Champions: Return to Arms02.04.2005, Jens Bischoff
Champions: Return to Arms

Im Test:

Mit Baldur‘s Gate: Dark Alliance schufen die Snowblind Studios vor gut drei Jahren eines der einflussreichsten Hack‘n‘Slay-Rollenspiele der Konsolengeschichte. Nach ihrem Überraschungserfolg haben sich die Entwickler jedoch von den Forgotten Realms abgewandt und im Everquest-Universum Fuß gefasst. Mit Champions: Return to Arms (ab 30,39€ bei kaufen) erwartet Fantasy-Fans schon der zweite Ausflug nach Norrath, der uns trotz mangelnder Innovationen erneut schlaflose Nächte beschert hat.

Kollektiver Spielrausch

Schuld am Schlafdefizit war vor allem der exzellente Koop-Modus, der sowohl off- als auch online einmal mehr enormes Suchtpotential für bis zu vier Hack‘n‘Slay-Liebhaber versprüht. Einmal losgeschnetzelt kommt die virtuelle Klinge erst wieder zur Ruhe,

Für Katzenliebhaber: Die neue Berserker-Klasse könnt ihr u. a. als Löwe, Leopard oder Tiger spielen.
wenn euch eure Mitstreiter mit Aufschreien wie "So Schluss jetzt, ich muss doch morgen früh raus!" oder "Mist, schon wieder so spät!" zu einer Zwangspause nötigen. Zwar spricht Return to Arms auch im Einzelspielermodus die Jäger- und Sammlertriebe in hohem Maße an, aber Langzeitmotivation und Spielspaß fallen im Vergleich zu den fesselnden Gruppenausflügen doch spürbar ab.

Das Leid des Einzelgängers

Allein schon aufgrund der dürftigen Handlung und Dialoge kommt man solo nur selten in richtige Abenteurerstimmung. Hinzu kommt das teils gnadenlose Levelrecycling aus dem Vorgänger sowie die im Alleingang mitunter wesentlich haarigeren Bossfights. Mit ein bis drei Gleichgesinnten verlieren diese Mankos allerdings schnell an Gewicht und auch von der aufgelockerten Missionsstruktur profitieren vor allem gesellige Monsterschlächter. Inzwischen ist es nämlich möglich, einmal gemeisterte Spielabschnitte und Missionen beliebig oft zu wiederholen, was besonders online flexiblere und komfortablere Scharmützel unabhängig vom aktuellen Spielstand ermöglicht. Zudem punktet der erfreulicherweise kostenlose Onlinemodus mit der Möglichkeit, sich weiter als es die Bildschirmbegrenzung offline zulässt, voneinander zu entfernen, was euch beim Kämpfen und Erforschen deutlich mehr Freiräume lässt.

Zwei getrennte Welten

Allerdings wird euer Online-Charakter in Return to Arms nur noch auf dem Server gespeichert, was zwar Cheatern einen gewissen Riegel vorschiebt, aber leider keinen freien Wechsel mehr zwischen On- und Offline-Spiel zulässt. Dafür gibt es nun einen speziellen Arena-Modus, wo ihr euch wahlweise mit- oder gegeneinander mit immer stärker werdenden Monsterarmeen messen könnt. Zudem besteht die Möglichkeit, einen Offline-Charakter ins Online-Universum zu importieren,

Licht ins Dunkel: Zauberangriffe schaden nicht nur Orks & Co., sondern erhellen auch die Umgebung.
so dass ihr nicht nochmals mit einem Level-1-Helden beginnen müsst. Wer will, darf sogar Charaktere aus Champions of Norrath wieder ausmotten.

Sieben mögliche Helden

Insgesamt könnt ihr jedenfalls aus fünf alten (Krieger, Waldläufer, Kleriker, Zauberer und Schattenritter) und zwei neuen (Schamane und Berserker) Charakterklassen wählen, die sich in Spielanlage und Spezialfähigkeiten deutlich voneinander unterscheiden und sehr individuell aufleveln lassen. Die charakterspezifischen Fertigkeiten wurden sogar noch etwas aufgestockt - selbst importierte Charaktere dürfen neben den bereits vertrauten Fähigkeiten noch ein paar neue erlernen. Habt ihr euren Lieblingshelden gefunden, dürft ihr ihm noch einen Namen geben, sein Erscheinungsbild etwas verändern und ein paar Punkte auf von euch bevorzugte Attribute (Stärke, Intelligenz, Geschicklichkeit und Ausdauer) verteilen.          

Gut oder böse?

Doch damit nicht genug, denn kurz nach Spielbeginn müsst ihr euch auch noch entscheiden, auf welcher Seite ihr in den Kampf ziehen wollt. Schließt ihr euch der guten Sache an, müsst ihr versuchen die drohende Wiederauferstehung Innoruuks, des im Vorgänger vernichteten Prinzen des Hasses, zu vereiteln, während ihr für die dunkle Seite genau das Gegenteil erreichen sollt.

Treueprobe: Um an Mithaniels behütete Scherbe zu gelangen, müsst ihr erst Loyalität vorgaukeln.
Die Story führt im weiteren Verlauf aber leider nur ein Schattendasein,wodurch die jeweiligen Missionen fast willkürlich aneinandergereiht wirken. Da ihr einige Spielabschnitte jedoch nur auf einer der beiden Seiten zu sehen bekommt und insgesamt vier (offline) bzw. fünf (online) aufeinander folgende Schwierigkeitsstufen auf euch warten, stimmt aber wenigstens der Wiederspielwert.

Mehr Umfang, mehr Abwechslung

Zudem wurde auch der Umfang im Vergleich zum Vorgänger deutlich aufgestockt, so dass ihr je nach Forscherdrang und Boni-Interesse zwanzig bis dreißig Stunden Spielzeit pro Kampagne einrechnen könnt. Neben den zwölf über mehrere Abschnitte verteilten Hauptmissionen warten nämlich auch noch einige Nebenaufgaben und Bonusrunden auf euch, wo sich zusätzliche Levels und Extras freischalten lassen.Vor allem die Bonusrunden sorgen mit Aufgaben wie dem Eskortieren von Gnomen,

Gesprengte Ketten: Online stellt der Bildschirmrand keine Bewegungsgrenze mehr dar.
dem Zerstören von Uhrwerken oder einer Art Kobold-Pacman  für Abwechslung im sonst etwas eintönigen Abenteureralltag. Schade nur, dass das immer nur von einem Spieler bestritten werden kann und es keinerlei Rätseleinlagen gibt, was vor allem im Einzelspielermodus für mehr Abwechslung gesorgt hätte. Doch immerhin gibt es ein paar unorthodoxe Missionen, in denen teils sogar Stealth-Fähigkeiten gefragt sind.

Bewährte Handhabung

Die handliche Steuerung wurde übrigens eins zu eins aus Champions of Norrath übernommen, was besonders Veteranen einen reibungslosen Einstieg erlaubt. Aber auch Neulinge werden mit der frei konfigurierbaren Steuerung schnell zurechtkommen. Neben einer Block-, Aktions- und Angriffstaste, gibt es noch zwei Extratasten, die ihr mit individuellen Zauber- und Spezialfertigkeiten belegen könnt.

Ab in die Tiefe: Mit dem Wassersegen könnt ihr auch am Meeresboden Monster plätten.
Auch Waffenwechsel, Heilungen und Mana-Auffrischungen sind mit nur einem Tastendruck möglich.Zudem dürft ihr die Ansicht frei drehen und im Einzelspielermodus auch in drei Stufen zoomen sowie eine transparente Levelkarte einblenden.

Blick ins Inventar

Alles andere wie das Ausrüsten bzw. Upgraden von Waffen, Rüstungen oder Schmuckstücken, die auch optisch das Aussehen eures Protagonisten verändern, sowie das Verteilen neuer Attributs- und Fähigkeitspunkte regelt ihr komfortabel im zumindest offline Spiel unterbrechenden Inventarbildschirm. Ist der Rucksack voll, geht‘s via nahe gelegener Portalsäule oder griffbereiter Portalrolle zurück ins Hauptquartier, wo ihr im Shop unbenötigten Ballast verscherbeln, am Ebenenportal andere Aufträge annehmen oder am Speicherpunkt sichern könnt. Letzteres dürft ihr aber auch an jeder anderen der großzügig verteilten Säulen.           

Zahlreiche Déjà-vus

Manche Spielabschnitte und Gegner werden Veteranen zwar sehr vertraut vorkommen, aber immerhin werden die Levels und Monstergattungen sehr abwechslungsreich und ansehnlich präsentiert - und das trotz nur minimal modifizierter Grafik-Engine.

Survival-Training: Im neuen Arenamodus könnt ihr euch mit Monstern und Mitspielern messen.
Lediglich die immer mal wieder clippenden Umgebungen und flackernden Menüs stören den ansonsten äußerst soliden Gesamteindruck. Zwar hätten auch die Charaktermodelle hin und wieder ein paar Polygone oder Texturen mehr vertragen, aber das fällt eigentlich nur bei Dialog-Closeups wirklich auf.

Hilfe, ich hänge!

Störender ist da schon die teils problematische Kollisionsabfrage. Sind nicht erreichbare Hinterlassenschaften von geplätteten Monstern noch verschmerzbar, stellen in der Umgebung fest hängende Charaktere, die selbst nach einer Portalrolle nicht aus ihrer misslichen Lage befreit werden können, schon ein ziemliches Ärgernis dar - vor allem, wenn man schon eine Weile nicht mehr gespeichert hat. Zum Glück kommen solche Unglücksfälle aber nicht sehr häufig vor,

Schuppiger Boss: Ein riesiger Feuerdrache darf in keinem vernünftigen Fantasy-Hack'n'Slay fehlen.
so dass man angesichts der sonst reibungslosen Action darüber hinweg sehen kann -ärgerlich sind solche Fälle aber dennoch. Ähnliches gilt für das Austauschen von Gegenständen mit anderen Spielern, was nach wie vor nur durch umständliches Ablegen und wieder Aufheben möglich ist.

Charaktere ohne Profil

Ebenfalls ärgerlich ist die wenig ambitionierte deutsche Synchro mit ihren wenig charismatischen Sprechern und teils plumpen Übersetzungen, was einige Charaktere sehr blass und profillos wirken lässt. Zur Not kann man zwar auch auf die englische Tonspur wechseln, aber auch dort ist nicht wirklich alles besser. Die übrige Soundkulisse geht jedoch in Ordnung. Zwar wirken manche Effekte etwas altbacken, während einige Ambient-Samples mit der Zeit sogar ziemlich nerven können,aber ansonsten ist die mit dynamisch anschwellenden Orchesterklängen durchwobene

Reiter der Apokalypse: Diese Bonusrunde müsst ihr mit so wenig Heiltränken wie möglich bestehen.
Akustik trotz fehlender Surround-Kodierung recht stimmungsvoll.

Internationale Spielersuche

Je nach Sprachauswahl könnt ihr online übrigens auch auf verschiedene nationale Server zugreifen. Das ist zwar etwas umständlich, aber entsprechende Sprachkenntnisse vorausgesetzt seid ihr so wenigstens nicht nur auf deutschsprachige Mitspieler beschränkt. Um Wartezeiten zu überbrücken, bearbeitet ihr Freundes- und Ignorierlisten, versendete Privatnachrichten oder chattet mit potentiellen Mitstreitern, was vor allem mit einer angeschlossenen Tastatur ein netter Zeitvertreib sein kann. Im Spiel selbst kommt dann auch das Headset zum Einsatz, das wie von Xbox Live-Titeln gewöhnt automatisch reagiert, wenn ihr was zu sagen habt und euch somit umständliche Tastendrücke im Kampfgetümmel erspart - ein Feature, das sich auch andere PS2-Entwickler zum Vorbild nehmen könnten.       

Fazit

Auch wenn Return to Arms im Prinzip nicht viel mehr als ein äußerst umfangreiches Add-On zu Champions of Norrath darstellt, kann ich es geselligen Hack‘n‘Slay-Fans nur wärmsten ans Herz legen. Egal ob off- oder online, schon lange wurde der seit Baldur‘s Gate: Dark Alliance neu entfachte Jäger- und Sammlertrieb nicht mehr so befriedigt wie hier. Spielerisch ist zwar fast alles beim Alten geblieben, während die Story nur knapp an der Bedeutungslosigkeit vorbeischrammt, aber die aufgelockerte Missionsstruktur, der beachtliche Umfang und der hohe Wiederspielwert sorgen für unkompliziertes und langanhaltendes Multiplayer-Vergnügen. Zudem habt ihr, wie es zur Zeit in Mode ist, die Wahl für die gute oder böse Seite in die Schlacht zu ziehen, originelle Bonusmissionen zu bestreiten sowie euch im Arena-Modus mit Monstern oder menschlichen Rivalen zu bekriegen. Fans des Vorgängers wird lediglich das teils gnadenlose Levelrecycling und die erneut eher maue deutsche Synchro übel aufstoßen. Alle anderen Unannehmlichkeiten kann man im kooperativen Metzelrausch, bei dem auch online keine Gebühren anfallen, durchaus verzeihen. Return to Arms macht trotz weiterer Verbesserungsmöglichkeiten eindeutig mehr und länger Spaß als der Vorgänger und verweist sämtliche Genre-Konkurrenten auf die Plätze.

Pro

neuer Arena-Modus
einfache Handhabung
zwei neue Charakterklassen
zusätzliche Items & Fertigkeiten
abwechslungsreiche Bonusrunden
exzellentes Multiplayer-Vergnügen
kurzweiliges Hack‘n‘Slay-Gameplay
upgradefähige Waffen & Rüstungen
sehr individuelle Charakterentwicklung
fünf verschiedene Schwierigkeitsgrade
verbesserter & kostenloser Online-Modus
abwechslungsreiche Gegner & Schauplätze
flexiblere & abwechslungsreichere Missionen
zwei umfangreiche Kampagnen (gut & böse)

Kontra

keinerlei Rätsel
mäßige Story & Synchro
eingeschränkte Serverwahl
teils problematische Kollisionsabfrage
nach wie vor umständlicher Item-Tausch
gelegentliche Clipping
& Flimmerprobleme
häufiges Levelrecycling aus dem Vorgänger

Wertung

PlayStation2

Umfangreiches und unkompliziertes Hack&Slay-RPG, das im Mehrspielermodus absolut süchtig macht.

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