Pro Evolution Soccer 519.10.2005, Jörg Luibl
Pro Evolution Soccer 5

Im Test:

Eigentlich ist der Ball ja bloß rund. Aber Konami vollbringt jedes Jahr das Kunststück, ihn noch einen Tick runder zu machen. Bisher haben es die Japaner mit erschreckender Konstanz geschafft, die erfolgreiche Serie immer so zu verbessern, dass selbst Kenner aufs Neue überrascht werden. Auch dieses Jahr darf gestaunt werden: Pro Evolution Soccer 5 (ab 9,94€ bei kaufen) spielt sich trotz kleiner Macken noch packender, unberechenbarer und authentischer.

Freaks am Ball

Da sitzen sie wieder. Zwei Männer, ein Gedanke: Tore. Sie stieren fiebrig auf den Fernseher, faseln apathisch wie Faßbenders Söhne, lästern über den Schiri und freuen sich wie kleine Kinder, wenn die Flanke den Kopf findet. Aber das Glück ist noch nicht vollkommen: Erst, wenn der Ball eine Sekunde später mit voller Wucht das Netz küsst, springen sie auf, ballen die Faust und jubeln. Nein, sie kreischen fast schon hysterisch und ergötzen sich mit großen Augen an der süßen Wiederholung. Es fehlen nur noch Weihnachtsplätzchen und Gedichte in dieser Bescherungswonne. Kein Wunder: Pro Evolution Soccer 5 (PES5) kann so begeistern, dass euch emotionale Ausbrüche und grenzdebile Kommentare der Marke "Ich werde aus der Abwehr heraus gewinnen!" vollkommen egal sind – das Herz pumpt irgendwann auf einer irrationalen Frequenz, die nur der Fan im Stadion kennt.

Trotz einiger Verbesserungen im Detail bleibt die Kulisse in Sachen Fans und Stadien ein Schwachpunkt der Serie. (PS2)
Dabei hat die Serie schon sechs Jahre auf dem Buckel: Bereits 1999 feierte Konami mit ISS Pro Evolution auf der PlayStation Premiere. Fünf weitere Spiele folgten, wir haben sie alle genossen und 2003 den wichtigen Sprung auf den PC erlebt. Seitdem zittert EA, denn die Japaner lösen Emotionen aus, die FIFA 06 trotz seiner Pracht einfach nicht entfesseln kann. Was ist das Geheimnis? Wieso können da zwei staunende Fußballfrührentner in den 30ern sitzen und sich samt ihrer Umgebung in stupide Begeisterung kicken? Selbst unbeteiligte Zuschauer fiebern mit. Erst nach drei, fünf oder lassen wir es zweiundzwanzig Spiele sein, trotten sie seufzend zu ihrem Schreibtisch zurück, schweißnass und glücklich.

Momente der Perfektion

Diese Magie lässt sich in Worte fassen. Die Formel der Faszination besteht aus den Elementen Dynamik, Ballphysik, Intelligenz und Authentizität. Alle vier Bereiche hängen eng miteinander zusammen und ergeben immer wieder ein neues Spielerlebnis. Wir haben jetzt einige Dutzend Partien hinter uns und nicht ein einziges Tor reproduzieren können. Wiederholungsfrust? Langeweile? Routine? Fehlanzeige.

Bis auf wenige Ausnahmen bei Standards prallen diese Kritikpunkte an PES5 ab. Aber selbst bei Ecken und Freistößen, die sich genau so ausführen lassen wie im Vorgänger, gibt es keine todsicheren Stellungen. Und diesmal erlebt man Highlights wie Volleykracher ins Eck, wuchtige Flugkopfbälle oder Last-Minute-Lupfer noch intensiver, weil man sich diese Momente der Perfektion geschickter erarbeiten muss. Schade ist, dass sich am relativ statischen Eckballsystem nicht viel getan hat: Zwar bewegen sich die Spieler im Strafraum hin und her, aber immer noch ohne das schnelle Hineinrennen und wilde Gerangel, das man aus dem Stadion kennt - hier muss Konami in Zukunft nachbessern.

Aber trotz einiger bekannter Altlasten: PES5 spielt sich anders als PES4. Und zwar komplett anders. Es ist kein Update mit einem spektakulären neuen Feature, sondern inszeniert bei nahezu identischer Steuerung vollkommen frischen Fußball. Veteranen müssen sich deutlicher umstellen als von PES3 auf PES4. Der Rhythmus ist einfach ein anderer, weitaus taktischerer. Hinzu kommt: Die Schüsse krachen anders, die Dribblingmechanik ist eine andere, die Tore fallen anders – man hat schnell das Gefühl, das Alte mit einer neuen Philosophie zu spielen, die noch näher am wahren Fußball dran ist. Und das ist, trotz kleiner technischer Schwächen und Inkonsequenzen in der Torwart-KI, immer noch das Faszinierende. Wenn das auf Xbox 360 und PS3 so weiter geht, kann der DFB das Spiel locker als Schulungssoftware verwenden.      

Dynamik im Visier

Was schon nach ein, zwei Matches auffällt: Konami hat das Spiel gegenüber dem Vorjahr verlangsamt. Wer zuerst PES4 und dann PES5 einlegt, wird vielleicht sogar einen Geschwindigkeitsregler suchen. Aber wenn man sich daran gewöhnt hat, zeigen sich die Stärken dieser konsequenten Drosselung: Der Spielaufbau verlangt mehr taktische Planung, geschicktere Tempowechsel und eine gezieltere Ballannahme. Man kann die gleiche Rasanz wie im Vorgänger erleben, aber man muss sie geschickter einleiten. Es macht jetzt viel mehr Sinn, den Gegner mit Kurz- und Querpässen heraus zu locken oder mit kurzen Geplänkeln am Flügel auf den Moment zu warten, wenn der Außenflitzer steil geht. Der Rhythmus von Verteidigung und Sturm, Aufbau und Abschluss, Stillstand und Geschwindigkeit ist jetzt kontrastreicher und damit befriedigender.

Die Torhüter überzeugen mit neuen Paraden, haben aber Schwächen in der Rückwärtsbewegung. (PS2)
Kluge Flankenwechsel und entscheidende Alleingänge in der Mitte können genau so Räume schaffen wie der öffnende Doppelpass. Man muss nur mal beobachten, wie die KI eines AC Milan oder Chelsea ab der vierten Stufe das Tempo bewusst verzögert, den Ball hält, um plötzlich vorzustoßen. Wer nur einen langen Ball aus der Abwehr in den Sturm schlägt, wird kaum Erfolg haben. Ab sofort ist es z.B. nicht mehr so einfach möglich, hohe tödliche Pässe in den Raum zu spielen, die der Stürmer dann mit einem Lupfer verwandelt. Erstens stehen die Verteidiger besser, zweitens sind die Torhüter klüger und dritten sind die fiesen Lobs nicht mehr so einfach. Profis werden sich erinnern, dass man damit in PES4 todsicher abschließen konnte? Tja, die Zeiten sind vorbei. Es geht zwar immer noch, aber man kann diese hohe Flugkurve nicht mehr so früh anlupfen, sondern muss fast bis zum Torwartkontakt warten, was nicht nur kniffliger, sondern auch unrealistisch ist. Hier hätte Konami vielleicht nicht ganz so rigoros umstellen sollen.

Auch die Dauerturbo-Fraktion wird umdenken müssen: Wer rast, hat einen größeren Wendekreis und weniger Ballkontrolle – man erkennt deutlich den Platz zwischen Fuß und Leder, der zur Grätsche animiert. Wer bei gedrückter Sprinttaste einen langen Ball annimmt, wird beobachten, dass dieser, je nach Technik des Angespielten, entweder ganz verspringt oder so weit vorgelegt wird, dass er für den Verteidiger ein gefundenes Freesen ist - das ist ein sehr guter Fortschritt. Nur, wer kurz vor der Ballannahme von der Sprinttaste geht oder im Moment der flachen Ballannahme noch die R2-Taste inklusive Richtungsangabe betätigt, wird die Kontrolle behalten. Sprich: Die Perfektion des Spiels verlangt mehr Konzentration. Aufgrund der twei Schultertasten des PS2-Pads fällt das Stoppen und Dribbeln hier allerdings leichter als auf der Xbox, wo der schwarze Button einfach zu umständlich zu erreichen ist.

Gerade Letzteres, die gezielte Annahme, sorgt für einige wunderbare Finessen im Stand: Der Ball wird inklusive tänzelnder Körperdrehung mit dem Innenrist gestreichelt und leicht vorgelegt oder bleibt selbst bei harten Pässen punktgenau vor dem Fuß liegen – wunderbar! Es kommt in PES5 viel mehr darauf an, im richtigen Moment zu spurten oder gar komplett zu stoppen. Und selbst da gibt es zwei Varianten: Entweder, man hält mit Blick in Ballrichtung an, oder man hält mit Blick in Torrichtung an – ideal, wenn man im hart umkämpften 16er aus dem Stand ein Tor schießen will.

Es gab auch in PES schon immer eine FIFA-ähnliche First-Touch-Kontrolle, die allerdings nicht ganz so ansehnlich inszeniert wurde und weniger effektiv war. Neu ist jedoch die No-Touch-Kontrolle: Wenn ihr einen Pass spielt, kann sich der Empfänger über einen entsprechenden Schultertastendruck sofort umdrehen und gleich in die entsprechenden Richtung jagen. So entsteht komplett ohne Ballberührung eine flüssige Annahme ohne Stopp und Schnörkel, die herrliche Sprints und gefährliche Konter einleiten kann. Das funktioniert sowohl in der Abwehr, im Mittelfeld als auch im Sturm, sieht klasse aus und trägt zur Spieldynamik bei, da man so plötzlich das Tempo anziehen kann.

Authentizität im Visier

Hier geht es um das Gefühl, glaubwürdigen, echten Fußball zu erleben. Das fängt schon mit den Animationen an, die Konami erweitert und verfeinert hat. Obwohl die Kulisse auf der PS2 wie schon letztes Jahr mit Rucklern zu kämpfen hat und die Stadien in der Nahaufnahme mit statischen Figurtapeten ernüchtern, sieht das Geschehen auf dem Platz einfach

Lust auf einen Probekick?

Download Demo (258 MB)hervorragend aus: Egal ob das Abtauchen des Torhüters, das gegenseitige Halten kurz vor dem Kopfball, die Brustannahme, das Rempeln beim Laufduell oder die elegante Marseille-Drehung - die Bewegungsabläufe sind eine einzige natürliche Augenweide. Das liegt auch daran, dass der Körpereinsatz eine größere Rolle spielt: Man kann den Gegner jetzt einzig und allein über den geschickten Kontakt aus der Balance und ins Stolpern bringen oder gezielt Wege blockieren.

Konami hinkt in Sachen Stadionpräsentation, Fangesänge und Kulisse immer noch hinter EA her - keine Frage. Aber PES5 schlägt in der Vielfalt der Animationen selbst FIFA 06, denn es bietet auf Dauer mehr Feinheiten. Dieses Jahr kommen der eisige Atem bei Winterspielen, heraushängende Trikots sowie Einblendungen von Trainern hinzu, die ihre Kicker mit einem Klaps aufs Feld schicken. Während man sich bei EAs Kick auf den ersten Blick an der Prachtoptik erfreut, die vor allem vom lizenzierten Drumherum lebt, ist es bei Konami der zweite Blick, der begeistert: Das Nachpendeln des Fußes beim Hackentrick, das Überspringen der Grätsche samt anschließender Gleichgewichtsfindung, das Rudern mit den Armen. Und es gibt viel mehr individuelle Bewegungen. Achtet mal darauf, wie souverän Roberto Carlos den direkten Kurzpass spielt, in welcher Haltung Rooney in die Spitze zieht oder wie Ronaldinho dribbelt – diese Spieler sind nicht nur optisch einzigartig, sie fühlen sich auch einzigartig an, wenn man sie steuert.            

Meisterliga-Reize

Aber PES5 überträgt nicht nur die Brillanz der Stars auf den Rasen, sondern auch die Attribute der einfachen Spieler – was fast noch wichtiger ist: Je nach Größe, Technik oder Geschwindigkeit, je nach Sprungkraft, Kopfballstärke oder Kurzpassgenauigkeit zeigen sich auch bei Ottonormalkickern andere Wendekreise, Abschlüsse oder Fehler. Genau das ist der Grund dafür, warum die Meisterliga gegen die in fünf Stufen verfügbare KI auf Dauer so fesselt – trotz der Tatsache, dass Konami immer noch nicht alle offiziellen Lizenzen anbieten kann: Hier startet man ja mit einem No-Name-Team, das man erst aufbauen muss. Der Liga fehlen zwar authentische Geldsummen bei Transfers oder echte Managerfunktionen wie Scouts, Werbung & Co, aber dafür müsst ihr selber Talente suchen, das Gehalt aushandeln und darauf achten, nie in die Miesen zu geraten - denn dann ist Game Over. Zum Glück hat Konami die Finanzen und Menüs etwas übersichtlicher gestaltet, so dass man rote Zahlen schnell erkennt.

Grätschen sind jetzt effektiver, werden aber als Foul von hinten selten mit roter Karte bestraft. (PS2)
Neu ist auch ein ganzes Arsenal an vorgefertigten Formationen, die einfache Aufstellungen wie 4-4-2 noch um bis zu vier Untervarianten bereichern, in denen es z.B. drei offensive Mittelfeldspieler im Zentrum und nur einen weit zurückgezogenen Abwehrspieler gibt. Das erleichtert Einsteigern das schnelle Experimentieren, während sich Kenner erneut in die taktischen Tiefen der Aufstellungsmysterien begeben können: Ihr könnt für jeden einzelnen Spieler die Deckungsart, das Offensivverhalten oder selbst die Laufwege bestimmen. Und das Schöne ist: Auf dem Platz wirkt sich all dieses Feintuning von der Manndeckung über das Kreuzen zwischen Flügel- und Mittelfeldspieler bis hin zum aktiv verteidigenden oder bloß lauernden Mittelstürmer sofort aus: Selbst die Spiele gegen die KI wogen daher immer hin und her, zeigen eine unheimliche Dynamik, da auch die Computergegner plötzlich ihre Taktik umstellen und in den letzten Minuten vielleicht voll auf Offensive gehen. Wer keine Lust auf diese Finessen im detail hat, wählt sich automatische Mannschaftsvorgaben wie Konterausrichtung oder Pressing und legt Alternativen fest, die man bequem während des Spiels abrufen kann.

Die Japaner haben die Meisterliga um weitere Feinheiten bereichert: Ihr könnt jetzt Konditionstraining für alle ansetzen, um die Fitness kurzfristig zu erhöhen, und sogar Einzeltraining wie z.B. Kopfbälle oder Pässe für jeden Profi anordnen - eine klasse Idee, die vielleicht schon einen Hauch des für 2006 angekündigten Pro Evolution Soccer Management verströmt. Selbst schwächere Spieler zeigen spezifische Eigenheiten, die sich direkt auswirken. Es lohnt sich also, sich in ihre Statistiken zu wühlen und sie je nach Talent einzusetzen. Man kann auf der richtigen Position selbst aus diesen jede Menge rauskitzeln. Und da sie Spiel für Spiel Erfahrung sammeln und sich Punkt für Punkt verbessern, besteht hier eine immense Langzeitmotivation. Irgendwann können es Hamsun, Ximelez & Co vielleicht mit Totti und Ronaldo aufnehmen. Einsteiger sollten aber auf jeden Fall die zweite KI-Stufe wählen, Gelegenheitsspieler die dritte und nur erfahrene Kicker die vierte, denn jeder Sieg ist hier wirklich harte Arbeit.

Ballphysik im Viser

Das heilige Zentrum von PES5 liegt in der Ballphysik. Mal abgesehen davon, dass die Geräusche des runden Leders jetzt deutlich satter rüberkommen und Pfostenschüsse so richtig klatschen, gibt's auch eine verbesserte Flugkurve bei Distanzschüssen: Das Leder senkt sich wie eine Rakete Richtung Latte, wenn man aus zwanzig Metern einen halbhohen Ball voll im Fallen erwischt. War es im Vorjahr eher selten möglich, aus der zweiten Reihe ein Pfund Richtung Torwart zu donnern, geht das nun öfter. Aber Vorsicht: Es gibt keine sauberen und ewig sicheren Schusslinien wie FIFA 06. Man muss sich hier immer noch eine gute Schussposition erarbeiten, kann dann aber schon mal aus 35 Metern abziehen und den Torwart ins Schwitzen bringen oder gleich spektakulär ins Kreuzeck treffen. Wunderbar anzuschauen sind auch die neuen Direktabnahmen aus der Drehung, die den Ball gefährlich cross auf den Kasten jagen.

Aber auch all die Dinge rund um die Ballphysik, die im Resultat weniger brillant erscheinen, bereichern das Spiel: Es gibt mehr Querschläger und verunglückte Aktionen, die das Leder unglücklich tröpfeln statt zügig rollen lassen. Es gibt erstmals gefährliche Flatterbälle, die plötzlich von links nach rechts ziehen. Es gibt abgefälschte Schüsse, die der eigene Mann ins Netz kullern lässt und katastrophale Steilschüsse Richtung Tribüne, wenn man aus einer ungünstigen Position schießt oder den Ball falsch erwischt. Auch beim Passen weht realistischer Wind: Kann man in FIFA 06 beobachten, wie der Ball quasi wie am Faden über zig Stationen durch die eigenen Reihen läuft, gibt es diese Sicherheit bei den Kurzpässen hier nicht. Nur, wenn man genug Platz und die richtige Position hat, also den Anzuspielenden anschaut, kommt der Ball schnell und gerade an. Wer in ungünstiger Stellung ohne Ballannahme einen direkten Pass spielt, wird mit einem unpräzisen, kläglich kullernden Zuspiel leben müssen, das vielleicht einen Konter einleitet. Damit wird ein todsicheres Kurzpass-Stakkato unterbunden und eine gute Übersicht gefördert.               

Ein Mann, eine Pfeife

Die Schiedsrichter sind ein zweischneidiges Schwert: Einerseits legen sie die Vorteils- und die Abseitsregel meist richtig aus. Andererseits bestrafen sie selbst Grätschen von hinten nur mit einer gelben Karte und sorgen gleichzeitig mit der Ahndung fast jedes Tacklings für eine Menge Spielunterbrechungen: Wer mit aktivierter Doppeldeckung aggressives Pressing spielt, wird schnell ein Pfeifstakkato erleben, denn der Mann in Schwarz wacht mit Argusaugen selbst über harmlos erscheinende Zweikämpfe. Das kann gerade in den ersten Spielen nerven.

Gerade die Kopfballduelle sowie das Halten vor dem Sprung haben an Klasse gewonnen. (PS2)
Wer den Stürmer hart von hinten beharkt oder einfach ohne Tackling in den Mann hinein rennt, muss bereits mit einem Pfiff rechnen. Auch im Strafraum sollte man jetzt wesentlich mehr Vorsicht walten lassen, denn ein leichtes Tackling kann sofort zum Elfmeter führen - hier ist man für meinen Geschmack nicht sensibel genug an die Problematik herangegangen. Leider haben wir auch nicht bemerkt, dass sich diese Strenge bei anderen Schiedsrichtern legen würde. Hier hätte Konami deutlicher differenzieren müssen, um den unterschiedlichen Charakter der Schiris hervorzuheben. Aber obwohl das Dauergepfeife in den ersten Spielen an der Geduld nagt, legt es sich mit der Zeit, wenn man seine alte PES4-Spielweise abgelegt und sich eine neue Defensive angeeignet hat.

Die Abwehr im Visier

Für den Spieler heißt das: Man muss gezielter und vorsichtiger verteidigen, darf nicht einfach wild gegen den Ball führenden Gegner anrennen oder auf die Tacklingtaste hämmern. Konnte man die Defensive früher fast automatisiert mit der Doppeldeckung laufen lassen, ist jetzt mehr Übersicht und Feingefühl gefragt. Natürlich funktioniert diese Taktik immer noch, aber man muss sie behutsamer ausführen. Das hebt wiederum den Simulationscharakter und sorgt dafür, dass die Verteidigung etwas mehr Konzentration erfordert. Sprich: PES4-Veteranen werden sich komplett umstellen müssen.

Allerdings gibt Konami exzellente Hilfestellung: Die ohnehin gute KI der eigenen Abwehrspieler hat sich gegenüber dem Vorjahr noch verbessert – sie stehen besser, machen Räume enger, blocken beim Kopfball. Selbst Einsteiger werden trotz der Fülle der Möglichkeiten nicht überfordert und dürfen sich auf intelligente Mitspieler freuen. Natürlich gilt immer noch: Man muss dem Ball selbst entgegen gehen, selber Pässe erahnen und geschickt grätschen. Aber konnte man damals noch mit langen Pässen in die Tiefe fast jede Abwehr aushebeln, weil sich die Verteidiger meist vom weiten Ball überraschen oder während des Spurts einfach abdrängen ließen, beobachtet man jetzt wesentlich häufiger, dass die Außenverteidiger diese Gefahr antizipieren und sich spektakuläre Sprintduelle an der Linie liefern. Die alten Automatismen funktionieren nicht mehr und das sorgt auch in der Abwehr für ein neues, realistischeres Spielgefühl.

Der Torwart ist auch ein Teil der Defensive, überzeugt dieses Jahr sogar mit neuen weiten Würfen, Befreiungskopfbällen am 16er oder klasse Faustparaden. Außerdem macht er beim Abwehren von 1:1-Situationen sowie Lupfern eines solidere Figur und zeigt bei Fernschüssen keine peinlichen fehler. Allerdings macht er nicht immer eine so nachvollziehbare Figur: Wir haben eine Szene erlebt, in der ein Verteidiger einem Richtung Tor kullernden Ball hinterher rennt, diesen aber nicht

Im Bereich der Animationen überflügelt PES5 sogar FIFA 06 - Vielfalt und Natürlichkeit sind enorm. (PS2)
erreichen kann. Anstatt dass der Torwart diesen Ball einfach fängt oder weg schlägt, lässt er ihn tatsächlich ins Tor rollen – das sah peinlich aus, weil es absolut unrealistisch ist. In einer anderen Szene hat der Torwart sich den Ball in einer ähnlichen Lage selbst reingelegt. Okay, das sind Patzer am Rande. In neun von zehn Spielen läuft alles hervorragend. Aber: Es kann zu abstrusen Aussetzern des Goalies kommen, an denen Konami arbeiten muss.

Scherenschnitt & Konfettijubel

Obwohl die Spieler nur interessiert, was auf dem Platz abgeht, war das unansehnliche Publikum schon immer ein Problem der Serie: matschige Texturen und Pixelbrei statt tosender Fans. Viel hat sich an der Grafik nicht getan, selbst das Ruckeln bei Kameraschwenks und manchen schnellen Schüssen ist immer noch zu beobachten – vor allem auf der PS2; die Xbox und der PC zeigen sich flüssiger. Aber die Engine scheint auf allen Systemen einfach an ihr Limit zu kommen. Zwar wird Konami diese Baustellen erst auf Xbox 360 & Co in den Griff bekommen, aber dieses Jahr werden immerhin zwei neue, überaus ansehnliche Stilmittel eingeführt: Zum einen sieht man ab und zu nur einen Ausschnitt jubelnder Fans, aber dafür erstmals bunte Polygonfiguren in Vereinskluft und Konfettiregen – eine gute Idee, die auch die Präsentation der 2K Sports-Spiele wie NBA 2K6 oder NHL 2K6 auszeichnet. Zum anderen erlebt man den Torjubel ab und zu von einer Kamera hinter den Fans, die nur ihre schwarzen Silhouetten mit den ausgestreckten Armen zeigt.

Auch dieser animierte Scherenschnitt hebt die Qualität der Präsentation, die insgesamt noch zu wünschen übrig lässt, aber damit den richtigen Weg einschlägt. Realistische Stadionatmosphäre mit ansehnlichen Fans wird es erst auf den Next-Generation-Konsolen geben. Dafür hat PES5 bei den Kommentaren klar die Nase vorn: Im Gegensatz zu den teilweise unsinnigen bis peinlichen Bemerkungen in FIFA06 hört ihr hier solide Analysen von Hansi Küpper & Co. Die ähneln zwar teilweise dem Vorgänger und wiederholen sich nach einem Dutzend Matches, aber sie bestechen mit situationsbezogenen Bemerkungen, die selten daneben liegen. Man kann sie ohne Probleme laufen lassen, aber natürlich auch abschalten.

        

Online-Erlebnisse

Xbox- und PC-Kicker konnten schon letztes Jahr online gegeneinander antreten, diesmal dürfen auch PS2-Fußballer ran. Konami hat mit der Ankündigung des Netzwerkspiels lange gewartet, da man auch auf Sonys Konsole die best mögliche Qualität bieten wollte. Wir erinnern uns: Selbst auf der technisch überlegenen Xbox hatte erst der Patch im Januar für weitgehend ruckelfreie Partien gesorgt, wobei auch hier immer noch der Host das einwandfreiere Spiel erlebt. Wie sieht es auf der PS2 aus?

Unsere Online-Erfahrungen reichen bisher von ruckelfrei bis ruckelvoll -

Dribblings und Alleingänge sind jetzt schwieriger, aber dafür auch ansehnlicher. (PS2)
wobei man teilweise ganz unterschiedliche Hälften erleben kann. Das liegt daran, dass Konami Host und Client scheinbar automatisch nach der Halbzeit wechseln lässt - auch auf der Xbox und dem PC, der jetzt endlich eine eigene Lobby samt Statistiken statt des kargen Netzwerkmodus besitzt. Insgesamt rollt der Ball gut durchs Internet: Man kann Glück haben und bis auf ein klein wenig Nachziehen, das man auch von PES4 über Xbox Live kennt, butterweiche Spiele austragen. Das heißt, dass der Netzcode eigentlich gut programmiert wurde. Man kann allerdings auch Pech haben und in eine kaum spielbare Stotterorgie einsteigen, in der der Ball arg zeitverzögert durch die Reihen hoppelt - dann macht's einfach keinen Spaß mehr.

Statt der Microsoft'schen Voice Communication gibt es auf der PS2 und dem PC Feedback-Kommentare über die R2-Taste, die ihr auch selber anlegen könnt. Außerdem kann man sich hier im Gegensatz zur Xbox Live-Variante die internationalen Server anzeigen lassen und in der Lobby chatten. Trotz der wankelmütigen Technik wird es sicher viele Kicker auf allen drei Plattformen in die Online-Welt ziehen, die gegenüber dem Vorjahr stark erweitert wurde: Erstens könnt ihr unter individuelle Daten euer Lieblingsteam und den Lieblingsspieler sowie Freunde eintragen und die letzten zehn Ergebnisse abrufen. Klickt ihr auf ein bereits gespieltes Match, bekommt ihr sofort detaillierte Informationen über euren Gegner: Aus welchem Land kommt er? Wie viele Spiele hat er gewonnen, verloren etc. Zweitens gibt es eine gestaffelte Liga, die bei den Amateuren anfängt und von Division 3B, 3A, 2 bis hin zur ersten Liga reicht. Ihr sammelt für jedes Spiel Erfahrungspunkte und steigt so mit der Zeit im Rang auf.

Training, Statistiken & Editor

Man kann sich auch ohne Internet-Matches im neu konzipierten Herausforderungstraining mit Stars wie Beckham im Freistoß oder mit Rosicky im Hütchenslalom messen. Für die verdienten Punkte lassen sich Klassiker-Teams, Altprofis, neue Stadien, eine doppelte Geschwindigkeit oder gar die sechste Schwierigkeitsstufe freischalten. Sehr schön ist die fünfeckige Übersicht über euren persönlichen Fortschritt: Ihr könnt eure Technik, Steuerung, Schuss- und Standardfähigkeit hier Stück für Stück von der ersten bis zur höchsten Stufe verbessern und seht sofort, wie gut ihr seid. Wenn man bedenkt, dass es nebenbei

Vor allem das neue gezielte Stoppen inklusive Richtungswechsel bereichert das Spiel. (PS2)
noch das freie Training, dutzende gezielte Manöver mit genauer Textvorgabe und Zusätze wie Eckball- und Freistoßtraining gibt, ist PES5 ein Eldorado für Perfektionisten und Einsteiger, die sich gezielt an die Spitze üben wollen.

Auch mit dem mächtigen Editor kann man sich austoben, der von der Trikot- bis zur Wappen- und Spielererstellung alles möglich macht. Ihr könnt auf ein kleines Malprogramm zugreifen und unter Dutzenden Vorlagen wählen. Das ist auch nötig, denn auch dieses Jahr zieht Konami in Sachen Lizenzen den Kürzeren gegenüber EA. Beim niederländischen oder deutschen Nationalteam müsst ihr z.B. auf originale Namen verzichten: Huth läuft dort z.B. als "Hulko" auf, während er bei Chelsea den richtigen Namen trägt - genau so geht es Ballack, Klose & Co. Aber es gibt mehr offizielle Clubs als im Vorjahr: Neben den kompletten Ligen von Spanien, Italien und Holland gibt's zehn lizenzierte Spitzen-Teams wie Chelsea, Arsenal, FC Porto, Galatasaray, Dynamo Kiew oder Glasgow Rangers.

Ihr habt keine Lust auf Online-Matches? Wollt aber trotzdem wissen, wie gut ihr gegen Kumpels spielt? Kein Problem: Selbst offline kann man jetzt Daten sichern. Nehmt einfach eure Memory Card zu einem Match mit und sie wird alle Ergebnisse gegen eure Freunde haarklein dokumentieren – von der Anzahl der Torschüsse und Fouls bis hin zu den Karten und dem Ballbesitz. Schön ist, dass hier für jeden Gegner eigene Statistiken gepflegt werden. Schade ist, dass man nicht aufzeichnet, mit welchen Teams man gegeneinander gespielt hat oder dass Zusätze wie das Lieblingsteam fehlen; all das gibt's nur online. Trotzdem sind die Statistik-Matches gerade für den zockenden Freundeskreis eine nützliche Bereicherung.

      

Fazit

Die Rente kann riesterklein sein. Die Grippewelle soll halt kommen. Und meinetwegen darf sogar Holland die WM gewinnen. All das tut weh, aber eines muss auf ewig sicher sein: Pro Evolution Soccer. Ich will mich auch in den nächsten Jahrzehnten schweißnass zum Herzklabaster kicken - bis zum Showdown mit PES 35 im Pflegeheim. Konami hat erneut das Meisterstück vollbracht, ein frischeres, noch spannenderes, noch authentischeres Fußballerlebnis zu präsentieren. Ihr erlebt hier kein Update mit Featurepopanz, sondern ein komplett neues Spielgefühl. Die gedrosselte Geschwindigkeit und verbesserte Gegner-KI verlangen jetzt klügere Tempowechsel, ein geschickteres Passen und eine gezieltere Verteidigung. Selbst die Ballphysik wirkt jetzt realistischer und belohnt Direktabnahmen sowie Distanzschüsse aus der Tiefe. Und wie herrlich das aussieht: Selbst FIFA 06 kann angesichts der Vielfalt und Lebendigkeit der Bewegungsabläufe nicht mehr mithalten - wir staunen immer noch. Aber technisch ist die PS2 damit Limit: Es gibt deutliche Ruckler und der Publikumsbrei hat endlich eine Generalüberholung verdient. Und auch auf dem Platz ist nicht alles perfekt: Der Torwart zeigt ab und zu böse Aussetzer, die Schiris pfeifen zu kleinlich und der Lupfer wurde für meinen Geschmack zu drastisch entmachtet. Aber das sind bloß Kleinigkeiten im Schatten vieler Großartigkeiten. Wenn die Japaner sich erst mal auf der Xbox 360 und PS3 austoben, könnten Wertungsrekorde fallen...

Pro

exzellente Spieldynamik
elegantere Ballannahmen
bessere Schusstechnik
neue Statistik-Matches
gute Kommentare
coole No-Touch-Bewegungen+ fast perfekte Ballphysik
viele freispielbare Extras
hervorragende Animationen
üppige Trainingsmöglichkeiten
sechs Ligen, 3000 Spieler
komplexe Trainingsmöglichkeiten
zwei neue Fanjubeleinstellungen
Datenübertragung mit der PSP (PS2)
Online-Modus (PS2, Xbox, PC)
starker Editor

Kontra

einige Ruckler
schwaches Publikum
nicht alle offiziellen Namen
Schiris pfeifen sehr kleinlich
einige seltsame Torwartzicken
zu wenig Strafraumgerangel bei Ecken
für Spaß zwischendurch zu komplex
Online-Modus läuft nicht immer stabil
ab und zu Clippingfehler in Wiederholungen

Wertung

XBox

PC

PlayStation2

Wenn ihr ein Fußballspiel sucht, das euch nach dem Abpfiff schweißnass und glücklich strahlen lässt, greift ihr zu PES5.

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