Erobern und freischalten
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Vom Norden in den Süden: New Marais lockt mit Kirchen und Plantagen - allerdings geht es nicht mehr in die Kanalisation. |
Trotzdem macht inFamous 2 auf der reinen Actionerkundungsebene Laune. Trotzdem erkundet man New Marais voller Neugier, wenn man seinen knisternden Pseudojetpack einsetzt: Einmal in der Luft, kann sich Cole quasi die Düse geben und eine Zeit lang fliegen, zwischendurch auf Leitung landen und Funken sprühend Gas geben - cool. Und das fiktive New Orleans punktet sehr schnell mit seinem spröden Charme zwischen Sümpfen und Rotlichtviertel, zwischen Barracken und Hochhäusern, zwischen Kirchen und Hinterhöfen. Zwar kann man keine Gebäude betreten, aber die Kulisse wurde sehr authentisch, abwechslungsreich und verschachtelt designt. Es gibt düstere Friedhöfe und riesige Baustellen, prächtige Villen und natürlich einen Hafen. Was macht man da? Vor allem Boote der Miliz abballern, während man an der Mole in Deckung hechtet. Aber Vorsicht: Cole kann nicht schwimmen!
Je nachdem wo man Aufträge erledigt, kann man wie im Vorgänger einzelne Stadtviertel befreien, so dass dort z.B. keine Miliz mehr ihr Unwesen treibt. Aber so richtig spürbar ist die Befreiung nicht und gerade hier erwartet man als Kenner des Vorgängers etwas mehr Auswirkungen. Leider wird das auch nicht mehr so wirkungsvoll inszeniert: Musste man im ersten Teil noch Licht in dunkle Viertel bringen, die danach regelrecht aufblühten, weil endlich Strom da war, vermisst man diese klaren optischen Konsequenzen, obwohl man auch hier für Power sorgen muss. Allerdings geht es dafür nicht mehr unter Tage - gerade die unterirdischen Ausflüge mit ihren akrobatischen Elementen vermisst man hier im Vergleich zum Vorgänger.
Man schaltet allerdings zwei weitere Bereiche der Stadt frei, die etwas größer ist als Empire City: Darunter ein überflutetes Areal sowie ein Industriegebiet. Das Problem der beiden späteren Stadtinsel ist jedoch ihre relativ flache Infrastruktur, denn Cole kann dort nicht mehr so elegant über den Stromleitungen und Häuserdächern gleiten (auch wenn er noch weitere luftige Fortbewegungen freischaltet) – man vermisst Ankerpunkte in der Vertikalen, obwohl das Spiel in den ersten Stunden noch an
Assassin's Creed erinnert. In einigen Situationen sind sich die beiden frappierend ähnlich - aber auch da kann man qualitativ nicht mithalten.
Der Elektro-Assassine
Im Gegensatz zu Empire City, das New York nachempfunden wurde, mutet diese Metropole mit all ihren Kirchen etwas europäischer, manchmal sogar fast mittelalterlich an. Aber wenn man die gotischen Kathedralen mit Cole erklimmt und dabei
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Cole gewinnt im Laufe des Spiels mächtige Fähigkeiten, um selbst kleine Trupps auszuheben. |
fast identische Stilelemente nutzt wie der Assassine, was Simse, Vorsprünge und Fenster betrifft, fühlt sich das hinsichtlich der Animationen und Inszenierung einfach nicht so elegant an. In den früheren Jump&Runs rund um
Sly Raccoon wirkten die Animationen wesentlich geschmeidiger. Und wenn man auf der Spitze eines Turms um sein Gleichgewicht tänzelt, kann man zwar wie ein Adler die Aussicht über die Sümpfe genießen, aber der Moment ist nicht wirklich erhaben. Dieses herrliche Gefühl der Panoramasicht, getragen von einer Melodie oder einer besonderen Haltung bietet inFamous 2 nicht an - obwohl es sich fast aufdrängt.
Vielleicht liegt das auch daran, dass einem auf dem Weg nach oben nix passieren kann: Man muss nur ganz selten eine gute Route suchen und kann nicht mehr tödlich stürzen – lediglich Wasser sorgt nach wie vor dafür, dass Cole gebrutzelt wird. Okay, klassischer Hals- und Beinbruch passt vielleicht nicht zu einem coolen Superhelden, aber das einfache und stupide Dauerklicken als Klettermethode ohne Gefahr im Nacken raubt dem Spiel gewisse Reize in der Vertikalen. Überhaupt hat Sucker Punch die Akrobatik eher vereinfacht und beschleunigt als kreativ weiter entwickelt. Jetzt kann man glimmende Rohre schon am Boden wie eine Art elektrischen Katapult nutzen, um sich in die Höhe zu schießen; das ist nicht schlecht, denn das bringt Dynamik, aber über den Dächern gibt es bis auf Milizen keine Gefahr oder gar Überraschungen. Natürlich gibt es immer noch die vielen Drahtseile, die wie ein Netz über der Stadt schweben, auf dem Cole Funken sprühend in hoher Geschwindigkeit gleiten kann.
Held mit Haftproblemen
Das macht auch richtig Laune, denn es sorgt für Tempo und wird ansehnlich inszeniert. Und wenn Cole aus großer Höhe abspringt, kann er eine elektrische Stampfattacke ausführen, die den Boden erzittern und Staub aufwirbeln lässt – das sieht richtig gut aus. Aber diese akrobatischen Elemente werden zu selten als Teil des Missionsdesigns eingesetzt, so dass das Jump’n Run-Flair nicht mehr so stark ist. Wo der Vorgänger noch mit kleinen Geschicklichkeitselementen für räumliche und inhaltliche Abwechslung sorgte, ist der Spielrhythmus hier etwas eintöniger und actionreicher.
Zudem bewegt sich Cole immer noch an Abgründen und Simsen, als würde er daran kleben; manchmal bekommt man ihn aufgrund der automatischen Haltsuche kaum davon weg, um z.B. eine Scherbe einzusammeln. Das ist in solchen Sammelsituationen verschmerzbar, aber wenn man über den Häuserdächern in einen Schusswechsel gerät und eigentlich mit einem Sprung fliehen will, aber dann plötzlich am Dach kleben bleibt und abgeschossen wird, ist das frustrierend – vor allem, wenn man sich gerade mitten in einem längeren Auftrag befindet, den man dann von vorne starten muss.