Canis Canem Edit01.09.2006, Paul Kautz
Canis Canem Edit

Vorschau:

Rockstar Games – damit verbinden die einen geschmacklich vielleicht grenzwertige, aber schweinecoole Spiele, die vom Missionsdesign, der Spielewelt und der Atmosphäre her ungeschlagen sind. Die anderen sehen in dem Kultentwickler das personifizierte Böse, den Untergang des Abendlandes und/oder den Grund für all das Übel in dieser Welt. Und just dieses Unternehmen hat nun ein Spiel in Arbeit, das schon allein aufgrund seines ehemaligen Titels Bully, der Ärger an einer Schule suggeriert, eine Welle der Empörung ausgelöst hat. Ach, hätten die Zeter und Mordio-Schreier es nur mal anspielen können – wir konnten es!

Die gute alte Schulzeit

Das Leben ist nicht gut zu Jimmy Hopkins: Der etwas dickliche, leicht an einen jungen Wayne Rooney erinnernde Teenager ist bis jetzt von jeder Schule geflogen, die Mutter heiratet gerade zum fünften Mal, der reiche Stiefvater kann mit dem klugscheißenden Burschen nichts anfangen - und steckt ihn kurzerhand in die runtergekommene

Willkommen an der Bullworth Academy - Jimmy verlebt hier ein Schuljahr voller Chaos und Ärger!
»Bullworth Academy«, um direkt danach in die langen Flitterwochen zu zischen. Im Internat angekommen kassiert Jimmy gleich mal Begrüßungsdresche, was aber letzten Endes nichts anderes ist, als das geschickt eingefädelte Tutorial. Denn mit dem klassischen GTA-Design hat Canis Cenem Edit (CCE; vormals Bully) nur zum Teil zu tun, euch erwarten darüber hinaus noch Einflüsse aus Beat-em-Ups wie The Warriors und Funsportgames wie der Tony Hawk-Reihe. Ihr könnt Schläge, Tritte und Würfe austeilen und kombinieren (was übrigens komplett unblutig abläuft), im Laufe der Zeit lernt ihr auch neue Angriffsmanöver, außerdem könnt ihr Mülltonnendeckel, Murmeln oder Steinschleudern als Waffen benutzen. Darüber hinaus gibt es noch Finishing Moves - etwa eine gepfefferte Erniedrigung des Gegners.

Ist CCE also ein Prügler? Nein, vielmehr ein ironischer, von tiefschwarzem Humor durchzogener Blick aufs Schulleben: Ihr durchlebt ein ganzes, in fünf Kapitel unterteiltes Schuljahr. Ihr schließt Freundschaften, tretet unterschiedlichen Cliquen bei, flirtet mit Mädchen, nehmt am Unterricht teil und liefert euch Fahrradrennen. Die Missionen folgen dem GTA Prinzip: Nach einer ausführlichen Echtzeit-Zwischensequenz geht es direkt in den Auftrag, der euch über den gesamten Campus und in das dazu gehörige Örtchen führt - je nach Kapitel gibt es mehr erkundbare Umgebungen, das gesamte Areal ist aber deutlich kompakter als z.B. noch bei San Andreas. Klar, denn die meiste Zeit seid ihr zu Fuß unterwegs, wobei ihr allerdings auch

Um eure Füße zu schonen, könnt ihr auch Fahrrad, Skateboard oder Bus benutzen, um schnell von A nach B zu kommen.
kurzzeitig rennen könnt. Wollt ihr eure Sohlen schonen, dürft ihr aber auch auf Skateboard oder Fahrrad ausweichen und wie dereinst Tony Hawk & Co. schnell zwischen Board und Laufen wechseln - selbst kleinere Tricks sind damit möglich. Auf dem Veloziped erwarten euch auch erwähnte Rennmissionen, etwa ein von grooviger, dieses Mal nicht lizenzierter, sondern hausgemachter Musik unterlegter Wettbewerb, um das Herz von Lola zu gewinnen - einer Flamme von Jimmy. Wie seinerzeit bei Road Rash könnt ihr während der Fahrt nach euren Kontrahenten schlagen oder sie mit Eiern bewerfen. Für jede erfüllte Mission kassiert ihr nicht nur Items oder etwas Geld, sondern auch Respekt, der euch bei den im Spiel vertretenen Cliquen nutzt oder schadet - ihr lernt mit der Zeit nicht nur Schläger, sondern auch Nerds oder Fifties-Fans (mit entsprechender Schmalzlocke) kennen.                  

Flirten oder am Zopf ziehen?

Um dem Anspruch des Schulalltags gerecht zu werden, tickt im Spiel immer die Uhr: Zu bestimmten Zeiten solltet ihr im Unterricht sein. Tut ihr das nicht, müsst ihr damit rechnen, vom Direktor oder einem Aufpasser gnadenlos verfolgt zu werden. Das hat darüber hinaus noch den Nachteil, dass ihr z.B. verpasst, wie man Feuerwerkskörper herstellt - das dazugehörige Minigame erinnert stark an die Rhythmus-Tanzeinlagen aus San Andreas. Wird es dunkel, solltet ihr außerdem langsam die Heia aufsuchen. Pfeift ihr auf den Schlaf, fangt 

Und ewig lockt das Mädchen: Im Laufe des Spiels brecht ihr einige Herzen.
ihr irgendwann ermattet an zu torkeln, bis ihr schlussendlich übermüdet zusammenbrecht. Das weckt nicht nur den Argwohn des Direx, sondern erhöht das Risiko, während des heilsamen Schlummers von niederträchtigen Mitschülern ausgeraubt zu werden! Darüber hinaus könnt ihr Schuleigenheiten für euch nutzen: Werdet ihr mal von einem wütenden Schülermob verfolgt, lohnt es sich, in die Richtung eines Aufpassers zu flüchten - in seiner Nähe habt ihr vor den Bullies kurzzeitig Ruhe. Natürlich habt ihr teilweise selbst im Griff, wie nett oder fies die Umgebung auf euch reagiert: Ihr könnt mit den meisten Mitschülern ein kurzes Schwätzchen führen, in dem ihr entweder freundlich oder großkotzig auftretet - außerdem steht es euch noch frei mit Mädchen zu flirten oder Nerd ein »Kick me!«-Schild auf den Rücken zu kleben.

Wie für Rockstar-Games üblich, steht die Story auch bei CCE im Vordergrund: Ihr lernt Freunde kennen, die sich schließlich als eure Feinde entpuppen, trefft jede Menge skurrile Gestalten, rettet Mitschüler unter Zeitdruck vor fiesen Übergriffen und besorgt Lebensmittel sowie einen Rasierapparat für die Schulköchin, die Hygiene für etwas hält, das anderen Leuten passiert. Neben den Standardaufträgen gibt es auch Schleichmissionen, etwa wenn ihr für einen leicht gestörten Lehrkörper aus dem benachbarten Mädcheninternat getragene Slips klauen müsst. In regelmäßigen 

An der Schule gibt es viele Cliquen - denen ihr euch anschließen oder die ihr euch zum Feind machen könnt!
Abständen erwarten euch auch »Bossfights« - etwa gegen den bärenstarken Schultrottel. Für manchen Auftrag müsst ihr euch auch in neue Schale werfen: Im Städtchen warten viele Läden, in denen ihr nicht nur neue Klamotten und Haarschnitte, sondern etwa auch Blumen bekommt, mit denen euch die Herzen der Mitschülerinnen nur so entgegenfliegen. Zwischen den Aufgaben gibt es hervorragend animierte Echtzeit-Zwischensequenzen mit coolen, witzigen und völlig bekloppten Dialogen, die die üblich direkte Rockstar-Sprache sprechen.

Die Technik, so weit sie sich bisher einschätzen lässt, übertrumpft in Sachen Animation, Detailgenauigkeit und ganz besonders Feinheit der 3D-Modelle jeden GTA-Teil - keine Klobhände, keine Eckschultern weit und breit. Ohne Ruckler und Zuckler trabt ihr über den Campus, erfreut euch an netten Lichteffekten und verfolgt das Leben der autonom agierenden NPCs. Aber natürlich spielt sich das Ganze immer noch auf Konsolen dieser Generation ab, genauer gesagt nur auf der PS2 - die angekündigte Xbox-Version wurde rückstands- und kommentarlos eingestampft.         

Ausblick

Canis Canem Edit kam aus dem Nichts: Keine Ankündigung, kein Pressetermin - und dann war es mit einem mal spielbar auf der GC! Und gleich so großartig: Die generelle Missionsstruktur aus den GTA-Teilen gesellt sich zum lässigen Kampfsystem aus The Warriors, alles vereint in einem frischen Szenario unter dem Deckmantel des gewohnt grimmig-schwarzen Rockstar-Humors - saucool, und erfrischend gut spielbar! Ob Schulhofprügelei, Radrennen oder Schleichmission, mit denen ich normalerweise ungefähr soviel anfangen kann wie ein Biber mit einem Pilotenschein: alles ging locker von der Hand und machte verdammt viel Spaß - wenn das Spiel selbst einen Rockstar-Abstinenzler wie Michael überzeugen kann, dann muss was dran sein. Jetzt muss sich nur noch zeigen, wie gut die Story all die gelungenen Einzelteile unter sich vereinen kann.

Ersteindruck: sehr gut

 

Ich gebe zu: Ich kann mit Rockstars GTA-Serie nicht sonderlich viel anfangen. Vor allem das Yo-Man-Szenario des vierten Teils hat mich überhaupt nicht angesprochen, auch wenn mir manche anderen Spieler davon vorschwärmen, wie prächtig sich noch die Story entwickelt. Aber CCE hat mich von der ersten Minute fasziniert! Die oft in pechschwarzem Humor getränkten Dialoge sind ein echter Brüller und auch die Missionen scheinen genügend Abwechslung zu bieten, so dass selbst ich es kaum erwarten kann, endlich wieder die Schulbank zu drücken, mit süßen Mädels zu flirten und den Lehrern sowie Mitschülern fiese Streiche zu spielen. Neben der für PS2-Verhältnisse hervorragenden grafischen Aufmachung konnte ich mich vor allem für den Soundtrack begeistern, der nach den ersten Ausflügen auf dem Campus schon seine Ohrwurmqualitäten offenbart.

Ersteindruck: sehr gut   

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