Grand Theft Auto: Liberty City Stories01.07.2006, Paul Kautz
Grand Theft Auto: Liberty City Stories

Im Test:

Vor gut einem halben Jahr gelang Rockstar Games mit GTA Liberty City Stories das, was das Unternehmen fünf Jahre zuvor mit GTA 3 schaffte – mit einem Maßstäbe setzenden Gangster-Drama das neue System ordentlich zu pushen, gleichzeitig ein neues Genre zu kreieren und aus der Kombination aller Faktoren den verdienten Gewinn zu schöpfen. Und mit der PS2-Umsetzung hat Rockstar etwas gemacht, was sich sonst kaum ein Entwickler traut – eine Handheld-zu-Konsole-Konvertierung. Hat auch sie das Zeug zum Klassiker?

GTA light?

Liberty City, einige Zeit vor den Geschehnissen in GTA 3 : Toni Cipriani musste vor drei Lenzen untertauchen, nachdem er den Boss einer gegnerischen Mafia-Familie erledigt hat. Mittlerweile ist Gras über die Sache gewachsen, Toni kehrt in seine Heimat zurück und wird von seinem alten und neuen Boss Salvatore Leone (den GTA 3-Spieler noch sehr gut in Erinnerung haben dürften) warm begrüßt. Aber wieso setzt ihm der alte Mann den

Willkommen in Liberty City - die Straßenzüge sollten jedem GTA3-Spieler bekannt vorkommen.
klugscheißenden Jungspund Vincenzo als Vorgesetzten vor die Nase? Und wieso darf Toni am Anfang nur Handlangerarbeiten machen? Bis er sich vom »Angestellten« zum gemachten Mann hocharbeitet, legt er sich mit kriminellen Banden, Yakuza, Gewerkschaft oder der Polizei an, liefert sich unendlich viele Schussgefechte, fährt die heißesten Kisten und erkundet drei große Inseln. Außerdem kämpft er verzweifelt um den Respekt seiner Mutter, die ihn nicht nur für zu dünn, sondern vor allem für einen Versager hält und am liebsten unter der Erde sehen würde.

Genau das habt ihr vor einem halben Jahr schon mal gelesen – als Liberty City Story (LCS) kam, ballerte und siegte. Auf der PSP war das Abenteuer eine mittelschwere Sensation, denn endlich durftet ihr ein ausgewachsenes GTA immer mit euch herumschleppen – was von uns prompt mit satten 91% geadelt wurde! Das speziell für die PSP entwickelte Spiel setzte technische Maßstäbe und transportierte den Geist der Serie auf beeindruckende Weise auf eine eigentlich dafür kaum geeignete Plattform. Was passiert nun aber, wenn man dieses spezialisierte Spiel auf jene Plattform »zurückkonvertiert«, von der das Ursprungsszenario stammte? Lässt sich die Faszination eines portablen GTA einfach so auf eine Konsole übertragen, die bereits drei weiteren, sich stetig weiter entwickelnden Ablegern der Serie eine Heimat bietet? Die Antwort ist Jein.

Die Wunder der modernen Konvertierung

Die Optik ist für PS2-Verhältnisse reichlich angegraut, aber ihr dürft die Stadt jetzt immerhin auf Bikes unsicher machen!
LCS hat auf der PS2 keinen leichten Stand - es macht manche Dinge besser als auf der PSP, manche macht es schlechter. Fangen wir mit den Vorteilen an: Die Steuerung funktioniert dank des zweiten Analogsticks (bzw. beider, denn ich bin immer noch kein Freund des PSP-Nippels) einfach viel besser, viel präziser, viel einfacher – dadurch gibt es nicht nur mehr Übersicht, auch wird das Game dadurch minimal leichter. Der leicht nervende Blur-Effekt der PSP-Version gehört der Vergangenheit an, außerdem könnt ihr jetzt auch auf der PS2 in übersichtlichem 16:9 spielen. Noch dazu wurde laut Entwickler die Anzahl der Passanten und zivilen Fahrzeuge auf den Straßen ebenso leicht nach oben geschraubt wie die Weitsicht - aber die war auf der PSP schon beeindruckend, so dass der Unterschied hier eher homöopathischer Natur ist.          

Hey, werdet ihr mit Geldscheinen winkend und aus euren Sesseln springend ausrufen, das klingt doch super! Das Spiel sieht toller aus und steuert sich besser als auf der PSP! Wo ist der nächste Softwareladen? Moment noch, spricht die beruhigende Stimme von 4Players – lass mich ausreden! Denn es gibt auch Nachteile. Der wichtigste betrifft die Kulisse, anhand derer man ziemlich gut sehen kann, auf welchem technischen Stand die PSP im Vergleich zur PS2 ist.

Mein Auto, mein Anzug, meine Knarre - Toni Cipriani arbeitet sich in der Mafia-Hierarchie hoch.
Da es sich nahezu um eine  1:1-Umsetzung handelt, sieht LCS schlechter aus als GTA3, in nahezu jeder Hinsicht! Darüber flutscht die Optik niemals völlig flüssig über den Bildschirm, ein leichtes Ruckeln ist dauerpräsent – was umso ärgerlicher ist, als dass man das Original mit ein paar Kunstgriffen dazu bringen konnte, mit 60 fps zu laufen, während die PS2-Umsetzung nicht mal konstante 30 auf die Reihe bekommt. Der nächste Negativpunkt betrifft das Missionsdesign: Auf der PSP ergab es absolut Sinn, dass die Aufträge kurz und knackig designt waren – das kommt der Handheld-Natur nun mal entgegen. Auf einer Konsole hingegen wirkt die Kürze schwach, kaum ein Auftrag dauert länger als fünf Minuten, oft genug ist’s weitaus weniger.

Kommen wir zum letzten Nachteil: Der Mehrspielermodus ist passé. Der war aber das absolute Novum der Handheld-Fassung, denn eine Multiplayervariante gab es auf offiziellem Wege noch nie in einem GTA – und so bleibt es auch noch eine Weile, denn auf der PS2 seid ihr wieder allein.

Geschwätzige Killer

LCS vermischt geschickt Elemente aus GTA 3 und Vice City: So seid ihr jetzt z.B. auch auf Motorrädern unterwegs, von kleinen Rollern bis zu ausgewachsenen Rennmaschinen. Auch dürft ihr mitten in der Fahrt aus Autos bzw. von Bikes springen, was oft genug ein lebensrettendes Manöver ist. Habt ihr den Hauptplot nach etwa 20 Stunden abgeschlossen, gibt es noch etliche Möglichkeiten, euch nebenher zu beschäftigen: Taxi fahren, Pizza ausliefern, Rettungshelfer spielen, Rennen fahren, Autos verkaufen oder versteckte Päckchen finden. Innerhalb der Missionen werdet ihr gelegentlich von KI-Kumpanen begleitet, auf die ihr leider keinen Einfluss habt. Das ist bedauerlich, denn die Hirnlosigkeit der Aktionen eurer Schergen ist oft genug ein Grund für das Scheitern einer Mission – aus GTA San Andreas übernommene »Folgt mir!«- bzw. »Bleibt stehen!«-Kommandos hätten hier Wunder gewirkt.

Die Story kommt nur schwer in Fahrt, hauptsächlich mangelt es an angefahrenen Figuren - JD O'Toole ist eine willkommene Ausnahme.
Einer der wichtigsten Punkte bei jedem GTA ist der Soundtrack – und natürlich werden eure Ohren auch in LCS nicht enttäuscht! Selbstverständlich sind alle Zwischensequenzen großartig englisch vertont und deutsch untertitelt. Die Dialoge triefen vor schwarzem Humor und Gemeinheiten, außerdem lernt man interessante Schimpfworte kennen – alleine der Dialog zwischen Salvatore und Maria ist das Geld wert, außerdem gibt es eine herrliche »Hot Coffee«-Anspielung. Dazu warten die geliebten Radiostationen von Rise FM (fetziger Techno) bis Flashback FM (eher poppig). Neu im Programm ist Radio Del Mundo, der arabisch angehauchte Sender, den ihr hauptsächlich in Taxis zu hören bekommt – mit Songs wie »Im Nin’Alu« von Ofra Haza. Zwischen den lizenzierten Songs gibt es coole Radiowerbung mit vielen Insiderwitzen wie »Space Monkey 7« oder großartigen Anti-Internet-Werbespots, die ziemlich eindeutig in die Richtung eines gewissen Anwalts zielen. Der einzige Nachteil der Akustikfront ist die eingeschränkte Menge der Songs – durch den begrenzten UMD-Ursprung gibt es recht oft Wiederholungen. Aber immerhin ist die Auswahl gut, und der Unterhaltungswert der Laberstation LCFS sowieso unbezahlbar!       

Fazit

Ich zitiere mich mal eben selbst: »Okay, die Story ist nicht die gelungenste und gelegentlich fühlt sich LCS einfach wie ein GTA3-Add-On mit einigen Verbesserungen aus Vice City an« schrieb ich im Fazit des PSP-Tests – und gerade der letzte Punkt trifft doppelt auf die PS2-Version zu. Als Bindeglied zwischen den anderen drei großen GTAs macht es seinen Job dennoch super. Aber: Es macht ihn schlechter als auf der PSP, nicht nur optisch: es geht selten gut, wenn man das Bild eines Mini-Screens auf TV-Größe aufpustet, ohne dabei an Texturen, 3D-Modelle oder Geschwindigkeitsoptimierung zu denken. Der wichtigere Punkt ist, dass es für PS2-Verhältnisse spielerisch auf der Stelle tritt – es gibt mittlerweile ziemlich viel, größtenteils hausgemachte Konkurrenz. Ganz zu schweigen von dem nicht mehr vorhandenen Mehrspielermodus, der auf der PSP eine mittelschwere Revolution war! Nichtsdestotrotz: Das gute Teil ist preiswert, und betrachtet man LCS als eigenständiges Spiel und nicht als Umsetzung, dann entfaltet sich auch hier schnell der süchtig machende Zauber der GTA-Welt, der einen mit geschickt designten Missionen, bekloppten Figuren, brachialer Action und einer coolen Stadt voller Möglichkeiten an den Fernseher fesselt. Deswegen nochmal ein Selbstzitat: »Ein großartiges Spielerlebnis, das sich kein GTA-Fan entgehen lassen sollte!« - in abgeschwächter Form gilt das immer noch.

Pro

coole GTA3-Vorgeschichte
einfache Steuerung
leicht angehobener Schwierigkeitsgrad
massig Insiderwitze
preiswert
flotte Ladezeiten

Kontra

ruckelige Grafik
viele Clipping-Fehler
schwache Texturen und Figuren
kein Mehrspielermodus mehr
hirnlose KI-Begleiter
kurze Missionen

Wertung

PlayStation2

Ein gutes, aber nicht mehr brilliantes GTA für die PS2.

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