Zen Pinball18.06.2009, Benjamin Schmädig
Zen Pinball

Im Test:

Was hat uns diese metallene Silberkugel damals Zeit gekostet! Wieder und wieder haben wir sie über den Tisch gekickt, durch Bahnen gejagt, an Kippschalter geschossen, in Löchern versenkt - bis wir uns in einer verrauchten Kneipe endlich auch mal an einen echten Flipper getraut haben. Dabei hatten die Geldvernichtungsmaschinen natürlich längst graue Haare, als Pac-Man das erste Mal Hunger bekam. Ich komme aber aus einer Generation, die das Spiel mit Glück und Geschick erst dank Pinball Dreams kennen lernte. Und obwohl ich nur schweren Herzens an einem realen Tisch vorbei gehen kann, investiere ich meine abgezählten Münzen deshalb lieber beim Spielekauf. Schade nur, dass es ganz selten richtig gute virtuelle Flipper gibt...

Vom DS zur High Definition

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Zen Studios daran versucht, glaubwürdiges Pinball-Flair auf einer Konsole zu erwecken. Genauer gesagt ist es gerade mal zwei Jahre her, dass die ungarischen Entwickler um virtuellen Münzeinwurf baten: 2007 erschien nicht nur das mäßige Flipper Critters für DS, sondern auch Pinball FX für Xbox Live Arcade. Trotz HD-Auflösung, Online-Spiel, Unterstützung der Live Vision-Kamera sowie glaubwürdiger Physik scheiterte allerdings auch Letzteres am sehr gewöhnlichen Design der Tische. Was man bei Zen damals scheinbar nicht verstanden hatte: Eine akkurate Physik ist beim Flippern nicht einmal die halbe Miete.

Video: Zen stellt seine neuen Flippertische vor.

Endlich, mein eigener Flipper!

Mit ihrem ersten PS3-Titel ist es deshalb an der Zeit, dass sie nicht nur das Verhalten von Gummi, Holz und Metall wirklichkeitsgetreu simulieren, sondern... und WIE wirklichkeitsgetreu sie es simulieren! Es ist nicht nur die Unvorhersehbarkeit, mit der die Kugel über das Spielfeld rollt. Es ist auch die Art, wie sie sich dreht. Die Art, wie die Wucht ihres Aufpralls jäh gebremst wird. Die Art und Weise, mit der das silberne Metall auf den mit Gummi überzogenen Hebeln gebremst wird. Man könnte in jedem Pub einen Spiegel hinter die Nische vor dem Klo stellen - die Bilder würden sich kaum von denen in Zen Pinball unterscheiden!

Dabei lag meine Stirn erst mal in Falten: "Dolby Digital"? In einem schnöden Flipperspiel? Haben die Entwickler da nicht in das unnötigste aller Enden investiert? Doch wer das Rattern der Slingshots hört, dem Klicken der Rollovers lauscht oder über das akustische Zusammentreffen von Metall auf Holz staunt, der weiß, warum Zen diesen Aufwand betreibt. Denn Zen Pinball sieht nicht nur umwerfend aus, es klingt auch außergewöhnlich gut! Gerade im Gegensatz zu Pinball FX spielt der PS3-Flipper in einer ganz anderen Liga. Und das gilt auch für den Umfang der Geräusche, die nicht nur zahlreicher sind, sondern endlich auch von einem Ansager unterstützt werden.           

Ungarische Zurückhaltung

Doch was kommt danach? Haben die Ungarn dazugelernt? Haben sie vielleicht geschaut, wie sehr die abwechslungsreiche Pro Pinball-Serie heute noch fesselt? Ich habe zum Vergleich einfach mal die grandiosen Big Race USA sowie Fantastic Journey hervorgekramt und sie genau wie Zen Pinball mit Gamepad gespielt... Um es auf den Punkt zu bringen: Die alten Pro Pinballs sind und bleiben mit Abstand die Meister aller virtuellen Flipper! Da gilt es ständig, wechselnde Ziele zu treffen, "nebenbei" baut man sein Spiel auf, indem man Multiplikatoren erspielt und immer wieder wechselt die Musik für eins der etlichen Minispiele. Bumper, Targets, Rampen, Löcher oder Spinner werden immer wieder anders genutzt, während verschiedene Stimmen das Geschehen witzig kommentieren. DAS sind moderne Flipper!

Und genau davon bleibt Zen Pinball weit entfernt. Die Zen-Simulation bleibt den Wurzeln ihres 360-Vorgängers leider viel zu treu und verlässt sich auf biedere Standards, anstatt eine Geschichte zu erzählen oder wenigstens spielerische Abwechslung zu bieten. Hier kündigt die immer gleiche Stimme die immer gleichen Ereignisse an, die Musik besteht aus genau einem monotonen Stück und selbst die visuelle Darstellung blinkt recht unauffällig auf dem Boden und der Matrix. Ihre hervorragende physikalische Grundlage wissen die Entwickler nur in wenigen Minispielen zu nutzen, wenn die Kugel auf einem vom restlichen Feld getrennten Mini-Spielfeld Ziele treffen muss. Für gewöhnlich kickt man das Silber aber ernüchternd unmotiviert über Bahnen oder in Löcher, ohne dass etwas Nennenswertes passiert.

Mit Wackelpad vor der Kamera

Zen bringt dabei vergleichsweise viele Hebel auf allen vier Flippern an;  der Schnitt dürfte bei etwas über vier pro Tisch liegen. Dadurch nimmt das Spiel immerhin einen Hauch an Fahrt auf, und im Vergleich zu Pinball FX gewinnt schon der Abschuss an Bedeutung, da man die Feder für einen Skillshot diesmal mit Gefühl spannen muss, anstatt die Kugel mit einem

Die vier Tische heben sich angenehm von ihren Pinball FX-Vorgängern ab, da Zen diesmal das exotische Abenteuer sucht...

Zahlreiche Bahnen führen euch in TESLA an Glühbirnen und Dampfmaschinen vorbei. Und wenn ihr Glück habt, schießt eine riesige Kanone euren Ball aus dem Aus zurück ins Spiel...

In EL DORADO geht's auf Schatzsuche. Wer mit mehreren Kugeln spielen will, kommt hier sehr schnell zum Multiball.

V12: Autos, Stoßdämpfer und qualmende Reifen. Geht aber zu Beginn gefühlvoll mit dem "Gasfuß" um - Skillshots sind besonders knifflig!

Magie und Hexenmeister in einer uralten Welt: Die drei Ureinwohner auf dem SHAMAN-Tisch blicken vielleicht Angst einflößend drein - lockern das Flippern aber mit witzigen Trommelwirbeln auf.einfachen Klick ins Feld zu befördern. Auch die Dynamik wurde verbessert, denn wo das Silber im 360-Titel gerne länger zwischen den Bumpern hängenblieb, kehrt es jetzt schneller ins Spiel zurück. Wo es mitunter fast unmöglich schien, den Ball zu verlieren, rollt er jetzt außerdem wesentlich schneller ins Aus - lässt sich dafür bei gedrücktem Hebel vielleicht etwas zu leicht stoppen. Und nicht zuletzt sind bereits in der Grundversion satte vier Tische enthalten - einer mehr als im Quasi-Vorgänger, drei mehr als im grandiosen Pro Pinball. Selbstverständlich weist einer der Menüpunkte zudem schon jetzt auf kommende Download-Inhalte hin...

Ja, Zen Pinball macht beim Drumherum viel richtig: Die Steuerung funktioniert einwandfrei, lässt sich über verschiedene Vorgaben an eigene Vorlieben anpassen und eine nach Pinball FX neue sechste Ansicht zeigt den gesamten Tisch aus einer übersichtlichen, fast senkrechten Perspektive. Weltweite Ranglisten krönen sowohl globale als auch wöchentliche Champions und wer im Online-Wettkampf darum flippert, möglichst schnell die vom Host vorgegebene Zielpunktzahl zu erreichen, darf sich per EyeToy-Kamera zu erkennen geben. Ein umfangreiches Menü erlaubt schließlich Einstellungen wie die Neigung des Tischs, während Sixaxis-Freunde wahlweise durch Anschubsen ihres Controllers am virtuellen Tisch rütteln dürfen - eine sinnvolle Idee für den Einsatz des "Wackelpads". Insgesamt ist Zen Pinball deshalb die komplettere, die schönere Simulation als ihr Ahne! Vielleicht baut Zen beim nächsten Mal dann endlich einen richtig guten Flipper...      

Fazit

Mehr als 15 Jahre ist es her, dass Digital Illusions' Pinball-Serie den virtuellen Flippertisch salonfähig gemacht hatte. Etwa zehn Jahr ist es her, dass Empire Interactives Pro Pinball das Synonym für fast reale Kneipenunterhaltung war. Schlägt jetzt die Stunde der Zen Studios, nachdem sie mit ihrer PS3-Simulation zum ersten Mal solides Flipperflair aufbauen? Doch dieses "solide" ist mit Vorsicht zu genießen! Spielerisch beschränkt sich Zen Pinball nämlich auf furchtbar rudimentäres Kugelschieben. Sowohl "Abwechslung" als auch "Spannung" schreibt man in Ungarn offenbar klein - sehr klein - genau das sind aber wichtige Grundpfeiler jedes Flippers! Hier fällt hingegen selbst das audiovisuelle Feedback ausgesprochen mager aus: Nur eine Stimme für vier Flipper sowie ein einziges Musikstück pro Tisch wären schon vor 15 Jahren zu wenig gewesen. Warum ich mich trotzdem immer wieder hinter die Schultertasten klemme? Weil die physikalische Wiedergabe des Flipperns nie glaubwürdiger war! Es sind die Physik und die Geräusche, mit denen Zen Pinball auftrumpft. Weil das Spiel anders als sein Vorgänger zumindest nicht langweilt und sich so wunderbar real anfühlt, habe ich den Kauf letztlich nicht bereut. Es ist nur schade, dass es trotz dieser ausgezeichneten Simulation auch weiterhin einfach zu wenig gute Flipper gibt.

Pro

hervorragende physikalische Simulation
ausgezeichnete Geräusche
paralleles Online-Spiel um schnelle Punkte
weltweite Ranglisten
übersichtliche oder actionreiche Perspektiven

Kontra

eintöniger Ablauf
jeweils nur ein Musikstück
die gleiche Stimme für alle Ansagen aller Flipper

Wertung

PlayStation3

Physikalisch hervorragende Simulation, die aufgrund der allzu gewöhnlichen Flippertische etwas untergeht.

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