Yakuza: Dead Souls07.09.2011, Benjamin Schmädig
Yakuza: Dead Souls

Im Test:

Schluss, Aus, Finito. Der Kapitän hatte das sinkende Schiff längst verlassen, als er sagte "Wir hatten genug davon. Wir hatten alles aus der Serie rausgeholt, das möglich war." Der Kapitän, das ist Spieleschöpfer Toshihiro Nagoshi, das Schiff ist seine Yakuza-Serie. Und deren Holz war schon im Vorgänger ganz schön morsch. Trotzdem zwingt Sega den alten Kahn noch einmal zu einem letzten Törn. Yakuza: Of the End bricht unter der Regie eines neuen Entwicklerteams dabei nicht nur im übertragenen Sinne, sondern ganz buchstäblich zusammen: Of the End - hoffentlich!

Die enge offene Welt

Yakuza 4 und Yakuza: Of the End: Kann man überhaupt von einem Nachfolger sprechen? Wie in der Serientradition üblich findet Of the End ein Jahr nach den Ereignissen des vierten Teils statt. Wie üblich spielt die Handlung in Tokios fiktivem Stadtviertel Kamurocho. Und wie schon vor einem Jahr übernehmen gleich vier Protagonisten - Akyjama, Majima, Ryuji Goda (ja, tatsächlich) sowie Serientäter Kazuma - die wechselnde Hauptrolle. Dennoch: Es fehlt die fortlaufende Zahl im Titel. Vor allem aber fehlt die verspielte, im Ansatz aber glaubhafte Nachbildung der Wirklichkeit.

Hier treffen Welten aufeinander: Die eine war eine offene Welt, in der man neben einem packenden Gangsterkrimi so viele skurrile Geschichten, Flirts und kleine Spiele erlebte wie man Zeit hatte – und das gilt mit Einschränkungen auch für Yakuza: Of the End. Denn in dem noch nicht zerstörten Teil des Vergnügungsviertels Kamurocho darf man wie gehabt Karaoke singen, Darts werfen, Angeln oder zur Massage gehen. Die neue andere Welt ist allerdings ein von Zombies überrannter Teil Kamurochos - eine vom Militär gesperrte Zone, die man wie einen geradlinigen Shooter durchquert. Man nehme das aus den Vorgängern bekannte Kamurocho, ramponiere die Fassaden, entferne die Einwohner und versperre die Straßen so, dass der Spieler nur auf einem vorgegeben Weg zum markierten Ziel gelangt. So sieht der Anfang von "The End" aus.

Ballern statt Prügeln

Zunächst sind es nur wenige der bekannten Straßenzüge, in denen aus Menschen plötzlich Untote werden und wie stümpferhafte KI-Routinen auf ihre Mitbürger losgehen. Als derselbe Akiyama, mit dessen Geschichte schon Yakuza 4 begann, davon Wind bekommt, gibt es um ihn herum schon kaum noch Lebende. Also greift er zur Waffe, damit man die kommenden Stunden Dutzende Kilogramm Blei in verwesenden Körpern versenken möge. Das serientypische Prügeln mit verschiedenen Ganoven gibt es nicht mehr. Man schießt in abgeschlossenen Levels auf mythisches Gammelfleisch, anstatt nur hin und wieder Gangster zu vermöbeln. Mit einem Tritt verschafft man sich zwar auch diesmal Abstand von aufdringlichen Untoten, sonst kommt man ihnen aber besser nicht zu nahe.

Das Prinzip Ballern statt Prügeln funktioniert ähnlich wie man es aus japanischen Horrorspielen kennt: Man darf zwar schon im Laufen schießen, beim präzisen Zielen steht man starr aber am Fleck. Wenn die Entwickler schon nicht mit gutem Spieldesign Spannung erzeugen können, mag das ein probates Mittel zur Panikmache sein. Wer allerdings auf die depperte Idee kam, fürs Anvisieren einen anderen Analogstick als für die Kamerabewegung zu verwenden, der gehört schleunigst in die Gegenwart teleportiert!

Leider ist das sinnige Umschalten nur eines der Indizien für eine völlig veraltete Steuerung. Sobald man präzise zielen will, schwenkt die Kamera etwa von der ursprünglichen Blickrichtung dorthin, wohin die Spielfigur blickt.

Übrigens

Da die Serie in Japan Ryu ga Gotoku heißt und es für Of the End bislang weder einen englischen Titel noch einen Termin für Nordamerika oder Europa gibt, heißt das Spiel folgerichtig Ryu ga Gotoku: Of the End. Nur aufgrund der bislang konstanten Serientradtion haben wir den Zombie-Ableger bereits Yakuza: Of the End getauft. s kann deshalb passieren, dass man einen Feind im Blick hält, während man von ihm wegrennt - zieht man de Schultertaste zum Anvisieren, schaut man aber plötzlich in die entgegengesetzte Richtung. Also dreht man sich jedes Mal so Pi mal Daumen in Richtung des gewünschten Ziels, bevor man endlich schießt. Was nicht tragisch wäre, wenn die Figuren unmittelbar auf Eingaben reagieren würden. Tun sie aber nicht; die bewegen sich in der größten Hektik noch so behäbig wie Opa beim Pantoffelausziehen. Ausgeglichen wird die Starre vom automatischen Anvisieren eines untoten Kopfes, sobald man die Schultertaste zieht – und so steht man oftmals da und rotzt im rhythmischen Schulter-/Schusstaste-Beat ein paar Zombies weg. Zu allem Überfluss verlangsamt sich der Ablauf ab einer bestimmten Anzahl Zombies oder einem explosiven Feuerchen deutlich. Nein, das serientypische Prügeln war nie grandios. Aber es war um Klassen besser!

Spielzeuge

Wie viel Finesse will man auch erwarten? Tausende Verweste stürmen in schnurgeraden Linien auf Kazuma und Co. zu, nur wiederkehrende Ausnahmen mit besonderen Angriffsmustern verhalten sich clever: Skater, die flink Schüssen ausweichen oder solche Fleischfetzen, die sich offenbar an ihr Leben als Kampfkunstmeister erinnern. Auch im Kampf gegen die dicken Boss-Brocken entdeckt man unterhaltsame Ideen: Einem Golem muss man etwa aus einem Panzer heraus schützende Felsbrocken vom Leib knallen, bevor der Riese verletzbar ist. Left 4 Dead-Kenner runzeln allerdings die Stirn, wenn sich unter den normalen Angreifern ein Fettwanst befindet, der in der Nähe des Spielers explodiert oder wenn ein kreischendes Weib so lange Verstärkung ruft, bis man sie tötet...

Wenigstens Bossgegner fordern die Helden mit einfallsreichen Attacken heraus.
Wenigstens Bossgegner fordern die Helden mit einfallsreichen Attacken heraus.

Überhaupt schielt Sega recht unverhohlen zur Konkurrenz; schließlich darf man auch mit  Kettensäge oder Flammenwerfer gegen die Zombies vorgehen und sie in einem Bagger überrollen. Yakuza-typisch kann man außerdem Gegenstände wie Fahrräder oder Tische nach Gegnern werfen. Von einem "Jugend forscht"-Baukasten à la Dead Rising 2 ist Of the End jedoch weit entfernt! Wichtige Waffen findet man stets nur dort, wo sie ein Entwickler hingelegt hat. Entweder brät man die Zombies also immer in demselben Gang mit dem Flammenwerfer oder gar nicht.

Dynamische Duos

Richtig unterhaltsam sind in der Geradeaus-Action nur Spezialangriffe, für die man mit erfolgreichen Treffern Energie sammelt. Ist die Anzeige voll, werden bestimmte Objekte farblich markiert - dazu zählen Hydranten, Ventile von Gasrohren sowie der Klassiker: explosive Fässer. Auf Tastendruck versetzt man das Spiel in Zeitlupe, wählt das gewünschte Objekt aus und feuert. Drückt man im richtigen Moment noch eine kurz angezeigte Taste, segnen sämtliche Zombies in der Umgebung des Objekts das Zeitliche - sei es durch einen harten Wasserstrahl oder ein flächendeckendes Feuerchen. Tatsächlich ist es ungemein befriedigend, sich auf diese Art einer Übermacht zu entledigen.

Verschiedene Fähigkeiten erhält man dabei erst, nachdem man Erfahrungspunkte entsprechend verteilt hat. So kann man später mehr Gegenstände tragen, die Waffe hält beim Zielen den Kopf des Gegners länger automatisch im Fokus oder man darf zusätzliche Spezialangriffe ausführen. Nett – die Charakterentwicklung der Vorgänger war aber vielfältiger und merkwürdiger Weise erarbeitet man nicht für jeden der vier Protagonisten eigene Fähigkeiten, sondern verbessert mit jedem Stufenaufstieg die für alle gültigen Werte.

Viel zu selten spielt Of the End die filmischen Stärken eines Yakuza-Spiels aus.
Viel zu selten spielt Of the End die filmischen Stärken eines Yakuza-Spiels aus.
Manchmal zieht man zudem im Team in den Kampf. Ausgesprochen hilfreich sind die Mitstreiter nicht - hin und wieder halten sie aber durchaus den Rücken frei. Besonders hilfreich sind die Begleiter, weil auch sie Möglichkeiten für Spezialangriffe erzeugen, denn auf Knopfdruck werfen sie eine Hand voll Granaten über die Zombies, die man dann zur Explosion bringen kann.

Dabei waren Minispiele und Missionen bis zuletzt eine der großen Stärken der Serie. Ganze Tage konnte man sich in Kamurocho beim Bowlen, Kartenspielen oder Roulette, mit Tischtennis, Videospielen oder dem Flirt mit Hostessen vertreiben. Mit Dutzenden Tätigkeiten war das Vergnügungsviertel die umfangreichste offene Spielewiese, in der man sich austoben durfte - und das gilt auch für diese Episode. Wo man bisher allerdings jederzeit wählen durfte, ob man der Handlung folgt oder sich stundenlang um andere Ziele kümmert, nimmt die geradlinige Action in diesem Yakuza so viel Platz ein, dass die ruhigen Minuten im friedlichen Teil Kamurochos wie kurze Boxenstopps zwischen Zombieansturm und Bosskampf wirken. Früher prügelte man sich in kurzen Sequenzen mit kleinen und großen Ganoven, jetzt langweilt man sich entweder auf den friedlichen Straßen oder ist am Dauerballern in toten Gassen. Früher war Kamurocho eine spielerische Attraktion, jetzt fühlt es sich an wie ein interaktives Upgrade-Menü.

Vom Aussterben bedroht

Selbst die Anzahl der einst unterhaltsamen Nebenmissionen – vom Detektivspiel bis zum Rezepte-Ratgeber - haben sie auf überschaubare Zurück-ins-letzte-Level-Langweiler geschrumpft. Wozu soll man mit Passanten sprechen, wenn man kaum noch unterhaltsame Aufträge oder liebenswerte Chaoten findet? Einigen von ihnen begegnet man in den von Zombies überlaufenen Gebieten: Zwei Chaoten wollen etwa, dass man für sie als Darsteller in einem Zombiefilm agiert. Es gibt durchaus spaßige Seitenhiebe – der Charme des Erkundens und Kennenlernens ist aber verflogen.

Natürlich könnte man im noch nicht infizierten Teil des Vergnügungsviertels Stunden mit den bekannten Minispielen verbringen. Und solange man den unglücklichen Spielaufbau verdrängen kann, macht das nach wie vor Laune. Nicht zuletzt darf man erneut beim Waffenhändler nicht nur das Arsenal vergrößern, sondern auch die Werte vorhandener Waffen verbessern. Weil die martialischen Werkzeuge hier im Vordergrund stehen, kommt diesem Ausbau sogar eine größere Bedeutung zu - ein Besuch beim Dealer zahlt sich unbedingt aus.

Auch vom Steuer eines Baggers aus darf man Zombies überrollen. die Experimentierfreude eines Dead Rising 2 sucht man aber vergebens.
Auch vom Steuer eines Baggers aus darf man Zombies überrollen. die Experimentierfreude eines Dead Rising 2 sucht man aber vergebens.
Irgendwann klopft aber die erzählerische Realität an und fragt: Wozu sich in dem Vergnügungsviertel austoben, wenn es ohnehin Stück für Stück von den Verwesenden übernommen wird? Neue Minispiele sucht man ohnehin vergebens. Der Dynamik des Actionspiels tut es ja gut, dass das Militär seine provisorischen Barrikaden nach und nach versetzen muss, weil die Zombies in immer mehr Straßen vordringen. Als durchdachte offene Welt funktioniert Kamurocho aber nicht, obwohl sie auf dem Papier vorhanden ist.

Der lange Abschied?

Wo die Untoten hinkommen, bringen sie Zerstörung mit: Das Vergnügungsviertel ist bald kaum noch wiederzuerkennen. Wo erst das bunte Leben tobt, stehen bald Ruinen, Schutt und Wracks. Hat die Dekonstruktion etwa Methode? Könnte Of the End ein Abgesang auf die Yakuza-Serie sein? Ein endgültiger Abschied von dem längst überstrapazierten Schauplatz? Das langsame Voranschreiten der Seuche könnte es hervorragend verdeutlichen.

Man hätte es allerdings stilvoller inszenieren müssen. Akiyamas Geschichte hätte in einem heilen Kamurocho beginnen sollen, bevor es vom Tod heimgesucht wird. Stattdessen startet man ohne Umschweife im Zombie-Tutorial und vermisst auch nachher einen stimmungsvollen erzählerischen Aufbau. Die eindimensionale Handlung lässt zu wünschen übrig, Kamera- und Regiearbeit fangen nie den Charme  billiger Horrorfilme ein, unter die sich Of the End so schamlos und zum Glück nicht ganz humorlos reiht. Gute Charakterdarstellungen, sonst die Stärke der Yakuza-Filmszenen, sucht man über weite Strecken vergebens. Nur in seltenen Kameraeinstellungen blitzt die handwerkliche Eleganz der Filmspielserie durch. Meist begnügt sich das Spiel mit einer Aneinanderreihung von gerade notwendigen Handlungsfäden. Nein, so sieht kein Abgesang aus. So buchstabiert man "bemühtes Ausschlachten". Schade, dass diese Generation Yakuza so zuende geht - hoffentlich gelingt mit dem fünften Teil endlich der bereits angekündigte Neuanfang!

Fazit

Yakuza: Of the End müffelt gewaltig und es liegt nicht an den Untoten, die sich in Hundertschaften durchs Bild schleppen. Eine gemeinsame Charakterentwicklung mit wenigen Fähigkeiten für vier Protagonisten, beinahe durchgehend bekannte Kulissen, von denen einige lediglich ramponiert wurden und eine schnurgerade Geschichte ohne Atempausen für Charakterzeichnungen: Das stinkt nach müder Durchreiche. Dabei erfüllt der hoffentlich letzte Abstecher in das angestaubte Kamurocho auf dem Papier alle Bedingungen eines unterhaltsamen Spektakels: Zu hunderten stürzen sich Zombies vor die Flinte, mit gewaltigen Spezialangriffen gibt man ihnen den Rest. Im Gammelfleisch-freien Tokio freut man sich hingegen über etliche Minispiele und genießt die spielerische Leichtigkeit des lebendigen Vergnügungsviertels. Von dem gewonnenen Geld umwirbt man junge Damen, kauft neue Waffen und verbessert alte - das motiviert wie man es kennt. Die Einbahnstraßen-Action nimmt aber so viel Platz ein, dass sich die offene Welt nie wie eine anfühlt. Wenn man sich in infizierten Gebieten wenigstens frei bewegen und ähnlich wie in Capcoms Zombieserie experimentieren könnte... Es ist die unpassende Art und Weise, mit der das neue Entwickler-Team bewährte Elemente und unausgegorene neue zusammenbringt, die dem Spiel so viel Schaden zufügt. Die sich ständig ausbreitende Zombieplage verleiht dem Szenario zwar eine greifbare Tiefe - der Wechsel vom offenen Prügler zum fast schnurgeraden Shooter war aber nicht nur in Anbetracht der verkrampften Steuerung eine leidlich gute Idee. Mit viel gutem Willen könnte man Yakuza: Of the End als gelungenen Rausschmeißer aus einer halben Dekade Kamurocho ansehen. Am Ende überwiegt allerdings die Wehmut, mit der man sich in die Hochzeit der Serie zurück und den dringend benötigtend Neuanfang herbei sehnt.

Pro

fortschreitender Zombiebefall verändert Stadtbild
brachiale Spezialangriffe
Partner begleiten manche Missionen
viele optionale Beschäftigungen
Waffen kaufen und verbessern

Kontra

ungeschicktes Verbinden von offener Welt und Geradeaus-Action
kaum Abwechslung, wenig spielerische Freiheiten
denkbar unhandliche, altmodische Steuerung
eine Charakterentwicklung für alle Figuren
stets geradlinige Action statt einfallsreicher Nebenmissionen
keine neuen Minispiele o.ä.
Wiederverwenden längst bekannter Kulissen
Handlung für ein Yakuza-Spiel sehr eindimensional

Wertung

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