MotorStorm: Apocalypse11.03.2011, Jan Wöbbeking
MotorStorm: Apocalypse

Im Test:

Man lernt nie aus: Die Rechts-vor-links-Regel gilt offenbar auch in der Seefahrt! Besonders, wenn ein gigantischer Wirbelsturm mir von rechts einen aus dem Ozean gerissenen Kahn vor das Rallye-Auto pfeffert, empfiehlt sich ein kleiner Schlenker nach links. In Motorstorm: Apocalypse (ab 16,76€ bei kaufen) zelebrieren die Evolution Studios die pure Lust an der Zerstörung, denn diesmal führen die Off-Road-Rennen durch eine völlig verwüstete Endzeit-Metropole.

Das Chaos regiert!

Beim Entwerfen der Strecken haben die Entwickler sich viel Mühe gegeben: In einem Moment düse ich noch durch einen U-Bahnschacht, ein paar Sekunden später fällt die halbe Skyline vor meinen Augen in sich zusammen, während im Hintergrund der energetische Dubstep- und Drum’n’Bass-Soundtrack von DJ Shadow, Noisia und Elite Force für noch mehr Adrenalin im Blut sorgt. Jetzt sind gutes Timing und ein geübter Finger am Boost-Knopf besonders wichtig: Erreiche ich zu viel oder zu wenig Geschwindigkeit, segelt mein Fahrzeug gnadenlos in den nächsten Trümmerhaufen. Der Absturz ist aber kein Weltuntergang: Schon Sekunden später bin ich zurück auf der Strecke und merke, dass auch ein paar KI-Kollegen gestrauchelt sind – also ist nicht mal ein einziger Platz flöten gegangen.

Kurz bevor ich zum nächsten Absprung ansetze, gebe ich dem kleinen Cross-Motorrad neben mir einen kurzen, gut platzierten Check und schon macht es zum zweiten Mal den Abflug. Das seitliche Rammen funktioniert hier so einfach wie in Wheelman und sorgt meist für herrliche Schadenfreude: Ein Druck auf Kreis oder Quadrat und schon rempelt mein fahrbarer Untersatz schwungvoll in die entsprechende Richtung. Mit dem dicken Monster-Truck ist die unfaire Spielweise natürlich eher von Erfolg gekrönt als mit einem kleinen ATV. Auch die KI attackiert, was das Zeug hält. Während des Story-Modus hält sich das in einem erträglichen Rahmen – in den ohnehin schweren Hardcore-Veranstaltungen kosten die übertrieben nervigen Angriffe aber wertvolle Sekunden und gingen mir schnell auf die Nerven.

Krieg auf der Straße

Wer die Vorgänger gespielt hat, wird sich sofort in Motorstorm: Apocalypse zurecht finden. Im Einzelspielermodus verzichtet die Spielmechanik auf komplexe Regeln oder Fähigkeiten, wie es sie z.B. in blur oder Split/Second gibt. Statt frischer Ideen gibt es Arcade-Hausmannskost mit einfacher Steuerung und einem simplen Boost-System. Neben der Ramm-Attacke besitzen die über 30 Fahrzeuge in zwölf Klassen den serientypischen Boost. Der Sprit für den Nachbrenner geht nie aus – allerdings macht der Motor das nur einige Sekunden lang mit. Wenn der Zeiger in den roten Bereich flitzt und ein Warnhinweis aus den Boxen zwitschert, ist es höchste Zeit, den Finger vom X-Knopf zu nehmen, sonst fliegt das Vehikel in die Luft. Sause ich durch eine dicke Pfütze, wird der Motor aber spürbar kühler. Das Abkühlen durch Wasser oder den Luftzug bei Sprüngen lassen sich im Online-Mehrspieler sogar mittels Spezialfähigkeiten aufrüsten. Die zusätzlichen Verhöhnungen und kleinen Tricks mit den Bikes spielen aber keine große Rolle.

Leider scheinen meine Gegner die Boost-Regeln manchmal in der letzten Runde des Rennens zu vergessen und sprengen sich kurzerhand in die Luft. Oder sie bauen ohne Not kurz vor Schluss einen selten dämlichen Unfall, so dass ich doch noch mit der nötigen Platzierung über die Ziellinie rausche. Diese Variation der Gummiband-KI fällt zum Glück nicht so stark ins Gewicht wie in anderen Titeln, in einigen Rennen fällt sie trotzdem unangenehm auf.                       

Fiese Fallen

Da der Schwierigkeitsgrad mitunter schwankt, habe ich In anderen Veranstaltungen aber ganz schön zu kämpfen. Vor allem, wenn ich über schmale Brüstungen und zerstörte Hochhausflure voller Trümmer und aus dem Boden ragender Stahlträger zische, wartet an jeder Ecke der Tod. Mit ein wenig Streckenkenntnis ist aber auch das zu schaffen. Andere Rennen habe ich dagegen auf Anhieb mit großem Vorsprung als Sieger abgeschlossen - zumindest im ersten der drei Story-Abschnitte. Diese bilden den Kern des Spiels und führen durch Veranstaltungen wie gewöhnliche Wett-, Zeit- und Eliminator-Rennen, bei denen der letzte Spieler an Checkpoints in die Luft gejagt wird. Leider darf ich mir hier nicht aussuchen, mit welchem Fahrzeug ich die Rennen angehe, das klappt nur in Modi abseits der Geschichte wie Zeit- oder Multiplayer-Spielen.

Ein Blitzeinschlag lässt am Strand ein komplettes Riesenrad auf die Straße krachen.

Die trashig animierten und synchronisierten Zeichentrickfilme hätten die Entwickler sich sparen können; sie langweilen fast genauso wie die langen Ladezeiten zwischen den Rennen. Gut hat mir dagegen die Inszenierung mancher Zeitrennen gefallen - zum Beispiel die Flucht aus dem ersten Stadtteil. Sie passt hier viel besser zur Geschichte als in diversen Ego-Shootern. Es macht richtig Laune, sich durch die völlig instabilen havarierenden Häuser zu mogeln, um schließlich mit einem langen Satz über eine einstürzende Brücke auf dem sicheren Boot zu landen.

Abkürzungen im Überfluss

Cool ist auch, dass die Strecken je nach Veranstaltung auf andere Weise demoliert werden und sich so trotz nur 12 Kursen insgesamt rund 40 Variationen ergeben. Die Katastrophen werden allerdings automatisch ausgelöst und nicht durch Knopfdruck wie in Split/Second. Wenn in der dritten Runde urplötzlich vor mir ein Hochhaus umfällt, benutze ich z.B. dessen Wand als Rampe und erschließe mir eine der zahlreichen Abkürzungen. Gerade auf einem 3D-Fernseher wirkt das Geschehen sehr lebendig, wenn um mich herum Kartons, kleine Trümmer und Gischt an der Kamera vorbei wehen und Regen auf die Mattscheibe tröpfelt. Manchmal führt mich das Rennen sogar über ein Schlachtfeld und ich muss aufpassen nicht von Kanonen oder Molotov-Cocktails getroffen zu werden. Manch einen überfahrenen Krieger schleife ich sogar hunderte Meter weit mit - vermutlich sorgten solche Szenen für das 16er-Siegel der  USK. Wer das Spiel auf einem klassischen Full-HD-Fernseher zockt, bekommt als Extra die volle Auflösung von 1080p (statt mit 1280×720 Pixeln wie in 3D). Auf dem deutlich schärferen 2D-Bild fallen allerdings auch die technischen Schwächen stärker ins Auge.

Einige Karosserieteile bieten aus der Nähe zwar beinahe so fein ausgearbeitete, glänzende Metalloberflächen wie in der Direct-X-11-Version von Colin McRae DIRT 2, einige Wasseroberflächen und aus dem Trümmern ragende Röhren in der Umgebung besitzen aber auch grobe, verschwommene und platte Texturtapeten. 

Fans weiter Sprünge kommen über den Dächern voll auf ihre Kosten!
Ruckler und Slowdowns treten zum Glück nur selten auf, die plötzlich ins Bild ploppenden Steinchen auf dem Asphalt fallen schon eher ins Auge. Auch die Splitscreen-Rennen mit zwei Spielern laufen noch flüssig ab, bei vier Teilnehmern muss man naturgemäß mit etwas stärkeren Grafik-Abstrichen leben - außerdem fällt die Bildwiederholrate etwas geringer aus.

Extra-Herausforderungen für die ganz Harten

Wer nach der etwa sieben Stunden kurzen Story nicht genug hat, kann sich in extra knackigen Hardcore-Veranstaltungen verbeißen, welche man durch einen Sieg auf den entsprechenden Strecken in der Story freischaltet. Während der Geschichte reicht zu Beginn dagegen auch ein fünfter Platz für die Qualifikation, später muss man schon besser abschneiden. Außerdem warten im Menü noch Zeit- und Einzelrennen, deren Regeln, Schwierigkeitsgrad und Gegnerzahl man nach eigenem Gusto bestimmen darf. Zur Wahl stehen jeweils ein paar freigespielte Fantasie-Wagen in sämtlichen Fahrzeugklassen: Dirt Bike, Quad, Buggy, Rally-Auto, Renntruck, Geländewagen, LKW, Monster-Truck, Superbike, Chopper, Kleinwagen, Supersportwagen, Muscle-Car. Wer möchte, kann seine Wagen rein visuell aufmöbeln, z.B. mit Stickern, Kratzern und neuen Karosserieteilen. Die erstellten Kunstwerke dürfen online getauscht werden.

Da die Veranstaltungen abseits der Geschichte nicht sonderlich klug miteinander verknüpft sind, motivieren sie aber nicht mehr so stark. Die Möglichkeiten des Online-Modus lesen sich schon vielversprechender: Es soll ein Rangsystem, leistungssteigernde Spezialfähigkeiten, Wett-Möglichkeiten und andere Finessen geben - dazu gehört auch eine Tauschbörse für eigens erstellte Spielmodi und optische getunte Fahrzeuge.           

Update zum Online-Modus:

Nach der recht kurzen Story wartet der Online-Modus auf Pisten-Rowdys. Wenn ein Match zustande kommt, macht es erstaunlich viel Spaß: Dank der einfachen, aber effektiven Rempel-Attacken per Knopfdruck kommen unheimlich hitzige und spannende Zweikämpfe zustande. Sogar wenn man dem Feld hinterher rast, gestalten sich die Rennen sehr interessant, da man auch für Sprünge, Drift-Manöver oder das Abschießen eines Gegners Extra-Punkte erhält. Außerdem darf man sich einen gleichstarken Gegner vor dem Rennen herauspicken und einen Teil der verdienten Chips gegen ihn wetten. Dadurch bleibt es auch spannend, wenn man den Cracks an der Spitze hoffnungslos hinterher hängt. Bei einer Glückssträhne kann man die Ausbeute sogar weiter steigern - oder alles verlieren.

In den Online-Rennen wird ausgiebig gerempelt. Schießt man einen Gegner ab, bringt das sogar Extra-Punkte.
Ein weiterer Vorteil sind die zahlreichen, an Call of Duty angelehnten Leistungs-Verbesserungen, welche man nach und nach freischaltet. Sie lassen sich in drei thematischen Slots individuell miteinander kombinieren du ausrüsten. Zur Verfügung stehen z.B. besserer Grip, schnelleres Boost-Abkühlen bei der Fahrt durch Pfützen, schnelleres Zurücksetzen nach einem Crash oder eine zerstörerische Schockwelle, welche die Gegner in der Nähe bei einem Crash mit ins Verderben reißt. Außerdem kann man sich an diversen Extra-Herausforderungen für die Fahrzeugtypen versuchen. Mit der Zeit schaltet man optische Extras, neue Fahrer und diverse andere Dinge frei. Die Fahrzeugtypen sind gut ausbalanciert - je nach Kurs kann man auch ein wenig mit den Verbesserungs-Paketen herumspielen, um sich noch besser auf die Umgebung einzustellen. Auch die Menüstruktur wurde vorbildlich umgesetzt: Man kann schnell und einfach Freunde einladen, Statistiken der Gegner anschauen und vieles mehr.

Ärgerliche Bugs

All das klingt eigentlich nach einer traumhaften Online-Komponente - doch leider trüben ein paar dicke Mankos den Spaß. Das größte sind die häufig auftretenden Bugs: Die Menüs neigen dazu, sich an allen möglichen Stellen aufzuhängen und auch die Rennen leiden unter vielen Fehlern: In einem Rennen z.B. waren plötzlich sämtliche Gegner aus dem Match verschwunden und ich drehte einsam meine Runden. Wenn aber doch alles glatt läuft (also in rund 60% der Fälle), gestalten sich die Rennen trotz bis zu 16 Teilnehmern sehr lag-arm. Auf Dauer mangelt es aber an Abwechslung, denn im Matchmaking gibt es nur die zwei Modi Rennen und Eliminator. Die Variante Verfolgung steht nur in einem privaten Spiel zur Verfügung.

Fazit

Motorstorm: Apocalypse ist wie ein gelungener Ride im Freizeitpark der Universal Studios: Überall kracht und blitzt es, Gebäude kollabieren direkt auf der Strecke. Wenn Trümmer und Gischt an der Kamera vorbei zischten, bin ich manchmal fast zusammengezuckt. Die Entwickler haben sich bei der Auswahl ihrer mit dynamischen Abkürzungen gespickten Kurse sogar noch mehr Mühe gegeben als im durchgeknallten nail'd. Besonders auf einem 3D-Fernseher kommt das Chaos gut zur Geltung. Im höher aufgelösten 2D-Modus fallen allerdings auch einige unscharfe Texturen und andere Grafikschwächen wie die regelmäßigen Popups stärker auf. Ein weiteres Manko ist der Umstand, dass Evolution beim Austüfteln des Spieldesigns bei weitem nicht so viele neue Ideen einbringt wie z.B. blur oder Split/Second. Doch auch eine konservative Spiel- und Boost-Mechanik macht richtig Laune, wenn man sich auf derart phantasiereichen, dynamischen Strecken Positionskämpfe liefern kann. Für einen kleinen Stimmungsdämpfer sorgen allerdings die Situationen, in denen die spürbare Gummiband-KI es mir zu leicht macht oder meine Kontrahenten mir durch unfaire Rempler keine Chance lassen, ein knackiges Zeitlimit zu unterbieten.

Hier geht es zum Video-Fazit.


Update zum Online-Modus:

Mittlerweile haben wir auch online einige Runden gedreht. Die Details dazu findet ihr auf Seite 3. Die praktische Rempel-Funktion, vieler Spezialfähigkeiten, Extra-Herausforderungen und einer Wett-Funktion machen die hitzigen Positionskämpfe zu einer spaßigen Angelegenheit - doch leider werden die Matches von zahlreichen Bugs und Abstürzen geplagt. Da der Online-Modus trotz vieler Fehler noch eine gute Ergänzung zur Story darstellt, bleibt es aber bei der Gesamtwertung von 80 Punkten.

Pro

halsbrecherische Arcade-Rennen in zerstörter Stadt
extrem turbulente Streckenführung
gigantische Katastrophen schaffen neue Abzweigungen
lebendig gestaltete Viertel mit kämpfenden Endzeit-Guerillas
unkompliziertes Arcade-Handling
einige sehr scharfe Details und Karosserieteile...
zwölf Fahrzeugklassen
energetischer Dubstep- und Drum'n'Bass-Soundtrack
gelungener 3D-Modus
2D-Modus läuft in 1080p
lustige und effektive Ramm-Attacken per Knopfdruck
KI-Fahrer zuschaltbar (Splitscreen)
viele sinnvolle Spezialfähigkeiten im Online-Modus
Ranglisten-Rennen
Spannung steigernde Wett-Funktion
bis zu vier lokale Splitscreen-Spieler dürfen online fahren
nur sehr seltene Lags trotz 16 Spielern
zahlreiche Extra-Herausforderungen machen Online-Rennen interessanter

Kontra

Spiel
und Boost-Mechanik bringt kaum neue Impulse
aufgesetzt wirkende Story-Filmchen in trashigem Zeichentrick-Stil
schwankender Schwierigkeitsgrad
nicht all zu großer Umfang
nur drei Renn-Modi
...aber auch grobe Polygone und unscharfe Texturtapeten
leichte, häufig auftretende Popups
leichte Gummiband-KI in der letzten Runde
zu agressive Rempelattacken in Hardcore-Events
nur drei Perspektiven (Motorhaube + zwei hinter dem Wagen)
häufige Bugs im Online-Modus
nur zwei Rennmodi im Matchmaking

Wertung

PlayStation3

MotorStorm: Apocalypse erfindet das Rad nicht neu, bietet aber turbulentes Arcade-Gerempel auf extrem halsbrecherischen Endzeit-Kursen.

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