Devil May Cry 3: Dantes Erwachen06.04.2005, Mathias Oertel
Devil May Cry 3: Dantes Erwachen

Im Test:

Devil May Cry war seinerzeit ein Meilenstein als Action-Adventure. Teil 2 wiederum konnte die Erwartungen nur eingeschränkt erfüllen und erhielt bei uns 76 Prozent. Doch frei nach dem Motto "Wer abrutscht, darf noch mal" kehrt Dante zurück, um die Höllenbrut ein für allemal zu besiegen. Ein würdiger Nachfolger oder ein weiterer Totalausfall?

Wie schwer ist zu schwer?

Schmeiße ich das Pad wutentbrannt an die Wand, oder versuche ich, Fassung zu bewahren? Oder vielleicht sollte ich meinem Leiden ein Ende bereiten und ganz einfach den Hauptschalter der PS2 betätigen? Erst einmal tief durchatmen. Ein, aus, ein, aus& Langsam kehrt wieder Ruhe in meine gepeinigte Spielerseele.

Dante ist zurück - cooler als je zuvor und gewürzt mit einem exorbitanten Schwierigkeitsgrad.
Ich habe mich doch nicht durch die Onimushas dieser Welt gekämpft, um jetzt aufzugeben! Nicht einmal diverse Gradius- und Contra-Ableger konnten den Stolz auf meine Fähigkeiten als Padschwinger zum Einsturz bringen.

Doch Dantes neues Action-Abenteuer reizt mich bis zu Weißglut, spielt auf meinen Emotionen Gitarre, wie es Jimi Hendrix nicht besser hinkriegen könnte und schreit mir gnadenlos ins Gesicht: Du bist zu schlecht! Game Over.

Verflucht sei Devil May Cry 3! Verflucht seien die Entwickler, die mich sämtliche Gefühle von freudiger Erregung über Wut, Ärger bis hin zur Genugtuung durchleben und -leiden lassen. Dantes erneut aufgenommener Kampf gegen die Dämonenbrut ist hammerhart. Ich kann mir auch nicht erklären, wieso Capcom bei Dantes voraussichtlich letztem Metzel-Ausflug den Schwierigkeitsgrad so exorbitant hoch angesetzt hat - zumal man dem Spiel nicht mal nachsagen kann, dass es (mit Ausnahme einer Kleinigkeit) unfair gestaltet wurde.

Die Kameraperspektive ist gut gewählt und lässt sich im Zweifelsfall auch manuell schnell und unkompliziert nachjustieren. Auch die angreifenden Gegner verhalten sich Dante gegenüber fair. Es ist zwar so, dass man die Angriffs-Schemata jedes Feindtyps und vor allem der Bosse genau kennen sollte, doch etwas anderes erwarte ich bei einem Devil May Cry-Titel auch gar nicht. Aber es gibt einen kleinen Haken, der sich als großer Stolperstein erweist: Die fehlenden Kontrollpunkte innerhalb der Abschnitte legen den Grundstein für Ärger, der sich bedingt durch den bereits häufig angesprochenen Schwierigkeitsgrad vor allem bei Anfängern schnell manifestieren kann. Wieso gibt es nicht mehr Speicherkomfort?

Wer hat Angst vor großen Tieren? Dante hat in solchen Momenten immer einen witzigen Spruch auf den Lippen...
Frust vs. Coolness

Und doch kann ich nicht von diesem Stück Software lassen. Ein unwiderstehlicher Trieb zieht mich immer wieder vor den Bildschirm. Es ist nicht die Grafik, die dafür sorgt, dass ich allem Frust zum Trotz immer wieder einen neuen Anlauf unternehme, um Dante im Kampf gegen die Monsterscharen nach besten Kräften zu unterstützen.

Dabei kann sich die Kulisse durchaus sehen lassen: Die Abschnitte sind zwar deutlich kleiner geworden, sind aber mit überzeugenden Texturen tapeziert und bieten zahlreiche Lichteffekte als Optik-Schmankerl. Auch die Animationen aller Figuren sowie die imposanten Spezialeffekte machen einiges her. Die Wesen, die euch dabei über den Weg laufen, muten wie Fantasiegespinste von Designern an, die zu viel Clive Barker gelesen haben.

Die Akustik, die sich wie immer bei Capcom aus englischer Sprachausgabe mit zumeist sauberen deutschen Untertiteln, passender Musikuntermalung und brachialen Kampfgeräuschen zusammen setzt, hat ebenfalls nur wenig Anteil an der Überwindung der Frustschwelle. Sie ist eher als Beispiel dafür zu sehen, dass die japanischen Entwickler wie fast immer einen durchdachten Soundteppich weben können. Aber was ist es dann, was mich immer wieder zum Pad zieht wie die Motte zum Licht?

     

Da wären z.B. die genialen Filme: Als Belohnung für die nahezu senkrecht ansteigende Lernkurve bekommt ihr in den Zwischensequenzen nicht nur spannend inszenierte Story-Schnipsel, sondern auch einen Hauptcharakter präsentiert, der in Sachen Coolness Matrix-Neo zeigt, wo der Hammer hängt – auch wenn einige Anleihen bei den Filmen der Wachowski-Brüder und einschlägigen Filmen von John Woo oder Tsui Hark zu spüren sind.

Die Zwischensequenzen sind grandios in Szene gesetzt und stimmen angesichts der sehr steilen Lernkurve wieder versöhnlich.
Und spätestens wenn Dante, immer einen coolen Spruch auf den Lippen, grandios choreografiert und rasant geschnitten fast 15 Sekunden braucht, um seinen Mantel anzuziehen, schlägt das Action-Herz höher und man ist gewillt, ihm jeden noch so herben Schwierigkeitsgrad zu verzeihen.

Zwei Waffen – haufenweise Kombos

Was die Motivation zusätzlich immens nach oben schraubt und immer wieder dafür sorgt, dass man selbst nach stärksten Frustmomenten das Pad in die Hand nimmt, um einen neuen Anlauf zu wagen, ist die Befriedigung, die einem das umfangreiche Kombo- und Waffensystem gibt. Die martialische Spielerei ist wie Balsam auf die gepeinigte Zockerseele.

Zwei Waffen jedes Typs (Projektil, Nahkampf) können gleichzeitig mitgeführt und ständig gewechselt werden. Je nach Waffenwahl kommen andere Kombos zustande, die nicht nur spektakulär aussehen, sondern auch verheerenden Schaden anrichten. Doch dies ist nicht der einzige Effekt, den sie verursachen: Nur wenn ihr häufig wechselt, könnt ihr die Stil-Punkte nach oben schrauben, was wiederum dazu führt, dass man in der Endwertung nach jedem Abschnitt besser da steht und mehr Bonuspunkte bekommt. Da man für diese Punkte (genau wie für die aufgesammelten Orbs) seine Waffen aufrüsten sowie neue Moves lernen kann, ist es hin und wieder sogar ratsam, bereits besuchte Abschnitte nochmals aufzusuchen, um das Punktekonto aufzufüllen und für das nächste Level frisch gewappnet zu sein.

Klasse Grafik, klasse Kombos - und trotzdem kommt immer wieder Frust auf...
Zusätzlichen Reiz gewinnt das ausgefeilte System durch die Wahl des Kampftyps, von denen insgesamt sechs (anfänglich vier) zur Verfügung stehen und die man auch zwischen den Abschnitten wechseln kann. Mit Trickster steht ein ausgeglichener Stil auf dem Programm, während Swordmaster und Gunslinger den Schwerpunkt auf Nah- bzw. Fernkampf legen. Der Royal Guard hingegen hat seine Vorteile auf der defensiven Seite und ist nur erfahrenen Spielern ans Herz zu legen – genau wie die beiden Bonus-Stile Quicksilver und Doppelganger.

Da ihr Erfahrungspunkte für jeden Stil bekommt, solange er eingesetzt ist und nur mit höheren Stufen bestimmte Waffen zugänglich sind, erhöht sich nicht nur der Wiederspielwert, sondern auch die Anpassungmöglichkeit an die eigenen Spielvorlieben.

Wenn Capcom zu dem faszinierenden Gesamtpaket, das sich locker an Teil 2 vorbeimetzeln kann, auch noch die Anforderungen an Otto-Normal-Spieler angepasst hätte, wäre Devil May Cry 3 möglicherweise zu einem Meilenstein geworden. Aber auch der nach wenigen Fehlversuchen freigespielte vermeintlich leichte Schwierigkeitsgrad bringt leider nur unwesentlich spürbare Verbesserung. So bleibt Dantes neuer Höllenritt "nur" ein verdammt gutes und teuflisch forderndes Action-Spektakel.

  

Fazit

Machen wir uns nichts vor: Devil May Cry 3 ist technisch über nahezu jeden Zweifel erhaben und überzeugt mit seinem überaus coolen Hauptcharakter sowie dem umfangreichen Kombosystem. Doch der immense Schwierigkeitsgrad wird es Neueinsteigern und selbst Genre-Kennern nicht leicht machen, sich mit Dante anzufreunden. Zwar ist die Befriedigung auch um so größer, wenn man es tatsächlich geschafft hat, sich ans Ende zu kämpfen oder den Boss mit allen Mitteln der Kampfkunst in die Hölle zu schicken. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, gepflastert mit Blut, Schweiß und evtl. Tränen (der Wut versteht sich), gewürzt mit Schwielen an den Fingern und gelegentlich garniert mit einem an die Wand geknallten Gamepad. Dass Dante trotzdem noch den Gold-Award einheimst, liegt vor allem an der grandiosen Inszenierung, dem immensen Coolness-Faktor, den die Hauptfigur ausstrahlt sowie der rundum gelungenen Präsentation. DMC 3 ist ein würdiger Nachfolger der Serie und lässt den eher drögen Vorgänger schnell in Vergessenheit geraten. Wenn eure Frustgrenze jedoch knapp unter Zimmertemperatur liegt, solltet ihr einen Bogen um Dantes Höllenausflug machen, da ansonsten die Anschaffungskosten für neue Pads steigen…

Pro

spannend inszenierte Story
umfangreiche Kombo-Möglichkeiten
extrem cooler Hauptcharakter
stimmungsvolle Zwischensequenzen
sechs verschiedene Grund-Kampfstile
zahlreiche versteckte Gimmicks
stimmige Grafik
gute Akustikkulisse

Kontra

hammerhart
kaum Kontrollpunkte in den Abschnitten
seltene Clipping-Fehler
sehr steile Lernkurve

Wertung

PlayStation2

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