Im Test:
OmU
Trotz der langen interkontinentalen Verzögerung: Für Kazuma ist erst ein Jahr vergangenen, seit er beim Wiederbeschaffen von zehn Milliarden gestohlenen Yen in einen Strudel aus Machtgier und Verschwörung geriet. Und wer die Ereignisse von damals nicht mehr parat hat, wird über die optionale, sehr ausführliche Rückblende zu Beginn des Spiels mehr als dankbar sein. Diese "alten" Bilder sind ein gelungener Ausblick auf die folgenden Filmstunden, denn die Fortsetzung wurde genau wie ihr Vorgänger aufwändig inszeniert. Tatsächlich können sich bis auf filmische
Meisterleistungen wie Metal Gear Solid 4 selbst aktuelle Möchtegern-Epen viel von dem PS2-Schinken abschneiden. Als er erneut für seinen Clan arbeitet, trennen sich die Wege von Kazuma und Haruka vorerst.
Die Japaner fangen ihre vielschichtigen Charaktere mit geschickten Kamerafahrten, durchdachten Perspektiven und erstklassiger Musik ein - als Film ist Yakuza 2 (ab 87,78€ bei kaufen) ein Hochgenuss! Schade nur, dass das Spiel ausschließlich im japanischen Originalton mit englischen Untertiteln in Deutschland erscheint. Für OV-Fans wie mich ist das zwar eine hervorragende Nachricht, allerdings entgehen dem Auge beim Lesen der Texte viele der überzeugenden Gesichtsanimationen. Man muss Sega wohl zugute halten, dass der Titel überhaupt in unseren Gefilden erscheint, doch wer den englischen Untertiteln nicht schnell genug folgen kann, dem entgeht einer der seltenen Videospielplots, die nicht nur für ein erwachsenes Publikum geschrieben, sondern vor allem ausgesprochen clever eingefädelt wurden.
Klar: Dass ein Kazuma, der sich aus dem Mafia-Milieu zurückziehen wollte, umgehend reaktiviert wird, ist vorhersehbar. Halbwegs glaubhaft ist das immerhin deshalb, weil Kazuma für Frieden zwischen einem befeindeten Clan und seiner eigenen Sippe sorgen will. Aber spätestens dann, wenn sich erneut ein Netz von Intrigen auftut, bei dem neuerdings auch koreanische Finsterlinge ihre Hände im Spiel haben, kommt eine ganze Lawine packender Entwicklungen und Wendungen ins Rollen, deren Faszination ich mich nicht entziehen konnte. Für mein Gefühl ist der im Film dargestellte Kazuma zwar immer noch smarter und bedachter als sein prügelndes Ebenbild im eigentlichen Spiel, aber das ist wohl eine unumgehbare Notwendigkeit.
Luftveränderung
Im Kern bleibt Yakuza 2 dem ersten Teil treu: Euch erwartet eine Aneinanderreihung von Arena-Kämpfen, in denen ihr kleinen und großen Gaunern das Fürchten lehrt. Das actionreiche Abenteuer in einer scheinbar offenen Welt könnte somit Segas Fortführung des Shenmue-Prinzips sein. Aber warum "scheinbar offen"? Weil Kazuma nur in einem Stadtviertel unterwegs
Neuer Schauplatz: Diesmal verschlägt es euch auch nach Osaka. |
Sega nutzt die geografische Veränderung vor allem dazu, euch ins Spiel einzuführen, denn im Kleinen erlebt ihr in Osaka bereits alles, was es später im Großen zu sehen gibt. Ob ihr einigen der Passanten einen Gefallen tut (was freilich meist in einem zünftigen Handgemenge endet), mit Hostessen flirtet, Golf und Mahjong spielt oder essen geht: Was in Osaka schon sehr lebendig wirkt, kommt erst im weitläufigen Tokio-Viertel voll zur Geltung. Die teils verwinkelten, von größeren Plätzen unterbrochenen Straßenzüge wirken nicht nur glaubwürdiger als das gerade geschnittene Osaka; Kazuma darf jetzt auch selbst als Host arbeiten (!), ein Prügelspiel am Sega-Automaten zocken ("Entwickler" ist MA2, das Spiel heißt YF6...), Baseball spielen, Bowlen gehen und vieles mehr. In Yakuza war das Erkunden der Stadt auf Dauer sehr dröge, da die Möglichkeiten beim genauen Hinsehen sehr eingeschränkt war - das neue Tokio wirkt dagegen so lebhaft, dass die spannende Handlung zum Nebenplot verkommen kann.
Zufällig unlogisch
Einen riesigen Schritt nach vorne bedeutet das dennoch nicht, denn wer in Teil eins schon viele Stunden in der japanischen Metropole verbracht hat, spürt Ermüdungserscheinungen. Immerhin sehen die Straßen besonders nachts auch heute noch sehr beeindruckend aus und sind teilweise mit Passanten geradezu vollgestopft. Kleiner Nachteil: Die Figuren schieben sich nach jeder Kamera-Umblende wie Geister erst nachträglich ins Bild. Außerdem gibt es vor jedem Bildwechsel eine ausgesprochen
kurze aber spürbare Wartezeit. Doch das sind Kleinigkeiten. Natürlich wirkt das PS2-Spiel im aktuellen Vergleich überholt - die zwei Jahre "Transportweg" zwischen Japan und Europa lassen es schlechter dastehen als es sollte. Es macht aber auch deutlich, mit wie viel Würde die letzte PlayStation-Generation altern kann. Vor allem nachts beeindruckt die "olle" PS2 mit tollen Ansichten.
Schwäche zeigt hingegen immer noch der spielerische Mittelpunkt des Gangster-Dramas, die Kämpfe. Besonders den häufigen Zufallsbegegnungen, in denen irgendwelche Minigauner dem Oberschurken Kazuma ans Leder wollen, fehlt nicht nur die Logik, sondern vor allem der nötige Feinschliff. Dabei hält sich die Anzahl der Auseinandersetzungen gerade noch im erträglichen Rahmen; es ist das tumbe Verhalten der langweiligen Gegenspieler, das Gähn- statt Panikattacken auslöst. Da sammelt sich meist eine Hand voll Möchtegern-Schläger um Kazuma und wartet darauf, von ihm geschlagen zu werden - der gelegentliche Hieb in seine Richtung ist die Ausnahme. Spannung kommt so nicht auf, zumal sich der Yakuza-Schläger einen Tick zu träge bewegt. Das wird durch eine Perspektivwahl verstärkt, die sich in keiner Weise dem Geschehen anpasst. Sprich: Die Kamera schaut stur geradeaus, anstatt Kazuma von hinten und den aktiven Gegner von vorn zu zeigen. Dass man die Sicht jetzt manuell drehen oder wie gehabt per Knopfdruck fixieren kann, hilft zwar, ist mitten im Kampf aber nicht jederzeit machbar.
Echte Härte
Immerhin: Statt der sonst üblichen Überzeichnung und daraus folgenden Entschärfung solcher Prügeleien, inszeniert Sega sehr bodenständige und damit ausgesprochen brachiale Faustkämpfe. Setzt Kazuma schließlich zu einem mächtigen Finisher an, nachdem ihr genug Schläge aneinandergereiht habt, schmerzt das umso mehr.
Die schicke Lady hier soll Kazuma in polizeilichen Gewahrsam nehmen. |
Für Auflockerung sorgen neben Kazumas "Freizeitbeschäftigungen" zum Glück auch die Aufträge im Rahmen der großen Handlung. Da erlebt der Mafia-Schläger nicht nur etwas knackigere Prügeleien, sondern darf auch kleine Rätsel lösen, Katzen retten, brisante Informationen ausgraben oder bekommt eine ellenlange Unterhaltung ans Bein gebunden, während er eine verblutende Polizistin auf der Schulter trägt. Schön, dass Yakuza 2 die Balance findet zwischen seinem erzählerischen Schwergewicht und der Leichtigkeit einer vergnüglichen Entdeckungsreise. Es ist zwar kein spielerischer Blockbuster, der endlich in hiesigen Flimmerkisten anläuft. Aber es ist offener und umfangreicher als Teil eins des Yakuza-Epos'.
Fazit
Eine Charakterzeichnung mit klaren Linien, ein mit Wendungen gespickter Plot sowie erstklassige Regiearbeit sprechen eine unbedingte Empfehlung aus! Kein Wunder; auf filmischer Ebene konnte bereits der Vorgänger überzeugen. Und wo dieser nach einigen Stunden spielerisch ausdünnte, weil es neben ständigen Zufallskämpfen einfach zu wenig zu tun gab, holt die Fortsetzung auf. Sie fügt mit zahlreichen Minispielen zwar nur Puzzleteile in einen längst bekannten Schauplatz - das reicht aber, um mich zwischen den für die Handlung wichtigen Aufträgen länger an den Bildschirm zu fesseln. Leider kommen die herrlich brachialen Prügeleien trotz besserer Steuerung und cooler Quicktime Reactions auch diesmal etwas zu kurz: Die doofen Gegner haben einfach zu wenig auf dem Kasten, als dass sie mehr als einfallslose Lückenfüller wären. Falls sich der bereits für PS3 angekündigte dritte Teil dieser Schwachstellen annimmt, steht Segas Mafia-Thriller vielleicht eine goldene Zukunft bevor. Yakuza 2 war jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung!
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation2
Teil zwei macht wenig neu, ist aber trotz Schwächen ein durchweg packendes Gangster-Epos.
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