Guitar Hero 221.11.2006, Mathias Oertel
Guitar Hero 2

Im Test:

Es ist nur knapp ein halbes Jahr her, dass Guitar Hero die Party-Spiele neu definierte. Coole (Cover-) Songs, ein solide verarbeiteter und einfach zu handhabender Gitarrencontroller machten die Luftgitarre überflüssig. Das Ergebnis: Ein Platin-Award. Kann die jetzt erschienene Fortsetzung eine ähnliche Faszination entfachen?

Lang ist´s her

Wir schreiben das Jahr 1991: Der Schreiber dieser Zeilen feiert sein Abitur, steht mit der Abiband auf der Bühne, spielt mit seinen Kumpels Songs von The Police, AC/DC, Kiss usw. nach und schwingt seine wallende Haarpracht im Rhythmus der Musik.

Die Party kann weiter gehen - auch wenn die Songauswahl weiterhin Wünsche offen lässt.
Anfang 2006: Die langen Haare sind zwangsweise einer Kurzfrisur samt Geheimratsecken gewichen. Der Traum einer Musikerkarriere wurde durch regelmäßiges Solo-Gitarrieren zu Hause am Wochenende ersetzt, wobei harte Rock-Riffs zumeist bluesigen Soli Platz machen...

April 2006: Auch ohne lange Haare kann der Traum der Musikerkarriere samt fetziger Bühnenshow ausgelebt werden. Denn Guitar Hero rockt die Hütte. Das fetzige Partyspiel mit über 30 Coversongs und dem eigens für das Spiel angefertigten Gitarren-Controller überzeugt trotz kleinerer Fehler auf ganzer Linie und kann bei uns satte 92% samt Platin-Award einheimsen. Und jetzt liegt Teil 2 im Laufwerk...

Zwei Helden sind besser als einer?

Die gute Nachricht: Am Spielprinzip hat Harmonix auch nach der Übernahme von Red Octane durch Activision nichts geändert. Wieso auch? Die Emulation von Gitarrenriffen und Sololäufen auf bis zu fünf Knöpfen am Hals des gut verarbeiteten Controllers hat schon in Teil 1 wunderbar funktioniert - inklusive technischer Feinheiten wie Whammy Bar, Hammer-Ons und Pull-Offs, die dieses Mal sogar noch leichter von der Hand gehen.

Auch das Konzept, die lizenzierten Songs mit einer Cover-Band einzuspielen, klappt nach wie vor. Auch wenn in Guitar Hero II bei manchen Songs stimmliche Unterschiede im Vergleich zu den Originalen deutlicher zu Tage treten wie im Vorgänger. Unter dem Strich ist die Illusion gelungen, tatsächlich Bands Kiss, Lynyrd Skynyrd oder Danzig zu lauschen.

Im richtigen Moment die richtige von fünf Tasten zu treffen, ist doch einfach, oder? ODER?
Bei den zur Verfügung stehenden Songs fangen die Probleme an: Guitar Hero I kam aus dem Nichts und bot auch ein paar Füll-Lieder, doch die Titelauswahl war einfach nur klasse. Dementsprechend groß war meine Erwartungshaltung an Guitar Hero II.

Bands, Songs und Missverständnisse

Und schaut man auf die Bands, deren Songs von der Guitar Hero-Band gecovert werden, kommt man mitunter nicht umhin, mit der Zunge zu schnalzen: Motley Crue, Aerosmith, Rolling Stones, The Police, Danzig, Nirvana, Rage against the Machine, Guns ´n´ Roses, Foo Fighters, Pretenders, Thin Lizzy und wie sie alle heißen, ließen mich extrem hellhörig werden.

Aber auch wenn die Bandauswahl über jeden Zweifel erhaben zu sein scheint - persönliche Vorlieben und Abneigungen einmal außen vor gelassen - so zweifelhaft ist letztlich der Song, der jeweils seinen Weg ins Spiel gefunden hat.

Sweet child of mine (Guns ´n´ Roses) geht dabei noch genau so in Ordnung wie  Killing in the Name von Rage against the Machine. Doch wieso wählt man bei Nirvana "Heart Shaped Box"? Ein guter Song - keine Frage, doch ein Titel, bei dem man die Gitarre schwingen und ausflippen kann wie Kurt? Nicht wirklich.       

Da wäre "Smells like teen spirit" deutlich ansprechender gewesen. "Can´t you hear me knockin?" von den Rolling Stones? Hallo? Schon mal was von "Sympathy for the Devil" oder ähnlichen Krachern gehört? Ähnliche Fragen kann man bei fast allen der 40 eingebauten Melodien stellen - zumal es auch so scheint, als ob der allgemeine Schwierigkeitsgrad leicht nach unten gesetzt wurde. Das betrifft allerdings nicht die höchste der vier Stufen, die entweder nur wahren Gitarren-Göttern oder aber den absoluten Hardcores vorbehalten bleibt.

Mehr Effekte, mehr Bühnen, mehr Animationen, mehr Publikum - trotzdem bleibt die Grafik nur wenig mehr als zweckmäßig...
Aber was ist mit Bands und Gitarreros, die immer noch nicht ihren Weg in die Helden-Serie von Harmonix gefunden haben? Was ist mit Metallica, AC/DC oder vielleicht sogar Nu Metal-Stars wie Linkin Park? Sicher: Über Musikauswahl kann man immer streiten. Doch im Falle von Guitar Hero II ist das Konfliktpotenzial einfach zu hoch.

Es bleibt der Eindruck zurück, dass irgendjemand aus der Coverband gesagt hat: "He, hört doch mal zu, ich kann diesen Song spielen. Den nehmen wir dann, oder?"

Dass natürlich die Vorlieben der Entwickler eine gewaltige Rolle spielen, nehme ich zur Kenntnis. Immerhin weiß ich bei einem Konzertbesuch auch, dass die Setlist vielleicht nicht unbedingt das widerspiegelt, was ich von "meinem" Star hören will.

Aber letztlich sind sich die auftretenden Musiker auch ihrer Verantwortung bewusst und werden trotz aller Selbstverwirklichung und Selbstdarstellung darauf achten, eine größtmögliche Anzahl an Fans zufrieden zu stellen. Und genau dies dürfte bei Guitar Hero II nicht der Fall sein.

Spielerische Erweiterungen

Dass die Songauswahl definitiv Platz nach oben bietet, soll aber auch nicht darüber hinweg täuschen, dass die neue Ausgabe der Gitarrenhelden spielerisch und inhaltlich einen Schritt nach vorne gemacht hat.

Dabei betrifft die größte Verbesserung den Zwei-Spieler-Modus, der endlich mehr bietet als nur die puren Duelle gegeneinander. Denn jetzt könnt ihr die bereits freigespielten Songs kooperativ angehen, um einen persönlichen Highscore aufzustellen. An sich eine klasse Idee, die allerdings in der Umsetzung inkonsequent verfolgt wurde. Zwar ist es möglich, dass einer der beiden den Gitarren-Part übernimmt, während der andere die Basslinie spielt oder dass der eine die Lead-, der andere wiederum die Rhythmus-Gitarre zupft, doch die Auswahl wird auch vom Spiel vorgegeben. Wieso nicht eine komplett freie Auswahl? Zumal der für jeden Spieler unabhängig einstellbare Schwierigkeitsgrad sowieso nicht zusammenpasst? Der Bass-Spieler hat selbst auf der höchsten Stufe meist weniger Probleme als der Gitarren-Klopfer auf Stufe 2 oder 3.

Im Ko-Op-Modus übernimmt einer z.B. die Rhythmus- und einer die Lead-Gitarre, aber beide spielen auf ein gemeinsames Punktekonto!
Doch unausgewogenes Balancing hin, fehlende Auswahlmöglichkeiten her: Dass Guitar Hero II vor allem zu zweit (ob gegeneinander oder kooperativ) nach wie vor rockt wie eine Traum-Kombo bestehend aus Jim Morrison, Jimi Hendrix, Phil Lynott, Keith Moon und Kurt Cobain, steht außer Frage.

Aber selbst der neue Trainings-Modus, in dem sich sogar einzelne Passagen gezielt üben lassen sowie die nochmals aufgestockten Goodies, Gimmicks und Figuren, die man freispielen kann, können nicht verschleiern, dass der Wow-Effekt, der sich in Guitar Hero 1 eingestellt hat, durch ein "Kenn ich schon, ist aber trotzdem geil" ersetzt wird.

Und da die Grafik sowieso bei Spielen dieser Art eine untergeordnete Rolle spielt, sei hier nur so viel gesagt: Guitar Hero II bietet mehr für das Auge des Zuschauers als Teil 1, ist aber weiterhin meilenweit davon entfernt, neue Standards zu setzen. Der Spielende hat für die Wertschätzung der ausgefeilteren Animationen, die bessere Zuschauerkulisse sowie die teilweise extrem ausgeflippten Bühnen, auf denen euer Alter Ego sein oder ihr Unwesen treibt, ohnehin keine Zeit.    

Fazit

Ihr habt Guitar Hero bereits zu Hause und braucht Nachschub für eure PS2-Klampfe? Dann holt euch Teil 2, dreht den Verstärker auf elf (ist ja bekanntlich lauter als zehn) und gebt Gas. Der ganz große Frischebonus ist zwar nicht mehr vorhanden und unter dem Strich bietet sich auch kein neues Spielgefühl, doch eine eindeutige Kaufempfehlung können wir nach wie vor aussprechen – zumal der Zwei-Spieler-Ko-Op-Modus trotz Detailschwächen auf einer Party sogar Singstar & Co. schlägt. Und selbst angesichts der als schwächer empfundenen Musikauswahl als in Teil 1 sollten sich Luftgitarrenfreaks im Allgemeinen, Fans außergewöhnlicher Rhythmus-Spiele und die Fraktion, die keine Party-Spaßgranate (von denen es sowieso zu wenige gibt) auslässt, schnell zum Händler ihres Vertrauens begeben und zu Guitar Hero II greifen. Ihr werdet es nicht bereuen – im Gegensatz zu den Nachbarn!

Pro

insgesamt über 50 Songs, davon 40 lizenzierte Cover
vier Schwierigkeitsgrade
haufenweise Goodies, Gimmicks und Songs freizuspielen
Training von Songs und einzelnen Passagen möglich
Zugaben sorgen für Konzert-Atmosphäre
Zwei-Spieler-Koop-Modus
klasse Spielgefühl

Kontra

streitbare Musik-Auswahl
mit Pad suboptimale Steuerung
grafisch wenig anspruchsvoll
der Wow-Effekt ist raus
Zwei-Spieler-Modus immer noch nicht komplett ausgereift
keine Karriere-Einbindung in den Mehrspieler-Modus

Wertung

PlayStation2

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.