Amplitude08.01.2016, Mathias Oertel

Special: Rhythmus-Spiele im Wandel der Zeit

Spiele wie Guitar Hero oder Rock Band haben mit motivierenden Mechanismen sowie der kennzeichnenden Zusatzhardware die Partys von Videospielern bestimmt. Doch wie und seit wann haben Musik- und Rhythmus die Spielelandschaft geprägt? Wir werfen einen Blick zurück und stellen die wichtigsten Titel vor, wobei ein Entwickler sehr oft auftaucht.

Der analoge Urahn und die digitalen Babyschritte

Ein kennzeichnendes Merkmal von Rhythmusspielen ist die Anforderung, zur richtigen Zeit die richtige Taste zu drücken. Entweder sofort wie bei den modernen Musikspielen, bei denen Noten auf dem Bildschirm auftauchen. Oder aber, indem man eine Sequenz vorgegeben bekommt, die man dann akkurat nachspielen muss. Und diese Idee hat ihren Ursprung in einem elektronischen Spielzeug, das 1978 herauskam: Senso, das im Ausland auch als Simon bekannt ist. Vier farbig leuchtende Tasten geben zusammen mit einem akustischen Signal die Reihenfolge vor. Die Geschwindigkeit, in der man die "Antwort" gibt, spielt dabei zwar keine Rolle, doch unter dem Strich kann man Senso als den Neanderthaler der

Kaum zu glauben: Mit diesem Gedächtnistest wurde der Grundstein für Rhythmusspiele gelegt.
Rhythmusspiele betrachten.

Die Tanzmatte als Fitness-Objekt

1987 wurde von Nintendo, seit jeher für Experimente jeglicher Art bekannt, das von Human Entertainment entwickelte Dance Aerobics veröffentlicht. Auf der Matte (!), die als Kontrollgerät zwingend erforderlich war, musste man den Vorgaben eines Aerobiclehrers folgen und konnte in einem freien Modus sogar eigene Musikstücke "komponieren". Wie so oft war Nintendo seiner Zeit damit weit voraus: Erst etwa zehn Jahre später sollte das Konzept der Controller-Matte von Konami aufgegriffen werden.

PaRappa the Rappa: Ein Star wird geboren

PaRappa the Rappa griff das Senso-Prinzip auf und unterlegte es mit Musik.
Das erste "richtige" Rhythmus-Spiel, bei dem man zur Musik die richtigen Tasten drücken musste, um am Ende wenigstens eine gute Wertung zu bekommen, erschien 1996 auf der PlayStation: PaRappa the Rapper. Angetrieben von einem famosen Comic-Artdesign sowie einem treibenden Hiphop-Soundtrack, der sich jedoch nicht allzu ernst nahm, kam in den gerade mal sechs Stufen schnell Spaß auf: Klar, ein rappender Kampfsportlehrer in Form einer Zwiebel oder eine Hiphop-Sonnenblume sind nicht alltäglich. Das Spiel konnte sich weltweit beinahe zwei Millionen Mal verkaufen und wurde von der Kritik gefeiert. Das Spinoff UmJammer Lammy (1999) und die Fortsetzung PaRappa the Rapper 2 (2001) auf der PlayStation konnten nicht mehr ganz an diese Erfolge anknüpfen. Unter anderem auch, weil dieses frische Genre andere Entwickler auf den Plan rief, die ihrer Kreativität freien Lauf ließen. Parallel zu PaRappa 2 veröffentlichte Koei mit Gitaroo Man eine interessante Variante des Knopfdruck-Prinzips, indem man zusätzlich zu Tasten mit einem Stick die Richtung der Notenspur verfolgen musste.

Mit Ulala in Space Channel 5 auf Alienjagd gehen: Eines der Dreamcast-Highlights.
Das Konzept, Knöpfe im Rhythmus zur Musik zu drücken, hat bis heute Bestand, wurde im Lauf der Zeit u.a. in Boom Boom Rocket von Bizarre Creations adaptiert (360, 2007), dadurch verfeinert, dass man die Vorgaben ad hoc statt mit Takt-Vorlauf erfüllen muss und hat zuletzt mit Hatsune Miku erneut Erfolge gefeiert (u.a. Project Diva F 2nd, PS3, 2014). Doch das Genre konnte lange vor dem Vocaloid-Sternchen einen weiblichen Star begrüßen: Ulala, ihres Zeichens Reporterin und Heldin der Space-Channel-5-Serie, die 1999 und 2003 unter der Leitung von Tetsuya Mizuguchi entstand und die auch noch auf das "Ich-sagse-vor-du-machst-nach-Prinzip" von Senso setzte.

Konami Bemani: Die Hardware-Freaks

Konamis Bemani-Division stellt coole Hardware in die Spielhallen.
Nur ein Jahr nach PaRappa stieg Konami auf den Rhythmus-Zug auf und veröffentlichte sowohl auf Sony-Konsolen als auch in den vornehmlich japanischen Spielhallen eine ganze Armada an hardwarebasierten Rhythmus-Spielen: In Beatmania (1997), das sowohl auf den frühen Sony-Systemen als auch in den Arcades zahlreiche Fortsetzungen bekam, hatte man ein Keyboard mit fünf Tasten (später sieben) sowie eine Art Plattenteller  zur Verfügung, um passend zur Musik den richtigen Knopf zur richtigen Zeit zu aktivieren. Die Serie war so erfolgreich, dass Konami seine Musik-Division in Bemani umbenannte, die fortan auch für die anderen Musikspiele verantwortlich war: In Guitar Freaks (1998) hatte man eine Plastikgitarre mit drei Tasten zur Verfügung und konnte über einen Drehregler den ausgegebenen Sound mit Chorus usw. manipulieren. Drummania (1999) setzte die Spieler hinter ein fünfteiliges Drumkit. Und in Keyboardmania (2000) konnte man was? Richtig! Ungewöhnlich war jedoch, dass man in eine Super Session bestimmte Serienableger miteinander verbinden konnte. Ebenfalls von Bemani kam 1998 Dance Dance Revolution, welchses das Matten-Konzept wiederbelebte und zu neuem Ruhm führte: Die Tanzmatte im heimischen Wohnzimmer oder der Spielhalle war sowohl für die Aktiven als auch für die Zuschauer ein Unterhaltungsgarant, der sich bis heute seine Faszination bewahrt hat - auch dank der Unterstützung von Konami, die die bislang letzte Edition 2014 in die Spielhallen stellten.

Vib Ribbon: Musikalischer Hüpfer

Diese Liste wäre nicht vollständig ohne das 1999 erschienene Vib Ribbon. Die PaRappa-Macher von NanaOn-Sha kreierten ein Jump & Run auf der PlayStation, in dem die abstrakten Abschnitte, zu denen man rhythmisch hüpfen musste, von der Musik gebildet wurden. Man konnte sogar seine eigenen Musik-CDs einlegen und auslesen lassen, so dass theoretisch ein unendlicher Levelnachschub gewährleistet war. Die Pionierarbeit hat sich aber erst vor kurzem richtig ausgezahlt: Jetzt, etwa 20 bis 25 Jahre nach Vib Ribbon, nutzen viele PC-Spiele wie Audiosurf, Symphony oder Drive Any Track ein ähnliche Konzept, um Level in diversen Genres zu generieren. Dennoch steckt diese Technik immer noch in den Kinderschuhen und lieferte nicht immer optimale Ergebnisse.

Konga de Amigo: Der Hardware-Wahn

Ein Affe und Maracas reichen in Samba De Amigo für coole Unterhaltung.
Schnell wurde den Entwicklern und Publishern auch abseits von Konami klar, dass mit einem verbesserten haptischen Erlebnis die Immersion deutlich höher ist  abgesehen davon, dass mit einer speziellen Hardware auch ganz andere Anforderungen an den Spieler gestellt werden können, was wiederum zu einem frischen Erlebnis führt. Und wie schon bei Space Channel 5 war Sega ganz vorne mit dabei: Vom Sonic Team um Yuji Naka kam Ende 1999 Samba De Amigo zuerst in die Spielhallen, dann auf Dreamcast. Zwei Maracas mussten nicht nur im richtigen Takt geschüttelt werden – dies musste an einer von drei Positionen pro Seite (niedrig, mittel, hoch) geschehen. Mit Posen sowie der Aufforderung zum "Powerschütteln" wurde Samba de Amigo schnell zu einem Hit  - auch für die Zuschauer.

Musikspiele machen mit entsprechender Hardware mehr Spaß - das bewies Nintendo auch mit Donkey Konga.
Vier Jahre später meldete sich auch Nintendo wieder zurück im Rhythmus-Geschäft und präsentierte auf GameCube Donkey Konga mitsamt DK-Controller, der mit zwei Trommeln und einem Mikrofon zum Erfassen von Klatschen ausgerüstet war. Neben bekannten Nintendo-Kompositionen fanden sich Titel wie "Losing my Religion" oder "We will Rock You" im Aufgebot und lockten zum Trommeln. 2004 und 2005 erschien jeweils eine Fortsetzung, wobei sich Donkey Konga 2 zumindest in Japan  und USA der ebenfalls mit Hardware ausgelieferten Arcade-Umsetzung Taiko: Drum Master auseinandersetzen musste. Zusätzlich konnten die DK-Bongos als Kontrollgerät für das Jump&Run Donkey Kong: Jungle Beat verwendet werden. Und während sich Activision mit MTV Games um das beste Gitarren- bzw. Bandspiel stritt, hatte man ab 2009 sogar noch Zeit, mit zwei DJ Hero-Spielen von FreeStyle Games eine moderne Variante von Konamis Beatmania zu veröffentlichen, bei der man Songs nach Vorgaben mixen und scratchen durfte. Der Hardware-Wahnsinn lief irgendwann auf Hochtouren und hat für sich stapelnde Instrumentenberge in Wohn- und Spielzimmern gesorgt.  

Harmonix: Die modernen Rhythmus-Visionäre

Mit Frequency legte Harmonix den Grundstein für den späteren Erfolg als Visionär für Rhythmusspiele.
2001 feierte auf der PlayStation das erste Spiel einer seinerzeit unbekannte Firma aus Massachussettes Premiere. Sein Name: Frequency. Die Entwickler: Harmonix. Das Besondere: Hier musste man nicht nur darauf achten, im Rhythmus die Tasten zu drücken. In dem achteckigen Tunnel, in dem jede Wand eine Tonspur darstellte, musste man zusätzlich immer wieder die Spur wechseln, um das komplette Klangbild der lizenzierten Songs (u.a. von No Doubt) zu erspielen. In Frequency vereinte Harmonix viele Elemente, die beinahe alle Spiele von dem Team rund um Alex Rigopulos kennzeichnen sollte und die natürlich auch in der Frequency-Fortsetzung Amplitude (ab 12,23€ bei kaufen) 2003 spürbar waren: Leichter Zugang, dabei jedoch eine enorme Herausforderung und vor allem die Möglichkeit, den Klang aktiv und nachhaltig zu beeinflussen. Eine kleine Randnotiz: Der erste Frequency-Pitch ging an Microsoft, wo der damals verantwortliche Ed Fries ablehnend meinte, dass kein Musikspiel ohne einen speziellen Rhythmus-Controller funktionieren würde. Was wohl letztlich zur Entwicklung von Guitar Hero bei Harmonix führte, dessen Erfolg und Ruhmeszug seit der Erstveröffentlichung 2005 nur dadurch ermöglicht wurde, dass Konami Guitar Freaks nicht im Westen etablieren konnte oder wollte, weil man offensichtlich das Potenzial in Europa und den USA unterschätzt hat. Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte. Denn Guitar Hero hat mit all seinen Fortsetzungen und Spin-Offs (z.B. Metallica, Aerosmith, Van Halen) über eine Milliarde Dollar eingespielt.

Nach dem Erfolg von Guitar Hero kreierte Harmonix eines der Partyspiele schlechthin: Rock Band.
Das sollte auch dem nächsten großen Spiel von Harmonix (mittlerweile vom Mediengiganten Viacom gekauft) gelingen: Rock Band. Bis zu vier Spieler konnten zu den Plastikinstrumenten greifen, sich hinter das stabile Drumkit setzen (das man später sogar mit Becken aufrüsten konnte) oder sich das Mikrofon schnappen. Bis zu Teil 3 (und ebenfalls einigen Spin-Offs wie The Beatles, Green Day und AC/DC live) hat man nicht nur eines der Partyspiele schlechthin kreiert. Man hat sich auch schließlich einen Ressourcen verschlingenden und den Musikspielmarkt beinahe zum Kollabieren bringenden Kampf mit Guitar Hero geliefert, das nach einem Streit von Harmonix mit Activision von einigen anderen Teams (u.a. Neversoft) weiter entwickelt wurde und schließlich auch auf den Bandgedanken setzte. Gefühlt wurden alle paar Monate neue Ableger veröffentlicht. Der Markt war aber übersättigt. Immerhin hatte Harmonix mit dem mittlerweile auf über 5000 (!) Songs angewachsenen Rock-Band-Store eine breite Auswahl an kostenpflichtigem DLC zur Verfügung gestellt, die zusätzliche finanzielle Sicherheit gab. Doch auch das konnte nicht verhindern, dass Harmonix von der damaligen Mutter Viacom/MTV Games veräußert und schließlich nach massivem Streit und gerichtlichen Verhandlungen (es ging um beinahe 400 Millionen Dollar) ab 2010 wieder zu einem unabhängigen Entwickler wurde.

Ballern, Puzzeln und Musik: Mizuguchi’s kreative Geniestreiche

Beinahe parallel zu Frequency bewies Space-Channel-5-Designer Testsuya Mizuguchi im Jahr 2001, dass das Tastendrücken nicht immer Grundlage für eine Performance sein musste, sondern auch mit anderen Genres gemischt werden konnte. Das auf Dreamcast und PlayStation 2 erhältliche Rez verband Musik mit einem fordernden Railshooter – ein Konzept, das Mizuguchi zehn Jahre später mit Child of Eden (Xbox 360, PS3) wieder aufgriff. Und dazwischen versuchte er stets, neue Wege zu finden, um konservative Mechaniken wie Puzzler oder Arcade-Action mit musikalischer Interaktion zu einem frischen Erlebnis zu machen. Die Ergebnisse wie Lumines (2004, PSP) oder Every Extend Extra (2006, PSP), das zwei Jahre später auch als "Extreme"-Version für Xbox 360 erschien, sind zwar keine Rhythmustitel im klassischen Sinn, haben aber gezeigt, dass das Musikspiel sich auch über Genregrenzen hinweg setzen kann. Und auch diese Tendenz zeigt sich in der Gegenwart: Vor allem die Rockoper Karmaflow sorgt mit ihrer Verbindung aus Action-Adventure und Musik, dass hier noch lange nicht das Ende der kreativen Fahnenstange erreicht ist.

Just Fantasia Dance Central: Tanzen ohne Matte

Tanzen ohne Matte: Die Just-Dance-Serie hat sich mit allen Ablegern weltweit über 55 Mio. Mal verkauft.
Mit neuer Hardware wie Wii, PlayStation Move und Kinect (auf 360 und One) kam ab 2009 schließlich die große Konkurrenz für die Tanzmattenspiele. Und vor allem zwei Entwickler waren hier ganz vorne mit dabei: Ubisoft, das mit der Just Dance-Serie zuerst auf Wii, dann auch auf Microsoft- und schließlich auch auf Sony-Systemen für ungezwungenen Bewegungsspaß sorgte, bei dem man entweder mit dem Controller in der Hand (Wii, später auch Wii U, PS3/Move) oder per Kinect den Bewegungen der Tänzer auf dem Schirm folgte - bzw. diese spiegelte. Die Choreografien waren mitunter anspruchsvoll, die Bewegungserkennung war aber über alle Systeme hinweg sehr tolerant und dem Spaß untergeordnet. Und für die Serie, die seit ihrer Premiere mit Fortsetzungen, Ablegern wie The Black Eyed Peas Experience, Disney Party, Just Dance Kids oder Fernost vorbehaltenen Versionen wie z.B. Just Dance Wii auf über 20 Teile kommt, scheint kein Ende in Sicht. Angesichts der musikalischen Bandbreite, die von Klassikern bis hin zu modernen Hits viel Abwechslung bietet, kann man sich dem Spaß nur schwer entziehen.

Es geht um Vision und den Einsatz neuer Technologie? Dann darf Harmonix natürlich wieder einmal nicht fehlen. Allerdings konzentrierte man sich exklusiv auf die Xbox 360 und Kinect, wo man mit Dance Central samt Fortsetzungen in den Jahren 2010, 2011 und 2012 als eigentlich einziges Team beweisen konnte, dass

Mit Fantasia erschafft Harmonix einen neuen kreativen sowie künstlerischen Höhepunkt.
akkurate Bewegungserkennung mit der teils zu Recht gescholtenen Zusatzhardware absolut erreichbar ist. Zusammen mit dem 2014 auf Xbox One veröffentlichten, allerdings inhaltlich reduzierten sowie vorrangig auf Download-Inhalte setzenden Dance Central Spotlight konnte sich die Serie mehr als sechs Millionen Mal verkaufen, was allerdings auch nur einen Tropfen auf dem heißen Just-Dance-Stein mit insgesamt über 55 Millionen verkaufter Einheiten darstellt. Im Gegensatz dazu konnten die ehemaligen Tanz-Pioniere von Konami mit Dance Evolution bei der controllerfreien Bewegung nicht mehr überzeugen. Ganz anders Harmonix, die mit ihrem nächsten Kinect-Projekt 2014 eine leicht andere Richtung einschlugen: Bei Disney’s Fantasia: Music Evolved wagte man sich an einen der besten Filme von Walt Disney und versuchte, den Geist des Zelluloidwerkes aus dem Jahr 1940 einzufangen. Und dies gelang nicht nur mit dem Einsatz lizenzierter Pop-, Dance oder Rocktracks. Zusätzlich hatte man wie in keinem anderen Musikspiel zuvor die Möglichkeit, die Tracks zu mischen und mit neuen Klangerlebnissen  zu versehen, während man in den einzelnen Welten über die Kraft der Musik Veränderungen hervorrief. Künstlerisch so ambitioniert wie nie, blieb Harmonix der kommerzielle Erfolg allerdings versagt, so dass Music Evolved trotz aller Qualität als Schwanengesang auf Kinect 2.0 in die Geschichte eingehen dürfte.

Echt jetzt: Aus Spaß wird ernst

Weil die Abfrage echter Instrumente "zu kompliziert sei", wird für Rock Band 3 eine "Pro"-Plastikgitarre mit über 100 Knöpfen angeboten.
Mit Rock Band 3 wurde 2010 eine Keyboard-Spur eingeführt, die man entweder mit einem per MIDI angeschlossenen Keyboard oder dem speziell für das Spiel hergestellten zwei Oktaven umfassenden Controller bedienen konnte. Mit der Pro-Spur für Gitarre, die im Wesentlichen der Originaltabulatur entsprach, wollte man ebenfalls einen großen Schritt Richtung Realismus machen und veröffentlichte zu diesem Zweck einen Gitarren-Controller mit 102 (!) Tasten. Die Haptik war allerdings suboptimal und konnte das Spielen mit einer richtigen Klampfe nicht ersetzen.  Auf der E3 2010 fragten wir Harmonix, wieso sie nicht das Spiel mit einer echten Gitarre erlauben. Als Antwort bekamen wir, dass dies technisch für sie nicht möglich bzw. zu kostspielig für den Benutzer sei.

Nun, dem widersprach Ubisoft nur ein Jahr später, als in den USA mit Rocksmith und dem beiliegenden Spezialkabel genau dies ermöglicht wurde. Je nach Hardware-Konfiguration gab es zwar störende Lags von bis zu einer halben Sekunde, doch bei einer optimalen Verbindung von Konsole und HiFi-Receiver wurde Harmonix‘ Aussage ins Reich der Fabelwelt verfrachtet. Ein Jahr später konnte man auch in Europa in die Saiten hauen und durfte sich sogar über Bass-Unterstützung freuen.

Ubisoft beweist mit Rocksmith, dass dem nicht so ist.
Wiederum ein Jahr später erschien mit Rocksmith 2014 der bislang letzte Teil der Musikspielserie, der das Lag nahezu komplett ausradierte. Es gab übrigens noch einen weiteren Titel, der mit echten Gitarren gespielt werden musste und der vom Start weg ohne jegliches Lag auskam: BandFuse: Rock Legends. In Amerika Ende 2013 erschienen, für einen europäischen Release Anfang 2014 vorgesehen und mit einer ordentlichen Tracklist von Maroon 5 über Jane's Addiction, Bad Religion oder Pantera bis hin zu Dream Theater ausgestattet, wartete man hierzulande allerdings vergeblich auf das Spiel, das gekonnt Elemente von Rock Band und Rocksmith mischte.

Mobiles Taktgefühl

Mit dem Touchscreen des DS sowie der mobilen Nachfolgersysteme von Nintendo rückten Musik- und Rhythmusspiele auch mobil zunehmend in den Fokus, wobei auch Sonys PSP bzw. die Vita immer mal wieder auf sich aufmerksam machten. Während spielmechanische Überraschungen abseits von der Vier-Tasten-Zusatzhardware von Guitar Hero on Tour (DS, 2008) eher rar waren, sorgten die veröffentlichten Titel wie Elite Beat Agents (2006) jedoch meist mit einer guten Umsetzung bekannter Konzepte sowie Ergänzung des Knopfdrückens (aka Stylus-Tippens) mit Halten und Schwüngen für Vergnügen oder im Falle von Rhythm Paradise für feine musikalische Minispiele. Rock Band Unplugged (PSP, 2009) verband das Prinzip ebenso mit dem Spurwechsel aus Frequency bzw. Amplitude wie das 2012 auf PS3 und 360 erschienene Rock Band Blitz.

Überhaupt war 2012 ein gutes Jahr für die Unterwegs-Tänzer mit 3DS: HarmoKnight überzeugte mit einer modernen Variante des PaRappa- bzw. Space-Channel-Prinzips, Rhythm Thief & The Emperor’s Treasure reicherte Taktgefühl u.a. mit Jump&Run an und mit Theatrhythm: Final Fantasy veröffentlichte Square Enix den ersten Teil der im Jahr 2014 mit dem Nachfolger "Curtain Call" zu absoluter Hochform aufgelaufenen Rhythmus-Serie, die nicht nur mit haufenweise freispielbarem Material, sondern auch mit musikalischen Kämpfen und leichten Rollenspiel-Elementen überzeugen konnte. Und wem das alles nicht reichte, konnte sich dem im Herbst 2015 auch mobil veröffentlichten Vocaloid Hatsune Miku zuwenden.  

NRW: Die Neue Rhythmus-Welle

Etwas mehr als zwölf Jahre nach dem Original ist Amplitude zurück.
20 Jahre nach PaRappa The Rappa und einigen mutmaßlichen Totsagungen ist das Rhythmusspiel quicklebendig und scheinbar wie Rock’n’Roll nicht kleinzukriegen. Activision und Harmonix kämpfen wiederum mit den Neuauflagen von Guitar Hero und Rock Band um die Vorherrschaft an den Plastikinstrumenten, wobei letztgenannte Serie mit Rock Band VR auch in der virtuellen Realität Fuß fassen soll. Während die einen (Activision) mit einer neuen Gitarre (sechs Knöpfe in zwei Reihen) und einem Musik-Streamingkonzept überzeugen möchten, setzen die anderen auf Abwärtskompatibilität und eine sich im Dialog mit der Community stets weiter entwickelnde Musikplattform. Überhaupt scheint Harmonix nicht gewillt, seinen Ruf als Rhythmus-Vorreiter auch abseits des per Kickstarter finanzierten PS4-Reboot von Amplitude aufgeben zu wollen und unterstützt u.a. auch Apple TV exklusiv mit musikalischen Spielen.

Kreative Rhythmus-Impulse gehen stark von der Indieszene aus, die wie bei Crypt of the NecroDancer Genregrenzen einreißt.
Die Erfolgswelle von Just Dance dürfte ebenfalls ungehemmt weiter gehen. Hatsune Miku wird auf PS4 trällern. Avicii wird mit seiner Musik im Spiel Vector ebenfalls auf der PS4 sein Unwesen treiben. Und nachdem der Indie-Hit Crypt of the NecroDancer letztes Jahr zeigte, dass man auch Dungeon Crawler mit Musik verbinden kann, darf man gespannt sein, was sich die unabhängigen Entwickler noch alles einfallen lassen, damit Melodie und Spielmechanik noch weiter verschmelzen. Und das alles nur dank eines kleinen Gedächtnistests namens Senso.

 
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.