God of War (2006)03.05.2006, Paul Kautz
God of War (2006)

Im Test:

Manchmal, ganz selten, passiert es, dass ein Spiel quasi aus dem Nichts erscheint, das sofort wie eine Bombe einschlägt – BOOOM! Eines, das man einfach spielen muss, unabhängig davon, ob man das Genre mag oder nicht. Eines, das dem Großteil der anderen Spiele zeigt, wo’s wirklich langgeht, wie man etwas richtig macht. God of War ist so ein Spiel, das uns gebeutelten Deutschen bislang vorenthalten wurde. Doch endlich hat Sony Erbarmen und serviert uns dieses Prachtstück, das jeden einzelnen Cent wert ist.

Griechische Schlachtplatte

Irgendwie muss an einem Spiel etwas Besonderes dran sein, wenn sich der Held gleich als allererstes, untermalt von einem bombastischen Chor, vom höchsten Berg Griechenlands stürzt – während die mystikumwaberte Ansagerin orakelt, dass der Tod seine einzige Flucht vor dem Wahnsinn wäre. Was ist passiert? Wie konnte es so weit kommen? Die beste Möglichkeit, das herauszufinden ist: es selbst erleben! Also springt das Spiel drei Wochen in die Vergangenheit, um dem Spieler die tragische Geschichte interaktiv vor Augen zu führen. Ladies and Gentlemen, Auftritt Kratos, der Spartaner – der beste Antiheld aller Zeiten: groß, breit,

Schwiegermutters Albtraum im Bild: Kratos ist der Antiheld schlechthin.
muskulös, kahlköpfig, böse, mit leichenweißer Haut, auf der mächtige rote Tattoos prangen. Kratos wird selbst von seinen Freunden gefürchtet, schläft (interaktiv!) mit zwei Frauen und schnetzelt ohne Bedenken alles dahin, was ihm über den Weg läuft. Zwischen dem Beginn in der ägäischen See und dem finalen Sprung vom Berg liegen locker acht bis zehn Stunden der besten 3rd-Person-Action, die die gute alte PS2 je erleben durfte. Ihr werdet die Hydra bekämpfen, Minotauren zerfetzen, Zyklopen das eine Auge zersäbeln, euch wie einst Odysseus mit tödlichen Sirenen herumschlagen, heimtückischen Fallen ausweichen, den gigantischen Palast der Pandora durchqueren, Hades kennen lernen - und am Ende gar den Titel gebenden Kriegsgott persönlich herausfordern!

God of War ist kein Spiel der falschen Bescheidenheiten. Es hat schon seinen Grund, warum Sony Deutschland bislang gezögert hat, das Werk der Santa Monica-Studios hierzulande zu veröffentlichen – es geht wirklich heftig zur Sache! Da werden Gegner zerfetzt, Genicke gebrochen, Augäpfel zersägt, Köpfe abgerissen, Körper zerfetzt oder um Gnade flehende untote Soldaten einer Feuerfalle geopfert. Kurzum: der rote Saft spritzt hier hektoliterweise durchs Bild. Okay, es geht hier nur um Fabelwesen aus

Kratos kennt viele Arten des Tötens - diese Medusa hatte ohnehin nur Flausen im Kopf.
der griechischen Mythologie, die völlig überzogen zerstückelt werden - aber der USK18-Sticker ist dennoch mehr als verdient. Unschön dagegen, dass Sony das Spiel, welches überall sonst schon seit einer Weile zum Midprice erhältlich ist, hierzulande zum Vollpreis unters Volk bringt.

Magischer Schwertschwinger

Fans einer dicken Zahlenreihe voller Kracher dürften enttäuscht werden – in der ersten Spielhälfte habt ihr genau eine Waffe, später kommt noch eine weitere dazu. Standardmäßig sind die »Chaosklingen« mit Ketten in das Fleisch eurer Unterarme gebrannt: rasiermesserscharfe Schneiden, die ihr wie Peitschen einsetzen und in einem Kombo-Feuerwerk auf eure bedauernswerten Widersacher niederhämmern könnt. Später gibt es von Jagdgöttin Artemis noch ein gewaltiges Schwert, mit dem ihr die Feinde praktisch im Nu hälfteln dürft. Darüber hinaus steht euch noch göttliche Magie zur Seite: Im Laufe des Spiels bekommt ihr vier mystische Kräfte, mit denen ihr euren Gegnern einheizen könnt, von den Göttern des Olymp persönlich überreicht. »Poseidons Rache«, mit der ihr einen brutzelnden Energieschild um euch herum errichtet, den »Kopf der Medusa«, mit dem ihr eure Feinde in leicht zerbrechlichen Stein verwandeln könnt.  Der »Zorn des Zeus« äußert sich in Blitzen, die ihr auf eure Feinde schleudern dürft und »Hades’

Die Chaosklingen sind eure Hauptwaffen - anfangs noch eher schwach, schon nach kurzer Zeit durchschlagende Schlitzinstrumente.
Armee« schließlich ist eine heulende Bande von Untoten, die mit euch zusammen das Gegnerfeld aufmischt.

Jede Magieform und jede Waffe könnt ihr in bis zu vier Stufen aufrüsten, eine teurer als die andere. Dafür wird die Anwendung aber auch immer mächtiger, und ihr könnt neue durchschlagende Kombos ausführen. Das Geld dafür besteht nicht aus Drachmen, sondern aus roten »Orbs« - Energieelementen, die jeder tote Gegner hinterlässt, die sich aber auch in Kisten und zerschlagenen Vasen finden. Anfangs hält sich die Menge der auffindbaren Orbs allerdings in Grenzen, so dass ihr wohlweislich abwägen müsst, welche Macht ihr zunächst aufpowert - erst zum Ende hin werdet ihr derart rot zugeflutet, dass ihr fast alle Kräfte hochleveln könnt. Zusätzlich zu den roten gibt es noch grüne und blaue Orbs, die eure Lebens- bzw. Magieenergie wieder auffüllen – außerdem findet ihr noch Boni, die die beiden Leisten verlängern.             

Fieser Goldjunge

Die Actionwelt von God of War ist auf den ersten Blick vor allem eines: brillant präsentiert! Das geht mit dem Soundtrack los, der von der ersten Sekunde an bombastisch, pompös und gewaltig loslegt -

Göttliche Macht in Aktion: Ihr könnt eure Feinde elektrisieren, zu Stein verwandeln oder mit Blitzen bewerfen.
mit dicken Chören, noch dickeren Bläsern und einer Wucht, die man selten in einem Videospiel zu hören  bekommt. Allein der Endsong… unbedingt laut drehen! Oder noch besser: sofort den Soundtrack bestellen, der einen wie ein Hörbuch durch das Spiel transportiert! Während die Ohren verwöhnt werden, gibt es eine Augenweide nach der anderen – die Optik steht der Akustik in gar nichts nach: brillant und phantasiereich designte, herrlich detaillierte und beeindruckend animierte Figuren krachen in traumhaften Levels aufeinander. Vom brennenden Athen, wo im Hintergrund ein gigantischer Ares wütet, über den verschachtelten, in sich mit etlichen völlig verschiedenen Stilen versehenen Palast der Pandora bis zum gülden glänzenden Olymp bietet das Game eine Pracht, die man kaum der Xbox zutraut, und erst recht nicht der alternden PS2!

Glänzende Marmorböden, edle Fresken in Gebäuden, feine Statuen an Treppen und Gemäuern – hier muss das Superlativlexikon Überstunden machen, God of War sieht einfach zum Verrücktwerden gut aus! Die Kamerawinkel sind fest vorgeschrieben und zeigen das Geschehen oft aus höchst dramatischen Perspektiven – allerdings wünscht man sich 

God of War sieht nicht nur in den fulminanten Bosskämpfen unglaublich gut aus...
gelegentlich schon, die Einstellung selbst verstellen zu können. Nur höchst selten gerät die Pracht minimal ins Stottern, darüber hinaus wird noch seltener nachgeladen: Das ganze Spiel ist im Grunde eine gigantische, zusammenhängende Welt, die nur von  Zwischensequenzen unterbrochen wird, welche die dramatische Story weiterführen – auf Wunsch in hervorragender englischer Sprachausgabe; allerdings ist auch die deutsche Variante, von einigen Übersetzungsfehlern abgesehen, gut gelungen.

Allerdings gibt es auch zwei Nachteile: erstens ist das Spiel strikt linear. Ihr könnt zwar gelegentlich herumstreunen und nach Boni suchen, doch es führt immer nur ein klar definierter Weg zum Ziel. Bestimmte Orte sind erst erreichbar, wenn ihr zuvor bestimmte Voraussetzungen erfüllt habt. Zweitens darf nicht frei gespeichert werden: Das ist gerade in der ersten Spielhälfte kein Problem, denn hier liegen die von einem göttlichen Licht erleuchteten Savepunkte nahe genug beieinander, um nicht zu nerven. Speziell im letzten Drittel aber hat die Designer dieses Fingerspitzengefühl scheinbar verlassen – hier klafft dann teilweise eine halbe Stunde voller fieser Geschicklichkeitsprüfungen zwischen zwei Speicherstationen.

Kombos noch und nöcher: Mit den Chaosklingen habt ihr mehrere Gegner locker im Griff.
Lust und Frust

Auf dem Weg zum Ziel stellen sich euch geschätzte zwei Fantastilliarden Gegner in den Weg, allesamt auf griechischen Sagenwesen basierend: Zyklopen, Minotauren, Sirenen, Medusen, Harpyien oder Höllenhunde – da wird gekreischt, da wird gejault, da wird gebrüllt, natürlich standesgemäß in Dolby Surround. Ihr tretet fast immer gegen mehrere Feinde gleichzeitig an, die meist auch noch in unterschiedlichen Wellen anrücken. Außerdem gibt es des Öfteren Arena-Kämpfe: Ihr kommt in einen größeren Raum oder Bereich, alle Ausgänge werden magisch verschlossen und die Gegnerscharen stürzen sich kreischend auf euch. Kurze Zeit und viel Blut später öffnen sich die Türen wieder und weiter geht’s.          

Aller paar Stunden wartet außerdem ein furioser Bossfight auf euch, mal gegen die gigantische dreiköpfige Hydra, mal gegen einen feurig-mechanischen Giganto-Minotaurus – und natürlich gegen Ares höchstselbst. Bei keinem dieser Widersacher ist es mit purem Draufkloppen getan, vielmehr müsst ihr erst herausfinden, wie ihr den

Nicht nur in Pandoras Tempel warten knifflige Geschicklichkeitsprüfungen auf euch.
Boss schwächen bzw. betäuben könnt, um ihm dann Stück für Stück den Rest zu geben. Nicht so exzessiv wie bei Shadow of the Colossus , aber tief genug, um sich locker über das typische »Ah, ein Gegner – Bumm!«-Prinzip hinwegzusetzen. Manche Feinde sind mit bestimmten Bewegungsabfolgen schneller erledigt; eine Art Minigame, in dem ihr schnell auf eingeblendete Tastenvorgaben reagieren müsst.

Das Kombo-System der Standard-Angriffe ist ebenso intuitiv wie mächtig: Im Grunde hämmert ihr nur zwischen zwei Angriffsbuttons hin und her, die sich jedoch unterschiedlich kombinieren lassen. Etwas Studium der Möglichkeiten gehört also dazu, denn viele Gegner haben spezifische Schwachpunkte, die man gezielt bekämpfen sollte. Mit der Zeit (und entsprechend viele Gegner auf dem Bildschirm vorausgesetzt) kann man so locker dicke Kombinationen aus dem Ärmel schütteln, die entsprechend mit Red Orbs belohnt werden. Was aber am wichtigsten ist: Es sieht einfach geil aus! Kratos schwingt seine Kettenschwerter mit einer  derart brutalen Eleganz, die man selten zu sehen bekommt – eine Mischung aus Ballett und Kettensägenmassaker. Sehr einzigartig.

Zerklopp den Zyklop: Eine Extraportion Blut und Gewalt beschränkt God of War auf erwachsene Spieler.
Neben der fulminanten Action warten noch vielerlei Puzzles auf euch: Hebel sind zu bedienen, Statuen oder Kisten zu verschieben und richtige Schlüssel zu finden - alleine ein Drittel des Spiels, Pandoras Palast, besteht zum größten Teil aus mehr oder weniger vertrackten Kniffeleien. Die Puzzles, obwohl sie nicht wirklich schwer oder ernsthaft herausfordernd sind, sind so clever designt, dass man hinterher immer ein sehr befriedigendes Gefühl hat, wirklich etwas erreicht zu haben – auch wenn sie gelegentlich derart zeitkritisch sind, dass man locker zehn bis 20 Versuche braucht, um sie zu schaffen. Ja, auch ich habe mehrmals gefrustet den Fernseher angeschrien, das Pad in die Ecke gepfeffert und die verdammten Designer verflucht, nur um eine Minute später doch zurückzukommen und es weitere fünf Male zu versuchen – und wie groß war die Befriedigung, wie erdgrundtief der Seufzer, als ich es dann doch geschafft habe! Allerdings sind den Entwicklern zum Ende hin die Ideen ausgegangen, gerade der Besuch in der Unterwelt ist enorm nervend und fast durchgängig spaßfrei – allein dieser Abschnitt war für mich fast ein Grund die Flinte ins Korn zu werfen. Gut, dass ich es nicht getan habe, denn danach geht es wieder steil aufwärts – und das Ganze mündet in einem brillanten Finale.

Antiker Nachschlag

Phantasie- und ideenreich designte sowie brillant animierte Feinde gibt es hier gleich im Dutzendpack.
Danach ist noch lange nicht Schluss, denn God of War ist für ein Actionspiel verblüffend umfangreich: Fürs erste Durchspielen dürften locker acht bis zehn Stunden draufgehen, haltet ihr die Augen nach allen, teilweise sehr schwer erreichbaren Boni offen, gesellen sich noch ein paar Stündchen dazu. Danach gibt es, dem nicht vorhandenen Mehrspielerpart zum Trotz, tatsächlich mehrere Gründe dafür, das Game nicht gleich in den Spieleschrank zu packen. Zum einen gibt es verdammt viel freizuspielen. Die Entwickler haben eine Tonne Extras auf die DVD gepackt: Eine echt schwere »Challenge of the Gods«, sehr viele Making Of-Videos, audiokommentarisch begleitet von Designer David Jaffe, eine sehr coole, interaktive »was es nicht ins Spiel geschafft hat«-Präsentation (ebenfalls akustisch von David Jaffe begleitet), einen möglichen Ausblick auf den zweiten Teil - so etwas sollte wirklich jedes Spiel haben, das ist echter Mehrwert, vergleichbar mit guten DVD-Extras. Zum anderen wird der höchste Schwierigkeitsgrad freigeschaltet, der sich direkt auf weiteres Bonusmaterial auswirkt.          

Fazit

Sucht euch einen Gott eurer Wahl aus und dankt ihm auf Knien oder opfert ihm ein Schaf dafür, dass God of War endlich auch bei uns offiziell erhältlich ist – wenn auch etwas unverschämterweise zum Vollpreis statt wie beim Rest der Welt zum Midprice. Denn dieses Spiel ist ein hochglanzpoliertes Action-Meisterwerk, das überdeutlich zeigt, was auf der PS2 möglich ist, wenn wahre Könner am Werk sind. Es sieht fantastisch aus, es klingt noch besser, es bietet furiose Action sowie einige der brillantesten Bosskämpfe aller Zeiten. Und obwohl es ein Schlachtfest ist, wirkt es größer und epischer, als die meisten RPGs, die ich kenne. Einige Abschnitte wie Pandoras Palast sind schlicht und ergreifend Meisterwerke: ineinander verschachtelt, gigantisch groß, voller Tücken, Fallen und Rätsel – herrlich! Andere wie Hades gingen mir einfach nur auf den Sack und kurz vor dem Finale verliert das Spiel merklich an Verve, was es einige Sympathiepunkte und mich viele Nerven gekostet hat. Und so actionreich God of War auch sein mag – Freunde von reinen Metzeleien sind beim spielerisch recht ähnlichen Mortal Kombat: Shaolin Monks vielleicht besser aufgehoben, denn hier warten verdammt viele, teilweise verdammt fiese Puzzles auf euch! Im Zweifelsfall solltet ihr trotzdem unbedingt zu GoW greifen – auch wenn’s nur darum geht, dass man etwas über die griechische Mythologie lernen will. Denn hier lauert das beste Actionspiel, das die PS2 je erleben durfte. Kaufen! Jetzt!

Pro

grandiose Action
cooles, intuitives Kampfsystem
furiose Bossfights
prächtige Präsentation
brillanter Soundtrack
clevere Puzzles
intelligente, fantastisch präsentierte Story
unterhaltsame DVD-Extras
kaum Ladezeiten
sehr umfangreich
cooler Antiheld

Kontra

einfallsloses letztes Drittel
nervende Jump-n-Run-Einlagen
einige sehr zeitkritische Puzzles
nicht immer optimale Kameraführung
gelegentlich nervende Sprungsteuerung
teilweise sehr weit auseinander liegende Speicherpunkte
fragwürdige Preispolitik seitens Sony

Wertung

PlayStation2

Optisch, akustisch und spielerisch brillante griechische Schlachtplatte!

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