Shin Megami Tensei: Persona 318.03.2008, Jens Bischoff
Shin Megami Tensei: Persona 3

Im Test:

Mit Persona 3 hat es ein weiterer Shin Megami Tensei-Ableger bis nach Europa geschafft. Die Persona-Reihe feiert mit Teil drei hierzulande sogar ihre Premiere. Doch was unterscheidet sie von den bisherigen Auskopplungen aus dem bei uns durch Lucifer's Call , Digital Devil Saga und Devil Summoner bekannt gewordenen, okkulten RPG-Universum?

Geisterstunde einmal anders

Persona 3 ist wie seine beiden hierzulande nie veröffentlichten Vorgänger in einem Highschool-Setting angesiedelt. Hinter der Schulkulisse wartet aber einmal mehr eine bizarre Parallelwelt darauf erforscht zu werden. Dennoch führt ihr quasi zwei Leben: Einmal das eines gewöhnlichen Austauschschülers, der diversen sozialen und schulerischen Verpflichtungen nachgehen muss und einmal das eines Geisterjägers mit übersinnlichen Fähigkeiten.

Stimmungsvoll: Die Story wird durch gelegentliche Anime-Sequenzen voran getrieben.
Beide Tätigkeiten sind allerdings miteinander verzahnt. So beflügelt das Pflegen sozialer Kontakte beispielsweise eure Fähigkeit Dämonen zu erschaffen, die an eurer Seite an nächtlichen Feldzügen gegen eine übernatürliche Bedrohung in den Kampf ziehen.

Jedes Mal um Punkt Mitternacht bleibt die Zeit nämlich für eine Stunde stehen und es geschehen merkwürdige Dinge, die nur euer Alter Ego und ein paar andere Auserwählte wahrnehmen können, während die anderen Menschen ahnungslos schlafen. Und sollten sie doch mal zu später Stunde unterwegs sein, werden sie von schwarzen Särgen verschluckt, die während dieser Stunde an Ort und Stelle wie Mahnmale verharren und den darin Eingeschlossenen ihre Erinnerungen stehlen. Klingt skurril, ist es auch, aber genau solche Ideen haben die Shin Megami Tensei-Spiele schon immer zu etwas Besonderem gemacht.

Zwischen Schulbank und Jenseits

Das trifft auch auf Persona 3 zu, obwohl ihr einen Großteil eurer Zeit als ganz normaler Schüler verbringt, der für Prüfungen büffelt, mit Freunden abhängt, sich vor den Fernseher setzt, das Internet unsicher macht oder sich in Schulvereinen engagiert. Was anfangs auch noch interessant und unverbraucht wirkt, wird auf Dauer jedoch irgendwann zu einer lästigen Pflichtübung.

Die Kämpfe laufen rundenbasiert ab, potentielle Gegner sind jederzeit sichtbar.
Es kommen zwar immer neue Betätigungsmöglichkeiten hinzu, aber diese laufen quasi allesamt vollkommen automatisch ab. Auch die meisten Charaktere sind einfach zu stereotyp, um das ganze Highschool-Gedöns dauerhaft spannend zu machen. Darüber hinaus kann es auch teils ziemlich nerven, irgendwelchen Verpflichtungen nach gehen zu müssen, obwohl man gerade wichtigeres zu tun hätte.

Man kann zwar im Unterricht auch einfach schlafen oder verschiedene Tätigkeiten gänzlich verweigern, aber letztendlich schneidet man sich damit nur ins eigene Fleisch, da man dann auch im interessanteren Teil des Spiels, den nächtlichen Streifzügen durch die Geisterwelt, diversen Handicaps unterliegt. Also macht man auch weiterhin brav seine Hausaufgaben, gibt sich mit langweiligen Mitschülern ab und drückt sich zum x-ten Mal denselben Fraß rein. Immerhin wird der Alltag in netter Anime-Optik präsentiert. Die Spielwelt ist zwar recht übersichtlich, bietet aber auch in der Freizeit einige, leider ebenfalls automatisierte Beschäftigungsmöglichkeiten. Nachts wird es dagegen was die Spielwelt betrifft eher dröge. Lediglich in Vollmondnächten können Handlung und Schauplätze überzeugen. Ansonsten seid ihr in sterilen, unspektakulären Zufallslevels unterwegs, die trotz verschiedener thematischer Settings kaum Wiedererkennungswert haben.       

Wandlungsfähige Geisterjäger

Trotzdem motiviert es immer wieder durch die zahllosen Stockwerke des Tartarus-Turms zu ziehen und dort skurrile Geister und Dämonen zu jagen. Grund dafür ist neben der Möglichkeit selbst Dämonen, Perona genannt, zu rekrutieren und später auch selbst zu erschaffen, vor allem das gelungene Kampfsystem. Ihr könnt zwar immer nur euren leider genauso stummen wie profillosen Protagonisten direkt steuern, das Verhalten eurer Mitstreiter könnt ihr mit einer Reihe anwachsender Verhaltensvorgaben aber dennoch facettenreich beeinflussen. 

Der Highschool-Alltag ist nett gemacht, wirkt auf Dauer aber recht öde...
Persönlich wäre es mir zwar lieber gewesen, die volle Kontrolle über die Party zu haben, statt auf irgendwelche Automatismen zu vertrauen, aber in der Praxis funktioniert das Ganze dennoch recht gut.

Das Ausrüsten der Partymitglieder hätte aber sicher handlicher, das Verwenden bestimmter Skills weniger beschränkt umgesetzt werden können. Aber sei's drum, die rundenbasierten Kämpfe sind angenehm fordernd, während Neulingen der Einstieg durch ein Herabsetzen des Schwierigkeitsgrads sowie spielbegleitende Tutorials leicht gemacht wird. Im Grunde kommt es wie in jedem Shin Megami-Titel in erster Linie auf die konsequente Ausnutzung elementarer Schwächen an, um möglichst oft zum Zuge zu kommen, nur dass ihr dieses mal nicht die volle Kontrolle über eure Heldentruppe habt, was die Kampfplanung zwar etwas einschränkt, den Figuren aber auch mehr Individualität verleiht, da man sie nicht aufgrund ihres aktuellen Levels, sondern ihrer einzigartigen Fähigkeiten bzw. Personas einsetzt. Im Gegensatz zu euch können die anderen Charaktere ihre Personas nämlich nicht wechseln.

Wandelnde Schatten

Ihr könnt dagegen sogar während der Kämpfe auf eine andere Persona, mit vorteilhafteren Fähigkeiten umsteigen, neue erschaffen und gerade nicht benötigte registrieren, um jederzeit Zugriff auf sie zu haben, da der Platz für dämonische Begleiter beschränkt ist. Trefft ihr im Spiel auf Gegner, könnt ihr diese übrigens auch als umherziehende Schatten sehen, sie versuchen zu umgehen, sie von hinten überraschen oder sie in die Flucht schlagen - lästige Zufallskämpfe gibt es jedenfalls keine.

Wer die Schwächen der Gegners gezielt ausnutzt, kann die Kämpfe auch verkürzen.
Zudem könnt ihr an der Größe der Schatten abschätzen, wie viele Widersacher euch erwarten oder ob es sich um seltene Feinde handelt, die besonders lukrative Beute versprechen oder für einen von zahlreichen Bonusaufträgen benötigt werden. Besonders dominante Siege überraschen euch sogar mit einer Art Hütchenspiel, bei dem ihr diverse Boni absahnen könnt.

Auch sonst gibt es einige Überraschungen und Extras, die über die dröge Levelarchitektur und den öden Schulalltag hinweg trösten. Wenig Trost gibt es hingegen für Spieler mit Englisch-Schwäche: Persona 3 kommt hierzulande nämlich nicht lokalisiert in den Handel - sowohl Texte als aus Sprachausgabe sind komplett auf Englisch, auch japanischen Originalton gibt es keinen. Wer günstig an die US-Fassung heran kommt und diese auf seiner PS2 auch abspielen kann, kann sich die PAL-Version, die nicht einmal einen 60Hz-Modus bietet, daher sparen. Alle anderen dürfte es zumindest freuen, dass Persona 3 auch bei uns zum reduzierten Preis erschienen ist und neben einer gelungenen englischen Synchro auch einen packenden, wenn auch wiederholungsanfälligen Soundtrack zu bieten hat. Optisch überzeugt der Titel hingegen eher durch seinen Stil als durch technische Raffinesse. Die inneren Werte sind aber über fast jeden Zweifel erhaben.    

Fazit

Persona 3 bietet ein ähnlich bizarres Setting wie alle anderen Shin Megami Tensei-Episoden auch. Wo verwandeln sich sonst Menschen um Mitternacht in Särge oder setzen sich Helden Kopfschüsse, um übersinnliche Kräfte zu entfesseln? Allerdings wird ein Eintauchen in die okkulte Parallelwelt durch den eher gewöhnlichen und oft langweiligen Highschool-Alltag spürbar gehemmt. Die Idee für Prüfungen zu büffeln, sich in verschiedenen Vereinen zu engagieren und diversen Freizeitaktivitäten nachzugehen ist zwar nett, ermüdet aber nicht nur den abermals stummen und profillosen Protagonisten. Auch das Konzept immer neuer, zufallsgenerierter Dungeons kann in der Praxis nicht wirklich überzeugen: Die Kulissen sind auf Dauer einfach viel zu steril und monoton, das Leveldesign völlig altbacken. Nichtsdestotrotz schafft es Persona 3 den Spieler mit mythologischen, religiösen und philosophischen Elementen in seinen Bann zu ziehen. Auch das Eingehen sozialer Verknüpfungen sowie Kreieren individueller Begleiter, so genannter Personas, übt trotz vertrauter Gesichter und Mechanismen eine motivierende Faszination aus. Das Kampfsystem fußt ebenfalls auf bewährten Serientugenden und präsentiert sich gewohnt fordernd und facettenreich - vor lästigen Zufallskämpfen bleibt ihr dieses Mal jedoch verschont. Mir persönlich haben die weniger linearen und automatisierten Episoden der Digital Devil Saga zwar einen Tick besser gefallen, aber auch Persona 3 ist eine Delikatesse für Fans bizarrer Welten und ungewöhnlicher Geschichten fernab des Mainstreams; solide Englischkenntnisse sind mangels Lokalisierung allerdings Pflicht.

Pro

motivierende Persona-Zucht
solides Rundenkampfsystem
bizarres Flair & Gegnerdesign
interessantes Skill- & Sozialsystem

Kontra

<P>
stereotype Charaktere
altbackenes Leveldesign
sehr viele Automatismen
vergleichsweise öder Highschool-Alltag</P>

Wertung

PlayStation2

Wunderbar bizarres, aber teils auch etwas dröges Okkult-RPG im Anime-Stil.

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