Special: Assassin's Creed: Brotherhood (Action-Adventure)

von Benjamin Schmädig



Spielemusik der Renaissance
Entwickler:
Publisher: Ubisoft
Release:
18.11.2010
17.03.2011
15.01.2013
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Im Vergleich zur ausgewachsenen Filmmusik macht die Spielemusik gerade ihre ersten Schritte durch die Welt der Orchester und Synthesizer. Bei aller Liebe: Die Soundtracks des jungen Mediums kopieren oft nur, was sich im Kino bewährt hat - meist eine Klasse schlechter als ihre Vorbilder. Man sieht es daran, dass man mit geschlossenen Augen nur selten die Handschrift eines Videospiel-Komponisten raushören kann. Zu wenige Ausnahmen bestätigen die Regel. Der Däne Jesper Kyd ist eine solche Ausnahme.

Ansprechend Altmodisch

Das Medium Videospiel muss sich erst noch selbst finden. Wie ist es sonst zu erklären, dass seine Soundtracks oft nur Kinoklänge imitieren? Die Beschränkungen der 8Bit-Zeiten, in denen Chris Hülsbeck unverwechselbare Spielemusik schrieb, sind längst vorüber und seitdem fehlen die einzigartigen Impulse, mit denen sich die interaktiven Kompositionen

von denen der Leinwand abheben. Die knarzigen MOD-Klänge von einst mussten der Synthesizer-Klaviatur weichen, die auch Hans Zimmer und Familie dient. Aber noch sind sie nicht vollständig von der Bildfläche verschwunden. Denn so viel sich technisch auch getan haben mag: In der Musik von Jesper Kyd lebt der Geist der alten Schule weiter.

Schon in seinen Arbeiten zu Hitman sowie den Vorgängern von Assassin's Creed: Brotherhood brachte Kyd den altmodischen Klang der Elektro-Musik vor der Jahrtausendwende mit dem eines Orchesters zusammen. Seine Zutaten sind also die der Zimmer-Schule; allerdings lässt er sie rau und ungeschliffen klingen. In seinen besten Momenten klingt Brotherhood deshalb eindringlich ungemütlich.

Ein schwerer Titan

Schon das erste Stück marschiert behäbig wie ein Denkmal in die Ohren: Die Percussion lauert nur kurz im Hintergrund, bevor ein Solist jene unheilvolle Atmosphäre in Schwingung versetzt, die sich über den gesamten das Soundtrack erstrecken wird. Die Streicher werden in schnellen Intervallen kurz angerissen, der Chor flüstert leise im Hintergrund - wie ein schwerer Titan bäumt sich die Musik langsam auf. Diese Stimmung des Erhabenen und Erfurcht Gebietenden zieht sich durch das gesamte Album. Das synthetische Orchester spielt immer gerade so schräg, als hätten mystische oder außerirdische Mächte ihre Finger im Spiel. Stücke wie »Brotherhood of the Assassins« könnten einen Horrotrip begleiten, die tiefe Orgel in »Borgia (The Rulers of Rome)« könnte den Showdown eines Dan Brown-Thrillers einleiten.

Geschickt setzt Kyd mit unterschiedlichen Instrumenten Akzente - Gitarre und Klavier erzeugen ruhige Momente, schräge Violinen und kratzige Percussion sorgen für Reibung, Orgel und Chor bestimmen das steinerne Bild des vom Zerfall bedrohten alten Roms. Und Kyd scheut auch nie davor zurück, den virtuellen Schauplatz mit offensichtlichen elektronischen Klängen abzustecken. In »Infiltrating the Borgia Castle« kratzt Kyd etwa wie ein DJ auf den »Plattentellern« einiger Instrumente, so dass die Spannung zum Zerreißen scheint.

Die ganz große Musik?

Insgesamt fehlt seinen Musikbausteinen aus dem Computer allerdings die Wärme eines echten Orchesters. Vielleicht täte der Komponist gut daran, mit den Mitteln der Neuen Musik ungewöhnliche Objekte als Instrumente zu verwenden. Genauso gut könnte er die Instrumente eines realen Orchesters zweckentfremden, um den Arrangements seinen Stempel aufzudrücken.

Ausgangspunkt dieser Besprechung ist der Soundtrack wie er der Codex Edition beiliegt.

Die Stücke »Borgia Occupation«, »Infiltrating the Borgia Castle«, »Rome Countryside« sowie der Assassin's Creed II-Bonustitel befinden sich nicht auf der iTunes-Veröffentlichung. Diese enthält dafür »Flags of Rome« und das ausgesprochen stimmungsvolle »Apple Chamber« exklusiv.
Würde der Däne sein Gespür für einzigartige elektronische Musik mit dem Klang eines Orchesters vereinen, könnte er ein Vorreiter für moderne Spielemusik sein. So fehlen einem seiner besten Soundtracks noch das Eindringliche und die Emotionen der ganz großen Musik.

Und wie viele Alben muss auch Assassin's Creed: Brotherhood etwa zur Hälfte Feder lassen, weil es das Gesetz der Hörgewohnheit verlangt, dass die einprägsamsten Titel zu Beginn gespielt werden. Zwar werden die Stücke nicht schlechter - sie begleiten später aber fast durchgehend ruhige, spannungsärmere Momente, die Gefahr laufen überhört zu werden. Erst nachdem »Desmond Miles« und »VR Room« den Soundtrack gefühlvoll ausklingen lassen, setzt der Komponist noch mal an, als hätte es die letzten 20 Jahre nicht gegeben: Der temporeiche Bonustitel zu Assassins Creed 2 klingt wie ein Jesper Kyd zu besten Amiga-Zeiten.

Im Gegensatz zu so vielen anderen hat der dänische Komponist nicht vergessen, wo seine Wurzeln liegen. Natürlich hat er sich entwickelt - Jesper Kyd steht heute nicht nur für Elektro-Pop, sondern für ein synthetisches Orchester, welches das Beste der Videospiel-Elektronik mit dem Symphonischen vereint. Ungeschliffene Bässe und künstliche Geräuschwelten treffen auf Streicher und sakrale Chöre. Assassins Creed ist dabei der perfekte Nährboden für seine Arbeit, denn während der Held durch den Cyberspace wandelt, treffen Kyds elektronische Klänge atmosphärisch voll ins Schwarze. Es geht nicht nur um den Stil: Auch die Art und Weise, mit der Kyd seinen erhabenen Melodien durch schräge Tonfolgen eine zweite Ebene verleiht, ist bemerkenswert. Noch fehlen ihm die einprägsamen Melodien, die Finesse eines voll ausgebildeten Komponisten. Und würde er mit realen Instrumenten arbeiten, könnte seine Musik endlich auch das Herz ansprechen. Jesper Kyd ist vielleicht noch nicht am Ziel. Assassin's Creed: Brotherhood ist allerdings ein eindrucksvolles Beispiel für echte Videospiel-Musik!

Einschätzung: sehr gut
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Kommentare

Normandy schrieb am
Naja, find den AC OST jetzt nicht schlecht, aber auch nicht so berauschend... Für mich ist der mit Abstand beste Soundtrack der der Mass Effect Saga. Egal obs jetzt "Suicide Mission" oder "Normandy Reborn" ist. Ich persönlich find ihn eindrucksvoller, epischer und emotionaler. Aber vermutlich empfindet auch nicht jeder jedes Musikstück gleich. Von daher ists Geschmacksache wie bei vielem anderen auch. ;)
nitrouz92 schrieb am
City of Rome hat irgendwie was beruhigendes. The Brotherhood Escapes finde ich aber auch etwas besser, das klingt einfach episch.
Sylarx schrieb am
claudiaca hat geschrieben:Ist zwar merkwürdig, aber ich hör das unheimlich gern beim Abwaschen :lol:
"City of Rome" könnte ich dabei in Dauerschleife hören - was ich gelegentlich auch tue
bei mir ists eher "The Brotherhood escapes" aber City of Rome is auch gut
claudiaca schrieb am
Ist zwar merkwürdig, aber ich hör das unheimlich gern beim Abwaschen :lol:
"City of Rome" könnte ich dabei in Dauerschleife hören - was ich gelegentlich auch tue
schrieb am

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