Suikoden 412.03.2005, Jens Bischoff
Suikoden 4

Im Test:

Schauten heimische Rollenspielfans beim dritten und wohl auch besten Teil der hierzulande leider eher unpopulären Suikoden-Reihe noch in die Röhre, hat Suikoden IV endlich wieder den Weg nach Europa geschafft. Traurigerweise markiert der jüngste Ableger jedoch den Tiefpunkt der epischen Heldensaga, was Fans der Serie aber nicht davon abhalten sollte, die wohl umfangreichste Party der RPG-Welt zu vereinen.

Über hundert Helden

In Suikoden IV könnt ihr erneut sage und schreibe 107 Charaktere, die so genannten "Sterne des Schicksals",

Uncharismatisches Milchgesicht: Eine Identifikation mit dem stummen und namenlosen Protagonisten des Spiels fällt schwer.
um euren Protagonisten scharen. Diese kämpfen dann zum Teil an eurer Seite oder machen sich später anderweitig an Bord eures Schiffes nützlich. So eröffnet Händler Chadli z.B. einen Laden, Lehrling Adrienne eine Schmiede oder Madame Louise eine Bar. Andere versuchen sich wiederum in der Erschaffung neuer Items, der Verarztung von Verletzten oder richten gar Spielbuden und Badeanstalten ein.

Griff nach den Sternen

So wird euer Schiff fast bei jeder Neurekrutierung um eine mehr oder weniger sinnvolle Attraktion reicher. Allerdings müsst ihr oft bestimmte Voraussetzungen erfüllen, damit sich die über die ganze Spielwelt verstreuten Sterne des Schicksals euch anschließen. Dem einen reicht schon gutes Zureden, der andere fordert ein Duell und manche wollen sogar ganz spezielle Geschenke oder bestimmte Personen an eurer Seite sehen. Wer einmal beim Anheuern auf den Geschmack gekommen ist, wird wohl erst wieder locker lassen, bis das Schiff die volle Besatzung zählt.

Wer sucht, der findet

Dabei seid ihr keinesfalls gezwungen alle potentiellen Crew-Mitglieder ausfindig zu machen. Die Story verlangt meist nur das Ansprechen bzw. Rekrutieren spezieller Schlüsselfiguren oder Erreichen bestimmter Orte, damit ihr euer Abenteuer fortsetzen könnt.

Triste Geduldsproben: Bei Segeltörns nerven vor allem die schlichte Grafik und die nicht enden wollenden Zufllskämpfe.
Leider sind diese Personen und Stellen aber nicht immer ersichtlich, so dass ihr oft planlos umherirrt, bis die leider recht durchschaubare Rahmenhandlung wieder aufgegriffen wird.An Land vermisst ihr zudem eine übersichtliche Gesamtkarte und auch zu See müsst ihr die meisten Inseln erst durch penibles Abgrasen der vernebelten Karte ausfindig machen. So gestaltet sich vor allem der Auftakt äußert zäh.

Ende einer Karriere

Eure Abenteurerlaufbahn beginnt ihr dabei als frisch beförderter Matrose des Gaien-Reiches. Auf einer Patrouillenfahrt bekommt ihr es allerdings mit einem Piraten zu tun, der all eure Träume von einem sorglosen Matrosendasein zunichte macht. Grund dafür ist der Einsatz einer verheerenden Rune, wie auch ihr sie tragt, die der Freibeuter kurz vor seinem Ableben aktiviert. Dabei kommen nicht nur viele eurer Kameraden ums Leben, sondern auch der Pirat selbst. Nur ihr überlebt die Runenattacke auf mysteriöse Weise.     

Zwischen den Fronten

Anfangs noch als Held gefeiert, seht ihr euch jedoch schon bald Neid und Intrigen gegenüber. Am Ende wird euch sogar der rätselhafte Tod eures Vorgesetzten in die Schuhe geschoben, den sich die Rune des Piraten als neuen Wirt auserkoren hatte.

Angriff, Abwehr oder Spezialattacke: Die Schwertkampfduelle laufen nach dem Stein-Messer-Schere-Prinzip ab.
Was folgt sind ein unfairer Prozess und die Verbannung aus Gaien.Ausgesetzt auf hoher See geratet ihr unglücklicherweise auch noch in die Hände des verfeindeten Kooluk-Reiches, könnt allerdings fliehen und euch auf eine verlassene Insel retten. Dort flickt ihr mithilfe eurer heimlich mitgereisten Kameraden euer Boot zusammen und segelt einer ungewissen Zukunft entgegen.

Schwimmende Festung

Später tretet ihr dann in die Dienste des Königs von Obel, der euch nicht nur über euer tragisches Schicksal als Träger der Rune aufklärt, sondern euch auch das Kommando über ein eigenes Schlachtschiff überträgt, mit dem ihr fortan gemeinsam durch die karibische Spielwelt segelt, um die Welteroberungspläne der Kooluk zu durchkreuzen, die natürlich schon von eurer mächtigen Rune Wind bekommen haben und sie nur zu gerne für ihre skrupellosen Absichten nutzen würden. Zwar fährt die Story im weiteren Verlauf noch ein paar interessante Wendungen auf, aber Spannung und Dramatik halten sich dennoch in bescheidenen Grenzen.

Unscheinbare Helden

Auch die meisten Charaktere bleiben flach und uninteressant - allen voran der stumme und milchgesichtige Titelheld, der das Charisma einer Stubenfliege besitzt. Na ja, die fehlende Klasse wird aber durch schiere Masse zum Teil wieder wettgemacht.

Mal schauen, was die Miezekatzen so treiben: Das skurrile Dorf der Katzenmenschen erkennt ihr schon von Weitem.
Bei 108 Partymitgliedern macht man bei der Charaktertiefe schon mal Zugeständnisse,was allerdings keinesfalls einen so unscheinbaren Protagonisten entschuldigt, bei dem jegliche Identifikationsversuche von vornherein zum scheitern verurteilt sind. Dann lieber gar keinen Einzelhelden und jeder kann sich seinen Favoriten unter den 108 Sternen des Schicksals selbst wählen.

Macht‘s euch gemütlich

Aber egal, das Jammern hilft nichts und der Titel hat ja auch seine Stärken. Neben der Rekrutierung weiterer Mitstreiter liegen diese vor allem im Ausbau des eigenen Schiffes, dem ihr mit den entsprechenden Rohstoffen nicht nur verschiedene Aufbauten spendiert, sondern es auch der Form anderer Schiffe anpassen dürft. Zudem könnt ihr euch als Innenarchitekt versuchen und das Schiffsinnere mit exotischem Mobiliar, Pflanzen und Gemälden gemütlicher machen. In kreativen Pausen nutzt ihr hingegen die Möglichkeiten neue Rüstungen zu schmieden, Items zu kreieren, Handel zu treiben oder eure Waffen zu verbessern.

   

Zahlreiche Nebenbeschäftigungen

Für Zerstreuung sorgen dagegen diverse Minigames wie Lotto, Würfeln, Münzenwerfen oder Karten spielen. Sogar als Schatzsucher, Pilzzüchter und Hobbyfischer dürft ihr euch verdingen. Selbst Beichten werden an Bord abgenommen. Daneben erfreut ihr euch aber auch an vielen liebevollen Details wie einem privaten Briefkasten,

Reichlich angestaubt: Das Kampfsystem setzt auf Zufallsbegegnugen und rundenweise Schlagabtausche.
einer langsam anwachsenden Bibliothek, einem Kampf-Dojo oder einer persönlichen Schiffszeitung.So wird der Gang durch die Kabinen und Decks des eigenen Schiffs nie langweilig, auch wenn ihr oft nur zum Regenerieren, Umstellen der Party oder Aufstocken des Inventars die Kommandobrücke verlasst. Irgendwie ertappt man sich dann doch beim eigentlich nicht geplanten Gang zum Briefkasten, zur Lotterie oder zum Gewächshaus.

Kämpfe am laufenden Band

Lange Schiffsreisen werden dennoch oft zur Geduldsprobe, denn alle paar Sekunden wird euer Törn von lästigen Zufallskämpfen jäh unterbrochen. Später könnt ihr euch zwar bequem und zeitsparend per Teleport an bestimmte Zielorte versetzen lassen, aber nur wenn ihr die dafür nötige Person an Bord habt und am entsprechenden Ort bereits vor Anker gegangen seid. Zwar könnt ihr Kämpfe gegen maritimes Kleinvieh meist schnell hinter euch bringen oder auch abwimmeln, aber die zahlreichen Unterbrechungen des Spielflusses bleiben - ungestörte Entdeckungsreisen bleiben ein Wunschtraum.

Aufleveln leicht gemacht

Praktisch ist hingegen die Möglichkeit neben der maximal vierköpfigen Hauptparty noch zwei weitere Partys anzulegen, die ihr bei Kämpfen auf hoher See beliebig wechseln könnt, um euch nicht ständig heilen zu müssen. Auch zum Aufleveln von Neuzugängen erweist sich diese Möglichkeit als recht komfortabel. Zunächst schwächt ihr die Gegner mit der Hauptgruppe, wechselt dann zu den Frischlingen und lasst sie die Erfahrungspunkte einstreichen.

Taktisches Schiffe versenken: Wird eure Flotte in ein Seegefecht verwickelt, zählt vor allem der Einsatz der richtigen Runenkanonen.
Dank levelabhängiger Zuwächse schließen Nachzügler so recht schnell zu euren Elitekämpfern auf, ohne sich allzu großen Gefahren auszusetzen. Zudem könnt ihr der Hauptgruppe einen beliebigen Support-Charakter zuteilen, der euch zum Beispiel schneller laufen lässt, verlorene Lebenspunkte regeneriert oder verborgene Schätze aufspürt.

Klassisches Kampfsystem

Die Kämpfe selbst laufen übrigens rundenbasiert ab, wobei die flinkeren Charaktere zuerst zuschlagen dürfen. Mit Runen ausgerüstete Mitstreiter können neben Waffengewalt auch verschiedene Elementarzauber und Spezialtechniken anwenden. Des Weiteren habt ihr die Möglichkeit Items einzusetzen, auf Verteidigung zu spielen, Gegner zu bestechen oder zu fliehen. Habt ihr euren Spezialangriffsbalken gefüllt, setzt ihr gar zu verheerenden Sturmangriffen an, die alle Feinde treffen und euren Protagonisten gleichzeitig heilen. Später dürft ihr sogar von zeitsparenden Finishing-Moves Gebrauch machen. Am interessantesten ist allerdings das Herausfinden individueller Combomanöver, bei denen bis zu vier Charaktere besonders heftige Schlagfolgen vom Stapel lassen.

   

Zeit für Experimente

Dazu müsst ihr aber viel mit der Partybesetzung experimentieren, da ihr diese Moves nur bei entsprechenden Konstellationen entdecken und anwenden könnt. Diese herauszufinden ist übrigens das beste Mittel, den Ärger über die zahlreichen Zufallskämpfe in Grenzen zu halten und so manche Teamkombo möchte man später gar nicht mehr missen - vor allem, da sie sich bei regelmäßiger Anwendung sogar noch verstärken lassen.

Experiment geglückt: Um Partner- und Teamattacken herauszufinden, müsst ihr mit verschiedenen Formationen herumexperimentieren.
Ansonsten ist das Kampfsystem aber ziemlich altbacken und unspektakulär, so dass man später immer öfter von der automatischen Kampfabwicklung Gebrauch macht. Diese beschränkt sich zwar ausschließlich auf konventionelle Angriffe, erspart euch aber die individuelle Befehlsvergabe und damit Zeit.

Stockender Spielfluss

Unnötige Längen gibt es mehr als genug: vom oft planlosen Umherirren über die selbst bei zugeschaltetem Turbo äußerst langwierigen Schiffsreisen bis hin zu den unzähligen Zufallskämpfen und Ladeunterbrechungen. Aufgelockert wird der Kampfalltag lediglich durch vereinzelte Seegefechte und Schwertkampfduelle. Während ihr bei den recht simpel gehaltenen Duellen die bevorstehenden Aktionen eures Gegners durch dessen Sprüche herausfinden und nach dem Schere-Messer-Stein-Prinzip ausstechen könnt, bieten die auf einem schachbrettartigen Raster ausgetragenen Seeschlachten recht kurzweilige Taktikgeplänkel mit Fokus auf Elementarwaffen und Enterversuche. Leider sind solche Gefechte anfangs recht selten und ziemlich einfach. Später dürft ihr es aber mit ganzen Flottenverbänden aufnehmen. Der Schwierigkeitsgrad bleibt jedoch die meiste Zeit harmlos.

Biedere Optik

Die grafische Präsentation kocht leider durchwegs auf Sparflamme - vor allem die Hintergrundgrafiken wirken recht detailarm und leblos. Bei Schifffahrten erreicht die Tristesse ihren Höhepunkt: Landmassen tauchen wie Miniaturmodelle aus dem allgegenwärtigen Nebel auf, keine Schiffe weit und breit, geschweige denn irgendwelche Fische oder Möwen. Lediglich Wellengang und Wetter wechseln hin und wieder - allerdings nicht dynamisch, sondern ortsabhängig. Löblich hingegen die saubere PAL-Anpassung sowie der hochauflösende Progressive Scan-Modus.Neben der biederen Optik hätte aber auch die Soundkulisse etwas mehr Pep vertragen.

Amüsanter Zeiträuber: Von einigen Minigames wie diesem Kartenspiel könnt ihr euch nur schwer wieder losreißen.
Zwar kann sich die sporadische englische Sprachausgabe durchaus hören lassen, aber Soundtrack und Umgebungsgeräusche klingen doch recht angestaubt. Auch die deutsche Übersetzung fällt eher durch Übersetzungsfehler als durch Wortwitz auf - notfalls lassen sich die Texte aber auch auf Englisch anzeigen.

Der Weg ist das Ziel

Die Spielzeit richtet sich übrigens sehr nach eurer Vorgehensweise. Hangelt ihr euch nur am Storyfaden entlang, kann es sein, dass ihr den letzten Gegner bereits nach 30 Stunden zu Fischfutter verarbeitet habt, was für ein ausgewachsenes Rollenspiel nicht gerade üppig ist. Wer hingegen Spaß an Entdeckungsreisen, Schatzsuchen und dem Auffinden aller Sterne des Schicksals hat, kann sich gut und gerne auch 60 Stunden und mehr mit Suikoden IV beschäftigen. Schließlich gibt es abseits der Rahmenhandlung jede Menge zu entdecken und auch mit den Minispielen kann man sich durchaus stundenlang aufhalten. Wenn ihr das das eher nicht mögt, solltet ihr euch lieber nach einem erzählerisch komplexeren RPG umschauen. Wer in ein Seefahrer-Szenario abtauchen will, wird selbst von einem Oldie wie Skies of Arcadia noch deutlich besser unterhalten.

   

Fazit

Suikoden IV ist weit von der Dramaturgie eines Final Fantasy X, der Imposanz eines Fable oder der Komplexität eines Morrowind entfernt. Auch die Klasse des sehr ähnlich gelagerten Skies of Arcadia wird zu keiner Zeit erreicht. Zudem nerven die übertrieben vielen Zufallskämpfe und ewig langen Schiffsreisen. Trotzdem hat der Titel einen nicht zu verkennenden Charme: Vor allem die Suche nach den über hundert potentiellen Party-Mitgiedern sowie die zahlreichen Nebenbeschäftigungen und Minispiele sorgen trotz altbackener Spielmechanik und biederer Optik für Motivation. Es macht einfach Spaß, sein Schiff auszubauen, neue Mitstreiter ausfindig zu machen oder sich bei verschiedenen Glücksspielen die Zeit zu vertreiben. Da nimmt man sogar den uncharismatischen Protagonisten, die vergleichsweise seichte Story sowie die vielen unnötigen Längen in Kauf. Die Lokalisierung beschränkt sich zwar auf deutsche Texte und Untertitel, aber die PAL-Anpassung hat Konami dieses Mal vorbildlich gelöst: Neben einem 60Hz- und Progressive Scan-Modus bleibt man selbst bei 50Hz von Geschwindigkeitsverlust oder PAL-Balken verschont. Nichtsdestotrotz ist Suikoden IV gegenüber seinem hierzulande nie erschienenen Vorgänger ein deutlicher Rückschritt, auf den man für eine PAL-Veröffentlichung von Teil 3 durchaus hätte verzichten können...

Pro

108 rekrutierbare Helden
ausbaufähige Segelyacht
freispielbare Teamattacken
motivierende Charakterhatz
vorbildliche PAL-Anpassung
zahlreiche Nebenbeschäftigungen
auflockernde Seeschlachten & Duelle

Kontra

biedere Optik
zäher Einstieg
unnötige Längen
keine deutsche Synchro
altbackene Spielmechanik
eingeschränkte Kartenfunktion
übertrieben viele Zufallskämpfe
nur gelegentliche Sprachausgabe
viele lästige Ladeunterbrechungen
stummer, uncharismatischer Protagonist

Wertung

PlayStation2

Spielerisch und technisch altbackenes Seefahrer-RPG mit epischer Heldenriege.

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