Yakuza 312.03.2010, Benjamin Schmädig
Yakuza 3

Im Test:

Wenn Schultern wie Stahlträger mit einem einzigen Ruck ihre Nadelstreifenjacken vom Leib reißen. Wenn die Kamera mit der ungenierten Bewunderung eines 14-jährigen Comicfans um tätowierte Rücken schleicht. Wenn rockige Gitarren zum Angriff blasen. Wenn die Kämpfer endlich wie Wölfe aufeinander losgehen - dann schlagen Tokios Yakuza wieder mit aller Kraft zu. Kein Spiel versteht das dramatische Luftholen in verrauchten Kneipen und die ehrenhafte Verbeugung verbitterter Erzfeinde besser als Segas Unterwelt-Saga!

Ein Erbe zum Schämen

Zwei Männer lehnen über dem Geländer eines Wolkenkratzers, lassen ihren Blick wehmütig über die leuchtenden Spielzeugdächer ihrer Stadt gleiten. Gedankenverloren sinnieren sie über die Zukunft ihrer Familie und schließlich stehen sie sich als Feinde gegenüber. Yakuza 3 (ab 47,93€ bei kaufen) beginnt dort, wo Yakuza 2 aufhörte. Das bedeutet natürlich auch: Wenn die Kamera unter dem Schrei eines Protagonisten von der Nahaufnahme in die Totale schwenkt, wird so viel Pathos durch die Mattscheibe gepresst, dass man sich beinahe vom Fernseher fortschämt. Der Freundin erklärt man dann, das wäre so aufrichtig naiv, dass es schon wieder sympathisch ist...

Und es stimmt ja! Was meiner westlich geprägten Vorliebe für leise Töne nämlich maßlos übertrieben scheint, ist nur eins von etlichen Symptomen, die der Yakuza-Serie eine viel zu seltene Gesundheit diagnostizieren: Yakuza ist eine gutmütige Mutation aus verspielter

Endlich auf PS3, endlich bei uns: Kazuma Kiryu kehrt nach Kamurocho zurück!
Arcade-Unterhaltung, unverschämter Detailverliebtheit und ganz großem B-Kino!

Was es auch schon immer war. Von Anfang an war ich als Ex-Gangster Kazuma Kiryu in Tokios unterwegs, habe mich mit einfachen Räubern und schweren Verbrechern herumgeschlagen, habe die folgenschweren Verstrickungen hinterhältiger Verschwörungen entwirrt und mich Dutzende Stunden lang in Tokios Nachtleben amüsiert. Denn so brachial die Faustkämpfe stets waren und so sehr sie in der Erzählung im Vordergrund standen, so sehr können sie in den Hintergrund rücken. Es kommt darauf an, wie man Yakuza spielt. Ob man nur dem langen roten Faden folgt oder ob man Segas Tokio in aller Ruhe entdeckt: Für mich ist es nicht das Spektakel, das Yakuza auszeichnet - vielmehr verbinde ich mit Yakuza tausend kleine Geschichten, in denen ich mir Freunde gemacht, geflirtet, gekämpft, um Geld gezockt, Teddybären geangelt, Ganoven entlarvt, alten Damen geholfen, gerätselt oder mich einfach nur unterhalten habe. Auch wenn das digitale Nachtleben immer seine Schwächen hatte: Für mich gehört Yakuza zu den wichtigsten Serien der PS2-Geschichte!

Ein Yakuza auf Urlaub

Dabei simuliert Sega damals wie heute nicht etwa ganz Tokio, wie es Rockstar vielleicht tun würde. Vielmehr pickten sich die Macher das berühmt-berüchtigte Vergnügungsviertel Kabukicho heraus und bauten eine beinahe identische Kopie des Stadtteils. Kamurocho heißt die Gegend im Spiel - berühmt ist ihr leuchtendes Reklamemeer, berüchtigt ist sie für die Machenschaften der japanischen Yakuza. Es ist das Zuhause von Kazuma Kiryu, dem Sohn eines ehemaligen Yakuza-Bosses. Doch nachdem Kazuma zehn Jahre unschuldig im Gefängnis war, wollte er Abstand von seiner Mafia-Familie halten. Dass er dennoch immer wieder in die Intrigen seines Clans hineingezogen wird, liegt in der Natur des Actionspiels. Trotzdem versucht er, aus dem Kreislauf der Gewalt auszubrechen. Und so beginnt Yakuza 3 ähnlich wie sein Vorgänger nicht etwa in Kamurocho, sondern in Okinawa, wo Kazuma abseits vom Straßenlärm ein Waisenhaus leitet.

Die alltägliche Odyssey

Es ist mutig, mit wieviel Ruhe Sega das dritte Kapitel der Saga angeht: Zehn Stunden habe ich gebraucht, bevor Kazuma erstmals wieder unter dem roten Markenzeichen der Tenkaichi Street feststellt: "Manches ändert sich wohl nie." Alles davor ist eine Rückblende zu der Zeit zwischen dem zweiten und dem dritten Spiel, an die ruhigen Pazifikwellen am Strand von Okinawa, an das Heranwachsen seiner Ziehtochter Haruka sowie das der anderen Kinder. U.a. kann Kazuma seiner bunten Sippe den Wert von Ehrlichkeit, Freundschaft oder sogar Liebe beibringen - falls ihm, oder vielmehr mir, der Sinn danach steht. Ich könnte den ganzen gefühlsschwangeren Klimbim ja auch sein lassen, ein paar erste Prügeleien austragen, um endlich wieder nach Tokio zu kommen.            

Danach stand mir aber nicht der Sinn. Stattdessen habe ich es genossen, nach den Kids zu schauen, mit ihnen zu spielen und langsam zu laufen, wenn ich mit Haruka unterwegs war. Dann greift sie nämlich meine Hand und zieht an meiner Seite durch die Straßen. Sie bittet mich um ein Eis, einen Hamburger, ein Plüschtier aus dem UFO-Automaten - als Belohnung steckt sie mir Süßigkeiten zu. Das ist kein gefühlvolles Drama. Aber dass Yakuza 3 gleich zu Beginn so stark auf die persönliche Note setzt, macht aus dem Spiel deutlich mehr als einen Action-Eintopf. Herrje, ich habe einem der Mädchen sogar dabei geholfen, einen Hund zu dressieren!

Immer freundlich!

Vor allem aber trägt der sachte Einstieg viel zur Charakterisierung von Kazuma bei. Im zweiten Teil wirkten seine Aussteiger-Sprüche nämlich immer noch unglaubwürdig - jetzt nehme ich sie dem geläuterten Mafiosi ab. Es sind ja nach wie vor nicht nur die erzählerischen Nuancen;

Video. Und so sieht es aus, wenn der Ex-Yakuza zulangt. Bis auf wenige Neuerungen bleibt allerdings viel beim Alten.es sind auch die spielerischen, die Kazumas Alltag zu einer Odyssey ins Alltägliche machen. Dass viele seiner Hilfeleistungen trotzdem in einer Schlägerei enden, liegt wohl in der Natur der Sache. Aber ich muss doch helfen, wenn eine Mutter ihre Tochter sucht, wenn ich dem Gerücht um einen Spuk auf die Spur kommen will oder wenn ein Vater die hohen Eiskugeltürme nicht mehr ohne Hilfe zu seiner Familie tragen kann! Den albernen Humor der Entwickler finde ich übrigens klasse - diese naive Unbeschwertheit ist so erfrischend wie eh und je.

Richtig austoben konnten sich die Autoren wohl mit Kazumas neuem Ehrzgeiz, weitere Fähigkeiten für den Kampf zu erlernen. Alles, was er dafür braucht, ist sein Handy und den Anruf eines sympathisch verrückten Fotografen: Sagt der Bescheid, dass es irgendwo etwas zu sehen gibt, muss ich nur noch dorthin finden, per Tasten-Reaktionstest drei Fotos schießen, einen von drei Untertiteln aussuchen und schon postet Kazuma das Werk auf seinem Blog. Es ist die Suche nach dem perfekten Bild, wie es der Fotograf nennt. Und recht hat er: Wo findet man schon eine alte Lady, die beim Anblick des jungen Kerls auf einem Werbeplakat so ins Schwärmen gerät, dass sie ihr Moped gegen einen PKW setzt, von der Wucht mit einem Überschlag über das Auto geschleudert wird, sicher landet und einfach weiter gurkt? Jetzt noch schnell den richtigen Text ausgesucht - wenn alles passt, hat Kazuma damit im Handumdrehen eine neue Technik gelernt!

"Ich muss draußen bleiben"

Doch so ganz ist Yakuza 3 dann doch nicht das, was es sein sollte. Dabei hätte es das sein können! Der Publisher hätte die westliche Version nur nicht um

Vergesst es! In die Cabaret Clubs kommt ihr mit der westlichen Version des Spiels gar nicht erst hinein.
einige wichtige Elemente stutzen sollen. Ob es nun finanzielle, terminliche oder sonstige Gründe hatte: Dass ich in der lokalisierten Fassung keine einzige Hostessen-Bar besuchen, verschiedene Spiele wie Shogi oder Mahjong nicht spielen darf und sogar auf diverse kleine Nebengeschichten verzichten muss, ist jedenfalls ein ungewöhnlich schmerzhafter Eingriff. Einige Spieler wird es nicht stören, da das japanische Schach ähnlich schwer zu durchschauen ist wie Mahjong. Manche haben vielleicht auch gar kein Interesse daran, sich erst anderswo über die Interessen ihrer bevorzugten Hostessen zu informieren, ihnen Geschenke zu kaufen, sich lange mit ihnen zu unterhalten, mit ihnen auszugehen und ihnen letztlich einen großen Gefallen zu tun, damit sie endlich Kazumas Charme verfallen. Aber dieses witzige Spielchen ist nicht nur die umfangreichste, sondern auch das zeitaufwändigste und für mich vor allem eine der motivierendsten aller Aufgaben.

Es geht ja weiter: Konnte ich im Vorgänger sogar selbst die Geschicke einer Hostessen-Bar lenken, darf ich im japanischen Yakuza 3 Ähnliches tun, indem ich ein Mädchen aussuche, ihm eine schicke Frisur, ein Make-up meiner Wahl sowie die richtige Garderobe und Accessoires verpasse. Treffe ich den Geschmack der Kunden, zahlen die natürlich gerne für einen Besuch in meiner Bar! Doch all das fehlt in der westlichen Version. Ich muss jedes Mal richtig bitter schlucken, wenn ich an den deutlich erkennbaren Cabaret Clubs vorbei gehe und einfach nicht das tun darf, was mir zuletzt den meisten Spaß gemacht hatte. Mehr noch: Die Geschenke für die anspruchsvollen jungen Ladies kosten fünf- und sechsstellige Beträge. So ist es zwar schön, dass meine Brieftasche jetzt aus allen Nähten platzt, weil ich keine Präsente mehr kaufen muss. Gleichzeitig ist mir so aber bei jedem Blick ins Inventar auch sofort klar, dass hier etwas einfach nicht stimmt.      

Schlimmer noch: In der lokalisierten Version sprechen mich irgendwelche Frauen in einem Schnellimbiss an, ob sie mit mir ausgehen können. Das mache ich prompt - zweimal, um genau zu sein - dann erledige ich noch einen Auftrag für diese "Schatten" der japanischen Hostessen und schon habe ich ihr Herz erobert. Verdammt, Sega, verdammt! Ich weiß, dass sich eure Serie in westlichen Breiten bisher so gut verkauft hat wie Weihnachtsbäume zu Pfingstsonntag. Ich weiß auch, dass die Lokalisierung eines so textaufwändigen Spiels teuer ist. Aber waren wir wenigen Fans euch nicht ein paar tausend Dollar mehr wert? Warum darf ich kein Shogi spielen, dessen Regelwerk ich mir im Vorgänger mühsam aber gerne

"Viel zu tun" beschreibt nicht einmal ansatzweise, was Kazuma in Tokio erwartet!
angeeignet habe? Man hätte es ähnlich wie damals nicht einmal übersetzen müssen. 

Das Abenteuer in der Unterwelt

Wäre Yakuza 3 ein lauer Aufguss - der Schaden wäre verschmerzbar. Aber auch wenn es im Grunde nur alle Elemente der Vorgänger ins HD-Zeitalter hebt: Yakuza 3 ist ein riesiger, detailverliebter Abenteuerspielplatz. Es ist eine Sammlung vieler kleiner und großer Geschichten. Es ist die ereignisreiche Vorstellung dessen, was Tokios berühmt-berüchtigte Vergnügungsoase in den Köpfen erwachsener Spielkinder alles sein könnte. Und zwar trotz aller Kürzungen! Sega macht es nämlich richtig: Anstatt Kazuma durch eine komplette Stadt zu hetzen, in der es sowieso kaum etwas zu erleben gibt, ist er nur in einem abgegrenzten Viertel unterwegs - wo dafür aber Casinos, Bars, Second Hand-Läden, Restaurants, Bowling-Bahnen und, und, und beinahe Tür an Tür stehen. Neben Shenmues Hong Kong ist dieses Tokio deshalb die bisher lebendigste virtuelle Stadt!

Tatsächlich erinnert diesmal noch mehr an Suzukis Klassiker, weil der Blick aufs Geschehen von der Vogelperspektive in den Schulterblick wechselt. Zum ersten Mal bin ich deshalb mittendrin, wenn Kazuma über weite Straßen, enge Gassen und schmutzige Hinterhöfe schlendert. Besonders in dem ruhigen Okinawa mit seinen einfachen, niedrigen Häusern wurde mir richtig warm ums Herz. Hier durfte ich mich auch in einem der neuen Minispiele ausprobieren: Weil sich Kazuma das Vertrauen eines Politikers erschleichen wollte, begleitet er ihn auf einen Golfplatz, wo die beiden zwischen den Fairways ein paar Worte wechseln. Später durfte ich natürlich jederzeit erneut auf den Golfplatz, der wie alle Minispiele natürlich keine Alternative zu einer Sportsimulation, aber eine knifflige, liebevoll gemachte Punktejagd für die spielinterne Highscoreliste ist. So kann Kazuma neuerdings auch Angeln gehen, daddelt im Club Sega mit einem spielerisch mittelprächtigen aber totschicken Arcade-Shooter, wirft Darts, spielt Billard oder singt Karaoke.

Blöde Anmache: Immer wieder wird Kazuma von Kleinganoven belästigt.

Gangster mit Lernschwäche

Wenn man durch die Straßen streunt, muss man allerdings auch den Kopf schütteln. Denn einige lernen es offenbar nie. Zweimal hat Kazuma nun schon sein Viertel rauf und runter durchkämmt, zweimal wurde er dabei ständig von zufälligen Gangstern angerempelt und zum Kampf herausgefordert - und noch immer hat sich bei den Kleinganoven wohl nicht herumgesprochen, dass man einen Typ im grauen Anzug und roten Hemd besser in Ruhe lässt. Die Kerle kommen ja schon wieder ständig an! Am laufenden Band macht Katzuma solche Zufallsbekanntschaften, sackt nach jedem Sieg ein paar tausend Yen, Erfahrungspunkte und eine demütige Entschuldigung ein. Hier zeigt sich, wie sehr die Entwickler an der der altmodischen Struktur ihrer Saga hängen - mir soll's recht sein. Nur etwas fordernder könnten die Zufallskämpfe sein. Ein Tipp für erfahrene Yakuza: Man kann den Schwierigkeitsgrad jetzt zu Beginn auf leicht, normal oder hart stellen. Bei Letzterem werden Prügeleien mit schweren Gegnern zwar zur echten Herausforderung; dafür fühlt man sich über weite Strecken nicht unterfordert.

Im Unterschied zu vorher erlebe ich diesmal außerdem einen nahtlosen Übergang vom Herumlaufen zu den Schlägereien. Greift mich ein Gauner an, sehe ich ohne Umblende, wie sich Passanten um uns Streithähne sammeln - dann geht es sofort los. Eine kleine akustische Unterbrechung sowie aus dem Nichts auftauchende Passenten lassen zwar die fehlende Ladepause durchschimmern, aber das ist verschmerzbar. Zumal sich auch die Kämpfe entwickelt haben. Immerhin kann ich jetzt per Digikreuz jederzeit zwischen Kazumas Fäusten und drei Waffen wechseln, wobei ich nach wie vor auch Parkbänke, Fahrräder, Pylonen, Stühle oder andere Gegenstände aufnehmen und damit zuschlagen kann.       

Die wertvolle Blaupause

Auch ballistische Waffen darf  ich nach wie vor einsetzen; das Abfeuern der Pistolen oder Schrotflinten ist allerdings dermaßen unspektakulär - der Kampf Mann gegen Mann steht in Yakuza nun mal im Vordergrund. In seinem spielerischen Herzen ist das Spiel ein Prügler, der sich beim Sprung auf die neue Plattform kaum geändert hat. Und das ist es auch, was man Sega vorwerfen muss: So zufriedenstellend wie die Mechanik immer noch funktioniert, so sehr hätten sich die Entwickler um neue Bewegungsabläufe oder eine automatische Kameraarbeit bemühen können, die den aktuellen Gegner im Fokus behält. Kazuma lernt zwar einige neue Angriffe, alles andere hat er aber direkt von der PS2 mitgenommen.

Die neuen Möglichkeiten mit den zahlreichen Hieb- und Stichwaffen gefallen mir aber. Die in den entsprechenden Slots verbauten Waffen verschwinden nämlich nicht mehr, wenn sie zerbrechen - gegen eine geringe Gebühr kann ich sie später reparieren. Oder sollte ich einfach eine neue Waffe aufnehmen, um mein aktives Arsenal wieder zu vervollständigen? Lieber nicht! Denn mit den entsprechenden Werkstoffen, Blaupausen und etwas Zaster verbessert ein Waffenkenner meine Knochenbrecher. Mit diesen einfachen Kniffen geht die Wahl der Waffe endlich über den flüchtigen taktischen Vorteil hinaus. Abgesehen davon lockern viele geskriptete Ereignisse, in denen ich rechtzeitig auf die angezeigten Knöpfe hämmern muss, das Geschehen auf und sorgen in vielen Situationen für brachiale Höhepunkte.

Madam Tussaud in Tokio

Apropos Höhepunkte: Wie zuvor tut Kazuma seinen Gegner nach wie vor besonders weh, wenn er blau oder diesmal gar rot leuchtet. Genauer gesagt richtet er dann nicht nur mehr Schaden an, er setzt einem Banditen nach einem situationsabhängigen Knopfdruck auch besonders schwer zu. So knüppelt er einen Feind z.B. in die Knie,

Die Figuren sehen zwar wie animierte Wachsfiguren aus - die vielen Filmszenen haben allerdings echte cineastische Qualitäten.
um anschließend zu einem wirklich bösen Kopf-Baseball auszuholen - f...autsch! Wobei das Spiel diesmal ein Stück weit am Ziel vorbei rauscht. Die einst ähnlich überzogene Darstellung der Gewalt wird im dritten Kapitel nämlich durch comicartige visuelle Effekte verstärkt und von Geräuschen untermalt, denen der dumpfe Wumms der Bodenständigkeit fehlt. So wirkt die Action leider weniger brachial als auf PS2.

Überhaupt büßt Yakuza in seiner aktuellen Form etwas von dem dreckigen Charme seiner Vorgänger ein, da sämtliche Figuren und Kulissen übermäßig farbenfroh gezeichnet wurden. Beeindruckende Leuchtreklame ist die eine Sache - unnatürlich bunte Charaktere kommen leider der Glaubwürdigkeit in den Weg. Es sind ja nicht nur die Farben; es sind vor allem die wie animierte Wachsfiguren zum Leben erweckten Menschen, die sinnbildlich für Kojimas Warnung vor dem technischen Rückstand japanischer Spiele-Entwicklungen stehen könnten. Man darf Sega zugute halten, dass sie Gesten, Mimiken, Kameraarbeit und Schnitt eigentlich ähnlich gut beherrschen wie Heavy Rain oder Uncharted 2 und auch die Klaviatur der leisen Töne zu spielen wissen. Technisch sprechen wir hier allerdings von einem ganz anderen Level.

Fang mich doch!

Und das gilt nicht nur für die audiovisuelle Seite. Auch die Steuerung lässt durchblicken, dass das Grundgerüst aus einer Zeit stammt, in der man sich noch Bildschirm für Bildschirm durch starre Umgebungen bewegte. Denn trotz Schulterblick und meist frei drehbarer Perspektive läuft Kazuma nach einem Kameraschwenk gelegentlich in jene Richtung weiter, in die er zuvor gegangen ist - eine typische Reliquie der Resident Evil-Antike. Nicht zuletzt könnte man die detaillierten Kulissen auch besser genießen, wenn Kazuma nicht nur zwei Laufgeschwindigkeiten beherrschen, sondern dynamisch schneller oder langsamer werden würde. Spätestens in den neuen Verfolgungsjagden ächzt das Spiel unter der Last der rasanten Action. Es ist richtig klasse, wenn Kazuma einem Feind hinterher rennt oder selbst auf der Flucht ist - wieder ein Indiz für den detailverliebten Abenteuerspielplatz, der Yakuza 3 an allen Ecken und Ende ist! Doch selbst wenn ich ihn elegant über eine Motorhaube schlittern lasse: Kazuma lässt sich im Sprint nur schwer lenken, stolpert schon mal ungelenk in eine Menschentraube und bleibt etwas zu oft an kleinen Hindernissen hängen. Gerade beim Sprinten wird deshalb leider deutlich, dass Yakuza spielerisch nur behäbig vom Fleck kommt.    

Fazit

Ja, es ist eine bittere Pille, dass Sega die Flirts mit den Hostessen, wenige Minispiele und sogar einige kleine Geschichten einfach außen vorlässt. Ist Yakuza 3 ohne diese Episoden also ein geradliniger Actiontrip in Tokios Unterwelt? Mitnichten! Das Spiel ist auch in seiner westlichen Form ein umfangreicher, furchtbar zeitraubender Spielplatz! Wer schräge Charakterköpfe treffen, die Highscoreliste etlicher Minispiele knacken, im Karaoke gewinnen oder einfach nur einen Trinken gehen will, der muss Yakuza 3 spielen! Nicht zuletzt bringen witzige Einfälle wie das Fotografieren skurriler Ereignisse oder das Verbessern der Lieblingswaffen frischen Wind in das Gangster-Drama. Allerdings erinnert Kazumas erster PS3-Auftritt grafisch und spielerisch zu deutlich an seine Ahnen. Die zahlreichen Zufallskämpfe, viele der Minispiele und nicht zuletzt die gewöhnungsbedürftigen Wachsfiguren: Der Ex-Yakuza schleppt viel Altlast durch die liebevoll gestalteten Kulissen. Trotzdem: Er ist der Protagonist eines erstklassig gefilmten Krimis und im Vergleich zu den vergangenen Kapiteln sogar als Charakter markanter. Bitte, Sega, lasst nicht locker - weder in Japan noch hierzulande. Kazuma ist trotz der inhaltlichen und technischen Macken eines eurer stärksten Asse!

Pro

packender Yakuza-Thriller
Minispiele, Bars, Sportarten, Karaoke, Extras-Suche und, und, und
behutsamer Einstieg
etliche optionale Missionen
aufwändige Filmszenen
Waffen modifizieren und reparieren
jederzeit Wahl zwischen Fäusten und drei Waffen
detaillierte Kulissen mit Shenmue-Flair
viele schräge und liebenswerte Charaktere
witziges Fotografieren für neue Fähigkeiten
umfangreiches Kampfsystem, fordernde Prügeleien
drei Schwierigkeitsgrade zu Beginn wählbar

Kontra

fast sämtliche Vorzüge bot bereits der Vorgänger
grafisch altbackene Charaktere
comichafte Figuren und Kämpfe statt realistische Darstellung
auffällige Kürzungen im Vergleich zur japanischen Original-Version
Steuerung wirkt gelegentlich zu altmodisch

Wertung

PlayStation3

Aufwändiger Yakuza-Thriller, der in einer riesigen Spielewiese erzählt wird - großes Kino mit technischen Macken und zuviel Altlasten.

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