Grandia 223.04.2002, Jens Bischoff
Grandia 2

Im Test:

Das Software-Lineup der PS2 wächst und wächst. RPG-Fans hatten bisher jedoch höchstens bei Summoner und Baldur`s Gate: Dark Alliance wirklich Grund zur Freude. Fans klassischer Nippon-Rollenpiele warten sogar noch bis heute auf einen gelungenen Genre-Vertreter. Doch nun springt Ubi Soft mit Grandia II in die Presche, das sich bereits auf dem Dreamcast (4Players-Wertung: 90%) einen festen Platz im Olymp der Konsolen-RPGs sichern konnte. Ob auch dem PS2-Pendant diese Ehre zu Teil wurde, erfahrt Ihr in unserem Test...

Das Abenteuer beginnt

Auch auf der PS2 schlüpft Ihr in die Rolle des eigenbrödlerischen Söldners Ryudo, der so ziemlich jeden Auftrag annimmt, so lange die Bezahlung stimmt. Doch als ihn der örtliche Pfarrer anheuert, die naive Kirchenchormaid Elena zu einer geheimnisvollen Zeremonie in einer alten Burgruine zu geleiten, entwickelt sich daraus ein Abenteuer mit epischen Ausmaßen, bei dem es am Ende um nicht weniger als die Rettung des gesamten Fantasy-Reichs Silesia geht.

Auf Eurer Reise begegnet Ihr genretypisch natürlich auch willigen Mitstreitern, die zwar alle ihre eigenen Ziele verfolgen, aber dennoch durch ihr Schicksal verbunden scheinen. Dabei erweist sich die Story als sehr wendungsreich und auch die Charaktere glänzen mit unverkennbarer Persönlichkeit. So sorgen die aufbrausende Millenia, der zynische Ryudo oder das poetische Muskelpaket Mareg nicht nur für amüsante Wortgefechte, sondern auch für einen facettenreichen Handlungsverlauf, der bis zum Schluss spannend bleibt.

Überragendes Gameplay

Spielerisch ist das Ganze nach wie vor eines der besten Fernost-Rollenspiele, die plattformübergreifend erhältlich sind. Level- und Rätsel-Design sind zwar nicht allzu komplex, aber das vorbildliche Gameplay sucht in diesem Genre noch immer seinesgleichen. Im Gegensatz zu Final Fantasy & Co sind Gegner beispielsweise schon aus der Ferne zu sehen und können dadurch elegant umgangen oder taktisch klug von hinten mit einem Überraschungsangriff überrumpelt werden - Zufallsbegegnungen sind damit Schnee von gestern. Das eigentliche Kampfsystem überzeugt dabei mit einer erstklassigen Mischung aus rundenbasiertem und in Echtzeit ablaufendem Schlagabtausch, der taktisch ansprechend und doch actionreich in Szene gesetzt wurde.

Mit dem richtigen Timing weicht Ihr gegnerischen Angriffen gezielt aus, setzt zu durchschlagskräftigen Kontern an oder werft Euren Kontrahenten in der Zugfolge erbarmungslos zurück. Faule Zeitgenossen können ihre Recken sogar mit vorgefertigten KI-Scripts ausstatten und sich bei den Kämpfen gemütlich zurücklehnen. Für geplättete Gegner werdet Ihr anschließend nicht nur mit Gold, Items und Erfahrungspunkten, sondern auch mit speziellen Münzen belohnt, mit denen Ihr Euer Arsenal an Zaubern und Spezialfertigkeiten stetig ausbaut und verbessert. Alles andere findet Ihr in Schatztruhen oder Shops, wobei in Letzteren auch diverse Gameplay-Tutorials kostenlos angeboten werden.

Technischer Rückschritt

So weit, so gut. Was hingegen die technische Umsetzung betrifft, muss man traurigerweise feststellen, dass die einst so imposante Dreamcast-Optik nicht nur Federn gelassen hat, sondern einfach nur ein programmiertechnisches Armutszeugnis darstellt. Eine schwache PAL-Anpassung gab es zwar auch schon im Original, aber was die Sega-Konsole mit VGA-Box-Unterstützung wieder wett machte, bezahlen PS2-User ähnlich wie bei Devil May Cry mit dicken Balken und Geschwindigkeitsverlust. Doch damit leider nicht genug: Die einst so prächtigen Texturen sind nur mehr ein Schatten ihrer selbst und das starke Interlace-Flimmern ist für die Augen die reinste Tortur.

Ansonsten sind ein paar Videosequenzen, die im Original noch in Echtzeit berechnet wurden, nun mittelprächtig vorgerendert und der ein oder andere Grafik- oder Soundeffekt dezent überarbeitet. Da Grandia II auch auf der PS2 nicht eingedeutscht wurde, sollte man auf jeden Fall über grundlegende Englischkenntnisse verfügen, denn gesprochen wird so einiges, auch wenn leider nur in manchen Sequenzen Sprachausgabe geboten wird. Zudem lassen sich die Texte nicht einfach wegklicken, was, wenn man des Englischen mächtig ist, aber nur teilweise nervt, denn die Dialoge sind oft sehr amüsant und prägen das Erscheinungsbild der einzelnen Charaktere maßgeblich.

Pro:

  • amüsante Dialoge
  • keine Zufallskämpfe
  • wendungsreiche Story
  • motivierendes Gameplay
  • vorbildliches Kampfsystem
  • abwechslungsreiches Charakter-Design
  • Kontra:

  • dicke PAL-Balken
  • verhunzte Texturen
  • Spiel komplett in Englisch
  • starkes Interlace-Flimmern
  • keine Dual-Shock-Funktion
  • Dialoge lassen sich nicht abbrechen
  • Vergleichbar mit:

    Evergrace, Summoner, Dark Cloud, Final Fantasy X, Skies of Arcadia, Grandia Xtreme

    Fazit

    Hatte sich die vor kurzem erschienene PC-Adaption von Grandia II schon nicht mit Ruhm bekleckert, beweist leider auch die PS2-Auflage des Dreamcast-Originals, wie eine gelungene Umsetzung nicht auszusehen hat. Mag mancher die nach wie vor nicht eingedeutschten Bildschirmtexte und Dialoge vielleicht noch bejubeln, so ist bei der technischen Umsetzung beim besten Willen nichts mehr schön zu reden: Die einstig detailverliebte Grafikpracht des Originals präsentiert sich auf der PS2 als augenfeindliches Dauerflimmern mit dicken PAL-Balken und geradezu peinlichen Texturen. Auch wenn Grandia II spielerisch und inhaltlich 1:1 umgesetzt wurde, sind Atmosphäre und Spielkomfort einfach nicht mehr das Gleiche. RPG-Fans ohne Dreamcast sollten sich den ansonsten nach wie vor herausragenden Titel zwar keinesfalls entgehen lassen, aber die Klasse des Originals wird technisch nicht einmal annähernd erreicht.

    Wertung

    PlayStation2

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    Kommentare

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