Tales of Graces14.09.2012, Jens Bischoff
Tales of Graces

Im Test:

Auch wenn das Wii-Original bereits drei Jahre auf dem Buckel hat und Importfans schon längst dem zweiten Tales of Xillia entgegen fiebern, markiert die Veröffentlichung von Tales of Graces (ab 71,44€ bei kaufen) f das PS3-Debüt der beliebten Rollenspielsaga in Europa. Was hat die erweiterte HD-Neuauflage zu bieten?

Ende der Kindheit

Dem Anime-Look der Vorgänger bleibt auch Tales of Graces treu. Das hat den Vorteil, dass man die Wii-Herkunft grafisch gar nicht so sehr bemerkt, auch wenn manche Objekte und Kulissen doch deutlich an Details vermissen lassen. In Kombination mit der eher kindlichen Darstellungs- und Ausdrucksweise nicht nur während der Jugendphase fällt auch die Charakterbindung nicht gerade leicht.

Mit der Zeit wächst einem die bis auf sieben Köpfe anwachsende Kulleraugentruppe aber doch ans Herz. Nicht zuletzt dank der vielen amüsanten Gruppenplaudereien, die sich serientypischen überall auslösen lassen - sogar inklusive Sprachausgabe. Allerdings wurden auch dieses Mal nicht alle Dialoge vertont. Eine Option auf japanischen Originalton gibt es ebenfalls nicht.

Dafür machen die englischen Sprecher ihre Arbeit sehr überzeugend und auch an den deutschen Untertiteln gibt es bis auf ein paar kleine Stockfehler nichts auszusetzen. Figuren und Spielwelt harmonieren jedenfalls perfekt, während die gemeinsame Reise immer epischere Ausmaße annimmt. Spannung und Tragik eines Tales of the Abyss werden allerdings nicht erreicht.

Auf Entdeckungsreise

Abgesehen von Bootsfahrten o. ä. gehen die Spielabschnitte fließend ineinander über.
Abgesehen von Schiffspassagen o. ä. sind alle Spielabschnitte direkt miteinander verbunden.
Die einzelnen Schauplätze sind alle direkt miteinander verbunden. Das freie Reisen und Erkunden der Weltkarte, wie man es bisher kannte, ist passé. Eine Reihe praktischer Transportmittel gibt es trotzdem und auch Entdeckernaturen hat man nicht ganz vergessen. Die einzelnen Areale wie Städte, Wälder, Wüsten oder Dungeons sind zwar eher kompakt gehalten, aber dafür mit vielen Ecken und Winkeln versehen, deren Geheimnisse sich oft perspektivisch geschickt verbergen.

Zudem gibt es immer wieder kleine Rätseleinlagen bei denen gezielt Hindernisse verschoben, Schalter betätigt oder Objekte eingesetzt werden müssen, um weiterzukommen. Wer mal nicht weiß, wo er als nächstes hin muss, kann jederzeit einen Navigationshinweis aufrufen. Detaillierte Ortskarten gibt es aber keine.

Dafür kann man aber wieder jede Menge Bücher mit hilfreichen Informationen füllen. Neben Reisetagebuch, Quest-Journal und Monster-Enzyklopädie werden auch sämtliche Sehenswürdigkeiten, Beutestücke oder Kampftipps vermerkt.

Flotte Gefechte

Die flotten Echtzeitkämpfe für bis zu vier Spieler bieten viele Feinheiten.
Die flotten Echtzeitkämpfe für bis zu vier Spieler bieten viele Feinheiten.
Die Kämpfe laufen wie gewohnt in Echtzeit ab, wobei man immer nur einen der bis zu vier Akteure selbst dirigiert. Die anderen übernehmen Freunde oder KI. Wer gerade keine Mitstreiter zur Hand hat, kann das Verhalten seiner Gefährten individuell konfigurieren, jederzeit den Hauptakteur wechseln oder auch gezielte Anweisungen geben. Auch der Schwierigkeitsgrad lässt sich jederzeit anpassen. Wer will, kann sogar die komplette Kampfgruppe in KI-Obhut geben und nur sporadisch eingreifen. Gerade bei harmlosen Standardgegnern oder längeren Beutejagden eine sehr willkommene Option.

Andererseits kann man unliebsamen Gegnern trotz eingeschränkter Sichtweite auch meist problemlos ausweichen oder dringend benötigte Gegenstände selbst herstellen, wenn man die nötigen Zutaten besitzt. Ungemein praktisch ist hierbei die neue Mixer-Funktion, mit deren Hilfe man nicht nur seltene Objekte nebenbei duplizieren, sondern auch hilfreiche Zauberbücher anwenden und regenerative Speisen zubereiten kann - und das vollautomatisch mitten im Gefecht. Was wann gekocht wird, legt man ähnlich dem

Verheerende Spezialangriffe werden eindrucksvoll in Szene gesetzt.
Verheerende Spezialangriffe werden eindrucksvoll in Szene gesetzt.
Gambit-System aus Final Fantasy XII vorher fest.

Doch auch ohne immer flexibleren Schnellkochtopf sind die Auseinandersetzungen ungemein dynamisch und facettenreich. Man muss mit den Kräften haushalten, bedacht ausweichen, blocken und kontern. Angriffe verketten, Schwachpunkte ausnutzen, Energien sammeln. Man baut Abwehrauren auf, aktiviert Temposchübe, löst Spezialattacken aus. Man lernt ständig dazu, entdeckt neue Möglichkeiten und perfektioniert Gruppenzusammensetzung und -zusammenarbeit. Selbst nach Dutzenden Stunden Spielzeit erfährt das Aktionsrepertoire noch grundlegende Neuerungen, deren Einsatz nicht nur Zeit sparen, sondern auch Belohnungen einbringen kann.

Auf Status bedacht

Für bestimmte Leistungen erhält man Titel, aus denen man neue Fähigkeiten schöpfen kann.
Für bestimmte Leistungen erhält man Titel, aus denen man neue Fähigkeiten schöpfen kann.
Durch bestimmte Leistungen und Ereignisse verdient man sich auch wieder Titel, die man wie Waffen oder andere Ausrüstungsgegenstände anlegen, in ihnen schlummernde Fähigkeiten freisetzen, trainieren und dann titelunabhängig nutzen kann. Auch Charakterattribute und Resistenzen lassen sich so gezielt wechseln und steigern. Ob man dabei eher auf Vielfalt oder besondere Stärken setzt, steht einem völlig frei. Die ersten Fertigkeitsstufen sind jedenfalls schnell aktiviert, während die letzten, aber mächtigsten deutlich mehr Training benötigen.

Auch sonst genießt man viele Freiräume: Man kann nicht nur eine Vielzahl an Objekten herstellen und kombinieren, sondern ihnen auch noch individuelle Eigenschaften verpassen und diese durch regelmäßige Benutzung verbessern. Entsprechende Materialien kann man von Gegnern erbeuten, unterwegs finden oder in Geschäften kaufen. Letzteres wird sogar mit lokalen Treuestempeln belohnt, was in immer breiteren Warensortimenten resultiert, die man jederzeit landesweit einsehen kann.

Viel zu tun

Neben Szenen in Spielgrafik gibt es auch kurze Anime-Filme zu sehen.
Neben Szenen in Spielgrafik gibt es auch kurze Anime-Filme zu sehen.
Überhaupt gibt es abseits der von klassischen Motiven wie Freundschaft, Rache und Hoffnung geprägten Haupthandlung viel zu entdecken und zu tun. Kleine Sternchen markieren optionale Nebenquests, in Gasthöfen hängen Jobgesuche aus, es gibt eine Reihe von Minispielen wie Magna-Sammelkartenspiel oder Würfelwahn, in der Kampfarena kann man an verschiedenen Wettbewerben teilnehmen und übers Hauptmenü kann man sich an speziellen Ranglistenkämpfen versuchen.

Es gibt sogar eine Reihe ladbarer Zusatzinhalte wie alternative Outfits sowie Bonusgegenstände. Selbst Stufenaufstiege und Geldspritzen sind für Bezahlung zu haben. Von der 4,5 GB schweren Zwangsinstallation vor Spielbeginn kann man sich jedoch nicht freikaufen. Dafür bekommen PS3-Spieler gegenüber Wii-Importeuren ein sechs Monate nach Spielende angesiedeltes Bonuskapitel serviert, das nicht nur locker zehn Stunden

In den serientypischen Gruppenplaudereien kommt auch der Humor nicht zu kurz.
In den serientypischen Gruppengesprächen kommt auch der Humor nicht zu kurz.
zusätzliche Inhalte bringt, sondern auch mit die interessantesten Abschnitte und Dialoge bereit hält.

Extras wie einen fünften und sechsten Schwierigkeitsgrade, den skurrilen Bonus-Dungeon Zhonenkäfig oder eine New Game Plus-Funktion mit vielschichtigen Transfermöglichkeiten gab es hingegen auch schon auf Nintendos Konsole. Der Umfang kann sich aber auch so sehen lassen. Vor allem Tüftler und Sammler können unzählige Stunden in der Welt von Tales of Graces verbringen, bevor alle Aufgaben gemeistert und Belohnungen kassiert sind.

Fazit

Die hiesige PS3-Premiere der Tales-Saga bietet gewohnt hochwertige Rollenspielunterhaltung für zeichentrickbegeisterte Abenteurer. Der grafischen Inszenierung sieht man ihre Wii-Wurzeln zwar trotz HD-Kur an, dank Anime-Stil ist das aber nicht weiter tragisch. Auch die nicht nur während der kurzen Jugendzeit sehr kindliche Aufmachung dürfte nicht jedem gefallen - es sei denn, man wollte schon immer mal den jungen Captain Future während seiner Elvis-Phase verkörpern... Spielerisch und inhaltlich ist Tales of Graces jedoch über jeden Zweifel erhaben: Die einmal mehr mit bis zu drei Freunden bestreitbaren Echtzeitkämpfe bieten unzählige Facetten, der Spielverlauf jede Menge Freiheiten, die monumentale Geschichte über die Macht wahrer Freundschaft viele spannende, rührende und auch komische Momente. Das PS3-exklusive Bonuskapitel setzt atmosphärisch sogar noch eins drauf und stellt eine willkommene Bereicherung dar. Klasse Gesamtpaket!

Pro

gewaltiger Umfang
interessantes Szenario
facettenreiche Echtzeitkämpfe
zahlreiche Nebenbeschäftigungen
viele Individualisierungsmöglichkeiten
originelle Mixer-Funktion
vielfältige Hilfen & Enzyklopädien
Kämpfe auch kooperativ bestreitbar
PS3-exklusives Bonuskapitel

Kontra

angestaubte Technik
lückenhafte Sprachausgabe
eingeschränkte Kartenfunktion
4,5 GB schwere Zwangsinstallation

Wertung

PlayStation3

Monumentales Anime-Rollenspiel in gewohnter Tales-Qualität.

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