Special: Yakuza im Wandel der Zeit
Wo der Fußweg zur Arena wird
Im Original heißt die Serie Ryu Ga Gotoku, was in etwa „Wie ein Drache“ bedeutet. Kein Wunder, trägt Hauptfigur Kazuma doch das riesige Tattoo eines Drachens auf dem Rücken. Solche Verzierungen wollen gesehen werden! Und so gehört es zu den albernsten wie auch den prägendsten Elementen der Serie, dass sich sowohl Kazuma als auch ein Bösewicht mit nur einem Ruck das Hemd vom Leib reißen, um sich Sekunden später mit Tritten und Schlägen zu begrüßen.
Yakuza ist ein Actionspiel, in dem Kazuma mit kleinen und großen Schurken in den Ring tritt, meist eine von Passanten umstellte Fläche mitten in der Fußgängerzone. Dort benutzt er nicht nur seine Arme und Beine, sondern auch Fahrräder, Mülleimer und was er sonst noch findet. Waffen kann er ebenfalls aufheben, im Mittelpunkt steht aber immer der Kampf mano a mano.
Im Wettstreit mit Shenmue und Final Fantasy
Ein Dauershowdown ist die Milieustudie aber keineswegs. Vielmehr verbringt Kazuma seine Zeit vor allem in Tokios neonstrahlendem Nachtleben, genauer gesagt im Vergnügungsviertel Kabukicho, das in Yakuza Kamurocho heißt. Dort hilft er Obdachlosen, flirtet mit Hostessen, vertreibt sich die Zeit mit Baseball, Tischtennis oder Videospielen und mehr – das alles vor dem Hintergrund eines vielschichtigen Gangster-Krimis um Macht, Intrigen, Ehre und Tod.
Yakuza bildet seine Welt zwar weniger im Sinne einer Alltagssimulation ab als das auch erzählerisch bodenständigere Shenmue, strukturell sind sich die großen Serien mit ihrem Wechsel aus ruhigem Erkunden und actionreichen Höhepunkten allerdings sehr ähnlich.
Große Serien? Unbedingt! Während Shenmue nämlich mit gerade mal zwei Episoden Videospielgeschichte schrieb, ist Yakuza ein riesiger Hit – in Japan jedenfalls. Kein Wunder, dass dort seit 2005 fast jedes Jahr ein neuer Teil veröffentlicht wurde: Die Verkaufszahlen mancher Ausgaben lieferten sich ein heißes Rennen mit einer kleinen Serie namens Final Fantasy.
Mr. Skywalker und die Yakuza
Drehten sich die ersten Spiele dabei noch allein um Kazuma, gewannen im Verlauf der Jahre auch andere Figuren an Bedeutung. Die junge Haruka etwa spielt als Kiryus Stieftochter längst eine tragende Rolle, obwohl sie anfangs kaum mehr als ein Wegweiser zu den zehn Mrd. Yen war, die seinem ehemaligen Clan gestohlen wurden. Auch Goro Majima, mit dem Kazuma eine Art Hassliebe verbindet, wurde nach seinem ersten Auftritt zu einer festen Größe. Im frisch veröffentlichten Yakuza 0 (ab 17,99€ bei kaufen), das eine Geschichte mehr als zehn Jahre vor dem ersten Spiel erzählt, wechselt man gar zwischen den beiden Charakteren.
Im ersten – und einzigen jemals außerhalb Japans synchronisierten – Teil spricht Mark Hamill übrigens den mal freundlichen, mal hintertriebenen Gangster. Alle anderen in Europa und Nordamerika veröffentlichten Episoden wurden lediglich mit englischen Untertiteln bedacht und erschienen ganze ein bis drei Jahre nach ihrer Premiere in Fernost.
Wenn überhaupt! Bis auf Yakuza: Dead Souls schaffte kein einziger Ableger den Weg in unsere Breiten. Dabei machten Kenzan! und Ishin! Abstecher ins 17. und 19. Jahrhundert, während die PSP-Spiele mit einem interessanten Kampfsystem überzeugten. Aber dazu gleich mehr.
Und das geschah…
Zunächst einmal zurück zum Hauptteil der Serie, die mit fortlaufender Dauer immer stärker von ehemaligen Neben- sowie neu hinzugekommenen Charakteren geprägt wurde. So waren im vierten Spiel erstmals vier Kämpfer spielbar, deren Geschichten sich wie in einem Ensemblefilm kreuzten, bevor ihre Handlungen zusammenliefen. Im fünften Teil waren es dann sogar… genau: fünf Charaktere.
Die filmische Inszenierung war von Beginn an ein Markenzeichen der Serie: Besonders die ersten beiden Teile überzeugten im auslaufenden Zeitalter der PlayStation 2 mit aufwändigen Zwischensequenzen. Das Aufeinandertreffen von Kazuma und der Polizistin Kaoru in Yakuza 2 gilt vielen Fans dabei bis heute als erzählerischer Höhepunkt. Und wer sich übrigens wundert, warum wir die Handlung der Episoden nicht rekapitulieren: Es ist schlicht unmöglich. Kazumas Karriere und die Entwicklung seines Tojo-Clans könnte Bücher füllen. Tatsächlich wirkt der vielschichtige Plot stellenweise gar richtig überladen.
Der Vogel hat ausgedient!
Dabei wuchs nicht nur das Ensemble an, auch die Schauplätze wurden zahlreicher. War Kazuma erst nur in Kamurocho unterwegs, reist er im Nachfolger schon nach Osaka. In Yakuza 3 wohnt er schließlich in Okinawa, bevor er nach Tokio zurückkehrt, während Teil fünf mit ganzen… fünf… Umgebungen das bisher umfangreichste Spiel der Serie ist.
Trotzdem sind sich vor allem Yakuza drei bis fünf verdammt ähnlich. Immerhin steht das irgendwann allzu vertraute Kamurocho stets im Mittelpunkt und die spielerischen Inhalte wurden nur wenig überarbeitet. Kleine Änderungen am Kampfsystem hier, neue Minispiele da – wer Yakuza kennt, findet sich in einem Nachfolger sofort zurecht. Die größte Änderung erlebte die Serie beim Übergang von PlayStation 2 auf PS3, denn mit diesem Wechsel wurde nicht nur das Spielgefühl modernisiert: Erstmals folgte man Kazuma auch stehenden Fußes durch die Straßen Okinawas und Tokios, anstatt ihn von oben zu beobachten.
Jeder mit seinem eigenen Stil
Zum größten Teil waren es daher die Ableger, die der Serie frischen Wind bescherten und von denen eine Hand voll sehr unterschiedlicher Exemplare erschienen sind. Nur eins davon wurde außerhalb Japans veröffentlicht: ausgerechnet der in jeder Hinsicht gammelige Zombiealbtraum Dead Souls. Positiv könnte man festhalten, dass er das bekannte Schema aufbrach – ein Kunststück, das selbst den in der Vergangenheit historisch verankerten Yakuza: Kenzan! und Ishin! kaum gelang. Die dröge Action war allerdings kaum der Rede wert.
Einen wesentlich besseren Eindruck hinterließen zum Glück die Handheld-Auskopplungen Kurohyo: Ryu ga Gotoku Shinsho und Kurohyo 2: Ryu ga Gotoku Ashura hen auf PSP. Schließlich nutzten beide das vertraute Konzept und
Gestern, heute – und morgen?
Während man hierzulande endlich Yakuza 0 spielt, ist in Japan bereits Teil sechs erschienen. Und ob Sega die Serie damit zu Grabe trägt oder sie noch viele Jahre leben lässt: Yakuza wurde im Westen zu Unrecht übersehen. Hinter dem Charme seiner altmodischen Arcade-Action und einer oft schamlos überzogenen Soap-Opera stecken ein großer Thriller sowie das detailverliebte Abbild eines turbulenten und realitätsgetreuen Nachtlebens – das in dieser Form nicht einmal Grand Theft Auto bieten kann.
Yakuza 6 soll die Geschichte um Kazuma Kiryu ganz offiziell abschließen. Die große Serie geht aber hoffentlich weiter.
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