Prince of Persia04.12.2008, Jörg Luibl
Prince of Persia

Im Test:

Ich stehe auf einer schmalen Holzplanke. Unter mir ist nichts außer Luft, über mir ist nichts außer Himmel. Es geht hunderte Meter steil hinab in den Tod, aber ich genieße die Aussicht und schaue mich langsam um. Die Schatten uralter Türme zeichnen sich vor Bergketten ab, während sich am Horizont die Flügel mächtiger Windmühlen drehen. Bunte Ballone schweben wie riesige Paläste über dem Boden, irgendwo rauscht ein Wasserfall in eine Schlucht. Als ein Falke seinen Schrei ausstößt, lasse ich mich fallen…

Orientalisches Bilderbuch

Das Highlight: Der Prinz und Elika kraxeln akrobatisch durch das neue Persien.Dieses Königreich Persien ist ein wunderschönes. Als hätte Jules Verne zum Pinsel gegriffen und seine Version von Tausendundeiner Nacht auf Leinwand gemalt. Ubisoft verlässt damit die realistischen Vorlagen des Mittelalters, die bisher so prägend für die Reihe waren und öffnet sich fantastischen Bauwerken, Säulenhallen und Konstruktionen, die fast an die Monumentalität eines Myst erinnern. Ich mag diesen Grafikstil, denn schon sehr früh entsteht alleine aufgrund dieser Eindrücke der Zauber einer verwunschenen Welt mit schlummernden Geheimnissen.

Vom ersten Schriftzug über die Menüs bis hin zum heroisch aufspielenden Orchester wirkt alles edel und märchenhaft - das ist nahezu perfektes Art- & Sounddesign, wie man es von Ubisoft Montreal kennt. Schon Assassin's Creed  wurde mit seinem orientalischen Bauwerken prächtig inszeniert und nutzte dieselbe Anvil-Engine. Und man spürt diese Handschrift trotz des Stilwechsels und eines anderen Kernteams ganz deutlich: Die Holzplanke. Der Falkenschrei. All das weckt als Hommage angenehme Erinnerungen an Altair, den Helden aus gleichem Hause. Leider hat man die PlayStation 3 nicht ganz so gut im Griff wie die Xbox 360: Ruckler und Tearing sorgen für kleine technische Risse, die zwar ärgerlich sind, aber die Faszination des Einstiegs nicht mindern können - dafür sorgt später das Spieldesign.

Ein Paar klettert in Schwindel erregender Höhe: Die Ausblicke sind fantastisch, aber das Kraxeln verläuft sicher und ohne Nervenkitzel.
Davon ahnt man jedoch noch nichts, wenn man vor dieser Bilderbuchkulisse in die Haut eines Prinzen schlüpft, der nicht mehr wie ein Polygon-, sondern wie ein Comic-Held agiert. Die schwarzen Kanten an seinem Körper erinnern noch an den Weg der Zeichenfeder und die Farben auf Muskeln und Kleidung haften perfekt, wenn er wie ein Panther an Wänden entlang läuft, über Abgründe springt oder Simse erklimmt. Seine Bewegungen verströmen auch im neuen Stil diese unnachahmliche Eleganz. Und wie in den Vorgängern geht es immer noch um Kampf und Akrobatik.

Göttin aus dem Nichts?

Der Prinz hat jedoch sein distanziertes adliges Auftreten gegen den heiteren Charme eines spitzbübischen Haudegens mit großen blauen Augen und strahlend weißen Zähnen getauscht. Und was wäre ein Womanizer ohne weibliche Begleitung? Die mysteriöse Elika gesellt sich gleich zu Beginn zu ihm. Die äußere Choreografie der beiden ist selbst dann überzeugend, wenn sie sich wie ein Äffchen beim Klettern an seine Schulter hängt oder beide wie ein Tanzpaar die Positionen auf schmalen

Wandlauf, Sprung, Wandlauf, Sprung, Ringgriff, Sprung - manchmal kommt es zu ansehnlichen Kombinationen.
Planken wechseln - sie wirken wie ein eingespieltes Team, obwohl sie sich erst ein paar Augenblicke kennen. Und ihr müsst euch um die Begleitung beim Kraxeln keine Sorgen machen: Elika läuft automatisch hinter euch her, betätigt automatisch Hebel und bewegt sich fast automatisch im Kampf.

Außerdem hilft sie in der Luft nach. Reicht die Kraft nicht aus, um einen Abgrund zu überwinden, kann man noch mal einen Knopf drücken, damit Elikas helfende Hand aus dem einfachen einen Doppelsprung macht. Es gibt bis auf diesen sowie ihre magischen Teamattacken keine Aktion, die ihr für sie einleiten müsstet. Wie haben sich die beiden eigentlich gefunden? Der Prinz hat seinen Esel in einem Sandsturm gesucht, aber er trifft plötzlich auf diese mit göttlichen Kräften sowie natürlicher Schönheit ausgestattete Lady und schützt sie wie ein Gentleman vor ein paar Schurken. Danach weicht sie leider nicht mehr von seiner Seite. Und das hat Folgen - erzählerisch und spielerisch.                     

Ein Duo gegen die Finsternis

Diese düsteren Schergen bedrohen das Königreich: Ähnlich wie in Okami wurde das Land verseucht und muss geheilt werden. Dazu müsst ihr in den betreffenden Regionen diese Monster besiegen.
Die erzählerische Konsequenz liegt darin, dass die beiden ein Schicksalsduo im Kampf gegen die Finsternis bilden, die das persische Königreich bedroht. Sie quatschen, witzeln, grübeln und ziehen sich gegenseitig mit Sprüchen auf - der Prinz mit sehr guter, die Prinzessin mit schwacher deutscher Stimme. Während er markant und sympathisch wirkt, erscheint sie in den Gesprächen spröde und altklug, obwohl die Texte deutlich mehr Charme hergeben würden. So gut die beiden akrobatisch harmonieren, so wenig passiert allerdings auf zwischenmenschlicher Ebene.

Man kann die Gespräche und damit die Beziehung nie beeinflussen. Es gibt keine klassische Dialogauswahl, sondern lediglich auf Knopfdruck automatisierte, wenngleich überraschend situationsbezogene Antworten von Elika - und wenn man das nutzt, erfährt man immerhin Hilfreiches über Land und Gegner, es entsteht auf Dauer sogar so etwas wie ein Verhältnis: Denn was sich liebt, das neckt sich. Nur ist diese Beziehung von Anfang an vorhersehbar. Lediglich das Verhältnis zu ihrem Vater, der plötzlich und ohne Erklärung wie das personifizierte Böse auftritt, sorgt später für einen Rest an Neugier. Das Techtelmechtel hat zwar seine unterhaltsamen, aber auch seine nervigen Momente und es fehlt neben der Interaktion auch das Unverhoffte.

Zarathustra lässt grüßen

Auch Rutschpartien sind dabei: Gerade das Klettern, Rasen und Gleiten sorgt für angenehme Unterhaltung. Elika folgt euch dabei automatisiert.
Ubisoft entführt euch in die halb historischen, halb mythologischen Gefilde iranischer Glaubensvorstellungen. Der Prinz und Elika müssen als Helden des Lichtgottes Orimazd keinen Geringeren als den zarathustrischen Urvater des christlichen Satans aufhalten: Ahriman. Der dunkle Gott wurde aus dem Baum des Lebens befreit und verseucht seitdem alles mit seiner Finsternis, die sich wie in Okami auf das fruchtbare Land legt und es in eine lebensbedrohliche Ödnis verwandelt. Vier seiner Schergen lauern in vier verseuchten Gebieten mit jeweils eine Hand voll Schauplätze auf euch.

Wenn man die Weltkarte öffnet, freut man sich zunächst über die angenehme Offenheit: Ihr entscheidet selbst, welche Route ihr einschlagt und welche Region ihr als erste befreien wollt. Allerdings kann man bestimmte unzugängliche Gebiete nur mit einer der vier göttlichen Fähigkeiten des Orimazd erreichen, hinter denen sich magische Reisemöglichkeiten wie Flug, Katapultsprung, Sprint und Kurzteleport verbergen. Je nachdem, für welche ihr euch entscheidet, stehen euch also andere Schauplätze zur Heilung zur Verfügung; ihr müsst in das jeweilige Zentrum vordringen und dort ein Bossmonster besiegen, damit Elika das Gebiet mit ihrer Magie vom Fluch befreien kann. Sobald sie das tut, beginnt die Welt wieder zu grünen und idyllische Blumenwiesen breiten sich aus - Okami lässt mal wieder grüßen. Beim ersten Mal sieht diese Verwandlung auch

Es gibt nur zu Beginn Kämpfe gegen einfache Schurken wie diesen: Ubisoft hat das Spieldesign Richtung Erkundung und Akrobatik ausgelegt und hat den Massengefechten der Vorgänger den Rücken gekehrt - eine gute Entscheidung.
noch gut aus, nach dem zwölften Mal wundert man sich schon darüber, dass da grafisch immer exakt dasselbe passiert: Hätte man nicht mal etwas anderes als etwas Gras und Schmetterlinge entstehen lassen können?

Aber bevor ihr die erste Fähigkeit überhaupt einsetzen könnt, müsst ihr in akrobatischer Fleißarbeit zunächst 60 der an die 1000 Lichtkeime sammeln, die überall verstreut auf euch warten. Diese Prozedur wiederholt sich nach jedem Bosskampf und sorgt für Routine: Eine bestimmte Zahl Lichtkeime sammeln, Fähigkeit freischalten, alle Schauplätze heilen, dann einen der vier Schergen besiegen. Das führt dazu, dass man nicht nur viel und ausgiebig klettert, sondern auch in gleichen Regionen - denn zunächst durchquert man ein verseuchtes Gebiet, das erst nach dem Bosskampf als geheiltes Gebiet seine Lichtkeime freigibt.

    

Ansehnliche Akrobatik

Mit dem neuen Handschuh kann der Prinz bei Funkenschlag an Steilwänden hinab rutschen und seine Richtung ändern.
Auf dem Weg zu den Lichtkeimen kann man auf ein sportives Repertoire zurückgreifen: Egal ob elegante Wand- oder Deckenläufe, waghalsige Sprünge, Rutschpartien, Gehangel an Weinranken oder Geschwinge an Seilen - alles ist dabei, was das Jump'n Run-Herz begehrt und wenn es auf den Ballonen plötzlich zu einem Hindernislauf kommt, erinnert die kreisrunde Perspektive fast an die Planeten eines Super Mario Galaxy ; auch wenn hier leider alles wie auf Schienen abläuft:

Der Prinz hat jedenfalls mehr Bewegungen auf dem Kasten als in den letzten Abenteuern und er darf sich in mächtigen, verschachtelten Hallen und Palästen austoben, gerät in kerkerartige Katakomben und in ein riesiges Freiluftareal voller Steilwände, Schluchten und Türme. Wenn es bergab geht, kann man die Krallen des neuen Handschuhs nutzen, um bei Funkenschlag etwas langsamer nach unten zu kratzen, während man geschickt die Richtung ändert. Aufgelockert wird die Akrobatik von Rätseleinlagen, die meist den richtigen Dreh von verlangen: Mal muss man Scheiben in die richtige Reihenfolge bringen, mal muss man Wasser über mehrere Becken abfließen lassen oder Säulen so bewegen, dass man später Plattformen erreichen kann.

Absprungsichere Wiederholungen

Die Bilderbuchkulisse fasziniert vor allem in den ersten Stunden, später gewöhnt man sich an die Schauplätze und entdeckt die vielen inhaltlichen Wiederholungen, die zur Routine führen.
Das Problem beim Klettern ist nur, dass fast alles todsicher zu meistern ist - man hat sogar das Gefühl, dass manchmal eine automatische Richtungskorrektur am Werk ist, um dem Prinzen die letzten Zentimeter zu gewähren. Die Sprungabfrage ist jedenfalls so verzeihlich, dass man kaum irgendwo runterfallen kann; auch wankende Säulen oder weg brechende Simse gibt es zu selten. Und selbst die Wandläufe sehen nur gefährlich aus, sind aber im Schlaf zu schaffen. Trotzdem kann Prince of Persia (ab 2,99€ bei kaufen) hier mehr Reize bieten als Tomb Raider: Underworld : Man freut sich regelrecht, wenn à la Ico wabernde schwarze Flecken mit dämonischen Kreaturen auftauchen, die über Wände kriechen- endlich kommt mal Timing ins Spiel! Und es gibt zwischendurch auch mal angenehm anspruchsvolle Passagen, die zwar keine Punktgenauigkeit, aber dafür eine gute Koordination der Reihenfolge erfordern, wenn man z.B. zuerst Wandlauf, dann Absprung, dann Wandlauf, dann Ringgriff und dann wieder Wandlauf einleiten muss. Echte Probleme entstehen noch zu selten durch fiese Fallen, sondern eher dadurch, dass die Kamera manchmal die Sicht auf den weiteren Weg versperrt; dann hilft nur das Ausprobieren.

Der Akrobatik fehlt der gewisse Nervenkitzel, zumal Elika immer da ist, wenn ihr stürzt: Sie hilft euch immer und überall wie eine sprechende Lebensversicherung.
Trotzdem schleicht sich auch deshalb eine gewisse Wiederholungsmüdigkeit ein, weil man auch die geheilten Orte mehrmals besuchen muss, um wirklich alle Lichtkeime zu finden. Das Fatale ist, dass dann innerhalb der Schauplätze nichts mehr passiert und dass sie aufgrund fehlender Tiere oder Menschen wie ausgestorben wirken - es gibt weder etwas zu entdecken noch zu interagieren; selbst Shadow of the Colossus war in Sachen Flora und Fauna lebendiger. Hier wirken selbst die verseuchten Gebiete lebendiger als die geheilten, da hier wenigstens Schattenwesen über Wände wabern und schwarze Wespenschwärme durch die Luft jagen.

Die Bilderbuchkulisse ist auf den zweiten Blick leider auch eine sterile. Die Schauplätze sind jedoch angenehm verschachtelt und großflächig. Ihr wisst nicht, wo es weiter geht? Kein Problem: Ähnlich wie in Fable 2 könnt ihr euch auch hier den Weg über ein magisches Hilfsmittel anzeigen lassen. Elika lässt dann ein weißes Licht in die richtige Richtung fliegen. Auf der Weltkarte könnt ihr auch einen Zielpunkt wie z.B. ein noch nicht gesäubertes Gebiet festlegen, so dass der Weg dann entsprechend angezeigt wird. Allerdings kann das Spiel spätestens nach fünf von seinen insgesamt etwa 15 Stunden wirklich nur noch landschaftlich neu Reize entfachen, während es inhaltlich und dramaturgisch verflacht. Man gerät in einen Trott.

   

Ein unzertrennliches Paar

Attraktiv, intelligent, stark: Elika bietet zwar wesentlich mehr als ein 08/15-Babe, aber ihre Dauerhilfe nervt irgendwann.
Ganz entscheidend ist hier, dass das Paar nicht mit dem Tod oder der Trennung konfrontiert wird. Sie bleiben wie Pech und Schwefel zusammen, können nicht sterben, erleiden keine Verluste. Man hat nie Angst um den anderen, man muss sich nie Sorgen machen. Viel dramatischer wäre es gewesen, wenn es auch Momente oder ganze Abschnitte der Trennung gegeben hätte, in denen der Prinz ohne die göttliche Kraft hätte auskommen und Elika hätte retten müssen. Spiele wie Ico oder Resident Evil 4 haben gerade aus solchen Situationen enorme Spannungsmomente entwickeln können. Gleich zu Beginn wirkt es auch noch so, als wolle Ubisoft das gottgleiche Eingreifen Elikas eingrenzen, da sie dort einmal vor Erschöpfung zusammen bricht und eine kurze Strecke vom Prinzen getragen werden muss. Aber das ist nur eine kleine Episode, die zwar auch später optisch wiederkehrt, aber nie spielerische Konsequenzen hat. Und das ist ein dramaturgisches Problem. In Ico gab es ja auch ein schicksalhaft zusammen geschweißtes Paar, aber hier wurde die emotionale Bindung zur Spielfigur gerade dadurch aufgebaut, dass ich mich um sie kümmern und sie beschützen musste.

Man könnte auch chauvinistisch nachfragen: Ist das dann ein Spiel für Frauen, die diese Instinkte vielleicht gar nicht erst entwickeln? Ja. Durchaus. Es befriedigt gewisse optische Ansprüche, der männliche Held sieht gut aus, hat Charme und eine sympathische Stimme. Außerdem wird Elika nicht wie ein 08/15-Babe, sondern als starke und intelligente Persönlichkeit inszeniert, die auf natürliche Art und Weise Attraktivität ausstrahlt - das müsste auch Frauen gefallen. Aber viel wichtiger wäre die Frage: Ist das auch ein richtig gutes Spiel für Frauen? Und da Spannung nichts mit dem Geschlecht zu tun hat, gibt dieser Test für beide Seiten eine klare Antwort: Nein.

Die Frau ist immer da

Man ist nie allein, man kann der Lady selbst an Steilwänden nicht entfliehen - und das ist irgendwann ein Problem, denn Elika raubt dem Spiel die Spannung.
Die spielmechanische Konsequenz des aufgezwungenen Duos ist nämlich, dass mir Elika auf lange Sicht genau diese Spannung raubt - obwohl man sich anfänglich noch über die Hilfe freut, wenn man nach einem mutigen, aber schlecht getimten Sprung in einen Abgrund von einer blau schimmernde Hand nach oben gezogen wird: Doch aus dem jungfräulichen "Voilà, c'est Elika!" wird irgendwann ein genervtes "Mist, sie ist ja immer noch da!".

Ja, sie ist immer für mich da. Ihre Hand rettet mich, wenn ich in den Tod stürze. Ihre Magie beschützt mich, wenn ich hilflos vor meinem Feind liege. Ich kann mir lebensgefährliche akrobatische Manöver erlauben und todesmutige Angriffe einleiten, ohne dass es spürbare Konsequenzen geben würde - mit einer kleinen Ausnahme: Wenn man im Kampf geschützt wird, gewinnt der Gegner wieder seine volle Energie. Elika wird aber nicht schwächer, wenn ich ihre Hilfe sinnlos oder maßlos nutze. Das geht so weit, dass ich einfach von einer hohen Plattform auf Lichtkeime springe, obwohl das den Tod bedeuten würde - passiert mir ja eh nix! In einem guten Jump'n Run würde ich wenigstens ein Leben verlieren. Aber sie setzt mich immer wieder kurz vor dem Punkt des Scheiterns ab. Sie ist als mächtige Schutzgöttin im Dauereinsatz und ich kann ihre permanente Hilfsbereitschaft nicht abschalten.

Die schleichende Langeweile

Der Prinz macht als Womanizer eine gute Figur: Flotte Sprüche, verwegenes Outfit und immer ein strahlendes Lächeln im Gesicht. Mit den düsteren Vorgängern hat er bis auf den Namen nichts mehr gemein.
Sie ist einfach immer für mich da. Und mit dieser karitativen Omnipräsenz tötet diese attraktive Lady eine für mich und das Abenteuer noch viel wichtigere Lady: Die Spannung. Die entsteht nur dann, wenn man den Nervenkitzel spürt, wenn die Ungewissheit im Rücken nagt und die Aussicht auf Erfolg am Ende des Abgrundes lockt. Dazu gehört auch das Erlebnis des Scheiterns. Aber wenn ich genau weiß, dass ich aufgefangen und gerettet werde, dass mir ohnehin nichts passieren kann, dann betritt eine andere Lady die Bühne und würgt den Spielspaß: Die Langeweile.

Komfort ist gut, aber Dauersicherheit ist schlecht: Das Spiel fühlt sich die meiste Zeit über an wie ein Trainer aus den 80er Jahren und die Ausrede der Entwickler, dass man die Spieler nicht wie in alten Arcade-Zeiten künstlich frustrieren wolle ist eine schlechte. Damals gab es Versionen von Giana Sisters, Green Beret & Co, in denen man unendlich Leben hatte und nicht sterben konnte. Aber schon zu C-64- & Amiga-Zeiten hat das Spiel auf diese Art und Weise keinen Spaß gemacht - zumal Nutzer dieser Versionen in der Szene als skillfreie Weicheier galten. Braucht man gar keine Skills für Prince of Persia? Braucht man keine Hand-Auge-Koordination? Doch. Wie oben beschrieben gibt es durchaus einige anspruchsvolle Situationen und dann wären da ja noch die Kämpfe, die Timing verlangen.

   

Taktisches Kampfsystem

Dass Ubisoft den auf Dauer belanglosen Massengefechten den Rücken kehrt und lieber auf weniger Duelle setzt, ist eine gute Entscheidung. Auch wenn es deutlicher weniger Kämpfe gibt, muss der Prinz zwischendurch mal zum Krummsäbel greifen - und dabei kommt das gewohnt gute, aber leider von Anfang an komplette Kampfsystem zum Einsatz: Mit der rechten Schultertaste wird passiv geblockt; drückt man sie zur rechten Zeit, also wenn der Feind gerade zuschlägt, wird aus dem Block eine Parade und ihr könnt mit gutem Timing zum durchschlagenden Konter ansetzen - ab und zu sind auch Reaktionstests zu meistern, wenn sich die Klingen kreuzen oder man einem tödlichen Hieb ausweichen muss.

Es gibt zig Kombinationsmöglichkeiten in den drei von Beginn an zur Verfügung stehenden Angriffstypen Akrobatik, Schwert und Handschuh sowie Elikas Magie, die jeweils auf einem Knopf liegen und sich intuitiv auslösen lassen. Und wer hier Reihenfolgen à la XXXB oder XXXA durchbringt, kann ebenfalls auf zusätzlichen Schaden hoffen. Die Choreografie kann sich mit ihren spektakulären Hieben, Sprüngen und Salti zwar sehen lassen, zumal auch Elika nach gelungenen Kombos akrobatisch mitmischt, aber wenn man das System einmal durchschaut hat, kann man gerade die normalen Feinde in null Komma nichts besiegen. Man vermisst zudem eine Entwicklung der Kampftechnik, denn es gibt ja weder eine neue Waffe noch eine Art Aufstieg zu höherer Effizienz - was allerdings alles nicht weiter schlimm ist, denn auch ein Shadow oft he Colossus kam ohne diesen Kram aus.

Enttäuschende Bosskämpfe

So faszinierend Ubisoft die Umgebung darstellt, so schwach ist das Kreaturendesign. Vor allem die Bossgegner enttäuschen - man vermisst spektakuläre Auftritte und Herzschlagmomente.
Schlimm ist jedoch, dass dann die Bosskämpfe eine Enttäuschung sind. Nach der Vorschau habe ich große Hoffnung in diese möglichen Höhepunkte gesetzt. Aber das, was Ubisoft Montreal da inszeniert, ist leider alles andere als spektakulär. Ich halte große Stücke auf das Artdesign des Teams und schätze den kreativen Grafikstil, aber als mir zum ersten Mal der "Jäger" begegnete, habe ich mich gefragt, ob das ein Lakai der kommenden Kreatur ist - vielleicht der Waffenträger, der den roten Teppich für seinen monströsen Meister auslegt? Nein, das wenig beeindruckende, fast zerlumpt schlurfende Wesen war tatsächlich der erbärmliche Lohn meiner langen Lichtkeimsuche.

Nicht nur diesem auch den drei anderen Endgegnern fehlt es an Wucht, Größe und Präsenz. Weder der "Krieger" noch der "Alchemist" und schon gar nicht die "Konkubine" hinterlassen markante oder gar bedrohliche Duftmarken - so sehr ich das Artdesign bisher gelobt habe, so austauschbar sind diese Kreaturen. Das liegt auch daran, dass man sich einfach an sie gewöhnt, denn man muss gegen jeden dieser vier Bosse tatsächlich fünfmal (!) kämpfen - oder ist es sogar sechs mal? Wieso? Weil sie jeder vier verseuchte Regionen beschützen, die man in einem finalen Duell heilen muss. Nach jedem Sieg ziehen sie sich zurück in eine noch verseuchte Region bis sie in ihre letzte Kammer ausweichen - erst, wenn man sie dort besiegt, hat man sie vernichtet. Hallo Ubisoft, geht es noch einfallsloser? Hätte man nicht wenigstens bestimmte Aspekte des Kriegers oder der Konkubine in Form anderer Kreaturen aufmarschieren lassen können?

Kampf gegen das ewig Gleiche

Wenn sich die Klingen kreuzen, kommt es zu Reaktionstests. Trotz der taktischen Fundamente kann das Kampfsystem allerdings auf Dauer nicht überzeugen - es entwickelt sich nicht und es gibt sichere Kombos.
Nichts gegen vier packende Duelle gegen einen Feind, der vielleicht jedes Mal ein anderes, fieses Gesicht zeigt und mich ins Schwitzen bringt! Aber es läuft immer gleich ab. Und Elika ist auch immer dabei. Und rettet mich immer. Hätte man vor den finalen Arenen nicht ein Schild "Elika verboten!" anbringen können, damit man mal alleine ran kann? Mal abgesehen davon, dass immer dieselben Kombos greifen und die Bosse lediglich simple Immunitäten gegen die eine oder andere Angriffstechnik zeigen, vermisst man z.B. plötzliche Mutationen oder böse Überraschungen. Es gibt lediglich optische Veränderungen wie schmalere oder nach unten weg brechende Arenen oder eine Jagd nach der immer wieder verschwindenden Konkubine. Und man will fast vor Aufregung jauchzen, als der Krieger mal nicht mit Hieben, sondern nur über die "Umgebung" zu besiegen ist.

Aber gerade die Wiederholung des ewig Gleichen sorgt einfach für Langeweile: Ach, da ist ja wieder die Konkubine! Sollen wir loslegen? Verschwindest du erst wieder, bevor ich zuschlagen darf? Und man weiß genau, wie es ausgeht: Der letzte Schlag sorgt dafür, dass sich der Feind wieder zurückzieht. Schade ist, dass die Akrobatik innerhalb der Arenen bei den Kämpfen nahezu keine Rolle spielt. Der Prinz ist immer auf seinen Feind fixiert, kann aber nicht das Gelände für Klettereien oder Sprünge nutzen. Dass mal eine Säule zerschmettert werden kann ist schon alles an Interaktion.

Sag mir, wo die Kolosse sind...

Hätte Prince of Persia imposantere Bosskämpfe inszeniert, wäre auch noch eine gute Wertung möglich gewesen. Aber die Wiederholung des ewig Gleichen sorgt für Langeweile.
Der Prinz kommentiert diese unspektakulären Begegnungen dann flapsig und trifft damit voll ins Schwarze: "Gibt es hier was zu essen? Wie viele Gebiete müssen wir noch heilen?" Dass Elika den vorlauten Kämpfer auch noch zurechtstutzt, ist angesichts der fehlenden Bedrohung dann Realsatire und eigentlich ein Scheidungsgrund - aber das geht ja nicht. Manchmal wirken aber auch die Sprüche des eloquenten Prinzen gerade in den Bosskämpfen nicht nur dümmlich, sondern deplatziert. Und zwar deshalb, weil sie im Widerspruch zu dem stehen, was um die beiden herum passiert - das ist nicht weniger als das Ende der Welt. Dass man sich dem Schicksal auch mir Humor stellen kann, gehört zum Wesen des Helden, aber hier wird die ohnehin kaum spürbare Bedrohung durch Sprüche bis zur Harmlosigkeit entschärft.

Irgendwann während der Ubidays, als Prince of Persia erstmals vorgestellt wurde, fiel das Wort Shadow of the Colossus . Und man kann gar nicht genug betonen, dass dieses Spiel den abgedroschenen Begriff "Bossmonster" neu definiert, ja "Bosswelten" daraus gemacht hatte. Damals war jede Begegnung mit diesen Kreaturen ein Ereignis, das für Gänsehaut und Staunen gesorgt. Auch Spiele wie Metroid Prime 3 zeichnen sich dadurch aus, dass sie mir nach dem Weg durch ein Level am Ende noch mal ein forderndes Glanzlicht zeigen und mir im Angesicht des Gegners den Schweiß auf die Stirn treiben. Man würde vermuten, dass sich kreative Entwickler wie Ubisoft Montreal von diesen erfolgreichen Mechanismen wenigstens inspirieren lassen, weil Prince of Persia ja bereits ein paar Tropfen von Ico und Okami intus hat und ebenfalls nach ruhiger Erkundung auf diese Höhepunkte zusteuert. Aber das ist scheinbar nicht passiert. Statt Gänsehaut herrscht Gähnen in den Arenen.

   

Fazit

Erst freut man sich über die orientalische Bilderbuchkulisse, die mit ihren Ballonen und Windmühlen an die Welten eines Jules Verne erinnert. Dann freut man sich über die elegante Akrobatik zwischen Steilwänden und Schluchten. Und man freut sich auch noch über diese attraktive, intelligente und starke Frau, die das Bild vom 08/15-Babe so anmutig zerstört. Doch aus dem jungfräulichen "Voilà, c'est Elika!" wird irgendwann ein genervtes "Mist, sie ist ja immer noch da!". Denn diese Lady raubt dem Spiel mit ihrer ewigen Hilfe die Spannung und versprüht nach einigen Stunden nur noch den Charme eines sprechenden Sicherheitsgurtes. Wie will man Nervenkitzel erzeugen, wenn man immer in der Hand einer Göttin landet? Warum gibt es nicht wenigstens Konsequenzen, wenn man ihre Hilfe ausnutzt? Was wollte Ubisoft erreichen? Nicht weniger als "die Rolle der Nebenfigur in Action-Adventures revolutionieren". Mission failed. Aber dieses Abenteuer hätte auch mit dieser Elika ein packendes werden können, wenn man sich auf die Dramaturgie konzentriert und mehr Überraschungen präsentiert hätte. Doch je weiter man im wunderschönen Bilderbuch Persien blättert, desto deutlicher zeichnen sich Wiederholungsroutine im Spielablauf, Leblosigkeit in der Landschaft und schlimmer noch: Langeweile in den finalen Duellen ab. Das Wiederkäuen dieser unspektakulären Bosskämpfe ist für mich die größte Enttäuschung. Wenn die mich gepackt hätten, hätte die Befreiung Persiens trotz der Schwächen noch richtig gut unterhalten. Denn der Reiz dieses ebenso ansehnlichen wie umfangreichen Spiels besteht in seiner akrobatischen Eleganz und der Erhabenheit des Kletterns, das teilweise nahtlos in die Rasanz eines Jump'n Runs übergeht - es gibt einige ausgezeichnete Momente, die andeuten, was möglich gewesen wäre. Hinzu kommt die wohltuende Ausrichtung auf Erkundung und wenige Duelle statt Massengemetzel. All das geht theoretisch in eine lobenswerte Richtung, aber Ubisoft verpasst die Chance, diese Abenteuer zu mehr als einer interaktiven Leinwand zu machen: Es hätte ein sehr gutes Drama werden können. Aber dafür brauche ich deutlich weniger Routine, dafür mehr Höhepunkte, die Konsequenz des Scheiterns und vor allem Nervenkitzel.

Update, 10. Dezember 2008:

Auch die PC-Version von Prince of Persia kann grafisch auf ganzer Linie überzeugen, unterstützt das Breitbildformat und Auflösungen von bis zu 1900 x 1200. Man sollte sich allerdings nur mit Gamepad an das Abenteuer wagen, denn gerade die Kamera lässt sich ohne rechten Analogstick nur schwer bändigen. Unterm Strich eine gelungene 1:1-Umsetzung, die zudem weniger hardwarehungrig ist als Altairs PC-Besuch - liegt aber auch am weniger polygonhungrigen Comicstil.

Pro

frischer Comic-Grafikstil
malerische Bilderbuchkulissen
elegante Kletterakrobatik
weitläufige Areale
zwischendurch Jump'n Run-Rasanz
Kämpfe mit Kontersystem & Reaktionstests
Musik erinnert an klassische Abenteuerfilme + Frau als starke Persönlichkeit
einige Drehmechanik-Rätsel
angenehm offene Level-Auswahl
sehr guter deutscher Prinzensprecher

Kontra

schwache Dramaturgie- viele ermüdende Wiederholungen
zu leichtes, verzeihliches Klettern
kaum Nervenkitzel & Spannung
Pflicht zum Lichtkeimabgrasen
wenig markantes Gegnerdesign
Bosse ohne Biss, Power & Wucht
Elikas Hilfe hat keine Konsequenzen
keine Entwicklung (Kampf, Beziehung, Fähigkeiten)
schwache deutsche Elika-Sprecherin

Wertung

360

PC

Auch auf dem PC eine grafische Delikatesse im Orient - leider hapert es an Spannung und Nervenkitzel.

PlayStation3

Hinter der orientalischen Bilderbuchkulisse verbirgt sich leider zu viel Routine, zu wenig Nervenkitzel. Ansehnliche Akrobatik für den Feierabend!

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