Soul Nomad & The World Eaters04.07.2008, Jens Bischoff
Soul Nomad & The World Eaters

Im Test: Geheimtipp für Rollenspiel-Strategen

Mit Disgaea & Co versorgte Nippon Ichi PS2-Besitzer über Jahre hinweg mit klassischer Rundenstrategie. Inzwischen konzentriert man sich eher auf DS, PSP und PS3. Trotzdem dürfen sich hiesige PS2-Genräle nochmals über Nachschub freuen. Dank Koei und THQ hat es das in Japan bereits seit über einem Jahr erhältliche Soul Nomad alias Soul Cradle doch noch nach Europa geschafft. Ein würdiges Abschiedsgeschenk?

Einseitige Schizophrenie

In Soul Nomade & the World Eaters schlüpft ihr in die Rolle eines Untergrundkämpfers, der eines Tages dazu auserkoren wird, den in einem Schwert gefangenen Übeltäter Gig, der sein Heimatland in Schutt und Asche gelegt hat, in seine Seele aufzunehmen.

Völlig regungslos: Die Story wird leider nur in starren Standbildern und Sprechblasen erzählt.
Dadurch erlangt ihr unsagbare Kräfte, lauft aber auch Gefahr durch die Nutzung selbiger euren Körper an euren geistigen Untermieter zu verlieren. Eigentlich eine interessante, wenn auch nicht ganz neue Ausgangssituation. Leider haben es die Entwickler jedoch verpasst, daraus ein echtes Dilemma zu schüren, denn eure Aktionen haben in der Praxis keinerlei Einfluss auf die Machtverhältnisse in eurem Innern.

Auch spannende Konflikte bleiben aus, da der anfangs genauso geschlechts- wie namenlose Protagonist völlig stumm und profillos bleibt. Ein schizophrenes Wechselspiel wie etwa in Valkyrie Profile  bleibt völlig aus. Im Prinzip ist der Held nichts weiter als eine austauschbare Hülle, aus der ausschließlich euer eigentlicher Erzgegner spricht. Nur gut, dass dieser extrem extrovertiert und größenwahnsinnig ist, sich mit wirklich jedem anlegt sowie Beleidigungen und Drohgebären im Minutentakt um sich schleudert. Dabei kommt natürlich auch der Humor nicht zu kurz. Nur schade, dass gegen Gig alle anderen Story-Figuren völlig verblassen. Zwar habe ich nichts gegen einen überragenden Alleinunterhalter einzuwenden, aber die ohnehin schon nicht allzu dramatisch inszenierte Hintergrundgeschichte gerät dadurch natürlich ins Hintertreffen.

Aber egal, im Prinzip geht es ohnehin nur darum, die vor vielen Jahren von Gig beschworenen World Eater, riesige Kriegsdämonen, welche die Welt noch immer in Atem halten, mit den Kräften ihres Schöpfers zu vernichten und für Frieden zu sorgen. Gig selbst ist dazu allerdings nur bereit, wenn er sich im Gegenzug den Körper des Helden aneignen und damit seine eigenen Ziele verfolgen darf. Inwieweit sich Gigs Absichten im Verlauf des gemeinsamen Abenteuers ändern, soll hier nicht verraten werden, aber neben der über 50 Schlachten umfassenden Hauptkampagne, könnt ihr später auch eine Dämonenkampagne bestreiten, in der ihr eurer dunklen Seite freien Lauf lassen könnt. Zudem gibt es verschiedene Enden, versteckte Bonuscharaktere sowie ein paar zusätzliche Szenarien, die durch bestimmte Aktionen, Entscheidungen und Erfolge freigeschaltet werden.

Außen pfui, innen hui

Umfang und Wiederspielwert sind jedenfalls enorm. Durch die Möglichkeit unendlich viele Zufallskämpfe zur Charakteraufwertung zu bestreiten sind euren Ambitionen auch über die Kampagne hinaus quasi keinerlei Grenzen gesetzt.

Die Schlachtfelder wirken karg und lieblos, die Charaktere haben hingegen durchaus Charme.
Schade nur, dass es keinen Mehrspielermodus gibt, um auch dauerhaft für Abwechslung und Herausforderung zu sorgen. Auch die Präsentation hätte ruhig etwas aufwändiger ausfallen können. Die Story wird komplett in Standbildern und Sprechblasen erzählt. Zwischensequenzen gibt es nicht. Immerhin wurden fast alle Dialoge vertont - ihr habt sogar die Wahl zwischen japanischen und englischen Sprechern, die beide einen ganz ordentlichen Job machen. Eine deutsche Synchronisation gibt es hingegen nicht, nicht einmal deutsche Untertitel, was für viele sicher ärgerlich ist.

Ansonsten ist die Soundkulisse eher schlicht und unspektakulär. Musikalisch werden ebenfalls kaum Glanzpunkte gesetzt. Mal sind die Kompositionen zwar durchaus stimmungsvoll, oft würdet ihr das nervige Gedudel aber am liebsten abwürgen. Grafisch sieht es leider nicht viel besser aus: Die 2D-Charaktere wurden zwar liebevoll gestaltet und teils charmant animiert, aber im Vergleich zu Spielen wie Odin Sphere wirken sie doch sehr plump und grobschlächtig - von den statischen Charakterportraits bei Dialogen und Standbildern bei Stadtbesuchen ganz zu schweigen. Selbst die Schlachtfelder, auf denen ihr wohl die meiste Zeit verbringen werdet, sind alles andere als attraktiv. Eigentlich bewegt ihr eure Truppen lediglich über völlig flache, gerasterte Landkarten ohne jede Räumlichkeit. Immerhin könnt ihr diese Gitterkarten frei drehen, kippen und zoomen, so dass zumindest mangelnde Übersichtlichkeit kein Thema darstellt.      

Es lassen sich auch komfortabel Reichweiten, Zugreihenfolgen, Terrainvorteile und verfügbare Aktionsmöglichkeiten einsehen. Insgesamt gibt es knapp 30 verschiedene Einheiten, die ihr in maximal neunköpfige Squads einteilen und in den Kampf schicken könnt. Je nach Zusammensetzung und Formation werden dann unterschiedliche Aktionen oder Kombos ausgeführt.

Die Kampfabläufe werden ähnlich wie in Advance Wars & Co als Splitscreen-Sequenzen eingeblendet.
Stellt ihr einen Schwertkämpfer beispielsweise an die Spitze eures Squads, greif er mit seiner Klinge an, weiter hinten wirft er hingegen lediglich mit Steinen. Insgesamt gibt es für jede Truppe drei Reihen, in denen ihr die Mitglieder positionieren könnt, die dann je nach Klasse entsprechende Aktionen ausführen. Das gilt auch für magische Einheiten, die z. B. an der Front kaum von Nutzen sind, in den hinteren Reihen aber gezielte Einzelzauber oder flächendeckende Sprüche wirken.

Vorbereitung ist alles

Die Kämpfe selbst laufen automatisch ab, ihr seid eigentlich nur für das Positionieren der Einheiten, Bewegen der Squads und Bestimmen des Angriffsziels verantwortlich. Allerdings könnt ihr im Lauf der Schlacht auch zu begrenzt möglichen, aber imposant inszenierten Spezialmanövern aufrufen, Gegenstände einsetzen oder Abwehrhaltungen einnehmen lassen. Darüber hinaus obliegt es auch euch wann und wo ihr Verstärkung ins Spiel bringt. Zu Beginn jeder Schlacht seid ihr nämlich nur mit dem Squad des Protagonisten unterwegs. Weitere Squads, die ihr bereits angelegt habt, müssen erst herbei zitiert werden, bevor diese ins Geschehen eingreifen können. Je nach Formation der herbei gerufenen Truppen müsst ihr dabei auch darauf acht geben, dass genügend Platz vorhanden ist. In engen Arealen, die aber eher selten sind, ist es fast ein Puzzlespiel alle Squads passend im Umkreis des Anführers auf den Plan zu rufen.

Die Felder, auf denen ihr eure Truppen herbei zitiert und bewegt haben aber nicht nur individuelle Formen, sondern auch Eigenschaften, die ihr euch natürlich im Kampf zunutze machen könnt. So gibt es z. B. Truppenfelder, deren Einheiten unmittelbar nach dem Herbeirufen zum Zuge kommen und so für Überraschungsangriffe sorgen können. Andere machen hingegen mit jedem gezogenen Feld mehr Schaden oder büßen jede Runde einen kleinen Teil ihrer Lebensenergie ein, genießen im Gegenzug aber dauerhaft erhöhte Statuswerte. Zusätzlich könnt ihr den Feldern vorübergehende Decors aufdrucken, die wiederum bestimmte Attribute haben. Die Möglichkeiten sind jedenfalls sehr facettenreich, nehmen in Lauf der Kampagne stetig zu und bieten viel Platz für unterschiedlichste Kombinationen und Experimente. Zudem könnt ihr die zugeteilten Truppenfelder und deren Einheiten in einer quasi endlosen Reihe an Zufallskämpfen mit besonderen Bedingungen und Ereignissen wie immer stärker werdenden Gegnern oder schrumpfenden Schlachtfeldern aufwerten.

Allein gelassen

Darüber hinaus könnt ihr euch auch zufällig neue Truppenfelder zuteilen lassen, die zum Teil schon mit Einheiten bevölkert sind, die euch verschiedene Vorteile bescheren und ebenfalls bekämpft werden können, um die Felder später wieder selbst nutzen zu können. Selbst Ladenbesitzer und andere NPCs können zu Kämpfen herausgefordert oder als unfreiwillige Mitstreiter gekidnappt werden. Leider werden die Features und Möglichkeiten, die euch Soul Nomad tatsächlich bietet, in den jeweiligen Tutorials alles andere als erschöpfend behandelt.

Insgesamt könnt ihr 28 verschiedene Einheiten mit individuellen Fähigkeiten rekrutieren.
Wer nicht gerne selbst herumtüftelt, wird viele Feinheiten und Zusammenhänge gar nicht oder erst sehr spät verstehen, was den Einstieg in die komplexe und teils etwas sperrige Rundentaktik unnötig erschwert. Auch der anfangs völlig harmlose, später aber sprunghaft ansteigende und nicht veränderbare Schwierigkeitsgrad dürfte den einen oder anderen Genreneuling durchaus Kopfzerbrechen bereiten.

Auch dass neu hinzu gekommene und rekrutierte Einheiten immer erst mühsam auf die Stufe der bereits vorhandenen Truppen hoch gelevelt werden müssen, wirkt nicht sehr durchdacht. Vor allem, wenn ihr ein neu erhaltenes Truppenfeld besetzten müsst, ist es quasi unabdingbar, alte Truppen auseinander zu reißen und den Neulingen an die Seite zu stellen, weil ein komplett aus Anfängern bestehendes Squad kaum Überlebenschancen in der nächsten Schlacht hat. Auf der anderen Seite genießt ihr hingegen so komfortable Hilfestellungen wie die Möglichkeit Schlachtfelder schon vor Kampfbeginn auszukundschaften, um Terrain sowie gegnerische Truppenstärken einzusehen und entsprechende Aufstellungen vorzunehmen. Zudem könnt ihr stets das komplette Kampfgebiet überschauen, auch Areale außerhalb eures Sichtbereiches werden nicht abgedunkelt o. ä. Speichern könnt ihr aber nur abseits der Schlachtfelder, wenn ihr euch auf der Weltkarte bewegt, um euch zu neuen Fronten aufzumachen oder Stadtbesuche einzulegen - eine Zwischenspeicherfunktion gibt es trotz später immer länger andauernder Gefechte leider keine...    

Fazit

Soul Nomad ist trotz einiger origineller Spielmechanismen ein typisches Nippon Ichi-Strategiespiel. Runde um Runde scheucht ihr charmante Anime-Sprites über quadratisch gerasterte Schlachtfelder, erfreut euch am komplexen, aber auch etwas sperrigen Truppenmanagement, experimentiert herum und könnt euch trotz mickriger Präsentation nur schwer von den unzähligen Schlachten loseisen. Nippon Ichi-Fans und Hardcore-Strategen kommen also voll auf ihre Kosten. Neueinsteiger haben es jedoch schwer; die knappen Tutorials reißen eure Möglichkeiten quasi nur an, vieles erschließt sich euch erst nach langem Herumprobieren, der Schwierigkeitsgrad erlaubt keinerlei Anpassungen und eine Lokalisierung gibt es auch keine. Dafür habt ihr aber die Wahl zwischen original japanischer oder solider englischer Synchro und müsst nur knapp 40 Euro für den Titel hinblättern. An Umfang und Komplexität gibt es nichts auszusetzen und auch die an sich sehr traditionelle Spielmechanik hält ein paar nette Überraschungen wie individualisierbare Truppenfelder parat. Schade nur, dass die Aufmachung so schlicht ausfällt, der stumme Protagonist völlig profillos bleibt und die Lernkurve nicht sehr harmonisch verläuft. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, darf sich jedoch auf ungemein motivierende und komplexe Rundenstrategie alter Schule freuen, die dank kreativer Ideen alles andere als konservativ wirkt.

Pro

enormer Umfang
komplexe Rundenstrategie
originelles Truppenmanagement

Kontra

mickrige Präsentation
unbefriedigende Tutorials
stummer, profilloser Protagonist

Wertung

PlayStation2

Grafisch schlichte, aber spielerisch ergiebige Rundenstrategie für experimentierfreudige Hobbygeneräle.

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