The Unfinished Swan22.08.2012, Benjamin Schmädig
The Unfinished Swan

Special:

Auch zur kreativen Überaschung der E3 zeigte Sony in Köln nichts Neues: Der Creative Director des Independent-Spiels, Ian Dallas, präsentierte lediglich zwei in Los Angeles bereits spielbare Abschnitte. Wir konnten uns allerdings mit dem Entwickler unterhalten, dessen Studienprojekt fast über Nacht zu einem erhofften Indie-Hit avancierte. Was treibt den jungen Spielemacher an? Welche Spiele will er erschaffen? Und wie steht er zu den großen Abenteuern etablierter Serien?

4Players: Ihr wollt zwar noch keine der späteren Spielelemente verraten...

Ian Dallas: Ja, wir versuchen es! [lacht]

4Players: Ich weiß! Aber kannst du zumindest einen Teil dessen anreißen, was noch passiert?

Sucht die Herausforderung: ehemaliger Student und inzwischen eine Kreativhoffnung für Sony, Ian Dallas.
Sucht die Herausforderung: ehemaliger Student und inzwischen eine Kreativhoffnung für Sony, Ian Dallas.

Dallas: Na ja, die Dinge entwickeln sich nicht so rosig für den König... Es gibt zwei Geschichten: die des Spielers, der die Welt als kleiner Junge erforscht und die des Königs, der diese Welt geschaffen hat und der ist ein selbstsüchtiger Bastard, weshalb seine Untertanen das Königreich verlassen haben. Deshalb nimmt die Geschichte im späteren Verlauf auch etwas dunklere Züge an.

4Players: Ist der König nur ein gewöhnlicher Gegner oder steckt mehr hinter der Figur?

Dallas: Am ehesten ist er wohl ein Abbild von mir. [lacht] Er ist so eine Art unscharfe biografische Skizze meiner eigenen Probleme. Er wollte etwas Großartiges erschaffen und hat eine Menge großartiger Dinge angefangen - aber nie etwas davon vollendet.

Abgesehen davon entspringt der König meiner Faszination für Diktatoren. Auf der einen Seite sind solche Menschen ganz schrecklich, auf der anderen Seite verhalten sie sich aber wie Kinder. Ich finde das gleichzeitig komisch und furchteinflößend. Es sind unheimlich faszinierende Persönlichkeiten.

Als Spielentwickler gab es mir schließlich einen Grund, z.B. ein riesiges Labyrinth zu entwerfen. So können die Spieler interessante Schauplätze entdecken.

4Players: Während der Präsentation hast du die Frage nach der Herausforderung schon damit beantwortet, dass sie gar nicht so sehr im Vordergrund stehe. Worum genau geht es in Unfinished Swan?

Dallas: Im Kern geht es um Neugier. Es geht darum, dem Spieler Werkzeuge zu geben, mit denen er experimentieren und Fragen stellen kann: "Was ist das da hinten und wie

"Wir wollten, dass man sich als Kind fühlt [...] dass man nachdenkt, indem man etwas ausprobiert und weiter experimentiert, wenn es nicht funktioniert."
"Wir wollten, dass man sich als Kind fühlt [...] dass man nachdenkt, indem man etwas ausprobiert und weiter experimentiert, wenn es nicht funktioniert."
kann ich dorthin kommen?" Die Ranken (siehe E3-Vorschau, Anm. d. Red.) kann man z.B. selbst wachsen lassen, um daran an neue Orte zu klettern. Technisch gesehen geht es um das Entdecken des Raums: Die Ranken sollen dazu anregen, dass man anders über den Raum nachdenkt als zuvor. Dieses Zurechtfinden steht im Mittelpunkt der meisten Elemente.

Normalerweise drehen sich Spiele wie FEZ, bei denen das Zurechtfinden im Raum ebenfalls wichtig ist, noch stärker um Rätsel. Was wir versucht haben, ist dass man aktiver in das Spiel einbezogen wird. In Braid - was ein beeindruckendes Spiel ist! - löst man viele Rätsel z.B. durch Nachdenken. Man probiert auch etwas aus, aber einen Großteil der Zeit verbringt man mit Nachdenken. Wir wollten, dass man sich als Kind fühlt, das wie mit seinen Spielsachen spielt - dass man nachdenkt, indem man etwas ausprobiert und weiter experimentiert, wenn es nicht funktioniert.

4Players: Du hast mehrfach gesagt, dass das Spiel erst nach und nach zu dem geworden ist, was es heute ist. Was war die ursprüngliche Idee und wie hat es sich dann entwickelt?

Dallas: Ursprünglich gab es nur das Element des weißen Raums und der Farbe. Der Beginn des Spiels gleicht dem anfänglichen Prototypen fast aufs Haar...

4Players: Und warum hattest du diesen Prototypen entwickelt?

Dallas: Ich war auf der Hochschule und musste jede Woche einen neuen Prototypen entwickeln. Ich war daran interessiert, wie sich Spieler durch einen Raum bewegen und das ist einfach einer dieser Prototypen. Es begann mit dieser coolen, seltsamen Idee. Ich mochte die Vorstellung, nicht zu wissen, was sich in diesem Raum befindet, dass alles möglich sei und dass man es selbst herausfinden müsse.

Am Anfang war es schwierig herauszufinden, wie wir daraus etwas Größeres machen könnten. Wir wussten nicht, dass wir da ankommen würden, wo wir heute sind - aber das Spiel hat sich schließlich wie von selbst entwickelt.Wir haben viel ausprobiert und während es Teile gab, die schlecht passten, gab es auch solche, die sich wie selbstverständlich eingefügt haben.

4Players: Für euch ist es also genau so ein Experiment wie für die Spieler.

Dallas: Ja, genau. Und es gleicht der Art und Weise, wie ich an ein Spieldesign herangehe: Ich finanziere damit sozusagen mein eigenes Forschungsprojekt, weil ich die Dinge umsetzen will, an denen ich selbst interessiert bin. Mich fasziniert das Entdecken und auf diesem Weg hatte ich die Möglichkeit, mich drei, vier Jahre meines Lebens damit zu befassen.

4Players: Gerade in aufwändigen Spielen fehlen häufig Möglichkeiten, die Welt zu entdecken. Hattest du den Vergleich zu großen Titeln im Hinterkopf oder ist es ein Zufall, dass sich dein Spiel damit befasst?

Dallas: Es ist mit Sicherheit etwas, das mich als Entwickler anspricht: Dass es etwas gibt, das mir wichtig ist, das es so aber noch nicht gibt. Was mich frustriert sind die auffälligen Ähnlichkeiten unter den großen Spielen. Es gibt so viele kreative Köpfe in den großen Teams und ich verstehe nicht, warum sie keine Experimente wagen. Die Spiele gleichen sich alle und ich schätze, es werden keine Experimente gewagt, weil die Spieler das nicht wollen oder es zumindest so aussieht, als wollen sie es nicht.

Für mich als unabhängiger Entwickler ist das klasse! Es gibt unzählige unerforschte Dinge und so lange man sich in diese Richtung bewegt, ist es für die Spieler spannend und sie unterstützen diesen Weg. Das macht die Arbeit wesentlich einfacher. Klar: Hoffentlich

"Es gibt so viele kreative Köpfe in den großen Teams und ich verstehe nicht, warum sie keine Experimente wagen."
"Es gibt so viele kreative Köpfe in den großen Teams und ich verstehe nicht, warum sie keine Experimente wagen."
erschafft man dabei etwas Gutes und hoffentlich erfüllt man die hohen Erwartungen! Aber es ist einfach großartig, wie viel Unterstützung man spürt. Viele sehnen sich nach neuen Erlebnissen, die ihnen die großen Teams einfach nicht anbieten.

4Players: Was wäre ohne Sony nicht möglich gewesen? Du hattest schon erklärt, dass sie euch viel Zeit gelassen haben, die Ranken zu perfektionieren...

Dallas: Dazu gehören viele Sachen, die wir noch nicht gezeigt haben. Selbst das Verteilen der Tinte am Anfang: Wir wollten, dass die Kleckse nicht irgendwann verschwinden. Wenn ich dieses Problem alleine hätte lösen müssen, hätte mich das ein halbes oder ganzes Jahr gekostet. Ganz allgemein hätte die Entwicklung länger gedauert und das Spiel wäre kürzer gewesen. Es hätte weniger Spielelemente gegeben - um eine ständige Neugier zu wecken, müssen wir aber immer wieder neue Elemente hinzufügen.

4Players: Im übertragenen Sinn folgt Unfinished Swan den Fußspuren von Journey, die Erwartungen sind deshalb vergleichsweise hoch. Fühlst du dich dadurch unter Druck gesetzt?

Dallas: Bis jetzt ist es großartig, dass die Leute das Spiel in gewisser Weise mit Journey vergleichen. Was uns Auftrieb gibt, sind die vielen Leute, die diese Art Spiel vor fünf Jahren vielleicht nicht spielen wollten, die inzwischen aber gute Erfahrungen mit Flower, Journey und anderen Spielen gemacht haben. Sie sind jetzt schon begeistert und freuen sich darauf, etwas Neues kennenzulernen. Das macht es uns auf jeden Fall leichter.

4Players: Welche Spiele hast du in den vergangenen Jahren selbst gerne gespielt?

Dallas: Das ist eine schwierige Frage, da ich zuletzt viel an Unfinished Swan gearbeitet hab. Das letzte Spiel, das mich beeindruckt hat war Dark Souls. Es gibt zahlreiche Elemente, die perfekt ineinander greifen, um der Welt einen sehr gewichtigen Eindruck zu verleihen: Alles in dieser Welt ist mit einem Kraftaufwand verbunden - aber auf interessante Art und Weise. Allein die Art und Weise, wie sich die Figur bewegt, wenn sie eine Rüstung trägt oder die Zeit, die man benötigt, eine Hellebarde zu schwingen und die Tatsache, dass man dabei an einer Wand hängen bleiben kann. Selbst wenn es diese Art Spiel schon gegeben hätte: Das kleine Entwicklerteam bringt die Bausteine außerordentlich gut zusammen.

4Players: Und welche Spiele würdest du am liebsten selbst entwickeln?

Dallas: Ich mag Herausforderungen. Ich würde gerne Neuland betreten, z.B. mit einem Spiel, in dem man sich Unterwasser in kompletter Finsternis befindet. Solche und andere Spiele sind für mich als Entwickler interessant und ich glaube, sie sind es auch für die Spieler.

4Players: Vielen Dank für das Interview!

 
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