Final Fantasy 7: Dirge of Cerberus24.12.2006, Jens Bischoff
Final Fantasy 7: Dirge of Cerberus

Im Test:

Bei Final Fantasy VII denken die meisten sicher automatisch an das japanische Rollenspiel-Highlight für die PSone und an Charaktere wie Cloud Strife oder Sephiroth. Wenige werden sich vielleicht auch noch an Vincent Valentine zurückerinnern, der sich in Dirge of Cerberus vom freispielbaren Bonuscharakter zum Hauptdarsteller gemausert hat. Allerdings hat ihm Square Enix kein eigenes RPG, sondern einen Third-Person-Shooter spendiert. Wohltuende Abwechslung oder enttäuschender Fremdgang?

Falsche Ansätze

Die Idee, in die Rolle von Vincent Valentine zu schlüpfen und drei Jahre nach den Ereignissen aus Final Fantasy VII nochmals durch Midgar zu streifen ist sicher nicht ohne Reiz. Auch das Ganze als Shooter zu verpacken, macht durchaus Sinn.

Zu viel des Guten: Die vielen Sequenzen sorgen für Stimmung, stören aber auch oftmals den Spielfluss.
Allerdings erreicht Square Enix dabei zu keiner Zeit die Klasse, die man von ihren Rollenspielen gewohnt ist. Ihr trefft zwar auf einige bekannte Gesichter und Schauplätze, aber Antworten auf alte Fragen gibt es nur wenige. Stattdessen wird in erster Linie eine völlig neue Geschichte um mysteriöse Geiselnahmen und eine auch auf Vincent Jagd machende Spezialeinheit der Tsviets namens Deepground erzählt.

Doch trotz prunkhafter Render-Filmchen und teils interessanter Charaktere sowie Vergangenheitsbewältigung, reißt einen die Handlung nicht wirklich mit. Viele Figuren sind einfach zu stereotyp, die Ereignisse zu vorhersehbar und die Einbindung der zahlreichen Sequenzen alles andere als homogen. Die langen Ladepausen sind da noch das kleinste Übel. Oft führt ihr eine Aktion aus, nur um anschließend nochmals einen vorgefertigten Film selbiger serviert zu bekommen, der weder da ansetzt, wo das Spielgeschehen unterbrochen wurde, noch das Vorausgegangene akkurat wiedergibt. Das wirkt inhaltlich befremdlich und handwerklich stümperhaft. Ebenso nervt es, dass immer wieder mäßig spannende Lückenfüller eingeblendet werden, die inhaltlich kaum etwas zur Sache tun, den Spielfluss aber stets empfindlich unterbrechen.

Wie auf Schienen

Man hat fast das Gefühl, als hätten die Entwickler bemerkt, dass das Spiel nicht besonders umfangreich ist und es dann mit einem Wust an mehr oder weniger passendem Füllmaterial aufgeblasen. Das Ergebnis ist ein etwa achtstündiger Ballermarathon, bei dem ihr gut die Hälfte der Zeit zum passiven Zuschauen verurteilt seid. Teils tut man das gerne, immer öfter fragt man sich jedoch, ob man wirklich sehen will, wo jeder noch so unbedeutende Gegner herkommt, jedes noch so offensichtliche Hindernis liegt und warum man diese Rolle, diesen Sprint oder diesen Sprung nicht einfach selbst aktiv hat machen dürfen. Na ja, auf Letzteres gibt es meist eine klare Antwort: Die Spielwelt lässt es nicht zu.

Immer wieder fragt ihr euch, warum ihr diese Kiste zerstören könnt, jene aber nicht, warum ihr diesen Vorsprung erklimmen könnt, jenen aber nicht, oder warum ihr immer wieder von unsichtbaren Barrieren zurück gehalten werdet, obwohl es dort kein ersichtliches Hindernis gibt. Das Leveldesign ist trotz verstreuter Mini-Sidequests so erdrückend linear, die Interaktionsmöglichkeiten mit der Spielwelt sind dermaßen limitiert und die gescriptete Gegner-KI so statisch, dass man das Gefühl nicht los wird, sich auf Schienen durch die zwölf Kapitel zu kämpfen. Das wäre ja noch erträglich, wäre die Spielwelt imposant und abwechslungsreich. Aber das ist sie leider nicht. Oft habt ihr sogar das Gefühl, genau jenen Korridor nicht zum ersten Mal passiert und jenes Treppenhaus schon mindestens dreimal erklommen zu haben etc.       

Verschenktes Potential

Auch die Gegner sind immer wieder dieselben, sie tauchen immer an denselben Stellen auf und lassen sich auf immer dieselbe Weise bezwingen - egal, welchen Schwierigkeitsgrad ihr wählt. Eigentlich ist Dirge of Cerberus ja ein Shooter, aber wer Munition sparen will kann, kann einen Großteil der Gegner auch einfach mit Tritten über den Jordan schicken. Zumindest wenn euch die gerade in engen Gängen recht hakelige Kamerasteuerung keinen Strich durch die Rechnung macht.

Monotone Fließband-Action: Die linearen Levels und immer gleichen Gegner sorgen schnell für Langeweile.
 Wer will, kann auch Magie und Limit-Techniken, bei denen ihr euch vorübergehend in ein Galianisches Biest verwandelt, anwenden. Aber abseits von Bosskämpfen macht das nur wenig Sinn. Dank zuschaltbarer Zielhilfen, erledigt ihr die meisten Gegner ohnehin im Vorübergehen. Wer will kann Vincent sogar mit Maus und Tastatur dirigieren - effizienter ist diese Methode jedoch höchstens beim Setzen von Kopfschüssen über das Zielfernrohr.

Am besten steuert sich Dirge of Cerberus kurioserweise jedoch aus der Egoperspektive. Diese könnt ihr allerdings nur nutzen, wenn ihr auf Zielfernrohre komplett verzichtet und Nahkampfattacken meidet, denn sobald ihr einen Tritt vom Stapel lasst, wird automatisch in die Third-Person-Ansicht zurückgeschaltet und sobald ihr ein Scharfschützenvisier an eure Waffe schraubt, wird die Ich-Ansicht durch den Sniper-Modus ersetzt. Schade, denn die Ego-Perspektive hätte sowohl lästige Kameraprobleme umgangen als auch besser zur Ego-Shooter typischen Steuerung gepasst. So verwendet ihr die Ego-Perspektive höchstens, wenn ihr ein stationäres Geschütz bemannt, um Sichtversperrungen durch die eigene Spielfigur zu vermeiden, obwohl das Blickfeld dadurch entsprechend eingeengt wird.

Rettende Lichtblicke

Dass Dirge of Cerberus nicht vollends in die Belanglosigkeit abdriftet, verdankt es eingeflochtenen Rollenspielelementen wie dem Steigern der Charakterwerte sowie dem individuellen Waffenbaukasten. Dieser lässt euch bis zu drei Waffenkonfigurationen festlegen, zwischen denen ihr jederzeit auf Knopfdruck wechseln könnt. Verglichen mit anderen Shootern sind drei Waffen zwar fast schon lächerlich, aber dafür könnt ihr diese relativ frei zusammensetzen. Neben drei grundlegenden Modellen (Pistole, Maschinenpistole und Gewehr) samt entsprechender Munition habt ihr auch verschiedene Lauflängen, Leistungssteigerer,

Zwischengegner im Visier: Die Bossfights sind teils ganz nett, aber keine große Herausforderung.
Zielvorrichtungen und Magiezusätze zur Verfügung, die ihr beliebig miteinander kombinieren dürft. Ob ihr alle drei Grundmodelle benutzt oder euch auf eins in verschiedenen Ausführungen konzentriert, bleibt euch überlassen.

Positiv ist auch, dass euch nach einmaligem Durchspielen eine ganze Reihe von Bonusmissionen zur Verfügung stehen, die teils deutlich abwechslungsreicher und herausfordernder als die Aufträge des Story-Modus sind. Zudem können besonders versierte Schützen auch Videos, Musikstücke, Charaktermodelle und Grafiken freischalten. Der Zwei-Spieler-Modus des japanischen Originals fällt hierzulande jedoch flach. Das liegt aber wohl weniger an Square Enix als an der Tatsache, dass dieser Modus die bei uns nie erschienene Festplatte für eine PlayOnline-Installation vorausgesetzt hatte. Der mit knapp 40 Euro recht günstige Preis und andere Extras trösten darüber jedoch hinweg. Eine mehrsprachige Synchro hätte man hingegen durchaus erwarten können, auch wenn so etwas bei Square Enix eher selten ist. Die englischen Sprecher machen jedoch vorwiegend einen guten Job und die Untertitel sind meist solide übersetzt.      

Fazit

Bei einem Titel, der Final Fantasy VII im Namen trägt, hätte man sicher mehr erwartet als eine lineare Fließbandballerei vor monotoner Kulisse. Shooter-Cracks werden sich trotz individuellem Waffenbaukasten schnell gelangweilt abwenden, während viele FFVII-Fans Vincents öden Lone Ranger-Einsätzen wohl überhaupt nichts abgewinnen können. Gut, weniger anspruchsvolle Ballerfans mit einem Faible für Mr. Valentines cooles Auftreten, werden dank einfacher Spielstruktur, stimmungsvoller Render-Sequenzen und simpler RPG-Elemente angemessen unterhalten, aber einen bleibenden Eindruck wird Dirge of Cerberus wohl auch bei ihnen nicht hinterlassen. Dazu ist die Spielmechanik zu gewöhnlich, die Kulisse zu unspektakulär und die bescheidene Gegnerschar zu harmlos. Der Umfang geht dank freispielbarer Sondereinsätze und anderer Extras zwar in Ordnung und auch der Preis ist fair, aber wer nicht unbedingt alles, was auch nur entfernt mit Final Fantasy zu tun hat, besitzen muss, spart das Geld wohl besser für FF XII oder greift zu eindrucksvolleren und mittlerweile sogar günstigeren Action-Feuerwerken wie Devil May Cry oder God of War .

Pro

günstiger Preis
simple RPG-Elemente
viele freischaltbare Extras
individueller Waffenbaukasten
stimmungsvolle Render-Sequenzen

Kontra

mäßige Gegner-KI
monotoner Spielverlauf
hakelige Kameraführung
mangelnde Gegnervielfalt
ödes Level
& Missionsdesign
nur englische Sprachausgabe
ständige Spielunterbrechungen
limitierte & kaum interaktive Spielwelt

Wertung

PlayStation2

Eintöniger FFVII-Shooter mit spielerischen Ladehemmungen.

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