Musashi: Samurai Legend16.10.2005, Jens Bischoff
Musashi: Samurai Legend

Im Test:

Erinnert sich noch jemand an den blauhaarigen Samurai-Jungen Musashi, der vor sieben Jahren auf Sonys 32-Bitter seinen Einstand als Action-RPG-Held gab? In Musashi: Samurai Legend (ab 99,75€ bei kaufen) kehrt der nach einem Frisörbesuch kaum wieder zu erkennende Katana-Schwinger zurück und faselt irgendwas von Manga-Shading und Nebulit. Wir verraten euch, was es damit auf sich hat und ob das Comeback überzeugt.

Anfangs hui, später pfui

Nach dem rasanten Anime-Intro hatte ich mich schon auf flotte Schwertkampfaction mit stylischen Manga-Helden und opulenter Squaresoft-Präsentation gefreut. Doch kaum hat man das Spiel gestartet, macht sich Ernüchterung breit: Dieser sich wie in Zeitlupe bewegende Schmalspur-Sora (Kingdom Hearts) soll eine Samurailegende sein?

Enttäuschend: Das Spiel hält nicht annähernd, was das stylisch rasante Anime-Intro verspricht...
 Musashi stapft dermaßen träge durch die Gegend; man könnte meinen, die Spielwelt stünde unter Wasser. Vielleicht liegt‘s ja an den überdimensionalen Klumpfüßen...? Und was sollen diese riesigen Patschhände und der meterlange Pferdeschwanz? So sieht doch kein Held aus. Und dann diese debile Stimme - wie ein Sechsjähriger, der zu viel Terminator geschaut hat...

Kingdom Hearts für Arme

Schnell das Spiel pausieren und vom ersten Schock erholen. Na ja, konzentrieren wir uns halt auf die Rollenspielelemente und die Story, das hat Square Enix ja in der Regel drauf. Doch denkste. Als ich erfuhr, dass ich hier bin, um im Alleingang eine entführte Prinzessin aus den Klauen einer durch Gewinnung eines magischen Rohstoffs, Nebulit, nach Weltherrschaft trachtenden Clique zu retten, verliere ich jegliches Vertrauen in die Erzählkunst der japanischen RPG-Schmiede. Doch wie sieht‘s spielerisch aus? Nun ja, stellt euch Kingdom Hearts mit ausgelutschter Story, langweiligen Charakteren, öden Schauplätzen, vorhersehbaren Ereignissen und Kindergarten-Schwierigkeitsgrad vor - das trifft es sehr gut...

Fliegende Baustelle

Ihr fliegt jedenfalls von Ort zu Ort, vermöbelt grenzdebile Gegner, rettet Verbündete, macht den obligatorischen Level-Boss platt und kehrt zurück ins Hauptquartier, einer Stadt auf dem Rücken eines fliegenden Wals, die ähnlich wie in Suikoden durch eure Befreiungsaktionen stetig anwächst. So stehen euch nach und nach neue Einrichtungen und Geschäfte zur Verfügung, in denen ihr zwischen euren Einsätzen vorbei schauen könnt. In der Schmiede verbessert ihr zum Beispiel euer Katana, im Kampf-Dojo lernt ihr neue Fertigkeiten, Bäckerei und Eisdiele versorgen euch mit Energie spendendem Proviant, beim Gutachter identifiziert ihr unbekannte Funde, im Labor kombiniert ihr neue Items und in der Arena könnt ihr euch mit speziellen Herausforderungen was dazu verdienen.

Ermüdend einfach

Sauberer Schnitt: Mit euren rasiermesserscharfen Klingen könnt ihr Gegner regelrecht zerlegen.
Zudem könnt ihr im Hauptquartier eure Lebensenergie und Manareserven wieder auffrischen, den Spielstand sichern und den nächsten Einsatzort wählen. Wer gerne auflevelt, kann bereits gemeisterte Abschnitte übrigens beliebig oft wiederbesuchen. Allerdings gibt es dazu kaum einen Grund, denn der Schwierigkeitsgrad ist so schon auf der höchsten zu Beginn verfügbaren Stufe der reinste Spaziergang. Zwar steht nach einmaligem Durchspielen noch ein weiterer Schwierigkeitsgrad zur Verfügung, aber selbst da wird man kaum gefordert und erlebt bis auf das Freischalten von zusätzlichen Hologrammkarten, die lediglich notorische Alles-Sammler interessieren dürften, quasi nichts neues. Auch die taktisch angehauchten Bossfights besteht ihr in der Regel auf Anhieb, wodurch sich rasch Langeweile breit macht.         

Einfallsloses Leveldesign

Zu dieser Stimmung tragen auch die kleinen, linearen Spielabschnitte bei, die zu allem Übel auch noch mehrfach besucht werden müssen 

Mangelnde Gegnervielfalt: So stylisch die Ninja-Droiden auch sind, irgendwann langweilen auch sie.
- und zwar nicht zum Aufspüren optionaler Extras, sondern um der müden Story wegen. Insgesamt gibt es gerade mal ein halbes Dutzend verschiedener Reiseziele, die durch neue Fähigkeiten wie einen Doppelsprung oder elementare Waffengewalt lediglich ein paar Zusatzpassagen bereithalten. So seid ihr mit dem Erdschwert etwa in der Lage, Felsbarrieren aus dem Weg zu räumen, während ihr mit der Wasserklinge Feuerwände löscht oder mit dem Windschwert Gegner auf unerreichbare Schaltflächen wirbelt. Im Verlauf des zirka 10 bis 15 Stunden dauernden Abenteuers eignet ihr euch jedenfalls fünf Elementarschwerter an, mit denen ihr nicht nur Hindernisse aus dem Weg räumt oder simple Schalterrätsel löst, sondern auch euren Feinden mit magischen Attacken zusetzen dürft.

Die Wiederkehr des ewig Gleichen

Zudem könnt ihr mit dem richtigen Timing diverse Spezialaktionen wie Lähmungshiebe, Comboattacken oder Finishing Moves von Kontrahenten kopieren und diese dann selbst einsetzen. Meistens reichen die Standardmanöver jedoch vollkommen aus, denn die Gegner sind alles andere als intelligent

Harmloser Blechberg: Selbst die Bossfights stellen nur selten eine Herausforderung dar.
und bringen euch höchstens manchmal durch ihre Überzahl und ständige Wiederkehr (Respawn) in Verlegenheit. Wirklich bedrohlich wird die Situation jedoch äußerst selten und wenn doch, verschafft ihr euch halt mit einem Rundumschlag oder einer brachialen Elementarattacke Platz. Da sich euch immer wieder dieselben Widersacher in den Weg stellen, habt ihr deren Schwachstellen ohnehin schnell raus - auch wenn euch die einfallslosen Ninja- und Robotervariationen schon nach kurzer Zeit zum Hals raushängen dürften...

Irgendwie fehl am Platz

Das haben sich wohl auch die Entwickler gedacht und zur Abwechslung ein paar uninspirierte Fahr- und Flugabschnitte eingebaut, bei denen ihr durch geradlinige Tunnelsysteme rast und motorisierte Angreifer aus dem Sattel wuchtet bzw. gegen die Wände drängt. Diese wirken allerdings genauso fehl am Platz wie die dazu erklingende Surfrock-Mucke. Der übrige Soundtrack ist hingegen recht stimmig, auch wenn sich die Komponisten teils mehr als dreist bei der Konkurrenz, insbesondere Segas Phantasy Star Online, bedient haben. Auch die in Dolby Pro Logic II ausgegebenen Sound-FX gehen größtenteils in Ordnung. Sprachausgabe gibt es hingegen nur selten,  was angesichts der geradezu peinlichen englischen Sprecher aber wohl auch besser ist.

Auf Kollisionskurs: Die drögen Fahr- und Flugabschnitte hätte man sich auch sparen können.
Viel Lärm um nichts

Grafisch haben sich die Designer die Cell-Shading-Technik zunutze gemacht. Warum sie dem lediglich dickere Umrisse bietenden Look allerdings gleich einen neuen Namen, "Manga-Shading", verpassen mussten, verstehe wer will. Durch die breiteren und zudem recht pixeligen Linien wirken die Charaktere jedenfalls nur noch klobiger als sie teils ohnehin schon sind. Da hätte man lieber auf herkömmliches Cel-Shading zurückgreifen und mehr Aufwand in die Optimierung der Engine stecken sollen, die trotz spartanischer Umgebungen, polygonarmer Objekte und detailarmer Texturen regelmäßig von Slowdowns geplagt wird und das Spielerauge mit Interlace-Flimmern quält - einen etwas lindernden 60Hz-Modus sucht man jedoch vergeblich...        

Technische Ärgernisse

Auch Kollisionsabfrage und Kameraführung wirken alles andere als ausgereift. Zwar könnt ihr den Blickwinkel jederzeit manuell nachjustieren, aber sobald ihr euch bewegt,

Und wehe, wenn sie zu sprechen beginnen: Die Charaktere wirken allesamt plump und profillos.
wird wieder erbarmungslos in die oft völlig unbrauchbare Standardposition zurückgeschwenkt oder die automatische Zielfixierung auflöst. Dadurch verliert ihr oft unnötig den Überblick oder die Gegner aus den Augen, was besonders bei Bossfights immer wieder unnötig an den Nerven nagt. Selbst an sich harmlose Kletter- und Hüpfpassagen werden dadurch oft unnötig zur Tortur. Geplagt wird das Gameplay aber in erster Linie durch seine unsägliche Trägheit und Gegnereinfalt, die jegliche Dynamik und Spannung im Keim erstickt.

Waffen aus Fleisch und Blut

Amüsant ist hingegen die Möglichkeit, getragene Personen als Waffe zu missbrauchen oder kurzzeitig in die Luft zu katapultieren, um heranstürmende Gegner zu vermöbeln. Letztere lassen sich sogar durch Lähmhiebe packen und als Geschoss missbrauchen oder in der Luft in ihre Einzelteile zerlegen. Ihr könnt eure Widersacher jedenfalls regelrecht zwei- bzw. vierteilen oder sie skelettieren

Wieder ein neuer Laden: Durch die Rettung von Flüchtlingen baut ihr eure Basis ständig aus.
- was angesichts der angepeilten Zielgruppe der unter Zwölfjährigen aber natürlich völlig unblutig und cartoonartig vonstatten geht. Komisch nur, dass die USK das wohl anders sieht und genau diese Spieler mit ihrer Freigabe ab zwölf Jahren ausschließt...

Gameplay-Korsett für Anfänger

Dabei ist von der Präsentation über den Spielablauf bis hin zum Schwierigkeitsgrad doch alles auf kindlich und anfängertauglich getrimmt. Selbst bei Levelaufstiegen wird durch halbautomatische Punktverteilungen sicher gestellt, dass ja kein Ungleichgewicht entsteht, während der lineare Spielverlauf dafür sorgt, dass man sich ja nicht verfranzt und die automatischen Waffen-Upgrades keinerlei Fehlentscheidungen zulassen. Ihr bestimmt lediglich, welche Charakterwerte ihr besonders trainieren, welche Waffe und Rüstung ihr gerade tragen und welche Fähigkeit ihr verfügbar haben wollt - für Veteranen definitiv zu viel Vormundschaft bzw. zu wenig Freiraum,

Mickrige Spielwelt: Auf der hübschen Weltkarte gibt es gerade mal ein halbes Dutzend Reiseziele.
für Anfänger aber durchaus ein hilfreiches, wenn auch auf Dauer ebenfalls drückendes Korsett.

Brille? Fielmann! Weit gefehlt...

Völlig indiskutabel hingegen der geringe Umfang und die teils haarsträubenden Aufgaben. Oder habt ihr schon mal Nüsse gesammelt, um beim Schmied eine Brille reparieren zu lassen, die wiederum dafür sorgt, dass ihre Besitzerin nicht ständig einschläft? Na ja, eigentlich ist ja die komplette Handlung nicht mehr als ein schlechter aus völlig abgedroschenen Klischees bestehender Witz - und das von den Final Fantasy-Machern. Dabei hatte Square mit Kingdom Hearts doch bereits eindrucksvoll bewiesen wie kindgerechte und trotzdem anspruchsvolle und liebevoll designte Action-RPG-Kost auszusehen hat - von Genre-Klassikern wie Secret of Mana oder Vagrant Story ganz zu schweigen. Wirklich schade...    

Fazit

Mit Samurai Legend hat sich Square Enix wahrlich keinen Gefallen getan. Eine so abgedroschene Story, uncharismatische Charakterriege und bescheidene Spielwelt haben die japanischen RPG-Spezialisten schon lange nicht mehr abgeliefert. Hinzu kommt ein äußerst träges Gameplay, das mit Slowdowns, Kameraproblemen sowie extrem einfallslosem Gegner- und Leveldesign zu kämpfen hat und viel zu wenig Freiheiten bietet. Auch der Umfang ist alles andere als üppig und das obwohl die Spieldauer ohnehin schon durch mehrfach zu besuchende Levels, übertrieben häufig wieder entstehende Gegner sowie aufgesetzt wirkende Fahr- und Flugeinlagen künstlich in die Länge gezogen wurde. Ärgerlich auch, dass die technischen Unzulänglichkeiten mehr fordern als der viel zu harmlose Schwierigkeitsgrad. Na ja, für die offensichtliche Zielgruppe vielleicht ein Vorteil. Paradox nur, dass genau diese durch die USK 12-Freigabe vom Spielen eigentlich ausgeschlossen wird. Alle anderen sollten jedenfalls lieber einen großen Bogen um dieses ideen- und gehaltlose RPG-Fliegengewicht machen, bei dem fast alle motivierenden Elemente von anderen Spieleserien wie Suikoden, Kingdom Hearts oder Breath of Fire mehr schlecht als recht abgekupfert und teils sogar regelrecht geklaut wurden wie die Musik von Phantasy Star Online... Nein, nein Square, so nicht.

Pro

stylisches Anime-Intro
praktische Übersichtskarte
ausbaubares Hauptquartier
kopierbare Gegnerfertigkeiten
taktisch angehauchte Bossfights
einsteigerfreundliches Spieldesign

Kontra

häufige Slowdowns
miese Kameraführung
viel zu leicht & zu kurz
geradezu peinliche Story
absolut träges Gameplay
völlig linearer Spielverlauf
übelste englische Synchro
hakelige Kollisionsabfrage
übertriebenes Gegner-Respawn
primitive Fahr
und Flugeinlagen
monotones Gegner
& Leveldesign
klobiges & profilloses Charakterdesign

Wertung

PlayStation2

Altbackenes und extrem seichtes Action-RPG mit zweifelhaftem Manga-Flair.

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