Onimusha: Dawn of Dreams16.03.2006, Jens Bischoff
Onimusha: Dawn of Dreams

Im Test:

Eigentlich ist die Onimusha-Trilogie abgeschlossen, der dämonische Nobunaga Oda endgültig besiegt und Samanosuke & Co. genießen ihren wohlverdienten Ruhestand. Doch einen Goldesel wie Onimusha schickt man nicht einfach in Pension und wenn die Story zu Ende ist, bastelt man halt eine neue, mischt einfach frische Helden und Bösewichte dazu und fertig ist Onimusha 4, äh, Dawn of Dreams... Oder doch nicht?

Duplizität der Ereignisse

Erzählerisch haben sich die Entwickler jedenfalls keine besondere Mühe gemacht: Dawn of Dreams setzt einfach knapp zwanzig Jahre nach den Ereignissen der Vorgänger an und kocht die bekannte Handlung mit anderen Orten und Namen neu auf.

Atmosphärische Highlights: Die imposanten Rendersequenzen sind über jeden Zweifel erhaben.
 Statt Nobunaga Oda ist der machthungrige Herrscher, der sich mit den dämonischen Genma einlässt, dieses Mal Kaiser Hideyoshi Toyotomi höchst persönlich, während Samanosukes Stelle von Hideyoshis rebellischem Adoptivsohn Soki eingenommen wird. Natürlich gibt es neben offensichtlichen Familienzwistigkeiten auch etwas Romantik, Intrigen und Vergangenheitsbewältigung. Aber am Ende dreht sich doch wieder alles um den Kampf gegen die dämonische Genma-Brut und ihre Häscher.

Die reinste Freakshow

So weit, so ausgelutscht. Allerdings machen sich in Dawn of Dreams gleich mehrere Helden auf den Weg, dem dämonischen Treiben ein Ende zu setzen - alle mit unterschiedlichen Motiven. Und natürlich dürft ihr in deren Rollen schlüpfen. Schade nur, dass keiner der insgesamt fünf spielbaren Protagonisten besonders charismatisch oder sympathisch ist. Schon der Auftakt als blonder Möchtegern-Samurai mit albernen Aufsteckhörnern ist hart an der Grenze zur Lächerlichkeit. Doch der Rest der illustren Gang ist ähnlich grotesk und findet mit dem Blechwindel tragenden Rüpel-Pan-Tau Roberto seine traurige Krönung. Dabei habe ich von dem in einer Blumenvase fest steckenden und stets von imaginären Decken hängenden Pumuckel-Cousin Minokichi noch gar nichts erzählt...

Vorsicht, Augenkrebs!

Na ja, haken wir Geschichte und Charaktere ab, hüllen über die albernen Dialoge lieber gleich den Mantel des Schweigens und drücken bei der teils einfach nur peinlichen englischen Synchro beide Augen bzw. Ohren zu. Ach ja, wenn wir schon beim Augen zudrücken sind: Stellt euch schon mal auf augenfeindliches Kantenflimmern der Extraklasse ein - keine Ahnung, warum die Entwickler hier immer noch auf sechs Jahre alte Grafikroutinen setzen. Aber sei‘s drum, die KI-Routinen scheinen schließlich noch älter zu sein, sofern man den Verhaltensweisen von Freund und Feind überhaupt so etwas wie Intelligenz zusprechen will. Die Gegner spulen jedenfalls vom niedrigsten Vasallen bis zum fettesten Obermotz stupide ihre gescripteten Aktionsmuster ab,

Spektakulärer Auftakt: Schon kurz nach Spielbeginn steht ihr diesem haushohen Samurai-Mech gegenüber.
 während eure Mitstreiter die beste Figur machen, wenn sie gar nichts machen - traurig, aber wahr...

Geteilte Mehrspielerfreuden

Dabei ist die Idee eines kooperativen Spielablaufs eigentlich recht spannend. Die meiste Zeit sind die mit vier Anweisungen wie "Angreifen", "Verteidigend" oder "Folgen" dirigierbaren und auch selbst steuerbaren Begleiter jedoch eher Last als Hilfe und der versteckte Zwei-Spieler-Modus kameratechnisch dermaßen unausgereift, dass die Entwickler ihn unter weiser Voraussicht nicht zum festen Bestandteil des Spiels gemacht haben. Dabei wäre ein durchgehend zu zweit spielbares Onimusha im Gegensatz zum öden Arena-Modus wirklich eine lang ersehnte Bereicherung gewesen. Vielleicht präsentiert sich dieses Feature ja bei Teil fünf in annehmbarer Form - wünschen würde ich‘s mir jedenfalls. Ebenfalls wünschenswert wäre auch eine vernünftigere Automap, obwohl man sich in den kompakten Spielabschnitten ohnehin kaum verlaufen kann. In der aktuellen Form ist die abstrakte Kartenfunktion aber fast völlig unbrauchbar.                

Geduld ist alles

Im Prinzip werdet ihr ohnehin wie auf Schienen durch die insgesamt 17 recht lineare Spielabschnitte geschleust, während ihr massenweise dämonisches Gesocks plättet und gelegentlich primitive, aber mitunter extrem zähe Rätselaufgaben und Bossfights meistert. Letztere zählen zwar durchaus zu den Highlights des Spielverlaufs. Jedoch eher grafisch als spielerisch, denn Kreativität oder Geschick ist in den Showdowns nur selten gefragt. Stupide Beharrlichkeit und volle Itemtaschen sind alles, was ihr zum Erfolg braucht.

Was zur Hölle... - Charaktere wie diesen von der Decke baumelnden Pumuckeleintopf gibt's nur in Japan.
Dabei ist das spielerische Grundgerüst von Dawn of Dreams durchaus attraktiv: Es baut auf die Tugenden der Vorgänger und stärkt diese mit durchaus gelungenen Neuerungen und Erweiterungen. So präsentiert sich das Kampfsystem mit all seinen Kampfstilen, Kombos und Kontermöglichkeiten facettenreich wie noch nie, während die Rollenspielelemente beim Formen von Charakteren und Ausrüstung noch mehr Freiheiten und Möglichkeiten bieten als je zuvor. Doch irgendwie flacht die Begeisterung darüber schnell ab und man fragt sich, ob mehr wirklich besser ist...

Unnötiger Ballast

Braucht man wirklich 141 aufrüstbare Waffen, wenn man am Ende doch nur ein oder zwei pro Charakter verwendet? Warum soll ich mir über all die Kampfskills, Elementarzugehörigkeiten und Ausrüstungsboni Gedanken machen, wenn man in der Praxis so gut wie keinen Unterschied merkt? Und warum soll ich bereits gemeisterte Spielabschnitte mit anderen Charakteren nochmals nach versteckten Items abgrasen, wenn diese mich schon beim ersten Bewältigen gelangweilt haben? Das Aufgaben- und Leveldesign ist nämlich oftmals unter aller Kanone. Nicht nur, dass die Entwickler es meisterhaft verstehen, simple Schalter- und Itemrätsel bis zum geht nicht mehr aufzublähen -

Außen hui, innen pfui: Die simpel gestrickten Levels sind leider nur optisch abwechslungsreich.
das Ganze wird dann auch noch in unzähligen Formen immer wieder recycelt. Selbst die Bossgegner kommen immer und immer wieder; manchmal zumindest in leicht abgeänderter Form. Der eigentlich löbliche Umfang bekommt so jedenfalls einen bitteren Beigeschmack. Manchmal ist weniger eben doch mehr...

Unkomplizierter Metzelspaß

Mir hat auch die deutlich höhere Actiongewichtung nicht unbedingt gefallen, aber die Action, die geboten wird, ist meist solide und schnörkellos. Die Steuerung ist handlich und präzise, die Zielaufschaltung funktioniert in der Regel tadellos und die nun meist frei justierbare Kamera gibt nur selten Grund zum Meckern. Trotzdem mangelt es spielerisch an Abwechslung, inhaltlich an Dramatik und technisch an Konstanz. Optisch ist Dawn of Dreams zwar bis auf das vorsintflutliche Kantenflimmern über jeden Zweifel erhaben, aber die Präsentation schwankt doch sehr stark. Einmal wird die Handlung von famosen Rendersequenzen vorangetrieben, ein andermal sind es nur verschwommene Standbilder mit Fließtext und dann wieder Szenen in Spielgrafik, bei denen die Figuren ohne jede Mimik und Lippenbewegung Kasperltheater spielen - atmosphärisch gesehen eine Katastrophe.

Schnetzeln was das Zeug hält: In Onimusha-Gestalt gibt's für eure Klinge kein Halten mehr.
Auch akustisch ist von aufpeitschenden Orchesterklängen bis hin zu völlig deplatzierten Synthie-Gitarren alles vertreten, was passt oder auch nicht.

Fehlende Balance

Nicht ganz so katastrophal, aber alles andere als löblich sind auch logische Ungereimt- und spielerische Unausgewogenheiten. So ist der Schwierigkeitsgrad die meiste Zeit recht harmlos, während er bei Bosskämpfen unvermittelt sprunghaft ansteigt. Dabei sind die schnell durchschauten Gegner selbst eigentlich ein Kinderspiel, sofern man genug Geduld bzw. Manatränke im Gepäck hat. Allerdings sind die Auseinandersetzungen meist viel zu zäh und langatmig, wobei kleine Unachtsamkeiten schnell den Tod bedeuten können. Die Angriffs- und Verteidigungswerte der Gegner sind jedenfalls teils absurd hoch und Frusterlebnisse trotz fairer Continue-Funktion nur eine Frage der Zeit - vor allem, wenn ohne jede Vorahnung oder Verschnaufpause mehrere Bossfights in Folge auf den Spieler niederprasseln...       

Fazit

Erst Resident Evil, jetzt Onimusha. Die Modernisierung technisch und spielerisch angestaubter Capcom-Klassiker geht weiter - aber warum muss immer alles gnadenlos auf Action getrimmt werden? Erst macht Capcom aus einem der Grundpfeiler des Survival-Horrors ein zugegebenermaßen prächtiges, aber meiner Meinung nach nur mehr leidlich spannendes Schützenfest, und jetzt verwandelt man eines der stylischsten Samuraiabenteuer fast schon in eine Art Kirmesklopperei. Jedenfalls sind Helden und Story von Dawn of Dreams so ziemlich das Albernste, was mir seit Aschermittwoch unter die Augen gekommen ist. Das spielerische Grundgerüst wirkt zwar makellos, aber irgendwie fehlt dem ganzen die Seele. Ich weiß nicht, ob‘s daran liegt, dass die Charaktere so plump, die Story so ausgelutscht, die Gegner so dämlich oder das Leveldesign so einfallslos ist - die Kulisse wirkt trotz pompöser Inszenierung einfach zu uninteressant und austauschbar. Versteht mich nicht falsch, Dawn of Dreams ist unterm Strich immer noch eine gute Action-Schlachtplatte, die sich fraglos besser und facettenreicher handhaben lässt als seine Vorgänger. Aber die Begeisterung erreicht trotz stimmigen Kampfsystems sowie durchaus motivierender Charakterpflege und Itemhatz einfach nicht das gewohnte Niveau. Hack'n'Slay-Vielfraße können zwar bedenkenlos zuschlagen, Feinkostsamurais raten wir jedoch zur Diät.

Pro

<P>
60Hz-Modus
brachiale Action
ermäßigter Preis
handliche Steuerung
fünf spielbare Charaktere
freischaltbarer Koopmodus
motivierende RPG-Elemente
imposante Rendersequenzen
meist frei bewegliche Kamera
komfortables Rücksetzsystem</P>

Kontra

schwache KI
dürftige Kartenfunktion
unschönes Kantenflimmern
ödes Rätsel
&amp; Leveldesign
durchwachsene Präsentation
unausgewogene Spielbalance
unnötige Längen &amp; Wiederholungen
alberne Story, Charaktere &amp; Dialoge

Wertung

PlayStation2

Gut spielbare, aber unausgewogene Samurai-Action mit alberner Heldenriege.

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