Onimusha: Dawn of Dreams23.01.2006, Jörg Luibl
Onimusha: Dawn of Dreams

Vorschau:

Eigentlich sollte die Onimusha-Reihe mit dem dritten Teil und Jean Renos Auftritt in Ehren ruhen. Doch Capcom kann die Finger nicht vom Samurai-Gemetzel lassen: Im März wollen sie euch mit Waffen, Rätseln und Magie ins spätmittelalterliche Japan schicken. Wir konnten bereits in das fast fertige Dawn of Dreams abtauchen. Fans der Reihe dürfen sich auf einige Überraschungen gefasst machen!

Frischer Wind

Als ich die ersten Trailer gesehen habe, war ich skeptisch. Das kunterbunte Kampfstakkato erinnerte mich an Devil May Cry auf Speed: sehr hohes Tempo, viele Explosionen und Kombos, die Gegner in der Luft halten. Nicht, dass ich Dantes Abenteuer nicht mögen würde, aber als Samurai-Liebhaber ging mir das fast ein Stückchen zu flott in die brachiale Actionrichtung. Hat Capcom da etwa ein pures Hack'n'Slay ohne Rätsel oder Taktik in der Pipeline? Will man die Serie einfach ausschlachten? Nein, ganz und gar nicht. Nach knapp fünf Stunden Spielzeit kann man Entwarnung geben: Das neue Onimusha bleibt trotz zahlreicher Neuerungen seinen Wurzeln treu. Produzent Yoshi Ono, der uns im ausführlichen Interview u.a. verriet, warum diesmal kein Schauspieler dabei ist, wollte zwar frischen Wind in die Reihe pusten, um nicht nur Veteranen zu unterhalten, setzt aber auf das altbekannte Spielprinzip.

Soki versucht sich über den Dächern an einem Riesen-Samurai - kein später Bosskampf, sondern brachiale Action der ersten Stunde.
Immer noch metzelt ihr euch durch Horden dämonischer Genma, saugt Energiekugeln verschiedener Farbe auf, die euch entweder heilen oder in die Kraft eurer Ausrüstung investiert werden können. Das Spiel pocht jedoch von Beginn an auf Hochtouren und serviert euch einen Wow-Effekt nach dem anderen: Schon in der ersten Stunde wird man schonungslos mit riesenhaften Kreaturen konfrontiert, die einen Hauch von Shadow of the Colossus versprühen - nicht so atemberaubend, nicht erkletterbar, aber durchaus beeindruckend. Zwar laufen die Kämpfe deutlich schneller ab als im Vorgänger, aber erstens muss man Katana und Speer taktisch klug einsetzen, gezielt ausweichen und kontern: Nur, wer seine Attacken sowie Paraden richtig timt, wird ohne Heiltrankbesäufnis weiter kommen. Und zweitens wurde nicht nur die Spielzeit auf 30 bis 40 Stunden erhöht, sondern auch der Rätselanteil im Vergleich zu Teil 3 um zehn Prozent aufgestockt. Es gibt nicht nur die üblichen Logik- und Schiebespiele beim Öffnen von Schatztruhen, sondern auch Tür-, Mauer- und Geländehindernisse, die nur über kooperatives Teamplay beseitigt werden können. Übrigens: Wer die Schatztruhen-Rätsel nicht mag, kann die Truhen diesmal auch einfach zerstören, bekommt dafür jedoch nur beschädigte oder minderwertige Gegenstände.

Dynamisches Duo

Zum ersten Mal in der Reihe seid ihr knapp 80% des Abenteuers zu zweit unterwegs. Ihr könnt jederzeit auf Knopfdruck die Figuren wechseln und dem computergesteuerten Partner Befehle über das Digikreuz geben: Dann geht er aggressiv in die Kämpfe, zieht sich zum Erholen zurück, folgt euch oder nutzt eine Spezialfähigkeit. Selbst mitten im Kampfgetümmel läuft der Wechsel problemlos. Das liegt auch daran, dass die Kamera im offenen Gelände endlich freier justierbar ist; ihr könnt sogar in eine Egosicht schalten, um die Gegend zu erkunden. Nur in engen Gassen bleibt euch das Drehen verwehrt: Ab und zu gibt es dann Übersichtsprobleme, die euch blind zuschlagen lassen. Hier muss der Test noch zeigen, inwiefern sich das auf Dauer negativ bemerkbar macht.

Im Laufe des Spiels könnt ihr in fünf Charaktere schlüpfen, die alle mit eigener Story, eigenen Kampfstilen und Eigenschaften aufwarten: Im Zentrum steht der gehörnte Blondschopf Soki, der aufgrund seines Samuraistils am ehesten an

Macht euch auf üppige Explosionen und Magie in allen Facetten gefasst - Ninjabraut Jubei ist im Funkenmeer kaum zu erkennen.
Samanosuke erinnert. Später kommen die flinke Ninjadame Jubei, der mit Fäusten kämpfende Roberto, die Schusswaffenexpertin Ohatsu sowie der mysteriöse Tenkai mit seinem Doppelspeer hinzu. Je nachdem, wie lange ihr mit einem Helden unterwegs seid, stärkt sich das Freundschaftsband - ab einem bestimmten Punkt kann er dann einzigartige Gegenstände für euch herstellen.

Dawn of Dreams serviert euch eine üppige Charakter-Entwicklung, die an Rollenspiele erinnert: Ihr könnt jeden der fünf Helden in den drei Bereichen Angriff, Verteidigung und kritische Treffer aufwerten. Jeder dieser Bereiche bietet wiederum eine Hand voll Unterpunkte wie Attacke, Finisher, Wurf oder Tritt.

Das Schöne ist: Verteilt ihr z.B. drei Punkte auf die Attacke, öffnet sich vielleicht ein neuer Wirbelangriff, der noch mal verstärkt werden kann. So kann man sich quasi einen Helden nach Maß stricken. Allerdings dürft ihr hier nur dann Punkte verteilen, wenn ihr sie euch mit besonders elegantem Kampf und Komboketten verdient - stupides Draufloshämmern bringt auf lange Sicht nichts. Gerade das Ausprobieren neuer Angriffs- und Verteidigungstechniken sowie die Belohnung eines ausgefeilten Kampfstils dürfte auf lange Sicht unheimlich motivieren.

               

Fünf Helden gegen Tod & Teufel

Die Kulisse protzt vor allem mit Eis- und Feuerzaubern sowie großflächigen Explosionen. Im Vergleich zu früheren Spielen versinkt der Bildschirm hier schon sehr früh im Rauch- und Partikelregen. Ist das zu viel des Guten? Das kommt darauf an, ob Capcom die schweren Effekt-Geschütze, die schon zu Beginn aufgefahren werden, im weiteren Verlauf noch toppen oder geschickt variieren wird. Man kann auch über das Figurendesign

Der Spanier Roberto geht am liebsten mit Hut und Faust in den Nahkampf. Sein Beat'em Up-Stil ist der größte Stilbruch innerhalb der Serie. Ob er trotzdem gut ankommt?
und insbesondere den Beat'em Up-Stil von Roberto streiten, an dem übrigens das Street Fighter-Team mitgewirkt hat: Von hinten sieht er aus wie ein Windelträger, er trägt eine schwarze Melone und prügelt sich wie ein Boxer durch - interessant und skurril oder lächerlich und albern? Der Europäer dürfte die Fans spalten, aber ist für das Weiterkommen unverzichtbar.

Jeder Kämpfer ist der Schlüssel für einen bisher unerreichbaren Levelabschnitt: Die eine kann durch Löcher kriechen, der andere kann Felsen wegsprengen, sich am Kletterhaken über Abgründe schwingen oder die Stimmen der Toten nutzen, um Hinweise zu bekommen. Oftmals muss man auch über geschickten Figurenwechsel den richtigen Hebel oder Gegenstand finden, um Türen zu öffnen. Das sind die wichtigen Ruhephasen nach dem Sturm der Schwerter.

Man wird mit dem richtigen Partner nicht nur Rätsel knacken und neue Abschnitte entdecken, sondern auch Bossmonster mit Teamattacken ins Schwitzen bringen: Wenn man geifernden Riesenkäfern oder 20 Fuß großen Dämonen begegnet, sollte man sich gut überlegen, wen man mit in den Kampf nimmt. Schließlich kann Ohatsu aus der Distanz Granaten abfeuern, während Jubei eher mit schnellen Kontern glänzt und Tenkai gleich ganze Gegner auf seine Seite hext. Dieser im Mönchsstil kämpfende Charakter mit dem weißen Haar gehört zu den interessantesten der fünf.

Enormer Umfang

Ohatsu lässt es krachen und die Genma tanzen: Sie ist die Meisterin der Schusswaffen und Granaten. Nur ihre Feuerkraft kann manche Hindernisse pulverisieren.
Nicht nur die Spielzeit, auch das Angebot an Zwischensequenzen kann sich sehen lassen: Satte zwei bis drei Stunden der Story werden in erstklassigen Filmen präsentiert, die jedem Kämpfer Persönlichkeit einhauchen. Ihr könnt zudem jede Figur zu ihrer Vergangenheit oder der aktuellen Situation befragen - manche geben hilfreiche Tipps. Obwohl die Erzählung etwas spröde in Gang kommt, gewinnt sie aufgrund der Berührungspunkte mit früheren Onimusha-Teilen sowie der emotionalen Beziehungen unter den Helden durchaus an Fahrt.

Ist man die ersten Stunden noch skeptisch, wird spätestens beim tragischen Auftritt von Ohatsu die Neugier geweckt und der erste verzwickte Bosskampf entfesselt - eine wirklich gelungene Inszenierung. Hier muss allerdings erst der Test zeigen, wie das Verhältnis von oberflächlichen Soap-Szenen und epischer Dramatik ausfällt, wie gut das Schicksal der neuen Figuren in den Plot geflochten wird. Auch der kleine Helfer in eurem Hauptquartier, der wie ein pummeliges Stofftier an der Leine von der Decke hängt und euch immer wieder Tipps gibt, stellt selbst hart gesottene Fans auf die Kitschprobe...

Trotzdem lässt das Abenteuer die Motivationsmuskeln spielen. Satte Spielzeit, komplexes Charaktermanagement, fünf  Kampfstile - schon jetzt ist klar, dass der Umfang der große Trumpf von Dawn of Dreams sein wird: Es gibt 20 Waffen, die frei austausch- und aufrüstbar sind, sowie 100 kombinierbare Gegenstände vom Kraut über Öl bis hin zur Eidechse. In den richtigen Händen entstehen daraus z.B. Heil- oder Manatränke. Einzigartige Waffen oder Rüstungen bekommt ihr, wenn ihr Kistenrätsel löst oder in speziellen Herausforderungen gegen die Zeit gut abschneidet: In diesen "Tests of Valor" gilt es, Feinde gegen die Uhr zu vernichten. Wer hier nicht auf Anhieb so gut abschneidet, kann es päter noch mal versuchen oder beim Händler Ausrüstung kaufen und verkaufen - allerdings sind diese dann nicht so mächtig.

          

Ausblick

Holt mal tief Luft: fünf spielbare Charaktere, Kampf im Duett, knapp zwei Dutzend aufrüstbare Waffen, Handel mit und Kombination von 100 Gegenständen, insgesamt 30 - 40 Stunden Spielzeit, davon zwei bis drei Stunden Zwischensequenzen. Puh, da muss man erstmal durchatmen. In Sachen Umfang und Neuerungen kann sich Onimusha - Dawn of Dreams wahrlich sehen lassen. Auch die rasanteren Kämpfe gefallen mir, weil sie sehr viel Taktik und Timing verlangen. Wenn die Katana singt, glüht die Kulisse: Explosionen, Eisblitze und Feuerwalzen verwandeln den Bildschirm schnell in ein Farbenmeer. Aber sieht man sich an diesem Effekt-Overkill irgendwann satt? Bleiben die Kämpfe anspruchsvoll? Mal abwarten. Als Europäer muss man jedenfalls resistent gegen Kitsch und Pathos sein, denn ab und zu gleitet die verzwickte Story in naive Untiefen ab. Das Abenteuer kommt erzählerisch recht schleppend in Gang, weckt aber plötzlich mit dem Auftritt des dritten Charakters wieder die Neugier: Hier will man wissen, was es mit der Beziehung zwischen Soki und Ohatsu auf sich hat. Eine weitere spannende Frage wird sein, ob die pseudohistorische Story nach fünf Stunden weiter an Dramatik gewinnt. Trotz all dieser Ungewissheiten bleibt festzuhalten: Die komplexe Charakterentwicklung, die Vielzahl an Helden und vor allem der Klingentanz im Team sorgen für angenehm frischen Wind im Onimusha-Universum.                                                           


Ersteindruck: sehr gut

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