Zurück in die Laraphase
Einfach wieder springen. Einfach wieder klettern. Einfach wieder Kistenrätsel lösen. Einfach wieder Geheimnisse lüften, die Doppelpistolen zücken und Bösewichte voll Blei pumpen. Nachdem Laras Versuch, sich erwachsener und düsterer zu geben in
Tomb Raider: The Angel of Darkness gescheitert ist, will man sich bei Eidos wieder auf die Wurzeln der populärsten Spieleheldin der Welt besinnen: Statt Serienkiller- und Mystery-Flair soll es am 7. April endlich wieder das altbekannte Indiana Jones- und Abenteuer-Flair geben. Das haben vielen Fans gefordert. Das verspricht den größten Erfolg.
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Springen, tauchen, klettern - wie in alten Zeiten. |
Aber kann das neue Team von
Crystal Dynamics (Gex, Pandemonium, Legacy of Kain) tatsächlich das Entdeckergefühl der ersten Auftritte beschwören? Und ist das heutzutage noch reizvoll? Ja, durchaus. Zwar wird das nicht mehr die große Euphorie der Pionierzeit auslösen, aber Lara fühlt sich 2006 wieder so an wie 1996. Sie ist wieder das akrobatische Babe mit dem untrüglichen Sinn für Geheimnisse. Statt Selbstzweifel und sprödem Fähigkeitensystem regieren Ausschnitt und Absprungtiming. Als weiblicher Charakter bleibt sie zwar immer noch ein erotisches Abziehbild mit dümmlichen Sprüchen, aber als Abenteurerin macht sie klare Fortschritte.
Klettertour in Bolivien
Wir konnten uns mit Lara durch den bolivianischen PS2-Dschungel kämpfen und sind nach der ersten Stunde genau so neugierig gekraxelt, geschwungen, getaucht und gesprungen wie anno dazumal. Egal ob Lianen, Fallgruben, Felsvorsprünge, Höhlen, Wasserfälle oder wilde Tiere - alles ist dabei, alles fühlt sich an wie früher. Was jedem Shooter oder Strategiespiel heutzutage das Genick brechen würde, scheint hier aufzugehen: Das konsequente Revival von Spielelementen, die ein Jahrzehnt auf dem Buckel haben. Back to the roots, back to Jump'n Research.
Was macht das Team von Crystal Dynamics anders als die geschassten Jungs von Core Design? Zum einen zaubern sie ein schönes Dschungelpanorama statt eine dröge Stadtszenerie auf die PS2 - man hat wieder das Gefühl von Wildnis, Abenteuer und Schatzjagd. Hinzu kommen Feinheiten, wie z.B. Laras tropfender Zopf nach dem Schwimmen. Aber was viel wichtiger ist: die Steuerung reagiert wieder punktgenau! Egal ob die Vorwärtsrolle, das Hangeln am Abgrund oder das Anvisieren des Gegners - alles geht schnell in Fleisch und Blut über; es gibt keine Trägheit, keine Verzögerung. Und damit man nicht in Sackgassen gerät oder sinnlose Todessprünge hinlegt, werden Simse und Kanten leicht erhellt dargestellt. Wer die Landschaft aufmerksam beobachtet, wird also immer Wegweiser finden.
Kaltes Kotzen im Visier
Außerdem hat das neue Team aus San Francisco die Bewegungen intelligent verfeinert: Das schnelle Drücken der Haltetaste lässt Lara z.B. auch schneller an Simsen voran kommen; landet sie nach einem Sprung unsicher an einer Kante, zeigt ein Buttonleuchten an, dass man noch mal zupacken sollte. Sehr schön sind auch die intuitiven Reaktionen: Lara schaut z.B. nach schräg oben, wenn es dort weitergeht oder lehnt sich beim Abstützen an der Wand nur in die Richtung, in die man springen kann. Dabei ist sie per Funk und Kamera immer in Kontakt mit ihrem Hauptquartier. Das Team in der Basis muss allerdings bei so manchem akrobatischen Manöver leiden: "Wenn du nicht aufhörst zu schwingen, krieg ich das Kotzen!"
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Mit Schwung und Doppelsalto auf die andere Seite. |
Auch die Umgebung wird jetzt aktiv in die Erkundung eingebunden: Mit einem Fernglas inklusive Scanfunktion könnt ihr die Gegend absuchen. Ihr könnt kleine Steine wegtreten, große Felsen einen Abgrund hinunter rollen und poröse Mauern oder ganze Säulen gezielt mit Schüssen zum Einsturz bringen, damit sich neue Wege ergeben oder Bösewichte darunter begraben werden. Die Integration der Physik geht so weit, dass ihr Steinbrücken zu Wippen umfunktionieren könnt, um Kisten in die Luft zu befördern. Das sieht zwar nicht ganz realistisch aus, aber das waren Laras Doppelsalto-Auftritte noch nie.
Wozu der Kistenwurf überhaupt gut ist? Um z.B. Druckplattenrätsel alter Schule auf verschiedenen Ebenen zu lösen. Davon und von Hebelknobeleien wird es laut Entwickler wieder mehr geben, allerdings konnten wir nur einen Abschnitt erkunden. Lara kann Kisten jetzt übrigens frei bewegen und nicht nur horizontal und vertikal verschieben. Kleine Einspielfilme bereiten euch sehr stimmungsvoll auf Räume und Höhlen vor, in denen eine Lösung gefunden werden muss. Ein Magnethaken zieht entfernte Metallgegenstände oder sogar Feinde heran und Lara kann eine kleine Schulterlampe in der Dunkelheit aktivieren. Neu ist auch, dass es zu Quick-Time-Reactions à la
Resident Evil 4 oder
Fahrenheit kommen kann: Buttons leuchten auf, wenn ihr plötzlich ausweichen oder springen müsst.
Schussduelle & Heilpakete
Die Frage bleibt allerdings, wie abwechslungsreich und anspruchsvoll das auf Dauer inszeniert wird - noch wirkte alles fast etwas zu angenehm, etwas zu einsteigerfreundlich. Werden auch Kenner in späteren Levels gefordert? Das betrifft auch die Schussduelle, die wie in alten Zeiten Arcade-Ballerei pur bieten: Nach dem automatischen Anvisieren kann man zwar noch ausweichen oder springen, aber da man endlos Munition hat, bleibt der taktische Anspruch etwas auf der Strecke. Wir konnten weder gezielte Kopfschüsse noch Nahkampftechniken abseits einfacher Tritte anbringen. Dafür grätscht Lara ihren Widersachern so in die Beine, dass sie in die Luft gewirbelt werden - vielleicht auch etwas zu überzeichnet, aber so geht's der Lady in allen körperlichen Belangen.
Wenn sie mal verletzt wird, greift sie übrigens zum klassischen Heilpaket, von dem sie bis zu drei horten kann. An alte Zeiten erinnern auch die Geheimnisse, die in jedem Level versteckt sind und euch als komplette Sammlung Boni einbringen. Neu ist, dass Lara nur zwei Waffen gleichzeitig tragen kann und ihren Rucksack nicht frei voll stopfen darf. Ansonsten hilft ihr ein PDA bei der Übersicht über aktuelle Aufträge oder den letzten Funkverkehr. Die Story können wir zwar noch nicht einschätzen, aber sie wird in Zwischensequenzen vorgetragen, in denen Laras Kindheit immer wieder in aktuelle Situationen eingeflochten wird: Man sieht sie z.B. als Zehnjährige, wie sie mit ihrer Mutter einen prähistorischen Tempel erkundet. Als die Mutter ein Artefakt berührt, verschwindet sie plötzlich. Zurück in der Spielgegenwart erkundet man mit Lara eben diesen Tempel. Ich bin gespannt, ob diese Flashbacks ein solides erzählerisches Fundament gießen können.