selbst übernehmen müssen.

Alte Kulissen

Auch optisch gibt`s was zu meckern, wenn auch nur am Rande: Trotz der neuen Grafik-Engine und authentischer Stadionarchitektur gleicht das Umfeld dem Vorgänger wie ein Zwilling. Wer sich abseits des Spielfeldes die Zäune, Flaggen und Spruchbänder anschaut, findet die gleichen faden Texturen - das muss nicht sein!

Und wenn man sich die starren Ordner und den hässlichen Fanbrei anschaut, der aus nichts anderem als zuckenden Pappkameraden in Kluft besteht, fragt man sich wirklich, ob Konami nicht einfach das Drumherum aus Teil 2 per Copy&Paste wiederverwertet hat.

Oliver Kahn? Wo denn?

Auch die japanischen Visagisten sollten Nachhilfe nehmen, denn trotz erheblich detaillierterer Gesichter sind nur Top-Stars à la Beckham, Baggio, Henry oder Zidane zweifelsfrei auszumachen. Die Texturpracht hat zugenommen, der Wiedererkennungswert nur teilweise. Viele Profis sind nur mit Mühe oder gar nicht zu identifizieren. __NEWCOL__Selbst Mama Kahn dürften ihren Tor hütenden Sohnemann nicht erkennen. Laut Konami ist das allerdings ebenfalls eine rechtliches Problem. Das ist für den Spieler trotzdem ärgerlich, denn die entstellten Namen, die veraltete Zuschauer- und Stadionkulisse sowie manche kaum zu erkennenden Spieler rauben einfach Atmosphärepunkte.

Immerhin hat man akustisch aufgeholt: Die Zuschauer passen sich mit ihren Pfiffen und Gesängen nicht nur dynamisch dem Geschehen an, man kann auch vorher einstellen, welches Publikumsverhalten erwünscht ist - immer Heimatmosphäre, neutral oder auf Spielerseite? Und in der Meisterliga werdet Ihr feststellen, dass eine Niederlagenserie schnell zu leeren Rängen führt, denn das Publikum reagiert auf Erfolg und Misserfolg - sehr schön!

Zwar vermisst man immer noch die Gänsehaut, die originale Schlachtrufe à la <4PCODE cmd=DGFLink;name=FIFA 2003;id=3144> auslösen, aber hier gibt es wenigstens eine Verbesserung gegenüber dem Vorgänger. Nur für PES4 sollte Konami die Akustik ganz weit oben auf die To-do-Liste setzen.

Das deutsche Kommentatorenduo bemüht sich redlich und teilweise mit Erfolg, das Geschehen auf dem Platz kompetent zu begleiten; dieses Jahr sind die Erläuterungen sogar stimmiger. Und so manchen Pfiff, wie z.B. bei Handspiel, versteht man nur dank der Hinweise der Sprecher. Etwas mehr Euphorie und Abwechslung könnte zwar nicht schaden, aber wer es exotischer mag, kann auch den englischen, französischen oder spanischen Ton aktivieren.

Fazit

Redaktionsschluss gibt`s nicht mehr, Überstunden sind Ehrensache und Fußballtrikots Pflicht. Pro Evolution Soccer 3 trifft mal wieder ins Herz und verwandelt schon nach wenigen Ballkontakten nüchterne Kritiker in schwärmende Spielkinder: Hast Du den Pass gesehen? Was für ein Volleykracher! Jawoll, er hat Vorteil gegeben! Konamis Routinier hat einfach alles, was einen Star ausmacht: technische Klasse, taktischer Spürsinn, elegante Ballkontrolle, grazile Bewegungen und natürlich Spielwitz und vor allem Spieltiefe - so viel, dass die versammelte Konkurrenz darin fast zur Bedeutungslosigkeit versinkt. Kein Spiel gleicht dem anderen, die KI ist erschreckend gut, die Szenen sind verblüffend authentisch. Angesichts der ausgefeilten Statistiken, Charakterwerte und der neuen Erfahrungspunkte muss man schon fast von einem Fußballrollenspiel reden. Aber der japanische Vorzeigekick sollte auf sein Äußeres achten, denn trotz neuer Grafik-Engine und verblüffend lebensechter Animationen lässt die optische Präsentation in Sachen Stadionkulisse zu wünschen übrig. Auch die vielen verfremdeten Namen und manche kaum zu erkennende Profis kratzen etwas am Lack des alten und neuen Fußballkönigs. Wir sind mehr als gespannt, wie sich die PC-Version schlagen wird!

Pro

<li>neue Dribblings</li><li>mächtiger Editor</li><li>verfeinerte Taktik</li><li>neue Vorteilsregel</li><li>neue Shop-Funktion</li><li>grandiose Ballphysik</li><li>gute Kollisionsabfrage</li><li>Training & Minigames</li><li>jedes Spiel läuft anders</li><li>übersichtliche Grafiken</li><li>fünf Schwierigkeitsgrade</li><li>hervorragende Gegner-KI</li><li>authentische Animationen</li><li>viele detaillierte Statistiken</li><li>stark erweiterte Meisterliga</li><li>neue dynamische Einwürfe</li><li>komfortablere Menüstruktur</li><li>verbesserte Schiedsrichter-KI</li><li>neues Erfahrungspunktesystem</li><li>dynamisches Zuschauerverhalten</li>

Kontra

<li>ab und zu Ruckler</li><li>Vorteilsregel-Aussetzer</li><li>veraltete Zuschauerkulisse</li><li>viele fehlende offizielle Namen</li><li>Torwart-Aussetzer beim Rauslaufen</li><li>viele nicht erkennbare Spielergesichter</li>

Wertung

PlayStation2

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